19-05-2010, 23:32
(19-05-2010, 18:04)Gundi schrieb: Hier habe ich meine Probleme. Wenn wir über die Außenwelt (das Ding an sich) nichts erfahren, worüber dann? Darüber wie dieses Ding sich zu unserem Modell verhält? Aber das sagt doch dann auch etwas über das Ding aus, oder? Nur eben nicht im Ganzen ...Deine Vermutung stimmt so nicht. Hingegen ist die Frage berechtigt: Worüber dann.
Wir erfahren durch unsere Modellvorstellungen und deren Funktionsweise etwas über die Beziehungen diverser Teile zueinander. Nehmen wir die Differenzialgleichung, die zur "Wurfparabel" führt. Wir erfahren etwas über den Zusammenhang von 3 Formvariablen (Anfangswinkel, Spannweite und maximale Höhe) zueinander. Hinreichendes Wissen über die Differenzialrechnung und Integration vorausgesetzt und Vorgabe gewisser Anfangswerte reproduziert Messreihen.
Normalerweise gibt man sich damit zufrieden und sagt: Ein Steinwurf gehorcht der Bewegungsgleichung. Genau genommen stimmt das alles nicht. Weder Bewegungsgleichung noch irgendeiner andern physikalischen Formel kommt irgendeine Realität "an sich" zu. Es handelt sich lediglich um ein mathematisches Konstrukt menschlichen Geistes. Auch die Reproduktion von Messreihen geschieht im Übrigen gar nicht so exakt, wie dies die klassische Bewegungsgleichung vorschreibt. So sind für die Satellitennavigation ein Reihe von "relativistischen" Korrekturen erforderlich, damit wir auf einige Meter genau an unser Ziel kommen.
(19-05-2010, 18:04)Gundi schrieb: ... das klingt ja so als ob wir theoretisch nur das richtige Modell finden müssten, welches eben auch die Spezialfälle erklärt.Was ist ein "richtiges" Modell? Die "Richtigkeit" macht aus einem Modell nicht die Realität. Diese könnte für menschlichen Geist dermaßen abstrakt sein, dass wir keine Beschreibungsformen dafür haben.
Die "Richtigkeit" ist ja nur durch eine hinreichende (dem menschlichen Geist für seine Zwecke ausreichend erscheinende) Reproduktion von Daten definiert. Unsere Beschreibungsformen (also z. B. die allgemein relativistischen Bewegungsgleichungen) dienen allein unseren Zwecken.
Beispiel: Neuronale Netzwerke können ebenfalls Bewegungsabläufe iniziieren und steuern. Sie machen dies völlig anders als durch Lösen der Bewegungsgleichung. Beide Verfahren sind im vorstehenden Sinne "richtig", weil sie Erfahrungen reproduzieren, wobei das neuronale Netzwerk der Integration sogar überlegen ist, obwohl diese Art der Steuerung ziemlich "doof" ist. Ist deshalb die parametrische Steuerung neuronaler Netzwerke realer als die Bewegungsgleichung? Sicher nicht!
(19-05-2010, 18:04)Gundi schrieb: Laut Kant werden wir aber niemals bis zur "reinen Vernunft" vorstoßen können, weil unser Verstand selbst uns schon Grenzen aufweist (zb.Raum und Zeit).Korrekt: Raum und Zeit wurden von Kant als vorgeprägte Vorstellungen entlarvt.
Die moderne Philosophie beruft sich allerdings auf die Evolutionsbiologie und sagt: Da der Mensch mit diesen Vorstellungen überleben konnte, müssen wir davon ausgehen, dass diese Vorstellungen der Realität angepasst sind - also zu adäquatem Verhalten führt.
Aber selbt dabei bleibt offen, was Raum und Zeit "an sich" sind. Sicher ist nur, dass das darauf begründete Verhalten erfolgreich ist. Und diese Aussage gilt auch für unsere sonstigen Modellvorstellungen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard