17-11-2008, 22:33
(17-11-2008, 17:27)Ekkard schrieb:(17-11-2008, 12:29)Karla schrieb: Ich sehe es NICHT so - falls Du es wirklich so gemeint haben solltest -, dass Menschen ZWANGSLÄUFIG in einer bestimmten Zeit zu einem bestimmten Denken kommen müssen.Doch, Karla. Siehe dazu die strenge wörtliche Bibelauslegung, auf die Mandingo hinwies.
Den Zusammenhang verstehe ich im Moment nicht. Das war doch Luthers freie Wahl. Gerade die hat er doch neu ins Feld gebracht.
Zitat:Moderne Beispiele sind "gewaltfreie Kinder-Erziehung", "Homo-Ehe", "Terroristen", "Strafvollzug", "Geisteskranke", "Gleichbehandlung der Frau", "Flüchtlinge", "Asylanten", "Müslis (alternative Lebensformen)".
Ich gestehe Dir zu, dass du die Diskriminierungen alle erkennst und bekämpfst. Vor 500 Jahren waren Ungläubige und Nichtchristen praktisch Ausgestoßene aus der Gesellschaft, wie heute vielleicht Mörder.
Natürlich: Man kann das erkennen, wenn man die Ideale der französischen Revolution im Hinterkopf hat. Aber ohne diese?
Ohne diese gab es auch schon vor Hunderten von Jahren Mütter und Väter, die von sich aus bestimmte Dinge unterlassen haben. Dass es mentale Entwicklung durch die Zeiten hindurch gab, leugne ich selbstverständlich nicht. Aber ich leugne, dass zu bestimmten Zeiten bestimmte Menschen in einer bestimmten Weise denken MUSSTEN. Das ist einfach nicht wahr. Wenn man alte Erzählungen und Epen liest, dann kann man sehr wohl feststellen, dass zum Beispiel die Achtung vor der Frau für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit war. Warum war es das? Weil diese Menschen Herzensbildung hatten, selber feine Menschen waren. Diese gab es zu allen Zeiten. Und die mussten nicht auf das 20./21, Jahrhundert warten, wo man Rüpel nur mittels Strafe in den Griff kriegen kann.
Zitat:Überlege dir mal deinen Übergang vom egozentrischen Kind zur altruistischen Erwachsenen. Du hast einfach aus deiner Umgebung die Ideale der Aufklärung, den Primat der Nächstenliebe gegenüber jeder Person usw. aufgesogen.
Nein. Das halte ich insgesamt für einen wirklichen Fehlschluss. Ich kenne diese Ansichten. Ich habe mich viel damit auseinandergesetzt, es auch oft überprüft, sowohl bei mir als auch bei anderen. Es gibt Dinge, die ich beibehalten habe aus dem Umfeld derer, die meinten, mich erziehen zu müssen. Das sind aber die Dinge, die schon in mir selber angelegt waren. Alle anderen flossen an mir ab wie Wasser an Öl. Es gibt Menschen, die sind ziemlich sehr ein Produkt ihrer Umwelt, andere sind es fast gar nicht. Das hängt von den einzelnen Individuen selber ab, wie sehr sie sich davon abhängig machen wollen.
Aber das ist ja eine bekannte Kontroverse. Die einen sehen - an dem einen Eckpunkt - die Menschen als vollkommen determiniert an, und andere sehen das - am anderen Eckpunkt - eher so, dass man nur das von der Umwelt aufnimmt, was die latente Disposition zu aktivieren imstande ist. Dazwischen gibt es zahllose Grade.
Zitat:Es hat ja durchaus Zeiten gegeben, wo das Tötungsverbot nicht galt, z. B. bei den Heldengeschichten der alten Germanen. Dort war es ehrenvoll, den Zweikampf zu suchen und zu sterben – oder zu siegen (manchmal beides, weil der Held an seinen Verletzungen verstarb).
Das ist der äußere gesellschaftliche Rahmen, der sich natürlich verändert über die Jahrhunderte. Dennoch ist damit nichts über die einzelnen Individuen ausgesagt, wie sie selber dazu standen und dachten. Diese Freiheit ist ihnen immer geblieben - sofern sie diese zuließen.
Zitat:Das hat doch mit "Dressur" nichts zu tun. Was läuft denn heute alles falsch in unseren Gesellschaften? Wissen wir das, haben wir überhaupt eine Vermutung? Meist doch nicht! Seinen wir doch nicht so überheblich und froh, wenn uns gesellschaftliches Fehlverhalten Schrittchen für Schrittchen auffällt!
Hier habe ich Mühe, den Zusammenhang zu sehen zu dem Vorhergesagten. Ich muss doch nicht von einem Extrem in das nächste fallen. Dass die Ideen der Aufklärung sich bei der sogenannten geistigen Elite erst so nach und nach in Papiertext niederschlugen, heißt doch weder, dass nicht schon Jahrhunderte vorher Menschen danach gelebt haben, noch dass Jahrhunderte danach das Gros der Menschen danach lebt.
Die Geschichte der realen mentalen Entwicklung ist doch nie wirklich überprüft worden. Dazu hat man ja noch nicht mal heute ausreichend Werkzeuge. Man hält sich an vergangene Manifeste und meint, diese drücken den mentalen Zustand der damaligen Bevölkerung aus. Man glaubt, weil Lessing und Kant was geschrieben haben, hätten sich das gleich niedergeschlagen bei allen Menschen in allen Schichten. Das ist nicht so, es ist bis heute nicht so. Die Schicht der Kultivierung ist dünn, sehr dünn. Sie kann jeden Moment reißen. Aber sie reißt nicht bei denen, die von sich aus bestimmte Gemeinheiten nie tun würden, nicht einmal empfinden können. Und umgekehrt war diese Kultivierung - vor Hunderten von Jahren - nicht nötig bei denen, die von sich aus Respekt vor anderen hatten, ihnen nie weh tun würden.
Dass es dennoch zeitbedingte Verhaltensformen - vor allem, wenn man unterschiedliche Kulturen mit berücksichtigt und menschliche Schwächen -, gibt, will ich um Himmels willen nicht leugnen. Mir ging es um den hier konkreten Fall. Wenn ein Mann - angenommen es stimmt - nur säuisch von einer Frau denken kann, dann leugne ich strikt, dass ein bestimmtes Jahrhundert nur säuische Männer hervorbringen kann. Dieser Mann hat in meinen Augen null Entschuldigung. Es sei denn, man sieht es von einem ewigen Standpunkt aus, wo jeder Mensch für nichts, aber auch für gar nichts kann, sondern nur Gottes Marionette ist. Aber auf dem Niveau der gesellschaftlichen Betrachtungsweise ist er verantwortlich für irgendwelche Sauereien, egal, aus welchem Jahrhundert er stammt. Es gibt genügend Gegenbeweise dafür, dass ein Jahrhundert nur widerliche Männer produzieren könne. Das war vor allem mein Gegenargument.
Trotz alledem will ich mit dem Gesagten auf keinen Fall unterstützen, dass man nun irgendwelche Sündenböcke der Vergangenheit sich aussucht, auf die man über Monate einkloppt. Ich vermute - ähnlich wie Du und Mandingo -, dass das nur Ablenkmanöver sind für Schandtaten oder Verhaltensweisen aus den eigenen Reihen. Und das hier so deutlich sehen zu müssen, ist mir schlechterdings peinlich.