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Fragen zum Tanach
#10
Um das Thema nochmal aufzugreifen, noch ein paar Bemerkungen:
es sind im Thanakh 3 Gruppierunen der Texte innerhalb der juedischen Lehrtradition, wie gesagt: die "eigentliche Thorah", 5 Buecher Moses, die "Propheten" und die "Schriften". Das Unterteilen einer Sammlung Texte ist als solches nicht von heils-bestimmender Wichtigkeit, meine ich. Uns ist es am wichtigsten, dass das "Gesetz", nach dem wir vertrauensvoll leben koennen, aus den 5 Buechern Moses her ableitbar ist. Alles andere sind sozusagen Beilagen einer Akte zu jenem einmaligen Vorgang, dass G0TT mit Volk Israel in Vollversammlung einen Bund schloss, in den alle Nachkommen dieser Versammlung mit einbezogen sind, und Nachkommen gibt es bis heute.
Die anderen Hl.Texte sind doch im Zeitraum von ca.1000 Jahren zusammengekommen und blieben uns wichtig, um die ersten Texte der Hl.Thorah zu umgrenzen und zu erhellen, es gab gewiss eine Fuelle weiterer Texte, muendlich und schriftlich, die je zu ihrer Zeit dem selben Zweck dienten, aber nicht so dauerhaft mit tradiert wurden.
In diesem Sinne kann man nicht von einer "Verschiebung" innerhalb eines Kanons Heiliger Texte etwas ableiten, weil sie nicht zugleich entstanden sind. Es wuerde als solche erst empfunden, wenn eins der 5 Buecher Moses etwa unter "ferner liefen" beiseite gestellt wuerden - oder Teile daraus abgezweigt wuerden als "Fruehe Geschichte der Vor-Israeliten". Diese Thorah ist halt wie sie ist und war, als wir in die Verbannung nach Babylon mussten. Selbst ein gefundenes aelteres Exemplar, wenn es anders arrangiert waere, koennte das nicht mehr beeinflussen, dass fuer uns Juden diese Thorah zur Identitaet unserer selbst gehoert, wie sie da ist. Seit Koenig Joshaphat haben wir peinlich-genau drauf aufgepasst.
Zu dieser "Text-Rettung" gehoete eine Volksmission vor jener Verbannung, und eine "Propheten-Schule", welche die Abschriften ueberwachte und die Lesbarkeit absicherte. Daraus entwickelte sich ein permanentes Konzil in der Verbannungszeit, also eine Art Lehraufsicht unserer selbst. Aus der bestimmt sich, was auf Juedisch mit "Propheten-Schriften" (Newiim = Ueberbringer, nicht Hellseher) bezeichnet ist. Koenig David rechnen wir dazu, weil auch er ein Lehr-Oberhaupt war, der es vom Propheten Samuel bekam und es an die Prophetenschule in Schilo unter dem Propheten Abija weiter-ermaechtigte, die Aufsicht zu fuehren. (Das wird so ueberliefert in einer Mischna, und eine andere Hl.Schrift als diese haben wir eben nicht gehabt).
Es ging nicht etwa an seinen begabten weisen Sohn Salomo weiter - der war damals auch zu jung, um schon soviel zu wissen - es benoetigt physisch Zeit, all das zu lernen. Es gibt Lerninhalte, die nicht vor anderen begriffen werden koennen, die man vorher kennen und eine Zeitlang praktiziert haben muss.
Sehr viel spaeter kommt das Christentum, nutzt auch die selben Schriften, einige kannten die Lehre genauer, jemand wie Paulus war Student unseres grossen Lehrhaus-Patriarchen Gamaliel. Kurz danach waren Christen mehrheitlich aber keine Juden mehr vorher gewesen, und als diese zusammenstellten, welche Texte ihnen heiligste Relevanz haben, kamen die griechisch-juedischen Texte dieser Art schon als benutzte Sammlung zusammen ueber, und hinzu natuerlich auch die Schriftzeugnisse ihrer zentralen Ereignisse, das NT.
Insofern auch sie das Ganze manchmal in eine feste Reihenfolge bringen und auch grob gruppieren wollten, hatten sie dann Buecher, die nicht genauso auch in Hebraeisch kursierten, weil sie Episoden dazwischen hatten, die eben nie in Hebraeisch geschrieben waren. Darunter sind Texte, die von einem ropheten Daniel in Babylonischem Exil Erstaunliches berichten, auch im Buch Esther, und ganze solche Buecher, die damals wichtig wurden, als der Aegypter-Koenig wissen wollte, wie weise es einen macht, zu dieser oder jener Konfession zu gehoeren.
Er bekam das insgesamt auf Griechisch praesentiert, mit Silberschrift auf kostbarstem Pergament - ein solches Exemplar war fuer einen Heiden und als Inhalts-Uebersetzung passabel, hoeflich und eine Information, aber nicht kultustauglich fuer ein juedisches Gebet mit Studium, einfach weil wir das nicht haetten tun duerfen, solch ein kultus-taugliches Original einem Wissbegierigen zu ueberlassen, der daraus nur was wissen will.
Es hat bei uns den Rang - wie soll ich es erklaeren? - eines Haendedrucks von Unserm G0TT persoenlich, denn uns ist klar, Wessen Stimme wir beim Lernen dabei zu erlauschen gelernt haben, so als lese ER es ueber unsere Schulter schauend mit, damit wir drueber mit IHM vertraut reden. Dieser ehrenwerte und achtenswerte heidnische Koenig Aegyptens sammelte aber doch einfach nur Buecher und wollte nicht einer dieser Konfessionen etwa selbst beitreten, er war Teil seiner eignen Religion.

Das, was in den Buechern auf Hebraeisch von Daniel erzaehlt wird, ist fuer uns schon total interessant, weil er die Sabbath-Schriftlesung und die Zusammenkuenfte zum Thorah-Lernen in Synagogen erfand oder zumindest inspirierte, nachdem er bemerkt hatte, dass das nicht nur von ehemals passierten Ereignissen erzaehlende Chroniken sind - diese 5 Buecher Thorah und die Buecher bis zu seiner Zeit, die von Volk Israels Geschichte berichten, sondern dass da etwas drinstand, was uns klarmachte, dass diese Verbannung eine zeitlich vorhersagbare Beziehung dazu hatte, dass wir bestimmte Gebote entsprechend oft nicht beachtet hatten. Das kennzeichnet eben nicht eine uebernatuerliche Eingebung im Sinne von Prophetismus, sondern die Faehigkeit des normalen Nachdenkens ueber die Bemessung von Unterlassungen zur Suehne dafuer und analog zur Suende ist die Busse - das fiel ihm auf: man hatte das Sabbathjahr nicht gehalten - da laesst man Land "ausruhen" und gewinnt ihm nicht maximal moegliche Ernten ab - eben so viele Jahre wuerde nun dies Land uns verwehrt, sagte er. Und das traf denn auch genau genug zu, wir konnten durch Ereignisse, ueber die wir selbst keine Macht hatten, dann wieder heimkehren.
Warum sollte es uns also wichtig sein, ob dieser Daniel noch im Fall der Frau Susanna einen Prozess zum guten Ergebnis leitete, ob er die Schlange des Koenigs kaputt machte oder ob er in Visionen etwas ueber wechselnde Reiche sah?
Er hatte uns etwas gegeben, das bis heute die juedische Religion praegt und pflegt: die Sabbath-Versammlung und das Text-Lernen.
Diese weiteren Geschichten ueber ihn kursierten halt auch und waren fuer des Aegypter-Koenigs Anfrage, wie weise unser Glaube uns machen kann, relevant - zum Thorah-Lernen braechten sie uns wenig hinzu, meine ich.
Der Koenig v.Aegypten und allgemein die Hellenen definieren Propheten - wie das griech.Wort ja besagt, als "etwas zukuenftig Geschehendes Vorher-Sehende". So wurde in den griechischen und dann christlichen Bibeln "dieser" Daniel beachtet und einsortiert unter den Schriften, welche dem griech."Vorher-Seher" entsprachen, sie sind auch etwas mit "Witz", was einen Heiden auf dessen Irrtuemer aufmerksam machen konnte (wie kann ein Exemplar Schlange als G0tt aufgefasst werden - gibt man ihr was Falsches zu fressen und es krepiert - war das dann schon der ganze G0tt? - da stehen z.B.solche fuer Hellenen sehr reizvollen Episoden.
Man empfand es wohl schon damals als mehr nebensaechlich, anderen in ihre Religion hinein zu kritisieren, sowas ist nicht typisch fuer das Juedische an uns, man schrieb und erzaehlte einander das nicht auf Hebraeisch oder Aramaeisch.
Mag sein, Daniel hatte auch diese Seite, als Person, er wurde ja alt und erlebte sehr viel - er wurde als Junge verschleppt in eine ganz andere Welt als die unsere. Verstehst Du? Der Adressat dieser Episoden waren nicht wir, Volk Israel.
Es ist z.B.anders als im Buch Jona, den wir als Propheten sehn und die Bezeichnung "Vorher-Seher" trifft auch zu - dabei geht das Augenmerk aber auf andere Partien desselben kleinen Buches.
So geht es dauernd und im ganzen Alten Testament immer wieder. Unser Augenmerk in Texten, die wir ganz gemeinsam haben, geht auch immer noch auf andere Einzelheiten. Damit ist nicht ausgesagt, das eine dieser Sichten mehr irrt als die andere. Das koennen wir heute nicht beurteilen.

Die betreffenden Autoren selber "schiebt" man dabei doch nicht, und es ist nicht "degradierender", ein Schreiber zu sein, als wenn man ein Prophet ist.
In Aegypten war das von altersher einfach dreierlei Schulung, ob Schreiber, ob Prophet (und Schreiber) oder ob Kultusdiener die Opfer darbringen und Zeremonien durchfuehren.
Die "Propheten" also hatten ihre Hochschule in On (Heliopolis) auf der asiatischen Nilseite noerdlich - und eine Priestertums-Hochschule weit suedlich davon in Nob (Theben) sowie noch eine auf der Africaseite des Nils gegenüber von On in Moph (Memphis)
Schreiber und Hieroglyphen-Maler waren noch etwas Drittes, eine uralte Gemeinschaft mit sehr vielen staatstragenden Aufgaben. Es gab dann zwar manchmal Gerangel zwischen den Schulen und Interessen-Gebieten, aber keine war mehr "wertig" als die andere - und das schon seit mehrtausend Jahren.
Die *Ptah-Schule zu On war von Israel her kommend am naechsten. Die in Memphis gegenueber stellten sich ihren *Ptach aber ganz anders vor als die in Heliopolis!
Kann sein, dass der biblische Josef Jakobs Sohn dort eingeheiratet hatte. Nur wir Spaeteren muessten uns an so einen Gedanken erstmal gewoehnen, das liegt an der historischen Entwicklung und den zweierlei Blickwinkeln.

Kommt nun ein dritter Blickwinkel dazu, wie der, einem Judentum hier irgendetwas "anlasten" zu wollen, etwa, dass es "verdiente Leute herabgestuft habe und heimlich Texte verschob" - innerhalb eines sonst beibehaltenen Gesamtgutes an Texten
- verstehst Du, was fuer ein anachronistischer Unsinn das waere ("falschen Zeiten Kriterien entnehmend und andern Zeiten anzumessen" wie vergleichbar eine Frage waere, warum Moses keine Armbanduhr trug, denn nun koennen sich Amische keine anschaffen, da es nicht in der Bibel erwaehnt wurde - oder warum Abraham nicht einfach ein Auto nahm und bei Hunger mit Sara und den Kindern mal eben zum Shopping nach Libanon fuhr)?

mfG WiT :)
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Nachrichten in diesem Thema
Fragen zum Tanach - von Mustafa - 22-03-2008, 23:23
RE: Fragen zum Tanach - von WiTaimre - 31-03-2008, 21:49
Die hebräische Bibel wird auch Tanach genannt - von nadia - 16-07-2008, 20:13
RE: Fragen zum Tanach - von Mustafa - 03-04-2008, 20:29
RE: Fragen zum Tanach - von Fritz7 - 04-04-2008, 08:11
RE: Fragen zum Tanach - von Mustafa - 04-04-2008, 15:50
RE: Fragen zum Tanach - von Mustafa - 16-07-2008, 20:32
RE: Fragen zum Tanach - von nadia - 16-07-2008, 20:51
RE: Fragen zum Tanach - von Fritz7 - 17-07-2008, 08:56
RE: Fragen zum Tanach - von WiTaimre - 18-08-2008, 23:08
RE: Fragen zum Tanach - von Jakow - 22-08-2008, 10:24
RE: Fragen zum Tanach - von Fritz7 - 22-08-2008, 19:15
RE: Fragen zum Tanach - von Jakow - 25-08-2008, 09:41
RE: Fragen zum Tanach - von Fritz7 - 25-08-2008, 10:17
RE: Fragen zum Tanach - von Mustafa - 25-08-2008, 13:56
RE: Fragen zum Tanach - von Fritz7 - 25-08-2008, 14:19
RE: Fragen zum Tanach - von Mustafa - 25-08-2008, 19:20
RE: Fragen zum Tanach - von Fritz7 - 26-08-2008, 10:38
RE: Fragen zum Tanach - von Jakow - 26-08-2008, 09:25
RE: Fragen zum Tanach - von Mustafa - 26-08-2008, 14:41
RE: Fragen zum Tanach - von WiTaimre - 02-09-2008, 06:56
RE: Fragen zum Tanach - von jam - 11-02-2009, 12:02
RE: Fragen zum Tanach - von WiTaimre - 13-02-2009, 04:49
RE: Fragen zum Tanach - von jam - 15-02-2009, 17:50

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