08-11-2008, 17:48
Inzwischen hat es ja haufenweise Beiträge gehagelt und leider auch ein paar unfaire Unterstellungen. Erst einmal: Weder Presbyter oder ich sind es gewesen, die dieses Thema angeschnitten haben. Wenn aber jemand anderes das tut, ist es ja wohl nicht verboten, mitzudiskutieren.
Apophatische Theologie (diesen Begriff ziehe ich dem lateinischen "negativ" vor, weil ihn zwar keiner kennt, er aber wenigstens nicht gleich für Mißverständnisse sorgt) ist allerdings etwas sehr Spezielles, und insofern darf man nicht erwarten, sofort bis ins Detail alles zu verstehen, was darüber gesagt wird. Umgekehrt: Wenn man sich länger mit der Materie befaßt hat, hat man es auch nicht unbedingt leicht, exakt den Punkt zu treffen, an dem man ansetzen muß, um von seinen Gesprächspartnern verstanden zu werden. Es ist also weder Dummheit bei den einen noch böser Wille bei den anderen im Spiel, und ich bitte die erhitzten Gemüter sehr darum, jetzt mal eine gemütlichere Gangart einzulegen.
Also versuche ich es nochmal von vorn: Bei der apophatischen Theologie geht es nicht darum, überhaupt nicht mehr von Gott zu reden, eine agnostische Weltanschauung zu begründen oder ähnliches. Sondern apophatische Theologie ist zunächst einmal ein mystischer Weg, um sich Gott zu nähern. Sie basiert auf der Erkenntnis, daß, je mehr wir uns Gott annähern, desto weniger unsere Sprache dazu taugt, zu beschreiben, was wir da erleben und was uns da widerfährt. Denn unsere Sprache ist ja normalerweise ein Medium, das uns gehorcht. Gott zu erleben ist dagegen etwas, das uns überwältigt.
Die apophatische Theologie geht also davon aus, daß zwar die Sprache mit ihren Aussage- und Beschreibungsmöglichkeiten als Hinführung zu Gott eine wichtige Rolle spielt, daß sie uns aber auf den letzten Metern zur höchstmöglichen Erkenntnis im Weg steht, daß also irgendwann der Punkt kommt, an dem wir dieses Instrument unserer rationalen Macht hinter uns lassen müssen.
Das schließt allerdings aus meiner Sicht nicht aus, daß genau hier Sprache neu ins Spiel kommt, nämlich als Doxologie, als Lobpreis des alles Begreifen und alles Sagbare übersteigenden Gottes. So verstehe ich die Geschichte vom ungläubigen Thomas (Johannes 20,24-28(29)): Am Ende wird Thomas von der Erfahrung getroffen, daß er tatsächlich den auferstandenen Christus vor sich hat und hört sich rufen: "Mein Herr und mein Gott!" Ob er in diesem Augenblick kapiert, was er da sagt? Seine Worte übersteigen jedenfalls jedes bis dahin übliche Maß.
Apophatische Theologie ist also ursprünglich in der Mystik zuhause. Die Frage ist also, was solche Menschen von ihr haben, die es nicht gar so spirituell treiben. Den Wert sehe ich vor allem darin, die Erfahrung nicht zu fürchten, die eigenen Gottesvorstellungen über den Haufen fliegen zu sehen und sich neue suchen zu müssen. Wir haben dann zwar einen Gott, den wir anbeten und mit dem wir streiten können (apophatische Theologie verneint ja nicht die Beziehung zu Gott, sondern versucht auszuräumen, was ihr im Weg steht), den wir aber nicht gegen andere Menschen ausspielen können, die unsere Vorstellungen nicht teilen. Angesichts eines Gottes, der die Verstandeskräfte übersteigt, verliert - bei allem Respekt vor den Überzeugungen - jede Rechthaberei ihren Sinn. Weiter oben erzählte ich ja schon davon, daß in frühislamischer Zeit apophatische Theologie als Weg ausprobiert wurde, um zu mehr gegenseitigem Respekt zwischen den Religionen zu kommen.
Und noch kurz zu einer anderen Frage (@Marlene): Mit der prinzipiellen Unvollkommenheit der Menschen (auch mit meiner eigenen) kann ich leben. Aber auch gegen vollkommene Menschen habe ich nichts. So lange sie bescheiden bleiben und nicht die Unterschiede zwischen ihrer Vollkommenheit und anderer Leute Unvollkommenheit thematisieren.
Gruß
Matthias
Apophatische Theologie (diesen Begriff ziehe ich dem lateinischen "negativ" vor, weil ihn zwar keiner kennt, er aber wenigstens nicht gleich für Mißverständnisse sorgt) ist allerdings etwas sehr Spezielles, und insofern darf man nicht erwarten, sofort bis ins Detail alles zu verstehen, was darüber gesagt wird. Umgekehrt: Wenn man sich länger mit der Materie befaßt hat, hat man es auch nicht unbedingt leicht, exakt den Punkt zu treffen, an dem man ansetzen muß, um von seinen Gesprächspartnern verstanden zu werden. Es ist also weder Dummheit bei den einen noch böser Wille bei den anderen im Spiel, und ich bitte die erhitzten Gemüter sehr darum, jetzt mal eine gemütlichere Gangart einzulegen.
Also versuche ich es nochmal von vorn: Bei der apophatischen Theologie geht es nicht darum, überhaupt nicht mehr von Gott zu reden, eine agnostische Weltanschauung zu begründen oder ähnliches. Sondern apophatische Theologie ist zunächst einmal ein mystischer Weg, um sich Gott zu nähern. Sie basiert auf der Erkenntnis, daß, je mehr wir uns Gott annähern, desto weniger unsere Sprache dazu taugt, zu beschreiben, was wir da erleben und was uns da widerfährt. Denn unsere Sprache ist ja normalerweise ein Medium, das uns gehorcht. Gott zu erleben ist dagegen etwas, das uns überwältigt.
Die apophatische Theologie geht also davon aus, daß zwar die Sprache mit ihren Aussage- und Beschreibungsmöglichkeiten als Hinführung zu Gott eine wichtige Rolle spielt, daß sie uns aber auf den letzten Metern zur höchstmöglichen Erkenntnis im Weg steht, daß also irgendwann der Punkt kommt, an dem wir dieses Instrument unserer rationalen Macht hinter uns lassen müssen.
Das schließt allerdings aus meiner Sicht nicht aus, daß genau hier Sprache neu ins Spiel kommt, nämlich als Doxologie, als Lobpreis des alles Begreifen und alles Sagbare übersteigenden Gottes. So verstehe ich die Geschichte vom ungläubigen Thomas (Johannes 20,24-28(29)): Am Ende wird Thomas von der Erfahrung getroffen, daß er tatsächlich den auferstandenen Christus vor sich hat und hört sich rufen: "Mein Herr und mein Gott!" Ob er in diesem Augenblick kapiert, was er da sagt? Seine Worte übersteigen jedenfalls jedes bis dahin übliche Maß.
Apophatische Theologie ist also ursprünglich in der Mystik zuhause. Die Frage ist also, was solche Menschen von ihr haben, die es nicht gar so spirituell treiben. Den Wert sehe ich vor allem darin, die Erfahrung nicht zu fürchten, die eigenen Gottesvorstellungen über den Haufen fliegen zu sehen und sich neue suchen zu müssen. Wir haben dann zwar einen Gott, den wir anbeten und mit dem wir streiten können (apophatische Theologie verneint ja nicht die Beziehung zu Gott, sondern versucht auszuräumen, was ihr im Weg steht), den wir aber nicht gegen andere Menschen ausspielen können, die unsere Vorstellungen nicht teilen. Angesichts eines Gottes, der die Verstandeskräfte übersteigt, verliert - bei allem Respekt vor den Überzeugungen - jede Rechthaberei ihren Sinn. Weiter oben erzählte ich ja schon davon, daß in frühislamischer Zeit apophatische Theologie als Weg ausprobiert wurde, um zu mehr gegenseitigem Respekt zwischen den Religionen zu kommen.
Und noch kurz zu einer anderen Frage (@Marlene): Mit der prinzipiellen Unvollkommenheit der Menschen (auch mit meiner eigenen) kann ich leben. Aber auch gegen vollkommene Menschen habe ich nichts. So lange sie bescheiden bleiben und nicht die Unterschiede zwischen ihrer Vollkommenheit und anderer Leute Unvollkommenheit thematisieren.
Gruß
Matthias