(15-12-2009, 06:39)Dornbusch schrieb: Moslems (und Juden?) haben einen Mondkalender, Christen haben einen Sonnenkalender und diesem untergeordnet auch noch einen Mondkalender.
Kann mir einer von euch sagen, welcher Kalender im römischen Reich zur Zeit der Entstehung des NT angewandt wurde?
Hallo Dornbusch,
die antike und mittelalterliche Chronologie ist ein weites Feld. Eine einheitliche Datumsschreibung gab es nicht. Die mathematisch-astronomischen Grundlagen waren:
1. Der (mittlere) Sonnentag. Das ist der Zeitabschnitt, in dem sich die Erde einmal um die eigene Achse dreht. Dieser Zeitabschnitt ist auf 24 Stunden aufgeteilt.
2. Der synodische Monat. Das ist der Zeitraum, der zwischen zwei aufeinander folgenden Neumonden (Zeitpunkt größter Sonnennähe des Modes) gemessen wird. Seine Dauer beträgt 29 Tage, 12 Stunden und 44 Minuten.
3.Das (tropische) Sonnenjahr. Das ist der Zeitraum, in dem die Erde sich einmal um die Sonne bewegt. Das sind im Durchschnitt 365 (mittlere Sonnen-)Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 46 Sekunden.
Da das Sonnenjahr weder durch volle Tage noch durch volle Monate teilbar ist, musste man, um zu einer brauchbaren Rechnungseinheit zu kommen, eine einfache, gerundete Jahreslänge annehmen.
Am einfachsten gelang das mit der römischen, durch J. Cäsar eingeführten Kalenderreform im Jahr 46 vChr. Sie nahm das Durchschnittsjahr mit einer Dauer von 365 Tagen und sechs Stunden an. Der Zeitüberschuss wurde alle vier Jahre durch Einrechnung eines (366-tägigen) Schaltjahres ausgeglichen.
Das Jahr war der wichtigste Bezug zur Zeitrechnung. Der Tagesablauf war jener Zeitabschnitt, der den Lebensrhythmus des Menschen bestimmte. Der Mondlauf bestimmte wesentlich den christlichen Festkalender. Es war daher nötig, die gegebenen Größen zu kombinieren. Erschwert wurde das auch durch die von der römischen Antike von den Juden übernommene siebentägige Woche.
Für die antike Datierung wurden "historische", astronomische u.a. merkwürdige Ereignisse herangezogen.
Beispiele:
Die griechisch-antike Zeitrechnung nach Olympiaden (beginnend mit dem 1.7.776 vChr).
Die römisch-antike Zeitrechnung nach der (sagenhaften) Gründung Roms (beginnend mit dem 21.4.753) und nach Konsulatsjahren. Daneben gab es noch eine Reihe weiterer zeitlicher Orientierungspunkte, die ich nur bei geäußertem Interesse weiter ausführen werde.
Die Zählung der Jahre nach Christi Geburt (anni ab incarnatione, a nativitate Christi, etc.) ab dem 6. Jh (Einführung durch den römischen Abt Dionysius Exiguus) hat sich erst im Verlauf des Mittelalters als die gebräuchlichste Form der Datumszählung durchgesetzt.
Man darf sich aber nicht vorstellen, dass in mittelalterlichen Urkunden Datumsbezeichnungen so vorgenommen wurden, wie uns das heute geläufig ist.
Beispiele:
feria secunda ante Corp. Chr. 1485 = 30. Mai
ebenso
crastino die Trinitatis 1485 = 30. Mai
aber
crastino die Trinitatis 1486 = 22. Mai
Die römische Kirche führt für jeden Kalendertag einen oder mehrere Titelheilige. Viele dieser Heiligen wurden in der "katholischen Welt" (zum Teil mit abweichenden Daten) zur Tagesbezeichnung gebraucht.
Manchen Heiligen (zB Maria, Petrus, Johannes) sind auch mehrere Tage gewidmet, die für Tagesbezeichnungen infrage kommen.
Beispiele:
Purificationis = 2.2., Annunciationis = 25.3., Visitationis = 2.7., Assumptionis = 15.8., Nativitatis = 8.9., Conceptionis =8.12.
Petri Stuhlfeier = 22.2., Peterstag 29.6.
Der Margaretentag, beispielsweise, war im Mittelalter überwiegend mit 13.7. in Gebrauch, wurde aber in verschiedenen Diözesen, etc. für den 12., 15., 19. und 20.7. verwendet.
Für die Datumsbestimmung mancher alter Dokumente ist somit auch Wissen über den Ortgebrauch der Datumsbezeichnung gefragt.
Durch recht ausgefallene Bezüge bei der Datumsschreibung kommt es (manchmal auch in wissenschaftlichen Darstellungen) immer wieder zu Problemen beim Übertragen auf die heute gebräuchliche Datierung.
MfG B.
MfG B.