(12-08-2009, 22:54)melek schrieb: Nun, da im 2.Vers dieses Briefes in jeder mir bekannten Übersetzung steht :
"Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn! ",
denke ich trotzdem, daß der 1.Vers nicht eindeutig Jesus mit Gott gleichsetzt.
Man kann m.E. auch :
"unseres Gottes und Retters Jesus Christus"
so verstehen, daß es sich um verschiedene Wesen, also Gott und den Retter Jesus handelt.
Bei Übersetzungen gehen solche Details ja auch schnell verloren.
Hallo Melek,
was steht im Urtext?
Was V. 2 betrifft, heißt es:
Gnade und Friede möge euch immer reichlicher zuteilwerden durch die Erkenntnis Gottes und Jesus, unseres Herrn (…τοῡ δεοῡ καὶ Ἰησοῡ τοῡ κυρίου ᾐμῶν).
Zugegeben. Da könnten Zweifel aufkommen.
Im V. 1 hingegen ist das eindeutig:
Symeon Petrus, Sklave (oder Knecht) und Apostel Jesu Christi, an die, die einen uns gleichwertigen Glauben empfangen haben in der Gerechtigkeit unseres Gottes und Retters (Heilands) Jesus Christus (… τοῦ δεοῦ ᾐμῶν καὶ σωτῆρος Ἰησοῦ Κριστοῦ).
Da der Verfasser über ein gepflegtes Griechisch verfügt, muss man den Schluss ziehen, dass durch den gemeinsamen Artikel (im Gegensatz zu Vers 2) und den pronominalen Bezug "unseres Gottes und Retters Jesus Christus" es durchaus so gemeint ist, wie es da steht.
Da Luther es anders übersetzt und damit auch anders gedeutet hat (und es in den Lutherübersetzungen bis heute so erhalten ist), ist das natürlich ein Hinweis, dass es eben auch anders gesehen werden kann. Doch liegt die Lutherübersetzung damit (meiner Meinung nach) falsch.
(12-08-2009, 22:54)melek schrieb: Aber wie gesagt denke ich, daß da eben Begriffe wie "Herr" ein wenig durcheinandergeworfen wurden.
Natürlich. In 2Petr1,1 ist allerdings eindeutig von Gott die Rede.
(12-08-2009, 22:54)melek schrieb: Wenn der 2.Petrusbrief wirklich Jesus als Gott darstellen würde, wäre er von den Arianern verworfen worden, oder ?
Wenn dies der Fall war (weißt du darüber was?), so hättest du recht.
Wie 2Petr von den Arianern gesehen wurde, darüber könnte vielleicht auch der Wulfila-Text Auskunft geben. Den habe ich aber im Augenblick nicht greifbar.
Allerdings wird man damit auch keine definitive Antwort finden.
Man darf nicht annehmen, dass in allen frühchristlichen Gemeinden der gleiche Schriftbestand vorhanden war. Zwar kann man davon ausgehen, dass zum Ende 4. Jh die 27 Schriften des NT in allen christlichen Gemeinden bekannt und anerkannt waren, doch hat es bis dahin (und wohl auch noch danach) so manchen Streit, was zum Kanon gehören sollte, gegeben; insbesondere in der Zeit, als unter Konstantinus ein abgemilderter Arianismus zu reichskirchlicher Bedeutung kam, was aber unter Theodosius (381) auch schon wieder zu Ende war.
Dass in dieser Zeit auch 2Petr zur Disposition stand, ist evident.
Aber gleichermaßen umstritten waren der Hebräerbrief, der Jakobusbrief, der 2. u. 3. Johannesbrief, der Judasbrief und die Offenbarung des Johannes.
Dagenen waren in ebendieser Zeit apokryphe Schriften wie die Zwölfapostellehre, Der Hirt des Hermas, die Clemensbriefe, etc. in vielen Gemeinden hoch im Ansehen.
(12-08-2009, 22:54)melek schrieb: Soweit ich weiß, wurde die Wesensgleichheit Jesu mit Gott erst in Nicäa definiert. Nachdem dann aber trotzdem die Arianer Aufwind erhielten, und die Wesensgleichheit erneut verworfen wurde, dauerte es noch ein paar Jahrzehnte, bis auf dem Konzil in Konstantinopel nicht nur die Wesensgleichheit festgeschrieben, sondern eben auch die Dreieinigkeit erstmals richtig definiert wurde.
Stimmt!
(12-08-2009, 22:54)melek schrieb: ... (ein paar andere Stellen gibts ja auch noch) Jesus zu Gott erklärt wurde...
Ja, vor allem im Johannes-Evangelium und im 1. Johannesbrief, vielleicht auch bei Paulus, zB in Kol 2,9 "Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig…".
(12-08-2009, 22:54)melek schrieb: Die Kirchengeschichte verlief nicht eindimensional, und es hätte ja z.B. auch ein Marcion sich durchsetzen können, dann sähe das Christentum ganz anders aus.
Aber ok, "hätte"-Fragen sollte man ebensowenig diskutieren wie "die hätten richtigerweise sollen"- Aussagen.
Ja. 2Petr beschäftigt sich (neben dem Ausbleiben der Parusie) ja auch mit gnostischen "Irrlehrern", bei denen Jesus zur Brücke für den Anteil an der Göttlichkeit und der Schöpfergott (des AT) zum "Demiurgen" degradiert wird.
In einer solchen Auseinandersetzung wäre die Formulierung "Jesus unser Gott und Retter" auch verständlich.
(12-08-2009, 22:54)melek schrieb: Die Frage, wann genau der erste Gedanke, Jesus könnte man mit Gott gleichsetzen, stattfand, wäre für mich damit nicht geklärt.
Wir müssen wohl von einer schleichenden Entwicklung ausgehen, ...
Eine Vergöttlichung Jesu wird im Volksglauben schon sehr früh stattgefunden haben. Theologisch erklärt wurde die Göttlichkeit Jesu, wie bekannt, erst später. Dass Göttlichkeit und Mensch im Volksglauben nicht immer auseinandergehalten werden, ist ja auch heute noch bei diversen Heiligenkulten (insbesondere bei dem der Maria) bemerkbar.
MfG E.
P.S. Ich habe soeben bemerkt, dass in den griechischen Textteilen die Hauchzeichen nicht korrekt wiedergegeben werden.
MfG B.