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Gedanken zum Zinsverbot
#3
So eindeutig ist das Zinsverbot aus dem NT ohnehin nicht zu begründen!

Einerseits ist es nach Lk 6,34 verwerflich, Zins zu nehmen, andererseits wird der Knecht verurteilt, der keine Zinsen erwirtschaftet (Mt 25,27; Lk 19,23).

Dennoch wurde das Zinsverbot im kirchlichen Rechtsbestand verankert (Nizäa, Lateran II u. III) und hatte formal bis 1830 (da wurde es von Pius VIII. ohne nähere Begründung aufgehoben) Gültigkeit.

Die überzogene Aussage des Johannes Chrysostomos (Pseudo-Chrysostomos?), wonach es sündig sei, Handelsgewinn zu erwirtschaften, wurde in späteren Kommentaren zum Zinsproblem nur selten aufgegriffen. Im Gegenteil: Es wurde eher versucht, das, was Zinsnehmen sein könnte, nicht auf jeden Kapitalertrag anzuwenden, sondern möglichst nur auf das Gewerbe des Geldverleihs. Zu "Gewinn" aus Lohnarbeit (Dienstleistungsentgelt) wurde meines Wissens nie ein Bezug herzustellen versucht.

Was den Geldverleih betraf, wurden Mittel und Wege gefunden, das Zinsverbot zu umgehen. Es wurden zB kurzfristige Darlehen zinsfrei angeboten, und zwar auf eine Dauer, die sicherstellte, dass das Geliehene nicht fristgerecht zurückbezahlt werden konnte. Bei Terminverlust wurden hohe Konventionalstrafen fällig, in Extremfällen verfielen die Darlehensnehmer in Schuldknechtschaft.

Solche und ähnliche Vorgangsweisen wurden als rechtskonform angesehen.

Am 1231 (Konstitution von Melfi) verkündete Friedrich II. die Nichtanwendbarkeit seines Wuchergesetzes auf Juden:

Zitat:Von der Verbindlichkeit dieses unseres Wuchergesetzes nehmen wir allein die Juden aus, die des unerlaubten Zinsnehmens, durch Gottes Gesetz verboten, nicht zu zeihen sind, da sie – wie bekannt – nicht unter dem Gesetz der seligen Kirchenväter stehen.

Mit dieser Ausnahme hatte Friedrich für sich einen Vorteil geschaffen. Er bestimmte die Juden zu königlichen bzw. kaiserlichen "Kammerknechten" (servi camerae imperialis), belegt ist das ab 1236. Die Juden waren Eigentum des Fürsten geworden. Zwar standen sie nun unter kaiserlichem Schutz (was sich dieser über Steuern teuer bezahlen ließ), aber ebenso zu seiner Verfügung.

Es ist verfehlt, anzunehmen, dass nunmehr ausschließlich Juden die Geldgeschäfte betrieben hätten. Nichtjüdische Kapitalverleiher waren beispielsweise die Lombarden, die aus dem Piemont kamen, oder die berüchtigte Kawerschen aus Cahors, einem Bankenort aus Südfrankreich.

Für die Kawerschen gab es sogar ausdrücklichen päpstlichen Dispens vom Verbot des Zinsnehmens. Sie hatten sich diesen für ihre Wuchergeschäfte erkauft. Papst Johannes der XX., aus Cahors stammend, finanzierte auf diese Weise zu einem guten Teil seine Residenz und Kurienverwaltung in Avignon.

Ebenso verfehlt ist, anzunehmen, dass sich die Juden auf den Schutz des Kaisers immer hätten verlassen können. Karl der IV., beispielsweise, hatte seine Nürnberger "Kammerknechte" für eine sehr hohe Geldsumme verschachert (Juni 1349) und zugleich versichert, dass den Nürnbergern Straffreiheit garantiert sei, wenn die Juden nächst geschlagen und beschädigt werden.

Am 16.11.1349 machte Karl IV. das nächste Geschäft. Er erlaubte, das Judenviertel abzureißen, dort eine Kirche zu bauen und einen Markt anzulegen. Nochmals kassierte er von den Nürnbergern eine hohe Summe für die (neuerliche) Versicherung der Straffreiheit, sollte den Juden etwas passieren.

Am 5.12.1349 erfolgte das Pogrom. 560 Nürnberger Juden wurden ermordet. Ihr Vermögen von der Stadt eingezogen, das Judenviertel plattgemacht. Jetzt sind dort die Frauenkirche (1350-1358), der Nürnberger Hauptmarkt und der "Schöne Brunnen" zu bewundern.

MfG B.
MfG B.
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Gedanken zum Zinsverbot - von Bion - 24-11-2009, 11:24
RE: Gedanken zum Zinsverbot - von Ekkard - 25-11-2009, 01:16
RE: Gedanken zum Zinsverbot - von Bion - 25-11-2009, 15:21
RE: Gedanken zum Zinsverbot - von Dornbusch - 29-11-2009, 06:55
RE: Gedanken zum Zinsverbot - von Ekkard - 05-12-2009, 00:26

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