31-01-2008, 14:18
Shalom WiTaimre,
... zwischen der Art der "persönlichen Verzeihung" (also sich "neben den Täter setzen und sich in ihn hineinfühlen - wollen -) und der allgemeinen, gesellschaftlichen Anwendung liegen Unterschiede. Kein Baha`i (und vielleicht auch sicherlich keine Buddhisten) würde sich in Israel damit zfurieden geben, sich in die Problematiken der Hamas "einzudenken" - um anschliessend eine Katjuscha-Rakete auf`s Haupt geschossen zu bekommen. Toleranz schliesst nicht ein, gesammtgesellschaftlich Missstände "durch das hineinfühlen" lösen zu wollen:
Toleranz
Abgeleitet von lat. Tolerare (zu tolous „Last", meint Toleranz das Ertragen einer physi-
schen, psychischen oder geistigen Last. Toleranz üben heißt demnach die Beanspruchung,
die eine fremde Lebensform oder Weltanschauung für die eigene Übezeugung bedeutet, ertra-
gen zu können.
Heute erstreckt sich das Verständnis von Toleranz vom privaten (akzeptanz individueller Le-
bensformen, uz.B. hinsichtlich Kleidermoden, sexueller Neigungen), über den gesellschaftli-
chen (wechselseitige Toleranz von einzelnen Gruppen unterschiedlicher weltanschaulicher
Überzeugung), den religiösen (gleichwertige Koexistenz der Religionen) bis in den politi-
schen Bereich. Im Rahmen freiheitlicher-demokratischer Ordnung ist Toleranz nicht nur im
Sinne einer Duldung abweichender Auffassungen zu verstehen, etwa darin begründet, daß
persönliche Einstellungen und das Gewissen äußerem Zugriff grundsätzlich entzogen sind;
vielmehr ist sie in Verbindung mit den allgemeinen Menschenrechten Teil der Verantwortung
des Staates geworden.
In der menschlichen Kommunikation ist Toleranz eine Vor- und Grundbedingung freier
vernünftiger Auseinandersetzung zw. konkurrierenden Wahrheits- und Geltungsansprüchen
von Erkenntnissen und Normen.
Die Unverzichtbarkeit von Toleranz wird vornehmlich damit begründet, daß kein Mensch im
Vollbesitz der Wahrheit sei, Wahrheitsfindung sich vielmehr als ein historischer Prozeß
vollziehe; bei universalem Wahrheitsanspruch (z.B. einer Religion) ist Toleranz in der Ach-
tung vor der abweichenden Überzeugung begründet.
Toleranz in ethischer und politischer Bedeutung
In Staat und Gesellschaft hat die Toleranz eine doppelte Schutzfunktion: sie schützt zum
einen das allgemein geltende gesellschaftliche und politische Normen- und Wertesystem vor
Infragestellung und Auflösung, wobei Wahrheitsansprüche, Werte und Traditionen einzel-
ner wie von Gruppen toleriert, d.h. hingenommen werden: zum anderen hat sie die Funktion,
Andersdenkenden und -lebenden vor Repressionen, Diskriminierung, vor psych. und
phys. Angriffen Schutz zu gewähren.. Toleranz ermöglicht somit Humanität und schafft die
Voraussetzung für ein friedliches Austragen von Konflikten.
Toleranz kann aber nicht als Ideologie des Status quo gemeint sein (Herbert Marcuse)
Vielmehr fordert gerade die ursprüngliche Heterogenität von Überzeugungen, Anschauungen,
Traditionen miteinander lebender und kommunizierender Menschen dazu auf, diese wahrzu-
nehmen, sie anzuerkennen, in den Dialog zu treten und dabei auch nach gemeinsamen Wert-
orientierungen als Basis der gemeinsamen Lebenspraxis zu fragen. Toleranz setzt, anknüpfend
an die Aufklärung, auf der Seite des Staates die Trennung des Politischen von Religion und
Weltanschauungsfragen sowie eine Bindung an die allgemeinen Menschenrechte und die Ver-
fassung voraus.
Auf der Seite des Individuums im Verhältnis zu Staat und Gesellschaft ist eine Anerkennung
und Wahrung der Prinzipien, Normen und Regeln des freiheitlichen Staates gefordert, selbst,
wenn, bezogen auf die Mehrheit, abweichende politische und weltanschaul. Grundsätze ver-
treten werden. Diese Rahmenbedingungen friedlichen Zusammenlebens setzen die Grenzen
von Toleranz dort, wo Überzeugungen und Lebensformen mit Gewalt auf einzelne, auf gesell-
schaftliche Gruppen oder polit. Gemeinschaften einwirken (z.B. jede Form des Radikalismus,
Rassismus u.a.) Eine pluralistische Gesellschaft ist ohne Toleranz nicht funktionsfähig.
(Brockhaus).
Voltaire, einer der wohl berühmtesten Anwälte der Toleranz, sagte einmal zu einem Kontra-
henten, „Ich bin zwar ganz und gar nicht ihrer Meinung, aber ich würde dafür sterben,
daß sie ihre Meinung sagen können."
Unter dem Deckmäntelchen der Toleranz macht sich in unserer Gesellschaft allerdings auch
viel Gleichgültigkeit breit. Diese Gleichgültigkeit, die alles beliebig erscheinen lasse, mache
schon jeden verdächtig, der einen festen Standpunkt vertrete.
Das Finden eines persönlichen Standpunktes ist die Voraussetzung dafür, seine eigene Sicht
der Dinge in der Auseinandersetzung mit anderen wieder zu relativieren. Nur aus einem sol-
chen Selbstbewußtsein heraus könnten die Menschen für Fremdes offen werden und auf die
Schutzmauer der Voruteile verzichten.
Um zur Toleranz- und damit zum Lernen aus Erfahrung fähig zu werden, braucht der
Mensch das Vorbild in der Erziehung, die Begegnung mit dem Fremden und die Erfahrung
der persönlichen Krise. Gerade die persönliche Krise und ihre Bewältigung, zwingen Men-
schen dazu, Neues zu wagen und Altes zu überdenken.
Hamburg, den 12.06.2003 Datei: tolerbro.doc Seite: 1 -Zusammenstellung aus dem Vertiefungsbereich zur Toleranz-
Uns Baha`i geht`s da genauso wie den Christen, die nach dem Wort Jesu "...die andere Backe hinhalten soll(t)en." Das ist eine erstmal persönliche Entscheidung, die aber nicht als gesamtgesellschaftlichen Konsens gewertet werden kann - sonst hätten wir nämlich bald eine Welt voll von Mördern und Vergewaltigern - sie bekommen ihre Taten ja "verziehen"...
... zwischen der Art der "persönlichen Verzeihung" (also sich "neben den Täter setzen und sich in ihn hineinfühlen - wollen -) und der allgemeinen, gesellschaftlichen Anwendung liegen Unterschiede. Kein Baha`i (und vielleicht auch sicherlich keine Buddhisten) würde sich in Israel damit zfurieden geben, sich in die Problematiken der Hamas "einzudenken" - um anschliessend eine Katjuscha-Rakete auf`s Haupt geschossen zu bekommen. Toleranz schliesst nicht ein, gesammtgesellschaftlich Missstände "durch das hineinfühlen" lösen zu wollen:
Toleranz
Abgeleitet von lat. Tolerare (zu tolous „Last", meint Toleranz das Ertragen einer physi-
schen, psychischen oder geistigen Last. Toleranz üben heißt demnach die Beanspruchung,
die eine fremde Lebensform oder Weltanschauung für die eigene Übezeugung bedeutet, ertra-
gen zu können.
Heute erstreckt sich das Verständnis von Toleranz vom privaten (akzeptanz individueller Le-
bensformen, uz.B. hinsichtlich Kleidermoden, sexueller Neigungen), über den gesellschaftli-
chen (wechselseitige Toleranz von einzelnen Gruppen unterschiedlicher weltanschaulicher
Überzeugung), den religiösen (gleichwertige Koexistenz der Religionen) bis in den politi-
schen Bereich. Im Rahmen freiheitlicher-demokratischer Ordnung ist Toleranz nicht nur im
Sinne einer Duldung abweichender Auffassungen zu verstehen, etwa darin begründet, daß
persönliche Einstellungen und das Gewissen äußerem Zugriff grundsätzlich entzogen sind;
vielmehr ist sie in Verbindung mit den allgemeinen Menschenrechten Teil der Verantwortung
des Staates geworden.
In der menschlichen Kommunikation ist Toleranz eine Vor- und Grundbedingung freier
vernünftiger Auseinandersetzung zw. konkurrierenden Wahrheits- und Geltungsansprüchen
von Erkenntnissen und Normen.
Die Unverzichtbarkeit von Toleranz wird vornehmlich damit begründet, daß kein Mensch im
Vollbesitz der Wahrheit sei, Wahrheitsfindung sich vielmehr als ein historischer Prozeß
vollziehe; bei universalem Wahrheitsanspruch (z.B. einer Religion) ist Toleranz in der Ach-
tung vor der abweichenden Überzeugung begründet.
Toleranz in ethischer und politischer Bedeutung
In Staat und Gesellschaft hat die Toleranz eine doppelte Schutzfunktion: sie schützt zum
einen das allgemein geltende gesellschaftliche und politische Normen- und Wertesystem vor
Infragestellung und Auflösung, wobei Wahrheitsansprüche, Werte und Traditionen einzel-
ner wie von Gruppen toleriert, d.h. hingenommen werden: zum anderen hat sie die Funktion,
Andersdenkenden und -lebenden vor Repressionen, Diskriminierung, vor psych. und
phys. Angriffen Schutz zu gewähren.. Toleranz ermöglicht somit Humanität und schafft die
Voraussetzung für ein friedliches Austragen von Konflikten.
Toleranz kann aber nicht als Ideologie des Status quo gemeint sein (Herbert Marcuse)
Vielmehr fordert gerade die ursprüngliche Heterogenität von Überzeugungen, Anschauungen,
Traditionen miteinander lebender und kommunizierender Menschen dazu auf, diese wahrzu-
nehmen, sie anzuerkennen, in den Dialog zu treten und dabei auch nach gemeinsamen Wert-
orientierungen als Basis der gemeinsamen Lebenspraxis zu fragen. Toleranz setzt, anknüpfend
an die Aufklärung, auf der Seite des Staates die Trennung des Politischen von Religion und
Weltanschauungsfragen sowie eine Bindung an die allgemeinen Menschenrechte und die Ver-
fassung voraus.
Auf der Seite des Individuums im Verhältnis zu Staat und Gesellschaft ist eine Anerkennung
und Wahrung der Prinzipien, Normen und Regeln des freiheitlichen Staates gefordert, selbst,
wenn, bezogen auf die Mehrheit, abweichende politische und weltanschaul. Grundsätze ver-
treten werden. Diese Rahmenbedingungen friedlichen Zusammenlebens setzen die Grenzen
von Toleranz dort, wo Überzeugungen und Lebensformen mit Gewalt auf einzelne, auf gesell-
schaftliche Gruppen oder polit. Gemeinschaften einwirken (z.B. jede Form des Radikalismus,
Rassismus u.a.) Eine pluralistische Gesellschaft ist ohne Toleranz nicht funktionsfähig.
(Brockhaus).
Voltaire, einer der wohl berühmtesten Anwälte der Toleranz, sagte einmal zu einem Kontra-
henten, „Ich bin zwar ganz und gar nicht ihrer Meinung, aber ich würde dafür sterben,
daß sie ihre Meinung sagen können."
Unter dem Deckmäntelchen der Toleranz macht sich in unserer Gesellschaft allerdings auch
viel Gleichgültigkeit breit. Diese Gleichgültigkeit, die alles beliebig erscheinen lasse, mache
schon jeden verdächtig, der einen festen Standpunkt vertrete.
Das Finden eines persönlichen Standpunktes ist die Voraussetzung dafür, seine eigene Sicht
der Dinge in der Auseinandersetzung mit anderen wieder zu relativieren. Nur aus einem sol-
chen Selbstbewußtsein heraus könnten die Menschen für Fremdes offen werden und auf die
Schutzmauer der Voruteile verzichten.
Um zur Toleranz- und damit zum Lernen aus Erfahrung fähig zu werden, braucht der
Mensch das Vorbild in der Erziehung, die Begegnung mit dem Fremden und die Erfahrung
der persönlichen Krise. Gerade die persönliche Krise und ihre Bewältigung, zwingen Men-
schen dazu, Neues zu wagen und Altes zu überdenken.
Hamburg, den 12.06.2003 Datei: tolerbro.doc Seite: 1 -Zusammenstellung aus dem Vertiefungsbereich zur Toleranz-
Uns Baha`i geht`s da genauso wie den Christen, die nach dem Wort Jesu "...die andere Backe hinhalten soll(t)en." Das ist eine erstmal persönliche Entscheidung, die aber nicht als gesamtgesellschaftlichen Konsens gewertet werden kann - sonst hätten wir nämlich bald eine Welt voll von Mördern und Vergewaltigern - sie bekommen ihre Taten ja "verziehen"...
