20-03-2009, 23:57
(19-03-2009, 01:24)harsha schrieb: Seit kurzem plagt mich der Gedanke, ob nun Gott bzw. eine allwissende Macht tatsächlich existiert.Zunächst einmal: Alle großen europäischen Denker haben sich mit Gottesbeweisen herum geschlagen:
Die einfache Google Anfrage gibt darüber beredte Auskunft!
Ich möchte die Sache einmal von der Wortwahl her aufziehen. "Tatsächlich existieren" heißt ja, etwas wirkt auf uns d. h. es verändert uns. Dies kann auf zweierlei Weise geschehen:
1. durch direkte physikalische Ursachen wie Strahlung, Anstoßen, Temperatur oder
2. durch Mitteilung (andere Autoren sprechen von Teilnahme oder Kommunikation)
Ich denke, wir brauchen einen Beweis für Gott nicht in der Wirkungsgeschichte (1.) physikalischer Ursachen zu suchen. Dies sind alles Dinge, die in einer bekannten Kausalkette (wobei ich sogar die "schwache", statistische Kausalität unterstellen kann) stehen. Dort gibt es keinen Gott, es sei denn vor Raum und Zeit. Da jedoch von dort keine tatsächliche Wirkung kommt, existiert dort nichts, was für uns relevant wäre.
Ein Gottesbeweis kann also nicht empirisch geführt werden.
Bleibt also das weite Feld der Mitteilungen (2.) d. h. codierter Nachrichten mit menschenspezifischer Bedeutung.
Ein solcher Beweis hat die Natur einer logischen Aussagenkette, ausgehend von evidenten Axiomen. Axiome sind Grundforderungen an unsere Vorstellungswelt. Sie bestimmen, unsere Denkgewohnheiten und letztlich unsere Kultur.
Ein paar solcher Axiome:
- Wir wollen menschliches Leben erhalten wissen.
- Wir wollen Schmerzen und Qual vermeiden.
- Wir wollen unsere Umwelt erhalten.
- Wir wollen Gleiches Recht für alle!
- Wir wollen 'intellektuelle Redlichkeit' (Vermeidung von Geheimbedeutungen)!
- Wir wollen Aussöhnung im Falle des Unrechts!
- Wir wollen, dass unsere Erwartungen an andere auch von uns erfüllt werden.
Wir denken uns nun eine (literarische) Geschichte mit Figuren aus, die den vorgenannten Axiomen unterliegen. Wir lassen sie leben, wir lassen sie arbeiten, sie häufen Macht und Reichtum an, sie spinnen Intrigen, suchen Vorteile, versagen. Wir lassen sie ums Überleben kämpfen und wir erinnern sie immer wieder auf subtile Weise an die Axiome und an das, was sie "eigentlich" wollten. Wir lösen die Geschichten schließlich in Versöhnungen oder im tragischen Tod.
Nehmen wir an, wir sind extrem gute Schriftsteller. Dann ergibt sich eine Äquivalenz zwischen unserem (geselligen) Leben und dem unserer Figuren.
Die Figuren können ohne weiteres feststellen, dass ihnen gewisse Grundregeln (Axiome) unvermeidlich gegeben sind. Dies liegt "in der Natur ihres Daseins". Sie wissen zwar nichts von jenen "extrem guten Schriftstellern" aber sie bemerken den Segen jener Werte, denen sie immer wieder begegnen – oder den nachteiligen Folgen, wenn sie davon abweichen vor allem im Hinblick auf das letzte o. g. Axiom aus der Liste der Beispiele.
Man sieht: Die Teilnahme an einer komplexen Gesellschaft bedingt die Befolgung gewisser Wertvorstellungen, die so gut "von selbst" aus der Tradition wie von einer Entität kommen kann, die sich darin selbst verwirklicht (wie ein guter Autor).
Es besteht eine strenge Äquivalenz eines umfassenden "Vonselbst" und eines Autors, der sich in Wertvorstellungen "verwirklicht", d. h. wirkt.
Das "Vonselbst" ist der atheistische Standpunkt, die letztere Auffassung entspricht dem Vollzug Gottes in der Geschichte, nachzulesen in den Heiligen Schriften.
Wegen der genannten Äquivalenz habe ich mit keiner der beiden Vorstellungen irgendwelche Probleme.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard