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Was sonst noch so anzumerken wäre!
Danke für deine Rückmeldung - du sprichst einige wichtige Punkte an, auch wenn ich nicht alle Schlussfolgerungen teile.

Dass der johanneische Prolog (Johannes 1,1 ff.) nicht bloß eine fromme Paraphrase früherer Texte ist, sondern eine theologisch eigenständige und bewusst komponierte Aussage, sehe ich genauso. Auch die Frage, ob hier ältere Vorstellungen "ersetzt" oder "überschrieben" werden, wird in der Forschung diskutiert - Stichwort: Relecture, also das bewusste Neu- und Umdeuten bestehender Traditionen. Johannes schafft sicherlich eine neue theologische Perspektive, aber nicht notwendig im Sinne eines radikalen Bruchs, sondern oft auch in Form kreativer Transformation

Was den Vorwurf des "Polytheismus" betrifft: Das ist aus historischer Sicht ein schwieriger Begriff. Der Prolog spricht davon, dass das Wort "bei Gott war" (pros ton theon) und "Gott war das Wort" (theos ēn ho logos). Diese Formulierung ist bewusst paradox und hat theologisch viel Stoff für Diskussionen geliefert - gerade weil sie das Verhältnis von Gott und Wort (später: Vater und Sohn) in einer Weise beschreibt, die nicht in ein einfaches monotheistisches Schema passt, aber auch nicht in einen simplen Polytheismus. Die späteren Konzilien (z.B. Nicäa 325) rangen genau mit dieser Spannung - und versuchten, sie systematisch zu fassen

Dass der Text im Kontext des antiken Judentums und Hellenismus entstand - und sich dabei in einem Spannungsfeld zwischen Monotheismus, personifizierten Eigenschaften Gottes (z.B. Weisheit, Wort, Geist) und philosophischen Begriffen bewegt - ist kein "Fehler", sondern ein Hinweis auf die theologische Tiefe des Textes. Wenn du sagst, der Autor habe kein Problem mit "polytheistischen Vorstellungen" gehabt, dann müsste man zumindest klären, was du damit meinst: mehrere Götter im klassischen Sinne? Oder ein differenzierteres, relationales Gottesverständnis, das verschiedene "Hypostasen" oder Weisen der göttlichen Selbstmitteilung zulässt?

Auch wenn du an die göttliche Inspiration des Textes nicht glaubst, bleibt doch bemerkenswert, wie intensiv dieser Text über Jahrhunderte hinweg ausgelegt wurde - gerade weil er sich einfachen Dogmatisierungen entzieht. Die Herausforderung besteht m.E. nicht darin, ihn "in eine einheitliche Theologie zu quetschen", sondern darin, die Spannung des Textes auszuhalten - als eine Art theologische Grenzerfahrung
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RE: Was sonst noch so anzumerken wäre! - von Sinai - 05-08-2025, 13:25

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