(26-08-2025, 20:30)Thomas der Ungläubige schrieb: Sam Harris behauptet in seinem Buch "Moral Landscapes", dass man das menschliche Wohlbefinden prinzipiell neurologisch messen kann und damit eine objektive Zielgröße hat, um moralische Fragen mit den Mitteln der Naturwissenschaften zu lösen. Er überschreitet damit die Grenzen dessen, was Naturwissenschaften leisten können, und vollzieht damit auf typische Weise den Schritt von einem wissenschaftlich denkenden Menschen zu einem Wissenschaftsgläubigen (=Szientist).
Außerdem stellt er die Nichtexistenz des freien Willens als wissenschaftliche Tatsache dar und nicht als etwas an das man glauben muss. Diese Denkweise (oder besser: Glaubensform) bezeichne ich ebenfalls als typisch szientistisch.
Okay, wie ich sehe, hast du dich mit Sam Harris befasst und bist eben zu dem Schluss gekommen, dass er ein Szientist ist. Diese Ansicht teile ich zwar nicht, kann sie aber akzeptieren.
Da ich mich selber lange Zeit in diesem "Spiritualität ohne Gott" Umfeld bewegt habe, fällt mir noch ein anderer Autor ein, der dir eventuell gefallen könnte. Ein weniger bekannter Herr namens Jed McKenna, wobei das ein Pseudonym ist und niemand seinen echten Namen kennt. McKenna geht allerdings vielleicht ins andere Extrem, denn ihn könnte man als wissenschafts-feindlich bezeichnen. Allerdings sind seine Bücher einzigartig, humorvoll und einfach inspirierend, um über das Universum nachzudenken.
Im Fokus steht bei ihm nämlich die Feststellung, dass es keinen Weg und keine Methode gibt, die Wirklichkeit wirklich zu definieren. Ich kann das jetzt nur auf Englisch zitieren, da ich seine Bücher im Original lese:
"Whereever we turn in this house of mirrors, it all reflects back so bendy and distorted that no matter how hard we focus or how well we think, we can never make it make sense. We assume that the mirrors are reflecting something real and if we could just get steady, get right in our own heads, the images would stop wobbling around and snap into focus. But we can never see things as they actually are, because nothing is as it actually is, and no amount of steely thought or silent mind can make something of nothing".
Die Wissenschaft ist aus seiner Sicht ebenfalls ein Glaubenssystem, weil auch sie die Wirklichkeit nicht objektiv erkennen und definieren kann.
Im Grunde bringt McKenna nur auf den Punkt, was eigentlich jeder schon weiß: Wir wissen eigentlich gar nichts! Aber die Art, wie er es tut, ist sehr unterhaltsam und hat mich über viele Jahre hinweg bei meiner Wahrheitssuche begleitet.
(26-08-2025, 13:54)petronius schrieb: ... und selbstverständlich "ist das subjektive Erleben alles, was wir haben", so ganz primär. denn was denn auch sonst und wie?
aber wir können das subjektive erleben intersubjektiv abgleichen, und uns so der objektivität annähern.
... und das leistet die Wissenschaft. Nur leider ist annähernde Objektivität immer noch keine echte Objektivität und wir wissen immer noch nicht, was denn nun in diesem Universum wirklich vor sich geht. Egal, wie viel wir wissen, es kann immer sein, dass uns eine ganz entscheidende und fundamentale Information fehlt, wie zum Beispiel dass wir einfach nur gezüchtete Gehirne in einem Alien-Superlabor im Andromedanebel oder nichts weiter als programmierte Charaktere in einer KI-generierten Mega-Simulation sind. Natürlich ist das eher unwahrscheinlich, aber so gibt es auch noch beliebig viele andere unwahrscheinliche Möglichkeiten, von denen eine dann eben doch wahr sein könnte. Und somit gilt: All unser wissenschaftliches Wissen könnte völlig obsolet sein, weil uns irgendeine fundamental wichtige Information einfach fehlt.

