18-09-2010, 22:40
(18-09-2010, 12:19)VolkersList schrieb: Du schreibst, daß eine antreibende Kraft in der Natur nicht notwendiger Weise vorhanden sein muß. Das würde bedeuten, daß alle Lebewesen gemäß ihrem Bauplan handeln, das heißt, ihre Erbanlagen sind das Schnittmuster für ihre Lebensverläufe.Petronius schrieb ganz richtig: non sequitur – das folgt nicht. Individuell betrachtet, ist die Handlung nach Bauplan das, was wir an Kindern „wachsen“ nennen. Hingegen ist das Gehirn, seine Entwicklung und sein Lernvermögen definitiv nicht an den Bauplan, sondern an die Umfeld-Bedingungen geknüpft. Das geht bis in die physische Verdrahtung der Nervenbahnen. Was geübt wird, hinterlässt messbare Spuren in unserm Gehirn. Und, auch wichtig, wenn neue Verhaltensweisen geübt werden, finden sich deren Spuren erneut in unserem Kopf.
(18-09-2010, 12:19)VolkersList schrieb: Ich kann mir nicht helfen, der Begriff "Anpassung" kommt mir sehr verdächtig vor.Verdächtig ist alles, aber auf gängige Auffassungen sollten wir uns schon verständigen. Im genetischen Sinne heißt Anpassung, dass sich das Leben in zahlreichen Varianten reproduziert. Die Umweltbedingungen wirken nun so, dass gewisse Varianten mehr Nachkommen durchbringen als andere. Die Varianten sind zum Teil durch bleibende Umstellungen, Einfügungen, fehlerhafte Reparaturen des Genoms bedingt. Durch die Vererbung solcher Veränderungen (Mutationen) erscheinen diese auch in allen nachfolgenden Generationen, sofern sie sich nicht letal auswirken, was bei fehlerhaften Reparaturen überwiegend aber nicht immer der Fall ist.
Ansonsten kann Anpassung alles Mögliche bedeuten vom Lernen bis zu epigenetischen Rückwirkungen (siehe hier)
(18-09-2010, 12:19)VolkersList schrieb: Wenn der Wald des Waldaffen stirbt, dann stirbt auch er zusammen mit seiner Heimat oder er passt sich an die Savanne an.Jetzt ist natürlich die Frage, was dein Anliegen ist. Ich vermute, dass du mit „Kraft“ keine physische Kraft meinst, sondern Information, Beziehung (zur Umwelt, zur Gesellschaft), zu Glaubensvorstellungen.
Das hört sich so einfach und logisch an, ist es aber nicht.
Woher nimmt er die Kraft, sich anzupassen? Wer sagt ihm, daß er sich anpassen muß, wenn er nicht sterben will?
In der Sache hast du nicht einen Waldaffen vor dir, sondern eine Population. Niemand sagt uns Menschen, dass wir ferne Inseln besuchen, Wüsten bewässern, Energieumwandlungsanlagen bauen, die Pole überwachen oder die Meere erkunden müssen. Die meisten Menschen bleiben hübsch zu Hause und tun nichts dergleichen. Aber es gibt die Leute mit „Hummeln im Hintern“, die ihre Welt erforschen. So auch bei den Waldaffen, die seit Affengedenken auch andere Lebensräume erkunden, nicht nur ihren Wald. Wenn sich nun allmählich die Umweltbedingungen ändern, werden jene bevorzugt, die bereits zeitweise in der Savanne leben können. Von Generation zu Generation verlagert sich damit die Population in die Savanne. Das Individuum bemerkt diesen Prozess, der sich über mehrere tausend Generationen vollzieht, überhaupt nicht.
In weltanschaulicher Hinsicht schauen wir Gott gewissermaßen in Zeitlupe in die Karten, wie die Lebensweise „im Wald“ allmählich in die Lebensweise „in der Savanne“ umgemodelt wird. Die Affenpopulation passt nicht sich an, sondern diese Anpassung geschieht dadurch, dass innerhalb der Population „Varianten“ existieren, wie bei uns Menschen die Eskimos, die Dauerschwimmer oder Menschen mit AIDS-Immunität.
Es gibt tatsächlich Inselpopulationen, die sich nicht rasch genug angepasst – mit anderen Worten: nicht genügend unterschiedliche Varianten erzeugt – haben und dadurch ausgestorben sind – quer durch die ganze Erdgeschichte (siehe z. B. Steven M. Stanley: „Wendemarken des Lebens“).
(18-09-2010, 12:19)VolkersList schrieb: Woher nimmt der Waldaffe die Kraft , sich an die Savanne anzupassen?Es bleibt dir unbenommen, dem Leben diese „innewohnende Kraft“[/b] beizumessen. Nur ist dies eine holistische Beschreibung des Seins (Leben). Deswegen frage ich ja nach deinem weltanschaulichen Anliegen. Diese Kraft ist bei dir ja eine [i]göttliche Kraft, mithin ein Bekenntnis des Christianentums. Im Grunde handelt es sich um Verehrung, Bewunderung, Staunen, welches letztendlich dazu veranlasst, das Leben möglichst zu bewahren und zu fördern. Ich betone nochmals ausdrücklich: der Glaube an eine solche Kraft, folgt nicht aus der Beobachtung von Populationen, sondern aus dem Verhältnis des Gläubigen zum Leben.
(18-09-2010, 12:19)VolkersList schrieb: Diese Kraft für die Suche nach Überlebensmöglichkeiten, diese Kraft suche ich.Weltanschaulich bzw. religiös hast du sie ja durch einen festen Glauben bereits gefunden. Wissenschaftlich gesehen, handelt es sich um einen Überlebens“mechanismus“. D. h. diejenigen Arten, denen dieses Kunststück nicht „gelungen“ ist, kannst du nicht mehr sehen bzw. erleben. Du siehst ja nur die Glückspilze der Entwicklungsgeschichte!
(18-09-2010, 12:19)VolkersList schrieb: Alle unsere Eigenschaften sind in einer gigantischen DNA-Kette, die bis zur Sonne und zurück reicht, festgelegt.Richtig. Das ist zwar erstaunlich, relativiert sich aber, wenn man daran denkt, dass die „Versager“ verschwinden.
Und die Kraft zu überleben ist nicht dabei ?
Weil sie keine Eigenschaft ist ?
Alles geht von selbst ?
(18-09-2010, 12:19)VolkersList schrieb: Dieses "von selbst" ist für mich, was die rote Cappa für den Stier ist.Niemand hat das Gegenteil behauptet. Nur suchst du eine religiöse m. a. W. holistische Haltung für dich selbst bzw. für das Christianentum. Solange du in der naturwissenschaftlichen (biologischen) Ecke suchst, wendet sich die Evolution in der Sache gegen dein Ansinnen genauso, wie die Erdgeschichte sich gegen den als historischen Ablauf verstandenen Schöpfungsmythos wendet. Du musst solche Fragestellungen sorgfältig auseinander halten:
Nichts geht von selbst.
Alles hat Ursache und Wirkung. … Kausalthese …
(1) Die biologische Beobachtung fragt nach Abfolgen und deren Sachgrundlagen.
(2) Das religiöse Bekenntnis fragt nach unserer Beziehung (Haltung) zur Welt, zur Natur, zum Menschen.
Die Fragen (1) werden durch die wissenschaftlichen Methoden erkundet und beantwortet.
Die Fragen (2) werden durch unsere Haltung beantwortet. Wie beurteilen wir und wie stellen wir uns dazu. Und wenn dir deine Haltung zum Leben durch das Glauben einer göttlichen Kraft gefestigt wird, wunderbar!
Alles, was du im Anschluss an „These 376“ (Kausal-These) schreibst, lebt munter von der Vermischung von (1)- und (2)-Fragen; d. h. du verbindest zwei Kategorien (Sachaufklärung und Haltung) miteinander mit den bekannten Folgen. Diese bestehen darin, dass die Vorstellungen im Grunde nichts miteinander zu tun haben. Die „göttliche Kraft“ ist nicht Ursache der Lebensprozesse und auch dort nicht zu finden, sondern Folge der menschlichen Bewunderung oder Verehrung der erstaunlichen Leistungen, zu denen Populationen oder deren Genome fähig sind.
Tröste dich, du befindest dich mit dem Nachweis der „göttlichen Kraft“ in guter Gesellschaft mit den philosophisch gebildeten Menschen, die sich an Gottesbeweisen festgebissen haben bzw. heute noch festbeißen – ein aussichtsloses Beginnen!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard