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Negative Theologie
#49
(11-11-2008, 13:08)Ekkard schrieb: Es ist daher wenig hilfreich, aus einem religionsphilosophischen Text, eine Passage zu lesen, ohne das "Wörterbuch der Strukturen" des Autors mitzuliefern. Das ist kein Vorwurf an Diskussionsteilnehmer, sondern erklärt nur, dass man nicht versteht, was uns ein bestimmter Text sagen will.

Damit hast Du wohl Recht!

Der Begriff der "negativen Theologie" und die Schriften des Ps.D. haben mich die letzten Tage einigermaßen beschäftigt. Ich habe also alles, was ich dazu an Text besitze, hervorgekramt, auszugsweise durchgelesen und Kommentare verglichen. Dabei musste ich erkennen, dass es mir in absehbarer Zeit wohl nicht möglich sein wird, den nötigen Überblick zu finden. So ist es gut möglich, dass ich die eine oder andere Aussage, die ich mache (und bisher gemacht habe), modifizieren oder zurücknehmen muss.

Johannes Hirschberger schreibt:

Der Zentralgedanke des Ps.D. ist die Gottesidee. Gott ist, wie im Neuplatonismus, der Überseiende, Übergute, Übervollkommene, Übereine. Es gibt wohl positive Aussagen zu Gott, und diese positive Theologie bildet den ersten Weg zu ihm. Da aber Gott der Überseiende ist, muss sie stets durch die höhere negative Theologie korrigiert werden, die alles nur Geschöpfliche streicht, um nur noch das darüber Hinausliegende gelten zu lassen.

Er schreibt weiters:

Weil Gott der Übergute ist, schenkt er das ganze Sein. Und er gibt es aus sich. In ihm sind alle Prinzipien enthalten, das Sein selbst, alles Seiende, alle Qualitäten, und alles ist in ihm eingestaltig als Eines in einem.

Gott lässt die Dinge aus sich hervorgehen und dadurch entsteht die Welt.



PsD. schreibt (Himmlische Hierarchien IV, 1):

Es ist nämlich der Ursache von allem als dem obersten Guten eigentümlich, dass es die Dinge ruft, an ihm teilzuhaben, je nachdem sie dazu fähig sind. Darum haben alle Dinge Teil an der Vorsehung, die aus der überwesentlichen Ursache erfließt. Sie wären nämlich nicht, wenn sie nicht teilnähmen an dem Wesen und Urgrund aller Dinge.

Wenn also alle Dinge emaniert, also aus Gott heraus entstanden sind (an ihm teilhaben), dann nimmt alles auch teil an ihm.

Der Hinweis auf die Emanation, der ohne Zweifel ein pantheistisches Element ist, wird gerne als Missverständnis gedeutet. Dass pantheistische Elemente in den Schriften des Ps.D. nicht von der Hand zu weisen sind, wird durch die Anstrengungen von bedeutenden Persönlichkeiten der christl. Philosophie, den Emanationsgedanken des Ps.D. umzudeuten, bekräftigt.

Hirschberger kommentiert den oben angemerkten Beispielstext aus den Himmlischen Hierarchien (mit gleichzeitigem Verweis auf De div. Nom. V, 8) folgendermaßen:

Es handelt sich bei diesem Hergang um eine Emanation. Sie soll jedoch keinen pantheistischen Sinn haben. Um dieser Gefahr zu begegnen, betont Dionysius, dass die Dinge, selbst wenn sie ewig wären im Sinne der Summe aller Zeiten, doch nicht gleich ewig wären wie Gott, weil er vor und über aller endlosen Zeit ist (De div. Nom. IX, 6).

Mir erscheint es nicht schlüssig, anzunehmen, dass Ps.D. die angemerkten Aussagen in seinem Werk Über die göttlichen Namen gemacht hat, um der Gefahr, in den Pantheismus abzugleiten, zu begegnen.

Dann noch einmal zu den Begriffen "Einung" und "Geschiedenheit", die mir noch immer einiges Kopfzerbrechen bereiten.

In De divinis nominibus (I,5; 116,14 – 117,4) sagt Ps.D., ich führe dieses Zitat nochmals an, folgendes:

[...] Durch diese Einung werden die gottähnlichen Vernunftwesen in Nachahmung der Engel, so weit es möglich ist, geeint, da ja durch Beenden jeder geistigen Tätigkeit, eine solche Einung der vergotteten Vernunftwesen mit dem übergöttlichen Licht entsteht, und sie feiern dieses Licht im eigentlichen Sinne durch die Abstraktion alles Seienden und sind somit wahrhaftig und außerordentlich aufgrund der allerseligsten Einung mit ihm darüber erleuchtet, dass es von allem Seienden zwar Ursache, selbst aber nichts ist, weil es allem auf überwesentliche Weise enthoben ist.

Ps.D. erwähnt also mehrmals, dass sich diese Einung "jenseits aller intellektuellen Tätigkeit" vollzieht. Und zwar ganz besonders durch Beenden der Tätigkeit, die dem Geist als solchen nach Aristoteles zukommt (des geistigen Erfassens einfacher geistiger Prinzipien). Also verstehe ich "Einung" als einen Prozess, der den menschlichen Geist in einen transzendentalen Zustand überführt, um in diesem am göttlichen Geist teilhaben zu können.

Theo Kobusch schreibt in einem Aufsatz zu Ps.D. folgendes:

Auch das göttliche Wesen ist durch Einung und Scheidung bestimmt. Henosis und Diakrisis sind dialektische Bestimmungen, d. h. Momente eines göttlichen Wesens, die sich gegenseitig bedingen (De div. Nom. II, 4; 126,8-11).

Die Henosis bezeichnet also das göttliche Wesen, soweit es in unveränderlicher Identität in sich gegründet ist und verharrt und in überwesenhafter Weise selbstgenungsam aus sich existiert. Die Geschiedenheit aber bezeichnet schlechthin alle Weisen des Hervorgangs, der Selbstmitteilung oder des Sichdarstellens des göttlichen Wesens.

MfG E.
MfG B.
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