29-11-2007, 13:00
Ahriman schrieb:Nein, durchaus nicht. Wenigstens die "richtigen" Christen, die man vor allem in den USA findet. Die Kreationisten sagen: "Wenn die Wissenschaft nicht mit der Bibel übereinstimmt, ist die Wissenschaft falsch." Das ist nicht nur 19. Jahrhundert, das ist Mittelalter.
Ach ja, ich habe kürzlich in einem Forum einen erlebt, der glaubte allen Ernstes, daß die Erde flach ist, eine Scheibe, und daß sie vier Ecken hat. So steht es nämlich in der Bibel.
So,so...
schön das du neuerdings bestimmst wer wirklicher, richtiger Christ ist. Ich werde dann absofort dich im Credo, als denjenigen nennen, der die Lebenden und die Toten richtet!
Übrigens halte ich von solcherlei, unsinnigen Thesen wie dem Kreationismus recht wenig, und mit Theologie hat solcherlei Gewäsch auch nichts zutun.
Was indessen das Thema Vernunft und Glauben, Wissenschaft und Glauben angeht, möchte ich auf einen vormaligen Beitrag von mir verweisen (er ist ein bisschen anspruchsvoller):
"In Punkto christlichen Glauben bedeutet dies folgendes:
I. Es gibt keinen Widerspruch von Vernunft und Glaube.
II. Es gibt keinen wirklichen Widerspruch von Naturwissenschaft und Glaube.
Zu I. möchte ich gleich zu Beginn auf ein wichtiges offizielles Lehrschreiben hinweisen, die Enzyklika Fides et ratio.
Zitat aus dem 2. Kapitel "Credo, ut intellegam"¹ (Ich glaube, damit ich verstehen kann):
"Es ist kein Zufall, daß der heilige Verfasser den weisen Menschen, den er beschreiben möchte, als denjenigen darstellt, der die Wahrheit liebt und nach ihr sucht: »Wohl dem Menschen, der nachsinnt über die Weisheit, der sich bemüht um Einsicht, der seinen Sinn richtet auf ihre Wege und auf ihre Pfade achtet, der ihr nachgeht wie ein Späher und an ihren Eingängen lauert, der durch ihre Fenster schaut und an ihren Türen horcht, der sich bei ihrem Haus niederläßt und seine Zeltstricke an ihrer Mauer befestigt, der neben ihr sein Zelt aufstellt und so eine gute Wohnung hat, der sein Nest in ihr Laub baut und in ihren Zweigen die Nacht verbringt, der sich in ihrem Schatten vor der Hitze verbirgt und im Schutz ihres Hauses wohnt« (Sir 14, 20-27). Wie man sieht, ist für den inspirierten Verfasser der sehnliche Wunsch nach Erkenntnis ein Wesensmerkmal, das alle Menschen vereint. Dank des Denkvermögens ist allen, Glaubenden wie Nichtglaubenden, die Möglichkeit gegeben, »zu schöpfen im tiefen Wasser« der Erkenntnis (vgl. Spr 20, 5).
[... Die] Welt der Bibel [hat] in das große Meer der Erkenntnislehre ihren originellen Beitrag einfließen lassen. Wie sieht dieser Beitrag aus? Die Besonderheit, die den Bibeltext auszeichnet, besteht in der Überzeugung, daß zwischen der Vernunft- und der Glaubenserkenntnis eine tiefe, untrennbare Einheit besteht.
[...] Es gibt also keinen Grund für das Bestehen irgendeines Konkurrenzkampfes zwischen Vernunft und Glaube: sie wohnen einander inne, und beide haben ihren je eigenen Raum zu ihrer Verwirklichung. Wieder ist es das Buch der Sprichwörter, das uns mit dem Ausruf in diese Richtung weist: »Gottes Ehre ist es, eine Sache zu verhüllen, des Königs Ehre ist es, eine Sache zu erforschen« (Spr 25, 2). Gott und der Mensch sind in ihrer jeweiligen Welt in eine einzigartige Wechselbeziehung gestellt. In Gott hat alles seinen Ursprung, in ihm sammelt sich die Fülle des Geheimnisses, und das macht seine Ehre aus; dem Menschen fällt die Aufgabe zu, mit seiner Vernunft nach der Wahrheit zu forschen, und darin besteht sein Adel.
Dieses bedeutende philosophisch-theologische Werk macht in seinem ganzen Umfang grundlegend deutlich, dass Glaube, gemeint ist der christliche, und die menschliche Vernunft einander nicht nur nicht widersprechen, sondern einen tiefen inneren Zusammenhang haben.
Zwei Überlegungen machen dies bseonders deutlich, wie oben geannte Zitate zeigen.
1. Die Vernunft ist eine Gabe und Fähigkeit des Menschen, die jedem zukommt, gleich welcher Überzeugung er ist, und das jene sich immer und notwendig an den Prinzipen einer Wahrheit orientieren, die notwendig zum Sein alles Seinenden gehört. Das bedeutet, das egal ob man nicht-glaubt, besonders aber wenn man glaubt, das Licht der Vernunft oberstes Mittel der menschlichen Erkenntnis ist.
2. Im Falle des Glaubens ist sie (die Vernunft) dann in besonderer Weise als geschaffene und gottgewollte Gabe Teil des proprium humanums und somit notwendig im Einklang mit dem Gottesglauben. Denn geht man im christlichen Glauben notwendig von einer Geschaffenheit alles Seienden aus, so auch notwendig von der Vernunft des Menschen. Ein Widerspruch zwischen Glauben an einen Gott der die Vernunft schafft, sie aber im Widerspruch zu seinem Sein (Gott) setzt, wäre nicht nur anachronistisch, sondern unvernünftig. Daraus folgt, dass es keinen Widerspruch geben kann.
Zu II. möchte ich aus obigen Zitat vor allem einen Satz heraus greifen:
"und beide (Glaube und Vernunft) haben ihren je eigenen Raum zu ihrer Verwirklichung."
Dieser Satz markiert meines Erachtens den entscheidenden Sachverhalt für Glaube und Vernunft. Beide haben, obwohl kein Widerspruch zwischen ihnen besteht, doch ihre je eigene praktische Verwirklichung. Die praktische Verwirklichung des Glaubens ist der religöse Kult in der Gemeinschaft, die der Vernunft ist die Wissenschaft an der empirisch erfahrbaren Natur und den geistig erkennbaren Ideen.
Und das wichtigste ist, dass jede ihre eigne wissenschaftliche Methode hat, die aber nur eine Facette der Wirklichkeit erleuchtet. In diesem Sinne kann z.B. das Gravitationsgesetz oder die Quantenphysik unmöglich etwas über das innere Ziel der kosmologischen Ordnung bzw. die des Menschen aussagen, ebenso wenig wie die Theologie über die thermodynamische Veränderung von Molekularenstrukturen. Daher ergeben sich nur dort Widersprüchen zwischen Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft, Vernunft und Glaube, wo die jeweils eigene Methode bzw. der "eigene Raum" unrechtmäißg überschritten wird."
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¹ credo, ut intellegam [lateinisch ›ich glaube, damit ich verstehen kann‹], von Anselm von Canterbury in Anknüpfung an Augustinus geprägter Satz, besagt, dass die Vernunft das Mittel zur Auslegung von Glaubenswahrheiten und der Glaube die Quelle der durch Denken gewonnenen Einsichten ist.
Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum.
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)