24-10-2008, 09:47
Liebe Karla,
Du schreibst:
"Eine Gesellschaft übt mittels ihrer Grundüberzeugungen oft erheblichen Druck aus auf ihre Mitglieder, wenn sie nicht spuren und nicht die Ideologie übernehmen, die sich eingebürgert hat."
Genau das ist der Punkt. Es widerstrebt mir sehr, Menschen, die das Leben an sich und im Besonderen IHR Leben als sinnlos und absurd empfinden, als "krank" abgestempelt werden. Genauso geht es manchen Depressiven, die einfach "am Dasein an sich" leiden. Ich halte das NICHT im klinischen Sinne für krank. Man könnte das auch "Melancholie" nennen, wenn dieser Begriff in den letzten 100 Jahren nicht so verkitscht worden wäre. Melancholie und Lebensablehnung KÖNNEN Ausdruck einer Krankheit sein, aber sie MÜSSEN es nicht.
Es gibt da in der Literatur genug Beispiele, ich nenne stellvertretend den Philosophen Emile Cioran, dessen Hauptwerk "Vom Nachteil, geboren zu sein" heisst. Was wurde dieser Mensch pathologisiert, nur weil er etwas infrage stellte, das man "gemeinhin" eben als gut, lebenswert, ja, von vielen Gläubigen sogar als "Geschenk" bezeichnet wird: nämlich das Leben. Selbst den Suizid hielt Cioran für absurd, es galt für ihn, das Leben schlicht und ergreifend zu ertragen, aber er wollte nicht damit belästigt werden, dass das Leben doch wunderschön und in jedem Fall lebenswert oder gar ein Geschenk Gottes sei.
Oder nehmen wir Ludger Lütkehaus, dessen opus magnus "Nichts" (ein 750-Seiten-Essay) heisst, und das sich mit nicht mehr und nicht weniger beschäftigt als mit der Frage, warum "zu sein" angeblich besser sei als "nicht zu sein".
"Die Rache an solche Selbstdenkenden ist perfide und giftig: sie werden als krank erklärt. Das Normale sei das Gesunde, das Abweichende sei das Kranke. Das ist, wieder einmal, im Keim - und im Kern - faschistoid."
Ein bedingungsloses JA, ohne Wenn und Aber.
"diese Tipps kriegen Homosexuelle und Depressive, Selbstmordkandidaten und geistig Behinderte. Das Denken ist genau das Gleiche wie in der Nazizeit. Der Unterschied ist nur, dass man sie heute leben lässt. Aber VERACHTEN oder zumindest bemitleiden tut man sie noch genauso."
Auch das ist richtig.
Die Grenze zu finden zwischen dem Punkt, ab welcher ein Mensch Hilfe zu erhalten hat, weil er sie direkt oder indirekt wünscht, und dem Punkt, an dem so eine Hilfe eine Zu-Mutung ist, ist hauchdünn. Ich denke, das immer wieder zu hinterfragen, gehört zur menschlichen Freiheit des Suizidanten und des eventuell Helfenden. Und es ist auszuhalten, dass sich der Andere anders entscheidet als man es sich selbst gewünscht hat.
Liebe Grüsse
Petrus
Du schreibst:
"Eine Gesellschaft übt mittels ihrer Grundüberzeugungen oft erheblichen Druck aus auf ihre Mitglieder, wenn sie nicht spuren und nicht die Ideologie übernehmen, die sich eingebürgert hat."
Genau das ist der Punkt. Es widerstrebt mir sehr, Menschen, die das Leben an sich und im Besonderen IHR Leben als sinnlos und absurd empfinden, als "krank" abgestempelt werden. Genauso geht es manchen Depressiven, die einfach "am Dasein an sich" leiden. Ich halte das NICHT im klinischen Sinne für krank. Man könnte das auch "Melancholie" nennen, wenn dieser Begriff in den letzten 100 Jahren nicht so verkitscht worden wäre. Melancholie und Lebensablehnung KÖNNEN Ausdruck einer Krankheit sein, aber sie MÜSSEN es nicht.
Es gibt da in der Literatur genug Beispiele, ich nenne stellvertretend den Philosophen Emile Cioran, dessen Hauptwerk "Vom Nachteil, geboren zu sein" heisst. Was wurde dieser Mensch pathologisiert, nur weil er etwas infrage stellte, das man "gemeinhin" eben als gut, lebenswert, ja, von vielen Gläubigen sogar als "Geschenk" bezeichnet wird: nämlich das Leben. Selbst den Suizid hielt Cioran für absurd, es galt für ihn, das Leben schlicht und ergreifend zu ertragen, aber er wollte nicht damit belästigt werden, dass das Leben doch wunderschön und in jedem Fall lebenswert oder gar ein Geschenk Gottes sei.
Oder nehmen wir Ludger Lütkehaus, dessen opus magnus "Nichts" (ein 750-Seiten-Essay) heisst, und das sich mit nicht mehr und nicht weniger beschäftigt als mit der Frage, warum "zu sein" angeblich besser sei als "nicht zu sein".
"Die Rache an solche Selbstdenkenden ist perfide und giftig: sie werden als krank erklärt. Das Normale sei das Gesunde, das Abweichende sei das Kranke. Das ist, wieder einmal, im Keim - und im Kern - faschistoid."
Ein bedingungsloses JA, ohne Wenn und Aber.
"diese Tipps kriegen Homosexuelle und Depressive, Selbstmordkandidaten und geistig Behinderte. Das Denken ist genau das Gleiche wie in der Nazizeit. Der Unterschied ist nur, dass man sie heute leben lässt. Aber VERACHTEN oder zumindest bemitleiden tut man sie noch genauso."
Auch das ist richtig.
Die Grenze zu finden zwischen dem Punkt, ab welcher ein Mensch Hilfe zu erhalten hat, weil er sie direkt oder indirekt wünscht, und dem Punkt, an dem so eine Hilfe eine Zu-Mutung ist, ist hauchdünn. Ich denke, das immer wieder zu hinterfragen, gehört zur menschlichen Freiheit des Suizidanten und des eventuell Helfenden. Und es ist auszuhalten, dass sich der Andere anders entscheidet als man es sich selbst gewünscht hat.
Liebe Grüsse
Petrus