20-07-2010, 18:34
(19-07-2010, 11:46)petronius schrieb: es soll, wenn ich dich denn nun richtig verstanden habe, um gandhis spruch "alle religionen sind gleich" gehen
richtig?
Richtig, mit dem Zusatz dass dieser Satz natürlich nicht alleine im Raum stehen kann. Der Rest des Textes, so wie Kenntnisse über Gandhis Leben dürfen dabei nicht außen vorgelassen werden, wenn man verstehn möchte was Gandhi mit diesem Satz meinte.
(19-07-2010, 11:46)petronius schrieb: und zwar um "gleich" als gegensatz zu "toleriert"
richtig?
"Gleich" im Sinne von gleich wahr/unwahr bzw. richtig/unrichtig.
Toleranz, als bloße Akzeptanz einer anderen Meinung ist, so verstehe ich ihn zumindest, für Gandhi zu wenig.
(19-07-2010, 11:46)petronius schrieb: heißt: religionen (und zwar unterschiedslos allen) sei nicht bloß mit kenntnisnahme bzw. akzeptanz zu begegnen, sondern mit ehrfürchtigem respekt
richtig?
So hat es Gandhi ausgedrückt, ja. Mit Sicherheit kannte er aber nicht alle Religionen.
(19-07-2010, 11:46)petronius schrieb: nun ist es ja so, daß wir darüber, was gandhi da nun konkret gemeint haben könnte, bloß spekulieren können. denn wie von mir bereits in beitrag 64 ausgeführt, ist zumindest der von dir im eröffnungsbeitrag zitierte text alles andere als eindeutig oder auch nur konsistent
Nun hier liegt wohl unsere unterschiedliche Betrachtungsweise des Textes zu Grunde.
Ich verweise noch einmal auf Beitrag 67 und das Gleichnis des Baumes.
(19-07-2010, 11:46)petronius schrieb: nehmen wir gandhis spruch zum wortwert, so kann er sich nur auf das beziehen, was tatsächlich bei allen religionen gleich ist
religionen sind (definiert als) normative systeme, die sich wesentlich auf einen transzendenzbezug stützen - du nennst das in deiner formulierung von gandhis mutmaßlichem anspruch den "Weg hin zu diesem Göttlichen nach dem sich jeder Mensch sehnt"
(daß natürlich nicht jeder mensch sich nach dem "Göttlichen" sehnt, lassen wir mal außen vor)
der humanismus im sinne der aufklärung z.b. wäre ein normatives system, welches sich nicht über den transzendenzbezug legitimiert
religionen sind sich also gleich insofern, als sie eben diesen transzendenzbezug zugrunde legen (weitere aspekte, die allen religionen in gleicher weise zu eigen wären, fallen mir nicht ein. dir etwa?)
ein vergleich: vögel sind (definiert als) eierlegende warmblütige zweibeiner. wenn also jemand sagt: "alle vögel sind gleich", so kann er damit nur meinen: "insofern, als sie sowohl warmblütig sind, auf zwei beinen laufen als auch eier legen" (was sie z.b. von ihren evolutionären vorgängern, den reptilien, unterscheidet)
diese gleichheitsausage ist ein rein deskriptiver vorgang ohne emotionale oder moralische wertung. alle religionen sind sich insofern gleich, als sie sich über dieselbe eigenschaft definieren (transzendenzbezug, "das göttliche") - alle vögel sind sich insofern gleich, als sie sich über dieselben eigenschaften definieren (warmblütigkeit, zweibeinigkeit, oviparie)
Das ist alles richtig was du schreibst und ich bin mir der Tatsache auch bewusst dass die offensichtliche Gleichheit zwischen Religionen ausschließlich in ihrem Transzendenzbezug liegt.
Ich denke das ist soweit klar.
(19-07-2010, 11:46)petronius schrieb: wenn nun also überhaupt für religionen respekt und ehrfurcht eingefordert werden, so hat das nichts mit einem faktischen gleichheitsanspruch zu tun.
Auch das stimmt. Daher auch mein dauernder Verweis es gehe ausschließlich um Glauben.
(19-07-2010, 11:46)petronius schrieb: was an meinen ausführungen siehst du nun anders, warum, und wie siehst du es dann?
Wie ich bereits sagte ,denke ich, liegt unsere Hauptdifferenz in der unterschiedlichen Betrachtungsweise von Gandhis Aussagen. Für mich geht aus dem Eingangstext an einigen Stellen eindeutig hervor dass seine Gleichheit von Religion über die des Transzendentsbezuges hinausgeht. Sein Leben und Wirken, gerade im Verhältnis Moslems zu Hindus, stützen meiner Meinung nach dieses Bild.
Für Gandhi sind alle Religionen (wie er zu Sekten stand wissen wir nicht) ein Weg diesen Glauben an das real existierende Göttliche auszudrücken. Er stellt die Existenz eines Göttlichen nicht in Frage, meint aber auch keine Religion sei die Auserwählte oder alleinig Richtige. Wichtig ist es daher nur dass die Menschen innerhalb ihrer Religion nach gewissen, für Gandhi allen großen Religionen zugrundeliegenden Werten leben. So würde er mit Sicherheit sagen dass Gewalt keine eigentliche Forderung von Religion ist, stattdessen Gewaltlosigkeit bzw. friedliches Miteinander. Doe großen Religione drücken für Gandhi alle gewisse Werte aus die für ihn universell, göttlich sind. Daher sind sie auch alle ein Weg zu diesem göttlichen.
Im Gegensatz zu dir, versuche ich eher Gandhis Glauben aus seinen Texten herauszufiltern.
(19-07-2010, 11:46)petronius schrieb: oder noch mal ganz konkret gefragt:
hast du ehrfurcht vor scientology, begegnest du einem dschihadistischen "märtyrer" mit respekt?
Ich weiß nicht wie Gandhi zu Sekten stand, ob er sich überhaupt solcher bewusst war. Ich denke Gandhis Gleichheitszeugnis begründet sich vor allem auf alle größeren Religionen.
Wenn sich ein Märtyrer in die Luft sprengt, muss ich keinen Respekt oder gar Ehrfurcht vor dieser Tat haben. Seiner Religion und damit seinem Glauben kann ich aber dennoch Respekt entgegen bringen, nicht jedoch der Tatsache wie er diesen Glauben lebt.
Nun kann man hier natürlich argumentieren, dass sich wieder nur dass gute von Religion rausgesucht wird und negatives als falsche Ausübung gesehen wird. Diese Kritik ist berechtigt und man kann sie auch nicht wiederlegen, da auch hier der persönliche Glaube eine entscheidende Rolle spielt.
Für Gandhi, und das ist in diesem Zusammenhang wichtig zu berücksichtigen,
waren Religionen keine Deckmäntelchen für Grausamkeiten. Er sah in allen Religionen (zumindest den großen Weltreligionen) den Apell zu einem friedlichen und brüderlichen Miteinander gegeben.
Diese Betrachtungsweise ist rein rationell nicht zu halten und der Widerspruch bleibt bestehen.
Daher sagte ich, es ist eine Glaubensangelegenheit.
Es ist schwer in Worte zu fassen was ich sagen möchte. Ich kann daher nur hoffen dass es nicht flasch rüberkommt und der Sinn erkennbar ist.
