02-04-2010, 20:52
(01-04-2010, 15:43)elwaps schrieb: Hallo Volker.
Zunächst mal finde ich es gut, dass ich mit meiner Ansicht, dass sich Religion und Wissenschaft
nicht ausschließen müssen, nicht alleine bin. Ich selbst als nicht gläubiger Mensch sehe dies
natürlich nicht als den optimalsten aller Zustände. Ich stelle mir eine Welt ohne den Glauben
an Übernatürliches als die Beste vor, allein schon aufgrund der Überlegung, dass mit dem Glauben
an einen Schöpfer und dessen Plan eine gewisse Zufriedenheit einhergeht. Wenn ich im
Hinterkopf habe, dass alle Phänomene, die ich auch in der Zukunft für unerklärbar halte, durch
eine höhere Instanz einen Sinn ergeben oder zumindest haben, dürfte das meinen Forscherdrang
drosseln. Der Atheist sieht dort, wo er die Welt nicht erklären kann, bildlich gesprochen einen
weißen Fleck auf der Landkarte der Forschung und des Verständnisses und hat den für
Menschen typischen Drang, diesen weißen Fleck zu füllen, egal wie schwer oder gar unmöglich
der Weg dorthin scheint.
Doch das nur am Rande, hat mit Deinem Post ja nicht viel zu tun und geht vielleicht auch zu sehr
vom eigentlichen Thema des Threads weg.
Grüße
Lieber elwaps,
noch schwanke ich mit meiner Antwort, ob ich Deine Ansichten Satz für Satz auf meine Waage legen soll oder aus einer zentralen Tiefe eine für mich gültige Antwort finde.
Als erstes möchte ich Dir sagen, daß wir, ob einer Meinung oder nicht, über die schwierige Brücke der Sprache gehen müssen, wobei ich Sprache eher als Behinderung, denn als Erleichterung von Verständigung empfinde.
Das liegt daran, daß ich viel mehr fühle, als ich ausdrücken kann und daß ich meinem Gefühl in Grenzsituationen eher traue als meinem Verstand. Es ist dieses Lebensvertrauen, von dem Hans Küng spricht und bei dem der Verstand wirklich das Letzte ist, der dieses Lebensvertrauen vermitteln kann.
Du siehst, mein Denkapparat beäugt sich selbst kritisch oder selbstkritisch, ob er das Gewünschte leisten kann, wobei wir nicht vergessen sollten, daß 6,8 Milliarden Denkapparate sicher eine fast unendliche Vielfalt von Verständigungsmöglichkeiten haben, aber möglicherweise, da sie alle in etwa baugleich sind, nicht unbedingt aus ihrem Denksystem ausbrechen können.
Ich nenne das oft das menschenzentrierte Denken, das von der Welt fordert, sie soll so sein wie von der Wissenschaft erkannt und gedacht, aber vielleicht ist die Welt doch etwas anders, als wir sie erkennen und denken.
Vielleicht sind das in Deinen Augen unnötige und spitzfindige Vorbedenken, aber es tut der Religion allgemein und insbesondere dem Christianentum gut, mit wissenschaftsähnlicher Sorgfalt vorzugehen.
Also fangen wir an. Als nicht gläubiger Mensch siehst Du, daß Religion und Wissenschaft sich nicht ausschließen müssen und empfindest das nicht als den optimalsten aller Zustände. Warum nicht ?
Die These des Christianentums, daß Wissenschaft gottgewollt ist, ist doch mindestens optimaler, als die ewigen Streitereien zwischen Kirche und Wissenschaft.
Du stellst Dir eine Welt ohne den Glauben an Übernatürliches als die Beste vor. Betrachtest Du die Zufriedenheit, die Deiner Meinung nach mit dem Glauben an einen Schöpfer und dessen Plan einhergeht, als Hindernis für Deinen Forscherdrang ?
Kannst Du Dir vorstellen, daß ein tief gläubiger Christianer wie ich es bin, genauso einen Forscherdrang empfindet ?
Kannst Du in den 364 Thesen des Christianentums eine einzige nennen, in der das Wort Zufriedenheit oder etwas Ähnliches vorkommt ?
Und warum Glauben an etwas Übernatürliches ? Das Christianentum kennt den Begriff "übernatürlich" nicht und findet die Natur so phantastisch, daß es etwas angeblich "Übernatürliches" als Blashemie empfindet. Bescheidenheit ist ein Gottesgeschenk und die Wunder der Natur sollten uns doch reichen, oder ?
Der Begriff "übernatürlich" ist übrigens ein für das menschenzentrierte Denken typischer Begriff. Es reicht uns scheinbar nicht, die Wunder der Erde zu bestaunen, es muß dann auch noch der Himmel für abstruse Vorstellungen herhalten.
Du meinst, daß die weißen Flecken der Wissenschaft mit meinem Verständnis der Welt wenig zu tun haben ?
Ganz im Gegenteil. Das Christianentum brennt darauf, zusammen mit der Wissenschaft diese weißen Flecken zu erobern. Vieleicht gründen wir eine Kooperative Fides et Scientia, die endlich Schluß macht mit dem bisherigen engstirnigen Denken. Ist diese Kooperation zwischen Religion und Wissenschaft neu ? Angeblich soll das Christianentum, obwohl kaum 3 Jahre alt, völlig veraltet sein.
Zum Thema Evolution muß ich angsichts Deines hervorragenden Vortrages noch einige Zeit tief Luft holen, um antworten zu können.
Übrigens, was ist so schlimm daran, die weißen Flecken der Wissenschaft erstmal mit einem vorläufigen Glauben auszufüllen ?
Die Betonung liegt auf vorläufig, denn in der These 114 des Christianentums heißt es:
"Wer ist unter euch, der an die Schrift glaubt und sagt es steht geschrieben und glaubt damit auf dem Wege zu sein, Gott zu begreifen ? Nichts steht geschrieben, außer er entdeckt es in sich (Wissenschaft) oder in Gott."
Danke, daß Du mir zuhören magst.
Volker

