27-01-2008, 15:14
Ekkard schrieb:Was mir (einmal mehr) auffällt: "Die Bösen" werden gequält, gedemütigt und schließlich vernichtet, und "die Gläubigen" werden Teil des Gottesreiches. Wie wir wissen, ist das alles ziemlicher Mist und hat mit der ambivalenten Lebenssituation so gut wie nichts zu tun. Natürlich empfinde ich Hass, wenn mich jemand beklaut oder Schlimmeres. Aber diese Gefühle muss ich nicht auch noch religiös übermauern!Ja, so ähnlich sehe ich das ja eben auch. Wer die Gefühle oder Empfindungen der Menschen nicht in "gute" und "böse" einteilt, sondern dem Rechnung trägt, dass "Wut", gar "Hass" die Kehrseite von einer positiven Energie, die verletzt wurde, sein kann - dann kommt man zu ganz anderen Ergebnissen. Man muss untersuchen, wo diese Energie verletzt, gebremst wurde, um herauszufinden, warum sie in Destruktivität umschlug. Nur so können wir doch "heilen".
Ich will nicht leugnen, dass ich vielleicht ein anderes Menschenbild hätte, wenn ich in der Nazizeit gelebt hätte, oder wenn ich persönlich hätte mit ansehen müssen, wie ein Mensch einen anderen foltert. Vielleicht wäre da alles in mir kaputt gegangen, was jetzt meinen Halt ausmacht: dass destruktive Energien nur entstehen, wenn die menschliche Energie als Ganzes verletzt, unterdrückt wurde. Dennoch gelingt es mir nicht, dem Menschen als "angeboren böse" wahrzunehmen, der auf jeden Fall "verloren" wäre, wenn nicht da irgendeine Lichtgestalt alle "Schuld" auf sich genommen hätte.
Dieses Denken ist so verquer, zementiert so sehr das Menscheinbild von angeborener Lasterhaftigkeit oder Sündenhaftigkeit, dass ich die Wände hochgehen könnte. Das Schlimme ist ja, dass dieses "Menschenbild" bis heute so attraktiv ist, immer wieder neu Menschen überzeugt.
Zitat:Danke Karla für deine Fleißarbeit!Eigentlich bin ich immer auf der Suche nach GEMEINSAMKEITEN zwischen dem, wie ich selber Leben, Welt, Mensch usw. wahrnehme und deute, und den Religionen bzw. wie religiöse Menschen Leben, Welt, Mensch usw. warhnehmen und deuten.
Ich bilde mir manchmal ein, dass das nur unterschiedliche Sprachen, Ausdrucksweisen sind, und dass ich manche christlich gefärbte Sprache einfach für mich übersetzen kann, und dann sind es die gleichen Grunderkenntnisse, die eben nur verschieden ausgedrückt werden.
Bei manchen christlichen Autoren gelingt mir das auch, und ich meine da sicher zu sein, dass da eine gemeinsame Grunderkenntnis vorliegt.
Ein Schlag ins Kontor ist dann aber jeweils, wenn auf bestimmte in dieser Religion tradierte Überzeugungen beharrt wird, wozu im extremen Fall das "Gottesgericht" gehört.
Da ist es dann für mich selber eine große Erleichterung, zu sehen, wann dieser Gedanke entstanden ist und dass er nicht einmal originär zum Christentum gehören MUSS.
Zitat:Sie zeigt sehr deutlich wie diese Religionen funktionieren.Ja. Das ist mir, als ich mich gestern mit diesem Aufsatz beschäftigt habe, auch sehr klar geworden, obwohl ich ohnehin schon meine massiven Zweifel habe, ob eine Religion ohne das "Festtackern" von Grundüberzeugungen, die man zu haben habe, damit man "in Ordnung" ist, auskommen kann.
Zitat:Ich wäre froh, wenn man solche "Polarisierungen" überwinden könnte (auch in der aktuellen Religionsausübung).Aber wie, Ekkard? In der Bibel finden wir dafür keine Anleitungen. Sie sagt das Gegenteil. Das Einzige, was mir einleuchten würde - und was mir ein Theologiestudent mal explizit hergeleitet hat -, ist, dass das Christentum gar keine schriftliche Religion IST. Dass ihr Wesen gar nicht auf der SCHRIFTLICHEN Überlieferung beruht. Es war ein Protestant, der mir das erklärte, aber ich habe das noch nicht wirklich durchdacht. Zum Glück habe ich seine Erklärung schriftlich.
Wenn es das Wesen des Religiösen wäre, dass es sich entwickeln darf, sich verändern darf, statt dass es vorschreibt, was für richtig angesehen zu werden hat und was nicht, dann wäre manches leichter.
Aber kann das Christentum auf die Sätze "Du musst Christus annehmen" oder "Jesus hat dein Vorbild zu sein" verzichten?
