11-11-2009, 15:50
(11-11-2009, 13:22)petronius schrieb: wodurch sollte dieser "rahmen" vorgegeben sein?
doch wieder nur durch menschen. auch, wenn sie sich dabei als sprachrohre gottes sehen. ob andere diese sicht übernehmen, ist aber wieder ihre freie entscheidung. wie du es also auch drehst und wendest - es führt immer auf das individuum zurück
Wodurch dieser Rahmen vorgegeben ist, ist auch meine Leitfrage. Darum geht es mir ja. Ich frage nach Dingen, die ein Rahmen sein könnten, und danach wie eng dieser Rahmen gesteckt ist. Daran ist doch nichts ungewöhnliches.
Dass Gesellschaft und Individuum zwei Phänomene sind, die unterschiedlich funktionieren und eine Wechselwirkung zwischen ihnen besteht, darauf bin ich schon eingegangen und werde es nicht erneut tun. Wenn du da anderer Ansicht bist, solltest du endlich mal Begründungen folgen lassen.
Dieses Muss-man-nicht-Argument kenne ich zur Genüge und ich habe nicht das Gefühl, dass es meine Argumentation entscheidend berühren würde. Vielleicht erklärst du mal, welche Konsequenzen man daraus ziehen müsste und wie du überhaupt dazu kommst, dann kann ich vielleicht sehen, warum es meine Überlegungen so entscheidend trifft, wie du ja scheinbar denkst.
Ist es aber deine freie Entscheidung, was die Worte bedeuten die du verwendest? Nein, das ist sie nicht, auch wenn sich die Bedeutung der Worte nach und nach verändert. Sprache wäre also z.B. eine kulturelle Bedingung des Individuums, es gibt keine private Sprache. Ich sage, es gibt noch ein paar kulturelle Bedingungen mehr.
Natürlich spricht letztenendes jeder das, was er will, aber er kann nur mitteilen, was er mit seiner Sprache ausdrücken kann.
(11-11-2009, 13:22)petronius schrieb: diese "instanzen" werden von bestimmten individuen so gesehen, daß sie "mit dem, was wir Sinn des Lebens nennen", in besonders engem zusammenhang stünden. auch diese sicht muß man nicht teilen - ich z.b. tu das nicht
Du begreifst meine Argumentation noch nicht. Ich spreche nicht von einem auf bestimmte Art und Weise ausformulierten Sinn des Lebens, dem man inhaltlich widersprechen oder zustimmen kann. Ich spreche von einem Kulturinhalt, der unter den Begriff Sinn des Lebens fällt. Wenn wir vom Sinn des Lebens sprechen, schwingen ja eine ganze Reihe von Vorstellungen in unserem Kopf mit, eben populäre Vorstellungen vom Sinn, eben auch die Debatte und die Streitereien darum, eben auch bestimmte Symbole, Handlungen und Gefühle. Ich gehe davon aus, dass man unter "Sinn des Lebens" einiges mehr versteht als nur seine eigene individuelle Position und dass das, was man darunter versteht vor allem von der Kultur abhängig ist, in der man lebt.
(11-11-2009, 13:22)petronius schrieb: mal zurück auf los: du formulierst hier sachverhalte und zusammenhänge, als stünden sie objektiv und allgemein gültig fest. woher nimmst du diese sicherheit, was legitimiert dich dazu?
In erster Linie deine Fragen, du wolltest es doch wissen, oder nicht?
In zweiter Linie sehe ich darin eine Position, die ich relativ fest vertreten kann, weil ich ziemlich überzeugt davon bin.
In dritter Linie ein gewisses (nicht allzu großes) Hintergrundwissen aus den Bereichen Philosophie, Kulturwissenschaft, Psychologie.
In vierter Linie natürlich auch meine eigene Religiösität, die ich allerdings als Argument nicht heran ziehe. Schließlich macht es keinen Sinn jemanden, der nicht an Gott glaubt irgendetwas mit Gott begründen zu wollen.
(11-11-2009, 13:22)petronius schrieb: das ist aber ein sehr vager konsens. ich z.b. sehe nicht, warum das tragen seltsamer pyjamas weniger sinnvoll (oder sinnlos) sein sollte als seltsame rituale des selbstgesprächs
Ich sehe auch nicht, warum wir zu einem Baum Baum sagen und nicht Apfel. Trotzdem sagen wir alle Baum und wenn ich stattdessen Apfel sage, dann mache ich etwas falsch.
Vielleicht fragst du dich jetzt, was denn das damit zu tun hat. Nun, mein Argument ist ja nur, dass du schon auf die Idee gekommen bist, dass Gebete Sinn spenden könnten und das zumindest widerlegt werden muss. Aber auf die Idee, dass pinke Pyjamas Sinn spenden könnten, bist du noch nie gekommen. Woran liegt das?
(11-11-2009, 13:22)petronius schrieb: auch das verbrennen von hexen war einst "als sinnvolle Handlung tradiert". tradition ist noch kein wert an sich
Tradition ist ein Wert und Tradition ist ein Argument. Man muss damit nur vorsichtig sein, denn es ist kein Totschlagargument. Es gilt ja zu klären, welche Auswirkungen sie auf uns hat.
Diese Auswirkungen sind ein Bestandteil des Rahmens, nach dem ich suche. Unsere Tradition können wir uns nämlich nicht aussuchen, sie ist ja vor uns geschehen. Wir müssen uns damit irgendwie arrangieren, egal ob sie nun besonders gut war oder besonders schlecht. Wichtig ist, dass wir unsere Tradition an unsere Nachfahren weitergeben, sie ihnen verständlich machen, damit sie ihr Urteil darüber möglichst begründet fällen können.
(11-11-2009, 13:22)petronius schrieb: wenn du tatsächlich meinst, ein "nettes Wort würde reichen oder eine Geschichte", um dir den den sinn deines lebens zu vermitteln, dann wirkst du doch reichlich naiv
Dann bin ich eben naiv, damit habe ich kein Problem.
Du scheinst sehr viel erfahrener zu sein, meinst du Geschichten seien kein adäquates Mittel zur Sinnvermittlung?
(11-11-2009, 13:22)petronius schrieb: du versuchst, ein längst überkommenes kulturverständnis zu konservieren, und das dann als a priori hinzustellen
Vielleicht ist dem ja so, was du von meinen Ansichten hältst bleibt ja deine Sache, und ich selbst werde mir kein Urteil bilden können. Nur spreche ich von keinem a priori im klassischen Sinne und mein Kulturverständnis basiert vor allem auf Entdeckungen des letzten Jahrhunderts, wenn du ein moderneres hast, wäre ich sehr interessiert etwas davon zu hören.