10-06-2009, 01:17
Zitat:Melek: Glaubst du wirklich, daß bei den verschiedenen Darstellungen von Göttern, die wir etwa im alten Ägypten finden, irgendein Religionsvertreter wirklich gedacht hat, daß der Gott, so wie er gemalt wurde, auch existiert ?- hierzu hab ich was definieren koennen,
Götter wurden stets mit Symbolen dargestellt, um ihren "Wirkungsbereich" zu umschreiben.
z.B.die Gestaltung des *RE in aegyptischer Ikonologie zeigt eine Rote Scheibe zwischen zwei Widderhoernern ("Posthorn") auf dem Haupt eines "Amtsboten" (Engel) - damit ist gemalt, dass DER Unsichtbare als Wesenheit unsichtbar ist ("rot" = Mondfinsternis = nix zu sehen, eigentlich)
- waehrend im Schriftzeichen der Begriff fuer "G0tt" in unserm Sinne als Kreis um einen Punkt inmitten notiert ist, als ein "das da" inmitten dessen, was man nur annaehernd bezeugen kann, zumal einem irgendwann die Woerter ausgehn, in der Sprache, die man da hat - eine haeufig peinsame Erfahrung - ich uebersetze mir das als: "dieser Bote hat im Sinn", "im Kopf", diese Erlebnisrichtung, praesent zu haben, was *RE von z.B. ihm und uns will - somit "transportiert" der Bote den Auftragsgeber, immateriell - aber eben, wie will man das Unsichtbarste zeichnen?
- und der Bote, an den ich grad denke, an der Wand der Grabkammer des Ramses I, steht z.B.in einer "Barke", ueber die ein "Leucht-Wurm" (nicht gemeint ist eine Schlange) gewellt und kopfunter gelegt ist, was besagt: ein "dunkles Gewoelk" entzieht das ganz unseren Blicken, und innen drin wiederum steht kerzengrade ein zweiter "Leuchtwurm", denn da drin ist es wiederum licht und hell.
Es passt immer ganz gut, sich anzusehn, wo diese "Schlangen" jeweils ihre Koepfe haben, nach unten = dunkel, nach oben = hell, darum sag ich dazu Leucht-Wurm. Das Vorbild sind z.B.Dochtschlangen in Oellampen, die man als "ewiges Licht" noch in Kirchen verwendet, der Docht wird durch ein Scheibe gzogen, welche auf dem Oel schwimmt oder bei Wandlampen befestigt war, da schiebt man den gewachsten Docht von unten immer ein Stueck nach, soweit er heruntergebrannt ist, das aehnelt eben einer ihre Rippen spreizenden, sich aufrichtenden, Kobra.
Im Papyrus Ani (1250vdZ) sind davon viele zu sehn, mal als Stirnlampe eines vermutlich gemeinten Blinden ("nicht damit ich sehe, sondern damit andere sehn, dass ich nichts sehe und nichtmal weiss, ob Tag oder Nacht ist"), mal als komplette Reihe ("Thronsitz am Festtag") unterm Dach oder ("Noahs Arche") auf dem Dach, auch mal an Saeulen, wie man seinerzeit diese Kienspan-Lampen auch in Rom und Jerusalem hatte.
Diese Ikonenmaler-Zunft der Schreiber-Vereinigung (*Thot-Bund) hatte Regeln zu befolgen, wovon sich sagen liesse, dass sie nur etwas in Worten Beschriebenes malten und gar nicht abbildeten, soviel man auch abgemalt realistisch-adrett zu sehen meint - da ist fast jede Einzelheit zugleich eine Schriftzeichen-Silbe, Fuesse sind immer 2 "linke" oder 2 "rechte" von der typischen lateralen Seite gemalt, eine "Faust" umfasst nicht den Stab sondern ist gemalt als Faust vor dem Stab, weil das Wortbestandteile sind. Mancher Textsatz ist erst komplett, wenn man die Grossfigur mit liest.
Es laesst sich auch jede "Szene" mehrfach deuten, um mit ihrer Hilfe vorwaerts wie rueckwaerts Geschichten zu erzaehlen, und ein Text, der dabei steht, hat nicht immer Bezug zu dem, was da hinein gemalt wurde.
An Szenen gab es etwas wie einen kompletten 170er-Satz Szenen, die man frei komponieren konnte, um damit auch irgendwas Anderes zu erzaehlen, gross und klein kann fuer sich betrachtet werden, z.B."Frauen" haben als "Diademe" einen Palast "im Kopf", den man architektonisch exakt so im Orient findet, und Gabentische sind zugleich zu Landschaften dekoriert, die es geben kann, oder erzahlen auch wieder eine kleine Geschichte innerhalb der Manuskript-Beispiels - wenn man will und eine einem passierte.
Zum Thema, wo ihr grad bei seid. Ich hoerte auch, dass es umstritten ist, ob "Religion" etwas mit dem lateinischen Begriff "Bindung" zu tun hat, und ich dachte, religio heisse das. Man kann das natuerlich alles auch noch wieder verunsichern und "hinterfragen", wie es Petronius hier zu tun scheint, aber die Sprache hat ohnehin zu wenig Worte, und schlimmer noch: Leute unterschiedlicher Gedanken-Herkunft benutzen gemeinsame Worte, aber meinen damit Unterschiedliches.
In der Jaegersprache sind z.B. Augen "Lichter" und weisse Popo-Zonen beim Reh "Spiegel", aber auch sind die bunten Dekors unter Enten-Fluegeln "Spiegel", das Fell heisst "Decke", das Geweih "Krone" oder "Spiesse", die Beine "Laeufe" oder beim Wasservogel "Paddel", das Maul "Geaese" - man meint, es seien Spuren davon, dass urspruenglich, seit Urzeiten, die Jaeger "taktvoll" vermeiden moechten, dass ein Wild sie ueber es und die Jagd auf es fachsimpeln hoert. Wie auch immer, Fachsprachen benutzen oft Woerter, die in anderen Fachsprachen nicht dasselbe Ding bezeichnen.
Was Melek so charakterisiert: "Es ist transzendent, wenn es deine Wahrnehmungsfähigkeit übersteigt." - wuerde ich praezisieren als "was generell die Vorrichtung unserer "5 Sinne" nicht vermerken koennen, denn es sind ja nur Wahrnehmungs-Fenster, soweit sie lebenspraktisch sind, und die sind ausserdem im Wachzustand nochmal um bestimmt 95 Prozent vorgefiltert, zu vermerken haeufige Dinge an einigen punktuellen Daten zu erfassen, was da wahrnehmbar waere, es dann schon flink hochzurechnen und einzuspeichern, auch wen es da zufallig mal nicht waere.
In Trance stellen wir schon fest, dass wir viel mehr eingefilmt haben, damit aber nicht wissentlich umgehn, es jedoch in Hypnosen wieder hervorholen und nochmal genauer betrachten und beschreiben koennen, und die Phaenomene der Fehlleistungen sind immer wieder aufschlussreich, wie sehr wir sogar dann schon vor-entwerfen, was wahrzunehmen da sein wird und wie ulkig etwas, woran wir grad Anderes denken, sich da einmischen kann.
Wir koennen, soweit ich das mal selbst analysiert habe, mindestens 17 Schichten Erinnerbares auseinanerhalten oder mal verwechseln (das sah ich - das hoerte ich geschildert und stellte es mir bildhaft vor - das entwarf ich, dass es das geben muesste - das wollte ich sagen, verkniff es mir aber - das geschah vor dem - das ist genau die Fortsetzung eines Jahre vorher mittendrin unterbrochenen Gedankengangs, neues Material dazu - das erzaehlte ich dem-und-dem - das erzaehlte ich nicht, aber es ging mir dabei durch den Sinn - etc)
Es ist unglaublich vernetzt und geschichtet, und ein Wunder, dass es ueberhaupt unauffaellig ein Leben lang funktioniert. Alles aber ist in uns irgendwie beisammen abgeheftet, teils an organischem Material geparkt (Blutverlust erzeugt zeitweise Erinnerungs-Stoerungen, Durchfall Ausfaelle ganz bestimmter Assoziationen und gelernter Routinen, Fremdsprachen "parken" wir koerperlich woanders als die erste Muttersprache, usw.)
Ich benutze das Wort "transzendent" selber sehr ungern, aber meine auch, dass diese Inhalte aussagbar sind, aber nicht sinnlich wahrnehmbar durch etwas von aussen Vermerkbares (gehoert, gesehn, geschmeckt, getastet, gerochen - nein) und trotzdem mehr als in logisch erstellter Duerftigkeit Denkbares nachvollziehbar erfahren werden kann. Die Uni versitaet fuehrt ja, um Sicheres anzusammeln und aufzubauen, zu ordnen, 4 logische Regeln, es gibt auch Kombinationen daraus, die schneller zum Ziel fuehren, sowas wie ein Verlaufs-Hintereinander-Schalten solcher 2-3 Regeln zu einem haeufigen "Makro" in der Routine, was besonders bei Sprach-Analysen hilft.
Wir reden ja vieles in festen Sprachbloecken, und der Listige unterlaeuft so etwas bei anderen, darueber empoeren sich dann dessen Opfer, weil sie nun wieder auf jedes einzelne Wort achten muessen. Das ist anstrengend und zieht Energien von der Alltagsbewaeltigung ab.
Sogar Sokrates gab ja zu, dass seine Fragetechnik auf die Dauer eine Gesellschaft funktions-untuechtig machen kann. Leute verloren die soziale Eintracht, etwas "einfach mitzumachen" - das hiesse doch, wenn jeder innehaelt und mit "was-dann? und, was-dann?" seine Handlungen im Voraus logisch zuende durchdenken wollte, ob man Punkt um Punkt damit einverstanden sein koennte, theoretisch, im Voraus, gleich jetzt - eines Tages saessen dann doch auch die Baecker und Maurer, Muetter und Lernenden, alle, herum und waeren nur noch mit dem Stutzen beschaeftigt, nicht deuten zu koennen, was irgendwer sagte, und ob der das auch "meint".
Auch darin stimme ich Melek zu, dass Petronius einige seiner Kritikpunkte noch aus dem 19.Jhd her hat, und noch nicht aktuell refreshed hat. Aber "Petronius" als Rolle - das war doch der distanziert beobachtende etwas ironische Roemer am Hofe Neros? - da ist 19.Jhd. doch vergleichsweise neu?
Religionen sehe ich als ein sich miteinander um ein Thema Scharen an, das sich ausloest durch etwas Erlebtes - Beispiel: eine Katastrophe passierte und einer war nicht grad unter denen, die es hinraffte, der kann - je nach Typ, wie er Dinge verarbeitet, ein Sendungsgefuehl bekommen, das, was er gerade machte, und warum er nicht genau dann an der katastrophalen Stelle war, andern zu schildern, denn es haette ja unbedingt sein koennen und auch ihn / sie hingerafft. Mancher moechte wohl wissen, ob man da irgendwas "gemacht" hatte, oder wenn man nicht selbst, wer denn? - das kann durchaus Dritte mehr interessieren als so jemanden selber. Die Menschen sind darin verschieden, gruppierbar charakter-verschieden, immerhin. Wenn nun alle, die dies Erlebnis disputieren, ihre Moeglichkeiten durchdacht haben, kann schon etwas als "magisch" Definierbares von ihnen beschlossen werden.
Sie taeten nun manoevermaessig immer genau alles das nochmal, was jener kurz vor und waehrend der Katastrophe getan hatte, um - falls so etwas noch einmal passiert - dann ebenso davonzukommen. Schon ist ein Ritual vorhanden. Spaeter kann sogar die Ausgangs-Geschichte vergessen sein und "man" tut dies Ritual einfach um der Gemeinschaft willen, die dies "immer so tut", damit wird es ihr Gruppen-Merkmal. Nochmal spaeter ist das Ritual so stark zur Routine verinnerlicht, dass diese Leute teilweise in Panik kaemen, wenn sie gezwungen waeren, es zu unterlassen. Andere unter ihnen macht es nervoes, dass sie das "so" tun und ihm /ihr nicht erklaeren koennen, warum er /sie das mitmachen sollte - das sind natuerlich eher die Juengeren, denn um Routinen eingefleischt zu haben, muss man sie schon biografisch eine Zeit lang getan haben.
So beschrieben sind dies Vorgaenge, die man fast ueberall beobachten kann, und selbstverstaendlich haben auch A_theisten und A_gnostiker das auch in Hinsicht darauf, wie ihre Reflexe, auf bestimmte Signale hin mit einem Protest zu reagieren, angelernt waren.
In der menschlichen Vertrauensfrage ist daher der Unterschied des Inhalts von Religionen nicht anzusetzen. Auch ein alter Kommunist hat seine Art, es schliesslich in vielen Bereichen des Alltags mit seinen Leuten ehrlich zu meinen. Jeder, dem Visionen passierten, kann nichts anderes, als seiner Wahrnehmung zu trauen, denn sonst wuerden ja auch all dessen andere Wahrnehmungen ihm sehr schwierig zu deuten sein. Auch dazu gibt es spontane Veranlagungen, Begabungen, die nicht jedem passieren.
Da kommen wir ja schon zu dem Bereich, dass Einiges fuer die einen Menschen "transzendent" ist, denn sie koennen das nicht nachvollziehen, ihnen fehlt diese Dimension, etwas Aehnliches damit vergleichen zu koennen, ium es abzuschaetzen, was sie davon halten koennen, fuer sich und ihre Entscheidungs-Zwaenge im Alltag. Die einen wenden sich dann also einfach anderen Themen zu, die andern versuchen, dem Besondereren auszureden, etwas - oder speziell dies - wahrgenommen zu haben. Weitere haben darueber Erfahrbares gesammelt und vergleichen die Berichte, auch ohne auf diese Weise mithalten zu koennen. So entstanden viele Religionen um einen Seher und seinen glaubhaftesten Deuter, z.B.Natur-Religionen.
Nach langer Historie einer komplexeren Religion, die auf zusammenpassende zahlreiche Ereignisse zurueck-erinnern kann, wurden schon viele weiteren Werte an diese Tradition geknuepft, die in sich ihren sozialen Wert haben, etwa im Sinne bruederlicher Hilfen und allgemein staerkeren Sozialgefueges, soweit das lebenspraktisch ist und dieses viel mehr Leuten ermoeglicht, gemeinsam Ressourcen zu nutzen, selbst wenn die knapp sein sollten, lange Zeit oder kurz. Ab dann ist Religion "Bindung" und erreicht etwas in-sich-Gutes, naemlich dass viele dadurch laenger durchhalten, zu leben und dies mit in die Zukunft zu schaffen.
Schliesslich noch ist Religion auch etwas, das man fertig vorfindet und man kann es erstmal so mitmachen durch die einfache Entscheidung, etwas ueberhaupt mitzumachen. Manche suchen sich dazu erstmal ihnen wirklich sympathische Leute, andere richten sich lieber nach einer einleuchtenden Lehre (z.B."tue anderen das, was du moechtest, dass man es in so einer Lage auch dir taete").
mfG WiT :)