Die zweite Chance - Eine Dokumentation zur Bibel

[Ulan]

Solche "Dokus" wirken wirklich nur bei Leuten, die sich in der Bibel nicht auskennen. Die erkennen gar nicht, dass die Bibel dazu hoechstens ein paar Stichworte beigesteuert hat, die dann ueber die Jahrtausende fantasievoll ausgeschmueckt und umgeformt wurden. Da kommen dann solche Fantasy-Filme heraus.

Auch in dieser Aussage ist ein wahrer Kern, aber du treibst es wie Petronius zu weit damit. Es stimmt, dass sich nicht alles, was in der Doku gesagt wird 1:1 so in der Bibel findet. Vieles füllt gewisse Lücken aus. Aber in den meisten Fällen ist es doch so, dass man das Gesagte dennoch indirekt aus der Bibel ableiten kann.

Ich treibe es eben nicht zu weit, da man die Entwicklung der Theologie, die dieses Video breit tritt, ueber die Jahrtausende verfolgen kann. Welcher Text welchen Punkt zu diesem Gebilde beigetragen hat, kann man im Detail nachvollziehen, und die meisten dieser Schriften sind eben keine Bibeltexte. Schon alleine die Entwicklung der Figuren Luzifers, Satans, etc. und schliesslich deren Gleichsetzung, dann noch weitergetrieben der Bezug auf geschichtliche Figuren wie Nebukadnezar oder halt auch diesen Unsinn mit dem "Zischer", den Sinai hier penetrant wiederholt, sind Entwicklungen, die eben solche Jahrtausende gebraucht haben und zum Teil neuzeitlicher Natur sind.

Ein Beispiel: In der Doku wird gesagt, dass Luzifer es leicht hatte, mit seinen Lügen eine große Anzahl an Engeln zu verführen, weil diese Engel noch nie zuvor eine Lüge gehört hatten. Mir ist nicht bekannt, dass das so in der Bibel steht, aber es ergibt sich einfach daraus, dass der Himmel vor Luzifers Rebellion ein absolut reiner Ort war. Und da Lügen eine Unreinheit darstellen, hat es diese vor Luzifers Eingreifen dort nicht gegeben.

Das ist reine Apologetik. Wo steht denn, dass der Himmel vor dem Fall Luzifers ein absolut reiner Ort war? Das wird einfach so angenommen. Und solche Erklaerungen, wie, dass die Engel angeblich keine Luegen kannten, sind einfach Erfindungen, um Nachfragen von Glaeubigen zu befriedigen. Hier bestimmen Glaubens-Axiome die Textinterpretation. 

So stimmt es zwar, dass ein paar solcher Stellen in der Doku "nicht wirklich biblisch" sind, aber sie sind eben auch nicht wirklich unbiblisch. Sie ergeben sich, wenn man die Bibel im Gesamtzusammenhang betrachtet. Dennoch sollte man natürlich möglichst wenig spekulieren. Ich denke, dass sich die Autoren der Doku hier die künstlerische Freiheit genommen haben, das eine oder andere spekulativ zu ergänzen, dabei aber immer möglichst nahe am biblischen Gesamtkontext geblieben sind.

Hier wird nicht die Bibel vorgestellt, sondern eben Jahrtausende von fantasievoller Hermeneutik. Die Erkenntnis, dass das Christentum einfach ein sehr lang gesponnenes "Garn" darstellt, ist mit ein Grund dafuer, warum ich es einfach nicht mehr als Lehre ernst nehmen kann. Was bleibt, ist Kulturgeschichte.