05-05-2009, 00:29
(03-05-2009, 07:53)fimatex schrieb: Aufklaerung ist keine Indoktrination, sondern eine Darstellung von Fakten. Ein Beispiel hier waere wohl die Evolutionstheorie die von Darwin vor 150 Jahren praesentiert wurde und damit die bis dahin gueltige Meinung von der Gottesschoepfung herausgefordert hat.Oh, hier vermischt du so einiges! Also: Aufklärung ist eine veränderte geistige Haltung gegenüber Authoritäten insbesondere der Kirchen. Sie besteht aus gewissen, gegenüber der mittelalterlichen Lebenshaltung neuen Regeln. Dazu gehören: die Veröffentlichung von Wissen und Meinung, das kritische Auseinandersetzen mit Konventionen, das Beachten von Wirkungsgeschichten, das Beachten von Minderheiten (Übernahme der Ideale der frz. Revolution: Freiheit - Gleichheit - Brüderlichkeit, heute Solidarität). Das alles sind keine "Tatsachen", sondern neue Konventionen, die "man" an die Stelle dumpfer Autoritätsgläubigkeit setzte. Und ja, man hat Dogmen hinterfragt. Auch das war damals neu.
Natürlich hat die Aufklärung auch einigen Fakten zum Durchbruch verholfen, aber hier werden Ursache und Wirkung verwechselt. Der autoritäre Stil, mit der die kirchlich geprägte Gesellschaft mit antikem Wissen als "absolut gültig" umging, hatte sich selbst ad absurdum geführt und war nicht mehr zu halten.
Also "Aufklärung" hat mit Fakten so gut wie nichts zu tun, sondern ist ein klarer Wechsel der Geisteshaltung, der alle Konventionen auf den Prüfstand gestellt hat, den religiösen Glauben eingeschlossen.
Das Beispiel "Evolution" ist ein ziemlich mieses Beispiel. Diese war damals mehr eine Phänomenologie denn eine Theorie und beruhte auf Vermutungen. Die Angriffe wären damals berechtigt gewesen, wie man heute weiß. Nur wurden sie völlig idiotisch mit dem Widerspruch zum Schöpfungsmythos begründet. Das zeigt eigentlich nur, dass bereits vor 150 Jahren und mehr dieser Mythos nicht mehr ontologisch sondern analytisch verstanden wurde. So werden analytische Fragen nach Dauer, Zeitpunkt, Energie, Entfernung, Ort usw. plötzlich wichtig und verwirren den modernen Kleingeist.
Am Schöpfungsmythos ist jedoch allein die Frage nach der menschlichen Situation wichtig: Wie steht der Mensch zur Welt; wie steht er zu Tieren, zu anderen Menschen, ist er allein oder auf andere angewiesen, vor wem ist er verantwortlich, worin findet er Geborgenheit, Regelmäßigkeit, Normalität usw.
Darwins Lehre und vieles, was später bis heute Wissenschaft ausmacht, gehört zu den analytischen Eigenschaften der Welt. Mit der Stellung des Menschen hat dies nur indirekt zu tun. Natürlich gibt es Berührungspunkte, wenn Fragen von existentieller Natur gestellt werden: Soll man einen nuklearen Krieg führen, wenn man denn kämpfen muss? Aber die Entwicklung der Nukleartechnik ist in sich eine Frage der Ingenieurskunst und völlig wertneutral - hat also mit Glaube zunächst einmal nichts zu tun.
Es ist in der Tat ein Verdienst der Aufklärung, dass diese Trennung heute sauber vorgenommen werden kann (Geisteshaltung, Konvention).
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard