28-09-2008, 10:39
Trage uns ein in das Buch des Lebens
Am Rosch haShana soll der Mensch seinen Sinn auf das Gebet richten, hauptsächlich auf G'ttes Herrschaft und auf Anliegen der Gemeinschaft, mehr als auf persönliche Bitten. Man wendet sich an den Richter der Welt, um Freispruch für die ganze Menschheit zu erhalten, man bittet um Weltfrieden und um Offenbarung des g'ttlichen Königreiches, für all Seine Geschöpfe. Jeder einzelne auf der Welt möge anerkennen, dass es G'tt ist, der ihn erschaffen hat, jeder Erdenbürger soll verstehen, dass Er es ist, der ihn gebildet hat, und alles, was Atem hat in seinem Antlitz, spreche: G'tt, G'tt Jisraels ist König, und Seine Regierung waltet über alles. Dieser Gedanke steht im Vordergrund des Gebetes für den Tag des Gerichts, an dem alle Erdenbürger vor Ihm vorüberziehen wie Schafe vor ihrem Hirten, damit Er sie richte, sei es zum Leben oder zum Tode.
Wenn ein Mensch weiss, dass der Tag gekommen ist, an dem er sich vor dem Hohen Gericht verantworten muss für alle seine Taten, kann er sich nicht einzig und allein für seine eigenen Anliegen einsetzen. Sogar wenn er sicher ist, dass er selbst freigesprochen wird, kann er sich nicht ausschliesslich für sich selbst verwenden. Er wird sich bewusst, dass das Schicksal der ganzen Welt auf dem Spiel steht. Wird die Menschheit bestraft oder begnadigt werden? Darum bittet jeder um Erbarmen, sowohl für sich selbst als auch für die gesamte Menschheit, damit alle in das Buch des guten Lebens eingetragen werden. So möge Er, der das Leben jedes Menschen bestimmt, die Wünsche aller erfüllen und an nichts mangeln lassen. So sagen unsere Weisen: »Der, der das Leben gibt, sorgt auch für Lebensunterhalt.«
Gebete für die »JAMIM NORA'IM« - die Hohen Feiertage Die Gebete, mit denen sich das Volk Jisrael an Rosch haShana und Jom Kippur an G'tt wendet, unterscheiden sich grundlegend von den Gebeten anderer Feiertage. Viele Einschaltungen werden hinzugefügt. Sowohl die charakteristischen Melodien, als auch die Anzahl der Segenssprüche sind voll und ganz der Würde und der Bedeutung dieser Tage angepasst.
Das Hauptgebet - die Amida - enthält an gewöhnlichen Wochentagen 18:beziehungsweise 19 Segenssprüche, an Schabbatot und an anderen Feiertagen sieben: die ersten und die letzten drei Berachot wie üblich. Die vierte Beracha ist der »KEDUSCHAT HAJOM« - der Heiligkeit des Tages angepasst. Am Schabbat endet sie mit »MEKADESCH HASCHABBAT - der den Schabbattag heiligt« und an Feiertagen mit »MEKADESCH JISRAEL WEHASEMANIM - der das Volk Jisrael und die Feiertage heiligt.«
Die Gebete der drei »REGALIM« - der drei Wallfahrtsfeste sind identisch, es wird nur jeweils der Name des Festes speziell erwähnt. Auch wird im Mussafgebet bei der vierten Beracha das entsprechende Opfer des Tages erwähnt. Am Rosch haShana jedoch gibt es zahlreiche Änderungen:
1. In den zwei ersten und den zwei letzten Segenssprüchen werden vier Einschaltungen hinzugefügt:
a) »SOCHRENU LACHAJIM... - gedenke unser zum Leben....«
b) »MI CHAMOCHA... - wer ist wie Du....«
c) »UCHETOW... - schreibe uns ein zum Leben....«
d) »BESEFER CHAJIM... - in das Buch des Lebens....«
Diese Einschaltungen werden während der »ASSERET JEMEJ TESCHUWA - der 10 Busstage« bis zu NE'ILA - dem Schlussgebet an Jom Kippur - gesagt. (Beim NE'ILAGEBET erfolgt eine zusätzliche Änderung: statt »KETIWA - Einschreiben« wird »CHATIMA - Besiegeln« gesagt.)
2. Der dritte Segensspruch schliesst mit: »HAMELECH HAKADOSCH - der heilige König« statt »HAKE! HAKADOSCH - der heilige G'tt.« Diese Änderung gilt ebenfalls für alle zehn Busstage.
3. Dem dritten Segensspruch: »ATA KADOSCH - Du bist heilig...« werden Bittgebete hinzugefügt. Diese beinhalten: Offenbarung der g'ttlichen Herrschaft auf der ganzen Erde, Wiederherstellung der Ehre des auserwählten Volkes Jisrael und derer, die G'tt dienen, die Freude der Gerechten und der Jubel Jerusalems, das Verschwinden der Frevelherrschaft auf Erden und der Hoffnung auf das Erscheinen des messianischen Lichtes. Diese Einschaltungen werden auch in der dritten Beracha am Jom Kippur hinzugefügt, jedoch nicht in der »AMIDA« zwischen Rosch haShana und Jom Kippur.
4. Während der anderen Feiertage werden in der vierten Beracha, KEDUSCHAT HAJOM - der Heiligkeit des Tages, der jeweilige Feiertag und das Volk Jisrael erwähnt. Am Rosch haShana jedoch, sowie auch am Jom Kippur bittet man, es möge doch die g'ttliche Herrschaft sich wieder auf Erden verbreiten, über das Volk Jisrael sowie über alle Völker des Erdballes.
5. In den meisten sefardischen Gemeinden, aber auch in vielen aschkenasischen, schaltet man vor der Schemone Essre - dem Achtzehngebet Pijutim ein. Es sind dies liturgische Dichtungen. Auch in der Wiederholung der Amida des Vorbeters werden Pijutim eingeschaltet. »AWINU MALKENU« sagt man zum Abschluss des Schacharit - des Morgengebetes. Es wird jedoch nicht gesagt, wenn Rosch haShana auf Schabbat fällt. In sefardischen Gemeinden sagt man »AWINU MALKENU« auch am Schabbat. In vielen Gemeinden wird Psalm 130 vor »Jozer Or« hinzugefügt: »SCHIR HAMA'ALOT MIMA'AMAKIM KERATICHA HASCHEM... - aus der Tiefe rufe ich Dich, G'tt«.
6. Der Vorbeter achtet besonders auf die Melodien des Gebetes, die in der Tradition für die Hohen Feiertage überliefert sind. An keinem anderen Feiertag kommt dies so wirkungsvoll zum Ausdruck. Einige der Einschaltungen und Gebetsänderungen sind uns von den »Anschej Knesset Hagedola« überliefert worden - von den Männern der Grossen Synode. Sie sind es auch, die die Gebetsordnung und den Nussach - die Version - für die Feiertage festgesetzt haben. Andere Traditionen stammen wiederum aus dem Mund der Weisen der späteren Generationen, die verstanden, wie man am Tag des Gerichts vor den Schöpfer hintreten, wie man Ehrfurcht vor dem grössten aller Richter bezeugen soll.
7. Die wichtigsten Änderungen für den Tag des Gerichts finden ihren Ausdruck im Mussafgebet von Rosch haShana: Es sind dies die »MALCHUJOT, SICHRONOT UND SCHOFAROT«.
MALCHUJOT - SICHRONOT - SCHOFAROT: Herrschaft G'ttes - das Gedenken - Sinn des Schofartones
Für die Mussafgebete des Jahres haben die Männer der Grossen Synode sieben Segenssprüche festgesetzt, für Rosch haShana jedoch sind es neun. Die drei ersten und die drei letzten sind fast die gleichen wie die des Mussafgebetes an anderen Feiertagen. Die drei zusätzlichen Berachot werden MALCHUJOT, SICHRONOT und SCHOFAROT genannt. Die »MALCHUJOT« sind in der vierten Beracha eingeschlossen, der Keduschat Hajom, welche die Heiligkeit des Tages beinhaltet. Die MALCHUJOT bilden keine eigene Beracha, denn die Verkündung von G'ttes Königtum ist ja auch das Besondere der vierten Beracha - der Keduschat Hajom. Den SICHRONOT und SCHOFAROT sind zwei eigene Berachot gewidmet. Somit enthält die Mussaf Amida von Rosch haShana 9 Berachot.
Diese neun Segenssprüche entsprechen der neunmaligen Erwähnung des g'ttlichen Namens in Channas Bittgebet. (Schemuel I Kap. 2:1-10)
Im Talmud, Berachot 29a, heisst es: »Am Rosch haShana wurden Sara, Rachel und Channa von G'tt mit Kindersegen bedacht.« Darum sprechen wir im Gebet von Rosch haShana einen Segensspruch für jede der neun Hinwendungen an G'tt, in welchen Channa mit prophetischer Sicht die Geburt ihres Sohnes vorausschaut.
In den »MALCHUJOT« danken wir dem Heiligen, gelobt sei Er, dass Er der Schöpfer des Alls ist, und über alle Seine Geschöpfe herrscht. Wir bekunden, dass wir Seine Herrschaft für immer und ewig auf uns nehmen wollen: »KI ATA ELOKIM EMET... denn Du bist G'tt in Wahrheit, und Dein Wort ist Wahrheit und für immer bestehend.«
In den »SICHRONOT« danken wir und geben unserer Zuversicht Ausdruck, dass Er sich an alle Seine Geschöpfe erinnert und seit Anbeginn aller Taten jedes einzelnen Menschen ge denkt. Er vergilt all ihre Taten, seien sie gut oder böse. »KI SOCHER KOL HANISCHKACHOT - denn alles Vergessenen gedenkend - bist Du von je, und kein Vergessen gibt es vor dem Thron Deiner Herrlichkeit, und der Akeda - der Bindung - Jizchaks mögest Du heute seinen Nachkommen mit Erbarmen gedenken.«
In den »SCHOFAROT« geben wir unserem Willen Ausdruck, »das Joch« der Tora wieder auf uns zu nehmen, als ob sie uns in diesem Augenblick wieder gegeben würde, so wie wir sie einst mit Blitz, Donner und Schofarton erhalten haben. Ebenso warten wir ungeduldig auf die endgültige Erlösung, bei der es uns vergönnt sein wird, den Schofarton des Maschiach zu hören. Es möge unser Schofarblasen hinauftönen und mit Wohlwollen von G'tt aufgenommen werden. »KI ATA SCHOMEA KOL SCHOFAR - denn Du hörst den Ton des Schofars und neigst dem Teruaton Dein Ohr, und nichts gleicht Dir.«
Die MALCHUJOT, SICHRONOT und SCHOFAROT sind alle nach einem bestimmten Schema angeordnet. Jede beginnt mit einem Bittgebet, dem Thema entsprechend. Es folgen 10 Verse: drei aus der Tora, drei aus den Psalmen, drei aus den Propheten und am Ende wieder ein Vers aus der Tora. Der dritte Teil enthält wieder eine Bitte, jeweils dem Thema entsprechend, und schliesst mit einem Segensspruch.
Zehn Aussprüche, zehn Gebote und zehn Lobesworte Mit zehn Aussprüchen hat der Heilige, gelobt sei Er, Seine Welt geschaffen. So wurde Er König über die ganze Erde. Auch wir wollen G'ttes Königtum mit zehn Aussprüchen g'ttlicher Herrschaft verkünden.
Als die Zehn Gebote am Sinai gegeben wurden, hat G'tt Seinem Volk Jisrael und der ganzen Welt zusammenfassend die Tora offenbart. Er wurde damit zum Gesetzgeber und Richter für alle Geschöpfe auf Erden. Auch wir wollen am Tag des Gerichts vor Seinem Richterstuhl zehn Verse zitieren, die uns bei Ihm in Erinnerung bringen und Sein Urteil zu unseren Gunsten neigen.
König David, der Gesalbte G'ttes, beschloss sein Sefer Tehillim - das Buch der Psalmen - mit zehn Lobesworten. Das Buch lehrt den Menschen, den Sündern aller Generatio nen, wie man den Weg zu G'tt wieder finden kann, bis dann am Ende aller Zeiten die ganze Erde G'tt anerkennt und bis jede Seele Ihm Lob spendet, sowohl das Volk Jisrael als auch die Nationen der ganzen Erde. Auch wir wollen, wenn wir den Schofarton hören, zehn Verse zitieren, in denen vom Schofarton die Rede ist, damit wir erkennen, kundtun und uns bewusst werden, dass wahre Lehre nur von ihm ausgeht, dass wir bis an das Ende aller Tage in den Wegen Seiner Tora wandeln und dass nur von Ihm allein Erlösung zuteil wird, uns und allen Völkern der Welt. »WEHAJA BAJOM HAHU... - es wird geschehen, an jenem Tag: gestossen wird in den grossen Schofar und da kommen die in dem Land Assyrien Verlorenen und die im Land Ägypten Verstossenen und werfen sich vor G'tt nieder auf dem Berg des Heiligtums in Jeruschalajim.« (Jeschajahu 27:13)
Der Prophet Jeschajahu gibt im Kapitel 33:Vers 22 einen Hinweis auf die drei Motive des Mussafgebetes: MALCHUJOT, SICHRONOT und SCHOFAROT. »Ki Haschem Schoftenu, Haschem Mechokekenu... - denn G'tt ist unser Richter, G'tt ist unser Gesetzgeber, G'tt ist unser König. Er wird uns erlösen.« Der Prophet spricht von der Übergabe des Gesetzes. Zu diesem Zeitpunkt der Geschichte sind wir zum Volk geworden, G'tt ist unser Gesetzgeber und Richter. Der Prophet kehrt dann zu den Anfängen unserer Geschichte zurück, da G'tt zum König wurde. Er schliesst mit der messianischen Zukunftsvision und spricht von den Tagen, an denen G'tt die ganze Welt erlöst. Wir aber haben im Gebet eine andere Reihenfolge, wir beginnen mit MALCHUJOT und dann folgen SICHRONOT und SCHOFAROT.
Warum beginnen wir, nach Anordnungen unserer Weisen, mit MALCHUJOT und fahren dann erst mit SICHRONOT und SCHOFAROT fort? Weil wir Ihn zuallererst als König proklamieren, dann um Erbarmen flehen, damit Er unser gedenke. Wie wird Er dies tun? Indem Er den freiheitsverkündenden Schofar ertönen lässt, so wie es in Jeschajahu 27:13 heisst: »Wehaja Bajom Hahu...an jenem Tag wird in den grossen Schofar gestossen...«. So sagt auch der Prophet Secharja: »Wahaschem Elokim Baschofor Jitka... und G'tt der Herr wird in den Schofar blasen...« (9:14).
Er denkt an alles, was in Vergessenheit gerät
Die Eigenschaft G'ttes, sich an alles zu erinnern, was in Vergessenheit gerät, wird von einem Zaddik- einem Gerechten - folgendermassen interpretiert:
G'tt erinnert sich an Dinge, die der Mensch vergisst, doch vergisst Er, woran sich der Mensch erinnert: Wie ist dies zu verstehen?
Wenn ein Mensch gesündigt hat, nicht mehr daran denkt und darum auch keine Teschuwa tut - nicht zu G'tt zurückkehrt - dann erinnert sich G'tt und fordert den Menschen zu Gericht.
Ist der Mensch sündhaft, ist sich aber immer dessen bewusst, so wie König David sagte: »WECHATATI NEGDI TAMID - und meine Sünde steht vor mir immerdar« (Tehillim 51:5), dann erinnert sich G'tt nicht, denn das Geschehene ist nicht in Vergessenheit geraten.
Tut der Mensch eine Mizwa und erinnert sich fortwährend daran, ja, er rühmt sich sogar damit, dann denkt G'tt nicht daran, denn Er hasst Hochmut. Wenn aber ein Mensch eine Mizwa tut, sich aber nicht damit rühmt, dann erinnert sich der Heilige, gelobt sei Er, an die gute Tat, und gibt gerechten Lohn dafür.
Rosch Chodesch (Tischri) wird im Gebet nicht erwähnt Rosch haShana ist auch Rosch Chodesch, es ist der erste Tischri - und als der Tempel noch stand, wurde auch das vorgeschriebene Rosch Chodesch-Opfer dargebracht. Trotzdem wird in der Gebetsordnung und in den Gebeten selbst nichts von Rosch Chodesch erwähnt, weder zu Schacharit - dem Morgengebet, noch zu Mussaf - dem zusätzlichen Gebet. Man kann dies mit einem Gleichnis erklären: Wenn ein König in eine Stadt kommt, wird er von Fürsten und hohen Würdenträgern begleitet. Doch man jubelt nur dem König zu und erwähnt seinen hohen Begleiter nicht. So verhält es sich auch mit Rosch haShana, der auch gleichzeitig Rosch Chodesch ist. Fällt Rosch Chodesch zusammen mit Rosch haShana, so wird nicht »UWEROSCHEJ CHODSCHEJCHEM...« gesagt. (Taschbez - Teschuwot Schimon Ben Zemach - im Namen des Rabbi Meir von Rothenburg).
Zeit des Mussafgebetes - Zeit des Erbarmens
Wenn man am Rosch haShana allein zuhause betet, soll man es nicht in den drei ersten Stunden des Tages tun, denn diese sind Stunden des Gerichtes, in denen G'ttes Zorn sich gegen Götzendiener wendet, die ihn zu dieser Zeit erzürnen.
Wir lernen im Namen des Rabbi Meir: Wenn Könige ihre Kronen auf ihre Häupter setzen, und dies geschieht in der dritten Stunde des neuen Tages, wenn die Könige aufstehen, dann verbeugen sie sich vor der Sonne. Dies erzürnt G'tt.
Rabbi Jossef sagte: »Es soll niemand in den drei ersten Morgenstunden Mussaf beten, am ersten Tag Rosch haShana, wenn man nicht zusammen mit der Gemeinschaft betet, denn zu diesen Stunden hält G'tt strenges Gericht, die Bitten des Alleinbetenden könnten zurückgewiesen werden. Wenn dies so ist, sollten dann die in Gemeinschaft Betenden nicht auch diese Stunden meiden? In der Gemeinschaft sind die Verdienste der Mehrheit für die Fürbitte bei G'tt ausschlaggebend.« (Traktat Awoda Sara 4b)
Der Pijut - das poetische Gebet - UNETANE TOKEF. Man erzählt von Rabbi Amnon aus Mainz, der eine grosse Persönlichkeit seiner Generation war, folgende Geschichte: Rabbi Amnon war ein reicher und schöner Mann und stammte aus einer berühmten und guten Familie. Der Bischof von Mainz und die Fürsten wollten ihn überreden, sich taufen zu lassen, doch er weigerte sich immer wieder, ihrer Bitte Folge zu leisten. Immer und immer wieder versuchte der Bischof ihn zu überreden. Eines Tages, als Rabbi Amnon dem ewigen Drängen ausweichen wollte, sagte er: Gebt mir drei Tage Bedenkzeit, ich will mich beraten und darüber nachdenken. Er glaubte, den Dränger mit dieser Antwort abweisen zu können. Kaum hatte er aber den Bischof verlassen, wurde er sich bewusst, ihm damit die Hoffnung einer Zusage gegeben zu haben. Wie konnte er auch nur den geringsten Ausdruck des Zweifels über seine Lippen bringen und somit den Eindruck erwecken, G'tt zu verleugnen! Als er nach Hause kam, wollte er weder essen noch trinken und wurde krank. Alle, die ihm nahestanden, kamen, um ihn zu trösten, doch er liess sich nicht trösten. Er sagte: Der Ausspruch meiner Lippen wird mich trauernd ins Grab bringen. Er weinte und nahm es sich sehr zu Herzen. Als der Bischof am dritten Tag nach ihm sandte, weigerte er sich mitzukommen. Der Bischof schickte hohe Würdenträger, um ihn zu holen, doch Rabbi Amnon bestand darauf, nicht mitzukommen. Da sagte der Bischof. Holet mir den Amnon mit Gewalt! So brachten sie ihn vor den Bischof. Dieser sprach zu ihm: Warum erschienst du nicht zur von dir festgesetzten Zeit, um mir meine Bitte zu erfüllen? Da sagte Rabbi Amnon: Ich habe mein eigenes Urteil gefällt. Die Zunge, die lügnerisch zu dir sprach, soll mir herausgeschnitten werden. Durch diese, sich selbst auferlegte Strafe, wollte Rabbi Amnon den Namen G'ttes heiligen, weil er Böses gesprochen hatte. Der Bischof aber sprach: Nicht deine Zunge werde ich abschneiden, denn sie hat gut gesprochen, aber deine Füsse werde ich dir abhacken lassen, denn sie kamen nicht zur Zeit, die du mir festgesetzt hattest. Auch den Rest deines Körpers werde ich züchtigen.
Dann liess der grausame Herrscher ihm Hände und Füsse abschneiden. Dies geschah unter unsäglichen Qualen. Willst du nun endlich unseren Glauben annehmen? fragte der Bischof. Entschlossen antwortete er: Nein. So brachte man Rabbi Amnon verstümmelt nach Hause.
Als das Rosch haShana fest sich näherte, bat Rabbi Amnon, man möge ihn in die Synagoge bringen, neben den Vorbeter. Als dieser mit der Keduscha begann, sagte Rabbi Amnon zu ihm: Halte doch eine Weile inne, damit ich den grossen Namen G'ttes heiligen kann. Und er sprach mit lauter Stimme: »UWECHEN, LECHA TA'ALE KEDUSCHA - zu Dir steige die Heiligung empor...«. Dann fuhr er fort: »Unetane Tokef Keduschat Hajom - wir wollen die Grösse der Heiligkeit des Tages schildern.« Und weiter: »EMET KI ATA HU DAJAN UMOCHIACH... - in Wahrheit, Du bist der Richter, der zurechtweist ...«. Als Rabbi Amnon das Gebet beendet hatte, da hauchte er seine reine Seele aus und sie stieg zu G'tt empor. Über ihn wird gesagt: »MA RAW TUWCHA ASCHER ZAFANTA... - wie gross ist Deine Güte, die Du für Deine Frommen aufbewahrt hast...« (Tehillim 31:20)
Am dritten Tag, nachdem Rabbi Amnon in Reinheit in die höhere Welt eingegangen war, erschien er Rabbenu Klonimos, Sohn von Rabbenu Meschullam in nächtlicher Vision, lehrte ihn diesen Pijut »UNETANE TOKEF' und befahl ihm, das Gebet in allen Gebieten der Diaspora zu verbreiten, damit es für ihn Zeugnis ablege und nicht in Vergessenheit gerate. Dies tat der Gaon Rabbenu Klonimos. (Or Sarua, Hilchot Rosch haShana)
Schlaf am Rosch haShana
Man pflegt am Rosch haShana während des Tages nicht zu schlafen. Man soll sich eine Zeit zum Torastudium festlegen oder in der Synagoge Tehillim - Psalmen sagen. Auch wer müssig geht, ist wie ein Schlafender! Im Talmud Jeruschalmi heisst es: Wer am Rosch haShana schläft, verschläft sein Glück (sein Schicksal).
Wem aber der Kopf schwer ist, und wer Mühe hat, das Minchagebet andächtig zu beten, weil er zu müde ist, kann nach Tagesmitte ein wenig schlafen.
TASCHLICH
Zu Mincha am Rosch haShana betet man »ASCHREF' und »UWA LEZIJON GO'EL«. Wenn Rosch haShana auf Schabbat fällt, wird aus dem Wochenabschnitt vorgelesen. Dann folgt die Schemone Essre wie zu Schacharit. Nach der Wiederholung des Vorbeters wird »AWINU MALKENU« gesagt. Am Schabbat jedoch wird es nicht gesagt. Dies gilt auch für den Vortag des Schabbat, wenn der zweite Tag Rosch haShana auf Freitag fällt.
Nach dem Minchagebet wird »Taschlich« verrichtet. Man geht an ein Gewässer, an den Strand des Meeres oder einen Fluss. Wenn diese nicht in der Stadt vorhanden sind, geht man an einen Brunnen, eine Quelle oder an ein Reservoir, in welchem sich Regenwasser befindet. Folgende Verse werden am Wasser rezitiert: »MI KEL KAMOCHA... - wer ist ein G'tt wie Du, der die Sünde vergibt und die Missetat erlässt dem Rest Seines Erbteiles, der Seinen Zorn nicht ewig behält, denn Er will Gnade. Er wird sich unserer wieder erbarmen, wird unsere Verfehlungen bezwingen. Werfen wirst Du all ihre Sünden in die Strudel des Meeres. Gib Wahrheit dem Jaakow und Liebe dem Awraham, so wie Du es schon seit Urzeiten unseren Vätern zugeschworen hast.« (Micha 7:18-19)
Dem Gebet werden noch andere Verse hinzugefügt, die G'ttes Erbarmen für uns erwecken sollen, sowie auch Verse aus den Psalmen. Einige fügen noch ein anderes Gebet hinzu, dessen Autor Rabbi Chajim David Azulay, genannt »CHIDA« ist. Dabei schüttelt man dreimal Taschen und Rocksaum aus, um damit symbolisch auszudrücken, dass man bereit ist, sich seiner Sünden zu entledigen. Diese Sitte basiert auf dem Vers »Gam Chozni Na'arti... - auch meinen Rocksaum schüttelte ich aus und ich sprach, so schüttle auch G'tt aus...« (Nechemja 5:13)
»TASCHLICH« soll auch an »SEEHUT AWOT - an das Verdienst der Väter« erinnern. Als unser Stammvater Awraham ging, um Jizchak auf dem Altar zu binden, (dies geschah am Rosch haShana) verwandelte sich Satan, der Hinderer, in einen reissenden Fluss, und als Awraham und Jizchak ihn überqueren wollten, stand ihnen das Wasser bis zum Hals. Da sprach Awraham zum Heiligen, gelobt sei Er: Herr der Welt, ich bin nahe am Ertrinken. Wenn ich oder mein Sohn Jizchak umkomme, wer wird dann Deinen heiligen Namen in dieser Welt verkünden? Sofort rügte der Heilige, gelobt sei Er, den Fluss, und die beiden wurden gerettet. (Jalkut Wajera 99)
Darum gehen wir am Rosch haShana an ein Gewässer um in Erinnerung zu bringen, dass unsere Väter ihr Leben einsetzten, um seine Mizwot zu erfüllen. Wenn der erste Tag Rosch haShana auf Schabbat fällt, macht man am zweiten Tag nach dem Minchagebet »TASCHLICH«.
Der zweite Tag Rosch haShana
Alle Anordnungen für den zweiten Tag Rosch haShana, alle Mizwot und Gebete sind wie am ersten Tag zu beachten. Ausnahme bilden die Toravorlesung und die Haftara, wie schon vorher erwähnt.
Für den Kiddusch des zweiten Abends pflegt man eine neue Frucht auf den Tisch zu stellen, oder ein neues Kleidungsstück anzuziehen, damit man den Segensspruch »SCHEHECHEJANU« sagen kann. Wenn man dann beim Kiddusch diese Beracha sagt, richtet man seine Gedanken auf die Frucht oder das Kleid und hat somit gleichzeitig auch »KEDUSCHAT HAJOM - die Heiligkeit des Tages« gewürdigt. Es besteht nämlich ein Zweifel, ob man am zweiten Abend »SCHEHECHEJANU« sagen muss. Auch beim Lichterzünden am zweiten Abend sagt die Frau »SCHEHECHEJANU«, richtet aber dabei ihre Gedanken auf die neue Frucht oder auf das neue Kleid. Aber auch wenn man keine neue Frucht vorbereitet hat, oder ein neues Kleidungsstück, soll man sowohl beim Lichterzünden am zweiten Abend als auch zum Kiddusch »SCHEHECHEJANU« sagen. So haben es die meisten Dezisoren entschieden.
ERUW TAWSCHILIN
Wenn der zweite Tag Rosch haShana auf den Vorabend des Schabbat fällt, muss man am Vorabend des ersten Feiertages, d.h. am Mittwoch vor Beginn des Festes, »ERUW Tawschi lin« machen. Durch diese Einrichtung ist es erlaubt, alles vorzubereiten, was für den Schabbat notwendig ist.
Weshalb muss »ERUW TAWSCHILIN« gemacht werden? Nach Anordnung unserer Weisen ist es verboten, am Feiertag für den Schabbat zu kochen. Es ist dies eine Vorsichtsmassregel, damit man nicht dazu kommt, an einem Feiertag für einen Wochentag Speisen zu kochen. Wenn man aber bereits am Vorabend des Feiertages eine Speise für Schabbat vorbereitet, ist es erlaubt, am Feiertag für den Schabbat zu kochen. Das Kochen am Jom Tow für Schabbat wird in diesem Fall dann so beurteilt, als ob man es bereits am Vorabend des Jom Tow begonnen hätte. Jetzt vollendet man nur seine Arbeit. Damit wird ein Zeichen gesetzt: Wenn man nicht vom Feiertag auf Schabbat kochen darf, dann erst recht nicht vom Feiertag auf einen Werktag. Daher die Bezeichnung ERUW - Mischung. Man »vermischt« das Kochen für Schabbat mit dem Kochen für Jom Tow, und beides wird dann als ein Kochen betrachtet.
»ERUW TAWSCHILIN« besteht aus zwei vorbereiteten Gerichten: aus Gebackenem und Gekochtem. Noch vor Beginn des Feiertages nimmt man eine Challa - ein Weissbrot - (Berches) oder zwei Mazzot, (damit es das Mass von einem Ei - KEWEJZA - hat) und legt dazu mindestens ein »KESAJIT - das Mass einer Olive - einer gekochten Speise dazu. Man kann dazu Fleisch, Fisch oder ein gekochtes Ei nehmen. Dies wird für Schabbat weggelegt. Bei der Aufbewahrung der Speisen spricht man den Segensspruch: »...ASCHER KIDDESCHANU BEMIZ - WOTAW WEZIWANU AL MIZWOT ERUW... - der uns geheiligt durch Seine Gebote und uns das Gebot des ERUW befohlen.« Obwohl dieses Gebot nur eine Anordnung der Weisen ist, sagen wir:
»WEZIWANU - der uns befohlen hat«, denn der Heilige, gelobt sei Er, hat uns in Seiner Lehre befohlen, die Anordnungen der Weisen zu befolgen, so wie es heisst: »LO TASSUR MIN HADAWAR - weiche nicht ab von allem, was sie (die Weisen) dich lehren« (Dewarim 17:11). Dieser Grundsatz gilt für alle Mizwot, die unsere Weisen angeordnet haben.
Nach der Beracha spricht man folgendes: »Mit diesem ERUW sei es uns erlaubt, zu kochen, warmzuhalten und Licht anzuzünden - dies selbstverständlich durch Übertragen von einer schon brennenden Flamme - und es sei uns auch erlaubt, vom Jom Tow auf Schabbat das Nötige zu verrichten.« Die vorbereiteten Speisen müssen bis zum Beginn des Schabbat aufbewahrt werden.
Es ist Sitte, die Challa oder die Mazzot als »LECHEM MISCHNE - als doppeltes Brot« für die Schabbatmahlzeit zu benutzen, denn hat man mit ihnen schon eine Mizwa (von ERUW TAWSCHILIN) erfüllt, so soll man auch eine andere damit erfüllen. Man darf seinen Nachbarn, oder wer auch immer daran Interesse hat, an diesem ERUW teilnehmen lassen. Wenn diese Person es nämlich vergessen hat, selbst den »ERUW« vorzubereiten, so darf sie sich auf den »ERUW« des Nachbarn stützen. Hat aber jemand keinen »ERUW« gemacht, weil er vorhatte, bei Freunden zu speisen und es sich dann aber anders überlegt, darf er bei sich zuhause nichts für Schabbat vorbereiten. In dieser Situation gilt der »ERUW« des anderen nicht für ihn.
Wie kann man andere an seinem »ERUW« teilhaben lassen? Man gibt die vorbereiteten Speisen in die Hand eines erwachsenen Familienmitgliedes, oder sogar auch in die Hand eines Kindes, wenn dieses nicht Mitglied des gleichen Haushaltes ist, und sagt ihm: Erwirb diesen »ERUW« für alle Bewohner dieser Stadt. Dann sagt man: »Mit diesem ERUW sei es erlaubt...«, und vollendet: »für uns und für alle, die in dieser Stadt wohnen.« Man soll den ERUW für die ganze Stadt und alle innerhalb des Techum-Gebietes - 2000 Ellen nach allen Richtungen um die Stadt - lebenden Bewohner machen.
Am Rosch haShana soll der Mensch seinen Sinn auf das Gebet richten, hauptsächlich auf G'ttes Herrschaft und auf Anliegen der Gemeinschaft, mehr als auf persönliche Bitten. Man wendet sich an den Richter der Welt, um Freispruch für die ganze Menschheit zu erhalten, man bittet um Weltfrieden und um Offenbarung des g'ttlichen Königreiches, für all Seine Geschöpfe. Jeder einzelne auf der Welt möge anerkennen, dass es G'tt ist, der ihn erschaffen hat, jeder Erdenbürger soll verstehen, dass Er es ist, der ihn gebildet hat, und alles, was Atem hat in seinem Antlitz, spreche: G'tt, G'tt Jisraels ist König, und Seine Regierung waltet über alles. Dieser Gedanke steht im Vordergrund des Gebetes für den Tag des Gerichts, an dem alle Erdenbürger vor Ihm vorüberziehen wie Schafe vor ihrem Hirten, damit Er sie richte, sei es zum Leben oder zum Tode.
Wenn ein Mensch weiss, dass der Tag gekommen ist, an dem er sich vor dem Hohen Gericht verantworten muss für alle seine Taten, kann er sich nicht einzig und allein für seine eigenen Anliegen einsetzen. Sogar wenn er sicher ist, dass er selbst freigesprochen wird, kann er sich nicht ausschliesslich für sich selbst verwenden. Er wird sich bewusst, dass das Schicksal der ganzen Welt auf dem Spiel steht. Wird die Menschheit bestraft oder begnadigt werden? Darum bittet jeder um Erbarmen, sowohl für sich selbst als auch für die gesamte Menschheit, damit alle in das Buch des guten Lebens eingetragen werden. So möge Er, der das Leben jedes Menschen bestimmt, die Wünsche aller erfüllen und an nichts mangeln lassen. So sagen unsere Weisen: »Der, der das Leben gibt, sorgt auch für Lebensunterhalt.«
Gebete für die »JAMIM NORA'IM« - die Hohen Feiertage Die Gebete, mit denen sich das Volk Jisrael an Rosch haShana und Jom Kippur an G'tt wendet, unterscheiden sich grundlegend von den Gebeten anderer Feiertage. Viele Einschaltungen werden hinzugefügt. Sowohl die charakteristischen Melodien, als auch die Anzahl der Segenssprüche sind voll und ganz der Würde und der Bedeutung dieser Tage angepasst.
Das Hauptgebet - die Amida - enthält an gewöhnlichen Wochentagen 18:beziehungsweise 19 Segenssprüche, an Schabbatot und an anderen Feiertagen sieben: die ersten und die letzten drei Berachot wie üblich. Die vierte Beracha ist der »KEDUSCHAT HAJOM« - der Heiligkeit des Tages angepasst. Am Schabbat endet sie mit »MEKADESCH HASCHABBAT - der den Schabbattag heiligt« und an Feiertagen mit »MEKADESCH JISRAEL WEHASEMANIM - der das Volk Jisrael und die Feiertage heiligt.«
Die Gebete der drei »REGALIM« - der drei Wallfahrtsfeste sind identisch, es wird nur jeweils der Name des Festes speziell erwähnt. Auch wird im Mussafgebet bei der vierten Beracha das entsprechende Opfer des Tages erwähnt. Am Rosch haShana jedoch gibt es zahlreiche Änderungen:
1. In den zwei ersten und den zwei letzten Segenssprüchen werden vier Einschaltungen hinzugefügt:
a) »SOCHRENU LACHAJIM... - gedenke unser zum Leben....«
b) »MI CHAMOCHA... - wer ist wie Du....«
c) »UCHETOW... - schreibe uns ein zum Leben....«
d) »BESEFER CHAJIM... - in das Buch des Lebens....«
Diese Einschaltungen werden während der »ASSERET JEMEJ TESCHUWA - der 10 Busstage« bis zu NE'ILA - dem Schlussgebet an Jom Kippur - gesagt. (Beim NE'ILAGEBET erfolgt eine zusätzliche Änderung: statt »KETIWA - Einschreiben« wird »CHATIMA - Besiegeln« gesagt.)
2. Der dritte Segensspruch schliesst mit: »HAMELECH HAKADOSCH - der heilige König« statt »HAKE! HAKADOSCH - der heilige G'tt.« Diese Änderung gilt ebenfalls für alle zehn Busstage.
3. Dem dritten Segensspruch: »ATA KADOSCH - Du bist heilig...« werden Bittgebete hinzugefügt. Diese beinhalten: Offenbarung der g'ttlichen Herrschaft auf der ganzen Erde, Wiederherstellung der Ehre des auserwählten Volkes Jisrael und derer, die G'tt dienen, die Freude der Gerechten und der Jubel Jerusalems, das Verschwinden der Frevelherrschaft auf Erden und der Hoffnung auf das Erscheinen des messianischen Lichtes. Diese Einschaltungen werden auch in der dritten Beracha am Jom Kippur hinzugefügt, jedoch nicht in der »AMIDA« zwischen Rosch haShana und Jom Kippur.
4. Während der anderen Feiertage werden in der vierten Beracha, KEDUSCHAT HAJOM - der Heiligkeit des Tages, der jeweilige Feiertag und das Volk Jisrael erwähnt. Am Rosch haShana jedoch, sowie auch am Jom Kippur bittet man, es möge doch die g'ttliche Herrschaft sich wieder auf Erden verbreiten, über das Volk Jisrael sowie über alle Völker des Erdballes.
5. In den meisten sefardischen Gemeinden, aber auch in vielen aschkenasischen, schaltet man vor der Schemone Essre - dem Achtzehngebet Pijutim ein. Es sind dies liturgische Dichtungen. Auch in der Wiederholung der Amida des Vorbeters werden Pijutim eingeschaltet. »AWINU MALKENU« sagt man zum Abschluss des Schacharit - des Morgengebetes. Es wird jedoch nicht gesagt, wenn Rosch haShana auf Schabbat fällt. In sefardischen Gemeinden sagt man »AWINU MALKENU« auch am Schabbat. In vielen Gemeinden wird Psalm 130 vor »Jozer Or« hinzugefügt: »SCHIR HAMA'ALOT MIMA'AMAKIM KERATICHA HASCHEM... - aus der Tiefe rufe ich Dich, G'tt«.
6. Der Vorbeter achtet besonders auf die Melodien des Gebetes, die in der Tradition für die Hohen Feiertage überliefert sind. An keinem anderen Feiertag kommt dies so wirkungsvoll zum Ausdruck. Einige der Einschaltungen und Gebetsänderungen sind uns von den »Anschej Knesset Hagedola« überliefert worden - von den Männern der Grossen Synode. Sie sind es auch, die die Gebetsordnung und den Nussach - die Version - für die Feiertage festgesetzt haben. Andere Traditionen stammen wiederum aus dem Mund der Weisen der späteren Generationen, die verstanden, wie man am Tag des Gerichts vor den Schöpfer hintreten, wie man Ehrfurcht vor dem grössten aller Richter bezeugen soll.
7. Die wichtigsten Änderungen für den Tag des Gerichts finden ihren Ausdruck im Mussafgebet von Rosch haShana: Es sind dies die »MALCHUJOT, SICHRONOT UND SCHOFAROT«.
MALCHUJOT - SICHRONOT - SCHOFAROT: Herrschaft G'ttes - das Gedenken - Sinn des Schofartones
Für die Mussafgebete des Jahres haben die Männer der Grossen Synode sieben Segenssprüche festgesetzt, für Rosch haShana jedoch sind es neun. Die drei ersten und die drei letzten sind fast die gleichen wie die des Mussafgebetes an anderen Feiertagen. Die drei zusätzlichen Berachot werden MALCHUJOT, SICHRONOT und SCHOFAROT genannt. Die »MALCHUJOT« sind in der vierten Beracha eingeschlossen, der Keduschat Hajom, welche die Heiligkeit des Tages beinhaltet. Die MALCHUJOT bilden keine eigene Beracha, denn die Verkündung von G'ttes Königtum ist ja auch das Besondere der vierten Beracha - der Keduschat Hajom. Den SICHRONOT und SCHOFAROT sind zwei eigene Berachot gewidmet. Somit enthält die Mussaf Amida von Rosch haShana 9 Berachot.
Diese neun Segenssprüche entsprechen der neunmaligen Erwähnung des g'ttlichen Namens in Channas Bittgebet. (Schemuel I Kap. 2:1-10)
Im Talmud, Berachot 29a, heisst es: »Am Rosch haShana wurden Sara, Rachel und Channa von G'tt mit Kindersegen bedacht.« Darum sprechen wir im Gebet von Rosch haShana einen Segensspruch für jede der neun Hinwendungen an G'tt, in welchen Channa mit prophetischer Sicht die Geburt ihres Sohnes vorausschaut.
In den »MALCHUJOT« danken wir dem Heiligen, gelobt sei Er, dass Er der Schöpfer des Alls ist, und über alle Seine Geschöpfe herrscht. Wir bekunden, dass wir Seine Herrschaft für immer und ewig auf uns nehmen wollen: »KI ATA ELOKIM EMET... denn Du bist G'tt in Wahrheit, und Dein Wort ist Wahrheit und für immer bestehend.«
In den »SICHRONOT« danken wir und geben unserer Zuversicht Ausdruck, dass Er sich an alle Seine Geschöpfe erinnert und seit Anbeginn aller Taten jedes einzelnen Menschen ge denkt. Er vergilt all ihre Taten, seien sie gut oder böse. »KI SOCHER KOL HANISCHKACHOT - denn alles Vergessenen gedenkend - bist Du von je, und kein Vergessen gibt es vor dem Thron Deiner Herrlichkeit, und der Akeda - der Bindung - Jizchaks mögest Du heute seinen Nachkommen mit Erbarmen gedenken.«
In den »SCHOFAROT« geben wir unserem Willen Ausdruck, »das Joch« der Tora wieder auf uns zu nehmen, als ob sie uns in diesem Augenblick wieder gegeben würde, so wie wir sie einst mit Blitz, Donner und Schofarton erhalten haben. Ebenso warten wir ungeduldig auf die endgültige Erlösung, bei der es uns vergönnt sein wird, den Schofarton des Maschiach zu hören. Es möge unser Schofarblasen hinauftönen und mit Wohlwollen von G'tt aufgenommen werden. »KI ATA SCHOMEA KOL SCHOFAR - denn Du hörst den Ton des Schofars und neigst dem Teruaton Dein Ohr, und nichts gleicht Dir.«
Die MALCHUJOT, SICHRONOT und SCHOFAROT sind alle nach einem bestimmten Schema angeordnet. Jede beginnt mit einem Bittgebet, dem Thema entsprechend. Es folgen 10 Verse: drei aus der Tora, drei aus den Psalmen, drei aus den Propheten und am Ende wieder ein Vers aus der Tora. Der dritte Teil enthält wieder eine Bitte, jeweils dem Thema entsprechend, und schliesst mit einem Segensspruch.
Zehn Aussprüche, zehn Gebote und zehn Lobesworte Mit zehn Aussprüchen hat der Heilige, gelobt sei Er, Seine Welt geschaffen. So wurde Er König über die ganze Erde. Auch wir wollen G'ttes Königtum mit zehn Aussprüchen g'ttlicher Herrschaft verkünden.
Als die Zehn Gebote am Sinai gegeben wurden, hat G'tt Seinem Volk Jisrael und der ganzen Welt zusammenfassend die Tora offenbart. Er wurde damit zum Gesetzgeber und Richter für alle Geschöpfe auf Erden. Auch wir wollen am Tag des Gerichts vor Seinem Richterstuhl zehn Verse zitieren, die uns bei Ihm in Erinnerung bringen und Sein Urteil zu unseren Gunsten neigen.
König David, der Gesalbte G'ttes, beschloss sein Sefer Tehillim - das Buch der Psalmen - mit zehn Lobesworten. Das Buch lehrt den Menschen, den Sündern aller Generatio nen, wie man den Weg zu G'tt wieder finden kann, bis dann am Ende aller Zeiten die ganze Erde G'tt anerkennt und bis jede Seele Ihm Lob spendet, sowohl das Volk Jisrael als auch die Nationen der ganzen Erde. Auch wir wollen, wenn wir den Schofarton hören, zehn Verse zitieren, in denen vom Schofarton die Rede ist, damit wir erkennen, kundtun und uns bewusst werden, dass wahre Lehre nur von ihm ausgeht, dass wir bis an das Ende aller Tage in den Wegen Seiner Tora wandeln und dass nur von Ihm allein Erlösung zuteil wird, uns und allen Völkern der Welt. »WEHAJA BAJOM HAHU... - es wird geschehen, an jenem Tag: gestossen wird in den grossen Schofar und da kommen die in dem Land Assyrien Verlorenen und die im Land Ägypten Verstossenen und werfen sich vor G'tt nieder auf dem Berg des Heiligtums in Jeruschalajim.« (Jeschajahu 27:13)
Der Prophet Jeschajahu gibt im Kapitel 33:Vers 22 einen Hinweis auf die drei Motive des Mussafgebetes: MALCHUJOT, SICHRONOT und SCHOFAROT. »Ki Haschem Schoftenu, Haschem Mechokekenu... - denn G'tt ist unser Richter, G'tt ist unser Gesetzgeber, G'tt ist unser König. Er wird uns erlösen.« Der Prophet spricht von der Übergabe des Gesetzes. Zu diesem Zeitpunkt der Geschichte sind wir zum Volk geworden, G'tt ist unser Gesetzgeber und Richter. Der Prophet kehrt dann zu den Anfängen unserer Geschichte zurück, da G'tt zum König wurde. Er schliesst mit der messianischen Zukunftsvision und spricht von den Tagen, an denen G'tt die ganze Welt erlöst. Wir aber haben im Gebet eine andere Reihenfolge, wir beginnen mit MALCHUJOT und dann folgen SICHRONOT und SCHOFAROT.
Warum beginnen wir, nach Anordnungen unserer Weisen, mit MALCHUJOT und fahren dann erst mit SICHRONOT und SCHOFAROT fort? Weil wir Ihn zuallererst als König proklamieren, dann um Erbarmen flehen, damit Er unser gedenke. Wie wird Er dies tun? Indem Er den freiheitsverkündenden Schofar ertönen lässt, so wie es in Jeschajahu 27:13 heisst: »Wehaja Bajom Hahu...an jenem Tag wird in den grossen Schofar gestossen...«. So sagt auch der Prophet Secharja: »Wahaschem Elokim Baschofor Jitka... und G'tt der Herr wird in den Schofar blasen...« (9:14).
Er denkt an alles, was in Vergessenheit gerät
Die Eigenschaft G'ttes, sich an alles zu erinnern, was in Vergessenheit gerät, wird von einem Zaddik- einem Gerechten - folgendermassen interpretiert:
G'tt erinnert sich an Dinge, die der Mensch vergisst, doch vergisst Er, woran sich der Mensch erinnert: Wie ist dies zu verstehen?
Wenn ein Mensch gesündigt hat, nicht mehr daran denkt und darum auch keine Teschuwa tut - nicht zu G'tt zurückkehrt - dann erinnert sich G'tt und fordert den Menschen zu Gericht.
Ist der Mensch sündhaft, ist sich aber immer dessen bewusst, so wie König David sagte: »WECHATATI NEGDI TAMID - und meine Sünde steht vor mir immerdar« (Tehillim 51:5), dann erinnert sich G'tt nicht, denn das Geschehene ist nicht in Vergessenheit geraten.
Tut der Mensch eine Mizwa und erinnert sich fortwährend daran, ja, er rühmt sich sogar damit, dann denkt G'tt nicht daran, denn Er hasst Hochmut. Wenn aber ein Mensch eine Mizwa tut, sich aber nicht damit rühmt, dann erinnert sich der Heilige, gelobt sei Er, an die gute Tat, und gibt gerechten Lohn dafür.
Rosch Chodesch (Tischri) wird im Gebet nicht erwähnt Rosch haShana ist auch Rosch Chodesch, es ist der erste Tischri - und als der Tempel noch stand, wurde auch das vorgeschriebene Rosch Chodesch-Opfer dargebracht. Trotzdem wird in der Gebetsordnung und in den Gebeten selbst nichts von Rosch Chodesch erwähnt, weder zu Schacharit - dem Morgengebet, noch zu Mussaf - dem zusätzlichen Gebet. Man kann dies mit einem Gleichnis erklären: Wenn ein König in eine Stadt kommt, wird er von Fürsten und hohen Würdenträgern begleitet. Doch man jubelt nur dem König zu und erwähnt seinen hohen Begleiter nicht. So verhält es sich auch mit Rosch haShana, der auch gleichzeitig Rosch Chodesch ist. Fällt Rosch Chodesch zusammen mit Rosch haShana, so wird nicht »UWEROSCHEJ CHODSCHEJCHEM...« gesagt. (Taschbez - Teschuwot Schimon Ben Zemach - im Namen des Rabbi Meir von Rothenburg).
Zeit des Mussafgebetes - Zeit des Erbarmens
Wenn man am Rosch haShana allein zuhause betet, soll man es nicht in den drei ersten Stunden des Tages tun, denn diese sind Stunden des Gerichtes, in denen G'ttes Zorn sich gegen Götzendiener wendet, die ihn zu dieser Zeit erzürnen.
Wir lernen im Namen des Rabbi Meir: Wenn Könige ihre Kronen auf ihre Häupter setzen, und dies geschieht in der dritten Stunde des neuen Tages, wenn die Könige aufstehen, dann verbeugen sie sich vor der Sonne. Dies erzürnt G'tt.
Rabbi Jossef sagte: »Es soll niemand in den drei ersten Morgenstunden Mussaf beten, am ersten Tag Rosch haShana, wenn man nicht zusammen mit der Gemeinschaft betet, denn zu diesen Stunden hält G'tt strenges Gericht, die Bitten des Alleinbetenden könnten zurückgewiesen werden. Wenn dies so ist, sollten dann die in Gemeinschaft Betenden nicht auch diese Stunden meiden? In der Gemeinschaft sind die Verdienste der Mehrheit für die Fürbitte bei G'tt ausschlaggebend.« (Traktat Awoda Sara 4b)
Der Pijut - das poetische Gebet - UNETANE TOKEF. Man erzählt von Rabbi Amnon aus Mainz, der eine grosse Persönlichkeit seiner Generation war, folgende Geschichte: Rabbi Amnon war ein reicher und schöner Mann und stammte aus einer berühmten und guten Familie. Der Bischof von Mainz und die Fürsten wollten ihn überreden, sich taufen zu lassen, doch er weigerte sich immer wieder, ihrer Bitte Folge zu leisten. Immer und immer wieder versuchte der Bischof ihn zu überreden. Eines Tages, als Rabbi Amnon dem ewigen Drängen ausweichen wollte, sagte er: Gebt mir drei Tage Bedenkzeit, ich will mich beraten und darüber nachdenken. Er glaubte, den Dränger mit dieser Antwort abweisen zu können. Kaum hatte er aber den Bischof verlassen, wurde er sich bewusst, ihm damit die Hoffnung einer Zusage gegeben zu haben. Wie konnte er auch nur den geringsten Ausdruck des Zweifels über seine Lippen bringen und somit den Eindruck erwecken, G'tt zu verleugnen! Als er nach Hause kam, wollte er weder essen noch trinken und wurde krank. Alle, die ihm nahestanden, kamen, um ihn zu trösten, doch er liess sich nicht trösten. Er sagte: Der Ausspruch meiner Lippen wird mich trauernd ins Grab bringen. Er weinte und nahm es sich sehr zu Herzen. Als der Bischof am dritten Tag nach ihm sandte, weigerte er sich mitzukommen. Der Bischof schickte hohe Würdenträger, um ihn zu holen, doch Rabbi Amnon bestand darauf, nicht mitzukommen. Da sagte der Bischof. Holet mir den Amnon mit Gewalt! So brachten sie ihn vor den Bischof. Dieser sprach zu ihm: Warum erschienst du nicht zur von dir festgesetzten Zeit, um mir meine Bitte zu erfüllen? Da sagte Rabbi Amnon: Ich habe mein eigenes Urteil gefällt. Die Zunge, die lügnerisch zu dir sprach, soll mir herausgeschnitten werden. Durch diese, sich selbst auferlegte Strafe, wollte Rabbi Amnon den Namen G'ttes heiligen, weil er Böses gesprochen hatte. Der Bischof aber sprach: Nicht deine Zunge werde ich abschneiden, denn sie hat gut gesprochen, aber deine Füsse werde ich dir abhacken lassen, denn sie kamen nicht zur Zeit, die du mir festgesetzt hattest. Auch den Rest deines Körpers werde ich züchtigen.
Dann liess der grausame Herrscher ihm Hände und Füsse abschneiden. Dies geschah unter unsäglichen Qualen. Willst du nun endlich unseren Glauben annehmen? fragte der Bischof. Entschlossen antwortete er: Nein. So brachte man Rabbi Amnon verstümmelt nach Hause.
Als das Rosch haShana fest sich näherte, bat Rabbi Amnon, man möge ihn in die Synagoge bringen, neben den Vorbeter. Als dieser mit der Keduscha begann, sagte Rabbi Amnon zu ihm: Halte doch eine Weile inne, damit ich den grossen Namen G'ttes heiligen kann. Und er sprach mit lauter Stimme: »UWECHEN, LECHA TA'ALE KEDUSCHA - zu Dir steige die Heiligung empor...«. Dann fuhr er fort: »Unetane Tokef Keduschat Hajom - wir wollen die Grösse der Heiligkeit des Tages schildern.« Und weiter: »EMET KI ATA HU DAJAN UMOCHIACH... - in Wahrheit, Du bist der Richter, der zurechtweist ...«. Als Rabbi Amnon das Gebet beendet hatte, da hauchte er seine reine Seele aus und sie stieg zu G'tt empor. Über ihn wird gesagt: »MA RAW TUWCHA ASCHER ZAFANTA... - wie gross ist Deine Güte, die Du für Deine Frommen aufbewahrt hast...« (Tehillim 31:20)
Am dritten Tag, nachdem Rabbi Amnon in Reinheit in die höhere Welt eingegangen war, erschien er Rabbenu Klonimos, Sohn von Rabbenu Meschullam in nächtlicher Vision, lehrte ihn diesen Pijut »UNETANE TOKEF' und befahl ihm, das Gebet in allen Gebieten der Diaspora zu verbreiten, damit es für ihn Zeugnis ablege und nicht in Vergessenheit gerate. Dies tat der Gaon Rabbenu Klonimos. (Or Sarua, Hilchot Rosch haShana)
Schlaf am Rosch haShana
Man pflegt am Rosch haShana während des Tages nicht zu schlafen. Man soll sich eine Zeit zum Torastudium festlegen oder in der Synagoge Tehillim - Psalmen sagen. Auch wer müssig geht, ist wie ein Schlafender! Im Talmud Jeruschalmi heisst es: Wer am Rosch haShana schläft, verschläft sein Glück (sein Schicksal).
Wem aber der Kopf schwer ist, und wer Mühe hat, das Minchagebet andächtig zu beten, weil er zu müde ist, kann nach Tagesmitte ein wenig schlafen.
TASCHLICH
Zu Mincha am Rosch haShana betet man »ASCHREF' und »UWA LEZIJON GO'EL«. Wenn Rosch haShana auf Schabbat fällt, wird aus dem Wochenabschnitt vorgelesen. Dann folgt die Schemone Essre wie zu Schacharit. Nach der Wiederholung des Vorbeters wird »AWINU MALKENU« gesagt. Am Schabbat jedoch wird es nicht gesagt. Dies gilt auch für den Vortag des Schabbat, wenn der zweite Tag Rosch haShana auf Freitag fällt.
Nach dem Minchagebet wird »Taschlich« verrichtet. Man geht an ein Gewässer, an den Strand des Meeres oder einen Fluss. Wenn diese nicht in der Stadt vorhanden sind, geht man an einen Brunnen, eine Quelle oder an ein Reservoir, in welchem sich Regenwasser befindet. Folgende Verse werden am Wasser rezitiert: »MI KEL KAMOCHA... - wer ist ein G'tt wie Du, der die Sünde vergibt und die Missetat erlässt dem Rest Seines Erbteiles, der Seinen Zorn nicht ewig behält, denn Er will Gnade. Er wird sich unserer wieder erbarmen, wird unsere Verfehlungen bezwingen. Werfen wirst Du all ihre Sünden in die Strudel des Meeres. Gib Wahrheit dem Jaakow und Liebe dem Awraham, so wie Du es schon seit Urzeiten unseren Vätern zugeschworen hast.« (Micha 7:18-19)
Dem Gebet werden noch andere Verse hinzugefügt, die G'ttes Erbarmen für uns erwecken sollen, sowie auch Verse aus den Psalmen. Einige fügen noch ein anderes Gebet hinzu, dessen Autor Rabbi Chajim David Azulay, genannt »CHIDA« ist. Dabei schüttelt man dreimal Taschen und Rocksaum aus, um damit symbolisch auszudrücken, dass man bereit ist, sich seiner Sünden zu entledigen. Diese Sitte basiert auf dem Vers »Gam Chozni Na'arti... - auch meinen Rocksaum schüttelte ich aus und ich sprach, so schüttle auch G'tt aus...« (Nechemja 5:13)
»TASCHLICH« soll auch an »SEEHUT AWOT - an das Verdienst der Väter« erinnern. Als unser Stammvater Awraham ging, um Jizchak auf dem Altar zu binden, (dies geschah am Rosch haShana) verwandelte sich Satan, der Hinderer, in einen reissenden Fluss, und als Awraham und Jizchak ihn überqueren wollten, stand ihnen das Wasser bis zum Hals. Da sprach Awraham zum Heiligen, gelobt sei Er: Herr der Welt, ich bin nahe am Ertrinken. Wenn ich oder mein Sohn Jizchak umkomme, wer wird dann Deinen heiligen Namen in dieser Welt verkünden? Sofort rügte der Heilige, gelobt sei Er, den Fluss, und die beiden wurden gerettet. (Jalkut Wajera 99)
Darum gehen wir am Rosch haShana an ein Gewässer um in Erinnerung zu bringen, dass unsere Väter ihr Leben einsetzten, um seine Mizwot zu erfüllen. Wenn der erste Tag Rosch haShana auf Schabbat fällt, macht man am zweiten Tag nach dem Minchagebet »TASCHLICH«.
Der zweite Tag Rosch haShana
Alle Anordnungen für den zweiten Tag Rosch haShana, alle Mizwot und Gebete sind wie am ersten Tag zu beachten. Ausnahme bilden die Toravorlesung und die Haftara, wie schon vorher erwähnt.
Für den Kiddusch des zweiten Abends pflegt man eine neue Frucht auf den Tisch zu stellen, oder ein neues Kleidungsstück anzuziehen, damit man den Segensspruch »SCHEHECHEJANU« sagen kann. Wenn man dann beim Kiddusch diese Beracha sagt, richtet man seine Gedanken auf die Frucht oder das Kleid und hat somit gleichzeitig auch »KEDUSCHAT HAJOM - die Heiligkeit des Tages« gewürdigt. Es besteht nämlich ein Zweifel, ob man am zweiten Abend »SCHEHECHEJANU« sagen muss. Auch beim Lichterzünden am zweiten Abend sagt die Frau »SCHEHECHEJANU«, richtet aber dabei ihre Gedanken auf die neue Frucht oder auf das neue Kleid. Aber auch wenn man keine neue Frucht vorbereitet hat, oder ein neues Kleidungsstück, soll man sowohl beim Lichterzünden am zweiten Abend als auch zum Kiddusch »SCHEHECHEJANU« sagen. So haben es die meisten Dezisoren entschieden.
ERUW TAWSCHILIN
Wenn der zweite Tag Rosch haShana auf den Vorabend des Schabbat fällt, muss man am Vorabend des ersten Feiertages, d.h. am Mittwoch vor Beginn des Festes, »ERUW Tawschi lin« machen. Durch diese Einrichtung ist es erlaubt, alles vorzubereiten, was für den Schabbat notwendig ist.
Weshalb muss »ERUW TAWSCHILIN« gemacht werden? Nach Anordnung unserer Weisen ist es verboten, am Feiertag für den Schabbat zu kochen. Es ist dies eine Vorsichtsmassregel, damit man nicht dazu kommt, an einem Feiertag für einen Wochentag Speisen zu kochen. Wenn man aber bereits am Vorabend des Feiertages eine Speise für Schabbat vorbereitet, ist es erlaubt, am Feiertag für den Schabbat zu kochen. Das Kochen am Jom Tow für Schabbat wird in diesem Fall dann so beurteilt, als ob man es bereits am Vorabend des Jom Tow begonnen hätte. Jetzt vollendet man nur seine Arbeit. Damit wird ein Zeichen gesetzt: Wenn man nicht vom Feiertag auf Schabbat kochen darf, dann erst recht nicht vom Feiertag auf einen Werktag. Daher die Bezeichnung ERUW - Mischung. Man »vermischt« das Kochen für Schabbat mit dem Kochen für Jom Tow, und beides wird dann als ein Kochen betrachtet.
»ERUW TAWSCHILIN« besteht aus zwei vorbereiteten Gerichten: aus Gebackenem und Gekochtem. Noch vor Beginn des Feiertages nimmt man eine Challa - ein Weissbrot - (Berches) oder zwei Mazzot, (damit es das Mass von einem Ei - KEWEJZA - hat) und legt dazu mindestens ein »KESAJIT - das Mass einer Olive - einer gekochten Speise dazu. Man kann dazu Fleisch, Fisch oder ein gekochtes Ei nehmen. Dies wird für Schabbat weggelegt. Bei der Aufbewahrung der Speisen spricht man den Segensspruch: »...ASCHER KIDDESCHANU BEMIZ - WOTAW WEZIWANU AL MIZWOT ERUW... - der uns geheiligt durch Seine Gebote und uns das Gebot des ERUW befohlen.« Obwohl dieses Gebot nur eine Anordnung der Weisen ist, sagen wir:
»WEZIWANU - der uns befohlen hat«, denn der Heilige, gelobt sei Er, hat uns in Seiner Lehre befohlen, die Anordnungen der Weisen zu befolgen, so wie es heisst: »LO TASSUR MIN HADAWAR - weiche nicht ab von allem, was sie (die Weisen) dich lehren« (Dewarim 17:11). Dieser Grundsatz gilt für alle Mizwot, die unsere Weisen angeordnet haben.
Nach der Beracha spricht man folgendes: »Mit diesem ERUW sei es uns erlaubt, zu kochen, warmzuhalten und Licht anzuzünden - dies selbstverständlich durch Übertragen von einer schon brennenden Flamme - und es sei uns auch erlaubt, vom Jom Tow auf Schabbat das Nötige zu verrichten.« Die vorbereiteten Speisen müssen bis zum Beginn des Schabbat aufbewahrt werden.
Es ist Sitte, die Challa oder die Mazzot als »LECHEM MISCHNE - als doppeltes Brot« für die Schabbatmahlzeit zu benutzen, denn hat man mit ihnen schon eine Mizwa (von ERUW TAWSCHILIN) erfüllt, so soll man auch eine andere damit erfüllen. Man darf seinen Nachbarn, oder wer auch immer daran Interesse hat, an diesem ERUW teilnehmen lassen. Wenn diese Person es nämlich vergessen hat, selbst den »ERUW« vorzubereiten, so darf sie sich auf den »ERUW« des Nachbarn stützen. Hat aber jemand keinen »ERUW« gemacht, weil er vorhatte, bei Freunden zu speisen und es sich dann aber anders überlegt, darf er bei sich zuhause nichts für Schabbat vorbereiten. In dieser Situation gilt der »ERUW« des anderen nicht für ihn.
Wie kann man andere an seinem »ERUW« teilhaben lassen? Man gibt die vorbereiteten Speisen in die Hand eines erwachsenen Familienmitgliedes, oder sogar auch in die Hand eines Kindes, wenn dieses nicht Mitglied des gleichen Haushaltes ist, und sagt ihm: Erwirb diesen »ERUW« für alle Bewohner dieser Stadt. Dann sagt man: »Mit diesem ERUW sei es erlaubt...«, und vollendet: »für uns und für alle, die in dieser Stadt wohnen.« Man soll den ERUW für die ganze Stadt und alle innerhalb des Techum-Gebietes - 2000 Ellen nach allen Richtungen um die Stadt - lebenden Bewohner machen.