(07-07-2010, 11:06)VolkersList schrieb: Wenn es so unmöglich wäre, Gott zu begreifen, warum hat er denn dieses unwiderstehliche Verlangen in mich gesenkt?
Ekkard antwortet:
(07-07-2010, 18:23)Ekkard schrieb: Mir kommt dieses unwiderstehliche Verlangen (Gott zu erkennen) mit Verlaub sinnleer vor. Man kann Gott glauben - meinetwegen in deinen Thesen - aber 'begreifen' oder 'verstehen'? Deine Thesen enthalten gewisse Moralvorstellungen, wie der Mensch sein sollte, ja sogar könnte. Aber damit wird doch das Unendliche, das große Ganze, Gott nicht in einer befriedigenden Weise für unseren Geist verfügbar gemacht (und damit begriffen)![Quoting-Tag repariert./Ekkard]
Lieber Ekkard,
danke, daß Du mir so ausführlich geantwortet hast.
Manchmal habe ich das unheimliche Gefühl, daß mir mein alter ego antwortet.
Du schreibst, daß mein unwiderstehliches Verlangen, Gott zu erkennen, sinnleer sein soll.
Aber warum sinnleer, wenn vielleicht eine Milliarde Christen auch dieses Verlangen spüren, was Du leicht an ihren Handlungen ablesen kannst, z.B. warum gehen sie in die Kirche, warum diskutieren sie über Gott, warum diskutieren wir beide über Gott ?
Aber zählen bedeutet nicht, daß wir erkennen, was wir tun. Warum errichtest Du eine Barriere zwischen "Gott glauben" und "Gott erkennen" ? Merkst Du nicht, wie unbeholfen unsere neuste Erfindung, nämlich unsere Sprache ist, kaum 4 Millionen Jahre alt ?
Wie Recht hast Du, indem Du sagst, man kann Gott nicht begreifen oder verstehen, aber nicht , weil das grundsätzlich unmöglich ist, sondern weil das auf der Ebene unserer armseligen Sprache gar nicht möglich ist.
Was ist Deine (sprachliche) Alternative ?
Du sagst, man kann Gott glauben und ich sage, man kann Gott fühlen, aber beide "Lösungen" steuern zielsicher an dem unfassbarsten Erkenntnisapparat der Milchstraße vorbei, nämlich an dem von mir so kritisch betrachteten Verstand, Ratio, Vernunft.
Ich vermute, daß erst in der Öffnung des Verstandes für das Gefühl für uns eine Chance besteht, uns Gott zu nähern, indem es uns gelingt, uns an uns selbst zu nähern, damit wir endlich Gott in uns entdecken können.
Ich sage entdecken, um das von Dir kritisierte Wort "begreifen" zu vermeiden. Dabei fasziniert mich das Wort "begreifen" über die Maßen, weil es über Hunderttausende von Jahren den urspünglichen Sinngehalt von ertasten, befühlen, streicheln, berühren behalten hat und besonders in der Situation eines Blinden, der seine Welt nicht sehen, sondern nur "begreifen" kann. Warum geben wir nicht endlich zu, daß wir in Beziehung zu Gott in der Situation eines Blinden sind, der erst mit Händen und Füßen die Welt für sich sichtbar machen muß ?
Mit den Füßen ? Na klar, habe ihr denn Denise schon völlig vergessen ?
Dann sprichst Du vom Unendlichen und vom großen Ganzen, das unserem Geist nicht verfügbar gemacht wird. Wodurch denn ? Durch das Christianentum ? Warum nicht durch die Unfähigkeit unserer Sprache, die viel zu sehr an uns Menschen klebt ?
Das Unendliche und das große Ganze, das genau sind unsere allbekannten Fluchtworte, weil wir es nicht ertragen, daß Gott uns so unfassbar nahe, weil in uns eingepflanzt ist.
Wenn ein sinnlos besoffener Asozialer auf Dich zutorkelt, kannst Du dann immer noch das Gotteswunder Mensch in ihm erkennen ?
Wenn es mir auch schwer fällt, aber für mich als Christianer ist dieser torkelnde Besoffene nach wie vor ein Gotteswunder an Körper und Gehirn, auch wenn er beides mit Füßen tritt, vielleicht um es zu vernichten, aber er bringt es nicht fertig, Gott aus sich heraus zu prügeln. Auch das ist ein Glaubensbekenntnis des Christianentums, das ihr ja so oft angemahnt habt.
Selbst, wenn Gott zugibt, daß dieser Versuch eines Menschen mißlungen ist, dann handelt er , indem er hundert andere gelungene Versuche, so wie Dich und mich, zur Welt bringt.
Wenn ich auch Deinem Unendlichen und Deinem großen Ganzen mißtrauisch gegenüber stehe, dann lasse ich das nur gelten in Verbindung mit dem Kleinen, dem Alltäglichen, dem Vertautem, dem zu Unrecht so genannten Selbstverständlichen (wir brauchen Hände, Arme und Beine nicht erklären, sie sind ja da ) , deren Wunder wir nicht erkennen, weil sie uns zu nahe sind (der Balken in unserem Auge), wie atmen, essen, schlafen, träumen, berühren, streicheln, sprechen, singen, denken und schreiben, wie wir es gerade tun.
Dein Unendliches und Dein großes Ganzes hat nur Bestand in Verbindung mit dem unendlich Kleinen , dem Winzigen , denn Gott kann unendlich bescheiden und menschlich und tierisch und pflanzlich sein.
Warum Gott in den Himmel heben, der sowieso auf der Erde ist, wenn wir seinen feinen Lebenslinien in unserer Hand nachspüren können, warum Gott so unerreichbar machen, bloß weil wir nicht erkennen können, wie unendlich bescheiden und klein er sein kann. Warum die Religion als Nebelwand installieren, wo jeder Atemzug beweist, es ist sein Atem, der uns beseelt.
Danke Dir, Volker