Das bedarf natürlich einer Richjtigstellung:
Der Báb muß von Anfang an geahnt haben, wie Seine Landsleute Seine Lehren aufnehmen würden und welches Schicksal Ihn aus den Händen der Mullás erwartete. Aber diese bösen Ahnungen über Seine eigene Person hinderten Ihn nicht daran, Seinen Anspruch klar und offen darzulegen und Seine Sache frei zu verkünden. Die Neuerungen, die Er brachte, waren, obgleich rein religiöser Art, drastisch, die Verkündung der Besonderheit Seiner eigenen Person rief Schrecken und Entsetzen hervor. Er bekannte Sich selbst als den Qá'im, den Hohen Offenbarer, den so lange verheißenen und von der muhammadanischen Welt so sehnlich erwarteten Messias. Dieser Erklärung fügte Er hinzu, Er sei das Tor (das heißt Báb), durch das eine größere Manifestation als Er selbst in den Bereich der Menschen einziehen werde.
Indem Er Sich in die Tradition des Islám stellte und als die Erfüllung seiner Prophezeiungen erschien, geriet Er in Widerspruch zu denen, die über die Bedeutung jener Prophezeiungen und überlieferungen feste und unausrottbare, den Seinen zuwiderlaufende Ideen hatten. Die beiden großen persischen Sekten des Islam, Shí'iten und Sunniten, legten beide dem altehrwürdigen Schriftschatz ihrer Religion zwar lebenswichtige Bedeutsamkeit bei, hielten sich aber nicht an seinen Inhalt oder seine Bedeutung. Die Shi'iten, aus deren Lehren die Bábí-Bewegung hervorging, hielten daran fest, daß nach dem Hinscheiden des großen Propheten Muhammad Ihm eine Reihe von zwölf Imámen nachfolgte. Jeder von ihnen war, so glaubten sie, in besonderer Weise von Gott mit geistigen Fähigkeiten und Kräften ausgestattet und hatte Anspruch auf ungeteilten Gehorsam der Gläubigen. Sie verdankten alle ihre Berufung nicht einer Wahl des Volkes, sondern der Ernennung durch den jeweiligen Vorgänger im Amt. Der zwölfte und letzte dieser erleuchteten Führer war Muhammad, der von den Shí'iten der Imám-Mihdí, Hujjatu'lláh (`Beweis Gottes`), Bagíyyatu'lláh (`Rest Gottes`) und Qá'im-i-Al-i-Muhammad (`Der aus dem Stamme Muhammads hervorgehen wird`) genannt wurde. Er übernahm das Amt des Imám im Jahre 260 der Hedschra, entschwand aber dann plötzlich dem Blick seiner Anhänger und stand mit ihnen nur noch durch einen erwählten Mittler, bekannt als die Pforte, in Verbindung. Vier dieser Pforten folgten nacheinander, jeder von seinem Vorgänger mit der Anerkennung als Imám bedacht. Als aber die Gläubigen den vierten Imám Abu'l-Hasan-Alí baten, vor seinem Tode seinen Nachfolger zu benennen, lehnte er ab. Er sagte, Gott habe einen anderen Plan. Darum hörte mit seinem Tode jede Verbindung zwischen dem Imám und seiner Gemeinde auf. Und dennoch, von einer Schar von Anhängern umgeben, lebt er und wartet an einem geheimnisvollen Ort. Er wird die Verbindung mit seinem Volke nicht wieder aufnehmen, bis er mit Macht hervortritt, um über die ganze Welt hin ein tausendjähriges Reich zu gründen.
Shoghi Effendi : NABIL1 - aus der Einleitung zu Nabils Bericht, den ersten Tagen der Babi- und Baha'i-Religion
Der einzige bekanntgewordene Bericht, daß ein Europäer den Báb zu Gesicht bekam, entstand zur Zeit Seiner Verfolgung, als ein in Tabríz wohnender englischer Arzt, Dr. Cormick, von den persischen Behörden zu Ihm gerufen wurde, um Ihn auf Seinen Geisteszustand zu untersuchen. Das Schreiben dieses Arztes an einen Kollegen, der in amerikanischem Auftrag in Persien weilte, wird in Professor E, G. Brownes `Materials for the Study of the Bábi Religion` zitiert. Dieser Arzt schreibt: "Sie fragen mich nach Einzelheiten meines Interviews mit dem Gründer dieser Bábísekte. Es kam nichts Wichtiges heraus bei diesem Gespräch, da der Báb gewahr wurde, daß ich mit zwei anderen persischen Ärzten gescchickt war, ihn zu untersuchen, ob er geistig normal oder eher verrückt war, und zu entscheiden, ob er zu töten war oder nicht. Da er das wußte, war er nicht gewillt, die ihm gestellten Fragen zu beantworten. Auf alle Fragen sah er uns nur sanft an und sang in tiefer, melodischer Stimme, ich nehme an, es waren Hymnen. Zwei andere Siyyids, ihm nahestehende Freunde, die später mit ihm zusammen getötet wurden, waren auch da, zusammen mit einigen Regierungsbeamten. Er würdigte mich erst einer Antwort, als ich sagte, ich sei kein Muselman und wollte gern etwas über seine Religion wissen, der ich mich unter Umständen anschließen wollte. Daraufhin sah er mich eine Weile an und sagte, er hege keinen Zweifel, daß eines Tages alle Europäer zu seiner Religion übertreten würden. Unser Bericht an den Sháh ging selbstverständlich dahin, sein Leben zu erhalten. Einige Zeit darauf wurde er auf Befehl des Amír-Nizám, Mírzá Taqí Khán doch getötet. Auf unseren Bericht hin erhielt er lediglich die Bastonade. Bei dieser Operation schlug ihm ein Scherge absichtlich oder nicht mit dem Prügel, der für seine Füße bestimmt war, übers Gesicht, was eine böse Wunde mit Schwellung hervorrief. Auf die Frage, ob man ihm zur Behandlung einen persischen Wundarzt schicken solle, äußerte er den Wunsch, daß man mich bitten möge, und ich behandelte ihn dann einige Tage lang. Aber bei den nun folgenden Zusammentreffen gelang es mir nie, ihn für ein vertrautes Gespräch zu gewinnen, weil immer einige Amtspersonen zugegen waren, er war ja Gefangener. Er war ein sehr zart und gebrechlich aussehender Mann, ziemlich schmal von Statur und sehr hellhäutig für einen Perser. Seine Stimme war melodisch und weich und hat mich sehr beeindruckt. Als Siyyid war er auch in der Tracht dieser Sekte gekleidet, ebenso seine beiden Gefährten. Sein ganzes Aussehen und Verhalten war sehr dazu angetan, einen für ihn einzunehmen. Über seine Lehre vernahm ich von ihm selbst nichts. Doch man hat den Eindruck, daß seine Religion eine gewisse Nähe zum Christentum hat. Einige armenische Zimmerleute, die in seinem Gefängnis einiges auszubessern hatten, haben ihn in der Bibel lesen gesehen, und er machte auch keinen Hehl daraus, im Gegenteil, er sprach mit ihnen sogar darüber. Den muselmanischen Fanatismus gibt es ganz bestimmt nicht in seiner Religion, wie auch nicht bei den Christen. Auch findet man in ihr nicht die Unterdrückung der Frauen, wie sie heutzutage besteht."
Shoghi Effendi : NABIL1
In `A Traveller's Narrative` (p.34-35) wird Abdu'l-Bahá zitiert mit folgender Erklärung zum moralischen Gesichtspunkt ihrer Handlungsweise:
»Der Minister (Mírzá Taqí Khán) schickte in eigenmächtiger Willkür, ohne dazu Anweisungen erhalten oder Erlaubnis eingeholt zu haben, in alle Richtungen Befehle aus, die Bábí zu strafen und zu züchtigen. Statthalter und Friedensrichter fanden hier einen Vorwand, Reichtümer anzuhäufen, Beamte einen Weg, sich Profit zu verschaffen. Berühmte Gelehrte hetzten von ihren hohen Kanzeln aus zum allgemeinen Angriff. Die Gewalten von religiösem und zivilem Gesetz wetteiferten Hand in Hand, die Bábí auszurotten und zu vertilgen. Nun hatten diese Menschen noch nicht so viel Wissen über die grundlegenden Prinzipien und verborgenen Weisheiten in den Lehren des Báb erworben, wie es richtig und notwendig gewesen wäre, als daß sie ihre Pflichten erkannt hätten. Ihre Begriffe und Vorstellungen stammten noch aus früheren Zeiten, und ihr Benehmen und Verhalten entsprachen altem Brauch. Zudem war ihnen der Weg, mit dem Báb Verbindung aufzunehmen, verschlossen, und die Flamme des Aufruhrs loderte auf allen Seiten. Nach dem Urteil der höchst berühmten Gelehrten hatte die Regierung, und in Wirklichkeit das gemeine Volk, mit unwiderstehlicher Gewalt ein allseitiges Rauben und Beutemachen in Gang gesetzt und war beschäftigt mit Strafen und Foltern, Morden und Plündern, um dieses Feuer zu löschen und diese armen Seelen zu vernichten. An Orten, wo es nur eine kleine Zahl von ihnen gab, fielen sie alle mit verbundenen Händen dem Schwert zum Opfer, in größeren Städten, wo sie zahlreich waren, erhoben sie sich zur Selbstverteidigung nach ihrer guten alten Überzeugung, zumal ihnen nicht möglich war nachzufragen, was ihre Pflicht sei, denn alle Tore waren verschlossen.«
Shoghi Effendi : NABIL1
+1:1 #35
Zu einer Zeit, da das Licht von Muhammads Glauben verdunkelt war durch die Unwissenheit, den Fanatismus und den Eigensinn streitender Sekten, erschien am östlichen Horizont¹ ein leuchtender Stern göttlicher Führung, Shaykh Ahmad-i-Ahsá'í.² Er sah, wie die Bekenner des Islám die Einheit des Glaubens erschüttert, seine Kraft geschwächt, seinen Sinn entstellt und seinen heiligen Namen geschändet hatten. Seine Seele war von Angst und Sorge erfüllt beim Anblick der Korruption und des Haders, der bei der Shí'áh-Sekte im Islám herrschte. Erleuchtet von dem Licht, das in ihm schien,³ stand er auf und erhob zielbewußt mit unbeirrbarem Seherblick und in äußerster Loslösung Protest wider den Verrat, den diese Unwürdigen an ihrem Glauben begingen. Voll glühenden Eifers und im Bewußtsein der Erhabenheit seiner Berufung rief er nicht nur die Anhänger des shí'itischen Islám, sondern alle muhammadanischen Gläubigen im ganzen Osten leidenschaftlich dazu auf, aus dem Schlummer ihrer Nachlässigkeit aufzuwachen und Ihm den Weg zu bereiten, Ihm, der zur erfüllten Zeit mit Sicherheit offenbar werde und dessen Licht allein die Nebel der Vorurteile und der Unwissenheit, die den Glauben verhüllen, zerstreuen könne. Dem Auftrag einer allmächtigen Vorsehung folgend, ließ er Heim und Familie auf einer der Bahrayn-Inseln im Süden des Persischen Golfes zurück und machte sich auf, die Geheimnisse jener Verse in den Islámischen Schriften zu enthüllen, die das Kommen einer neuen Manifestation voraussagten. Er war sich der Nöte und Gefahren seines Weges wohl bewußt und erkannte auch voll und ganz die überwältigende Verantwortung seiner Aufgabe. In seiner Seele brannte die Überzeugung, daß eine Wiedergenesung dieses verderbten Volkes nicht durch Reformen innerhalb des Islám, und seien sie noch so tiefgreifend, bewirkt werden könne.
-------------------
¹ Geboren im Monat Rajab 1166 d.H. (24. April bis 24. Mai 1753) in der Stadt Ahsá im Bezirk Ahsá, im Nordosten der Arabischen Halbinsel. (A.L.M.Nicolas, Essai Sur le Shaykhisme, I,S.1)
Shoghi Effendi : NABIL1
"Saihis" gab's in Persien nicht. Asmusen meint anscheinend die Shaykh'i, zu denen später auch Sayyid Khazzim gehörte. Mit radikal-sozialrevolutionär hatten diese Mystiker nichts zutun. Vergleichbar mit den frühen Zeugen Jehova's und den Sieben-Tages-Adventisten lehrten sie "das unmittelbare Bevorstehen des Kommens des Qua'im", des "verschwundenen Iman" der der Legende und einigen Hadithen zufolge "den Gesandten nach Muhammad ankündigt".
Später "ging" Baha'u'llah auch nicht einfach "in's Exil" - er wurde verbannt. In Istanbul existiert immer noch das Archiv des osmanischen Reiches, in dem die noch vorhandenen Orginaldokumente des letzten Sultans, Abdul'Aziz, aufbewahrt werden. Darunter befinden sich die Botschaften des persischen Shah bezüglich der Verbannung Baha'u'llah's zunächst nach Bagdad und später nach Konstantinopel - daraus geht eindeutig hervor, das die "Entfernung" Baha'u'llah's als Strafe gedacht war.
Obwohl Baha'u'llah anfangs freundlich aufgenommen wurde, war das Verhältnis zum Sultan aufgrund neidischer Intrigen der Höflinge schnell nicht besonders gut. Der Sultan vetraute seinen Hoflingen, die wiederum fürchteten die Verurteilung von Korruption und Günstlingswirtschaft durch Baha'u'llah, der in Konstantinopel schnell als Mann der Ehre und Aufrichtigkeit galt. Die Intrigen der Höflinge gingen soweit, dass Baha'u'llah schliesslich nach Adrainopel und dann nach Akko (Akka) verbannt wurde - in die schlimmste Gefängnisstadt des osmanischen Reiches. Das Tablet "Brief an des Sohn des Wolfes" von Baha'u'llah schildert die genauen Umstände. Jesper Asmusen hat das Buch sicher nicht gelesen.
Abdul'Baha hinterlies ein Testament - "Wille und Testament". Von Angehörigen der Familie Baha'u'llah's wurde die Richtigkeit des Testamentes offen bestritten - schliesslich ging es um die Führung der Baha'i-Gemeinde, und die wollten einige Familienangehörige nicht in den Händen eines Enkels sehen, der "zu jung sei und auch noch bei den Christen studiert" (Shoghi Effendi studierte seinerzeit in Oxford). Seitens der "ortodoxen Baha'i" unter damaliger Federführung von Ruth White und Herrmann Zimmer kursierte das Gerücht der "Testamentfälschung" bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts.Nach dem Tod der Gründer dieser Bewegung scheint dieser Zweig der Baha'i-Religion "ausgestorben" zu sein.
Shoghi Effendi hinterlies kein Testament - vermutlich weil er mit seinem plötzlichen Tod (Herzinfarkt) nicht rechnete. Da von Baha'u'llah selbst verfügt wurde, das nur dann ein bevollmächtigter Hüter des Glaubens bestimmt ist, wenn dieser testamentarisch benannt wird, und dieser Hüter nicht zwangsläufig aus den Reihen der "Agsan" oder "Afnan" (Familienangehörigen des Bab und Baha'u'llah's) stammen muss, erhob ein damals hochrangiges Mitglied des Beraterteams den Anspruch der neue Hüter zu sein - er berief sich abweichend von der Baha'i-Lehre auf eine mündliche Aussage Shoghi Effendi's. Da keine schriftliche Anspruchsbestätigung vorlag und auch keine mündlichen Zeugen aufzutreiben waren, wurde der Anspruch auf Führerschaft einer Einzelperson zurück gewiesen und die Leitung des Glaubens in die Hände des damals schon gewählten Universalen Hauses der Gerechtigkeit gelegt.
Der nun ehemalige Baha'i, der den Anspruch auf Führerschaft erhob, gründete daraufhin die Bewegung der "Reform-Baha'i". Diese Bewegung ist heute hauptsächlich in den USA, Kanada und Indien vertreten.
[Durchgehende Fettschrift entfernt bzw. durch Schrägschrift (als Zitate) ersetzt./Ekkard]
Der Báb muß von Anfang an geahnt haben, wie Seine Landsleute Seine Lehren aufnehmen würden und welches Schicksal Ihn aus den Händen der Mullás erwartete. Aber diese bösen Ahnungen über Seine eigene Person hinderten Ihn nicht daran, Seinen Anspruch klar und offen darzulegen und Seine Sache frei zu verkünden. Die Neuerungen, die Er brachte, waren, obgleich rein religiöser Art, drastisch, die Verkündung der Besonderheit Seiner eigenen Person rief Schrecken und Entsetzen hervor. Er bekannte Sich selbst als den Qá'im, den Hohen Offenbarer, den so lange verheißenen und von der muhammadanischen Welt so sehnlich erwarteten Messias. Dieser Erklärung fügte Er hinzu, Er sei das Tor (das heißt Báb), durch das eine größere Manifestation als Er selbst in den Bereich der Menschen einziehen werde.
Indem Er Sich in die Tradition des Islám stellte und als die Erfüllung seiner Prophezeiungen erschien, geriet Er in Widerspruch zu denen, die über die Bedeutung jener Prophezeiungen und überlieferungen feste und unausrottbare, den Seinen zuwiderlaufende Ideen hatten. Die beiden großen persischen Sekten des Islam, Shí'iten und Sunniten, legten beide dem altehrwürdigen Schriftschatz ihrer Religion zwar lebenswichtige Bedeutsamkeit bei, hielten sich aber nicht an seinen Inhalt oder seine Bedeutung. Die Shi'iten, aus deren Lehren die Bábí-Bewegung hervorging, hielten daran fest, daß nach dem Hinscheiden des großen Propheten Muhammad Ihm eine Reihe von zwölf Imámen nachfolgte. Jeder von ihnen war, so glaubten sie, in besonderer Weise von Gott mit geistigen Fähigkeiten und Kräften ausgestattet und hatte Anspruch auf ungeteilten Gehorsam der Gläubigen. Sie verdankten alle ihre Berufung nicht einer Wahl des Volkes, sondern der Ernennung durch den jeweiligen Vorgänger im Amt. Der zwölfte und letzte dieser erleuchteten Führer war Muhammad, der von den Shí'iten der Imám-Mihdí, Hujjatu'lláh (`Beweis Gottes`), Bagíyyatu'lláh (`Rest Gottes`) und Qá'im-i-Al-i-Muhammad (`Der aus dem Stamme Muhammads hervorgehen wird`) genannt wurde. Er übernahm das Amt des Imám im Jahre 260 der Hedschra, entschwand aber dann plötzlich dem Blick seiner Anhänger und stand mit ihnen nur noch durch einen erwählten Mittler, bekannt als die Pforte, in Verbindung. Vier dieser Pforten folgten nacheinander, jeder von seinem Vorgänger mit der Anerkennung als Imám bedacht. Als aber die Gläubigen den vierten Imám Abu'l-Hasan-Alí baten, vor seinem Tode seinen Nachfolger zu benennen, lehnte er ab. Er sagte, Gott habe einen anderen Plan. Darum hörte mit seinem Tode jede Verbindung zwischen dem Imám und seiner Gemeinde auf. Und dennoch, von einer Schar von Anhängern umgeben, lebt er und wartet an einem geheimnisvollen Ort. Er wird die Verbindung mit seinem Volke nicht wieder aufnehmen, bis er mit Macht hervortritt, um über die ganze Welt hin ein tausendjähriges Reich zu gründen.
Shoghi Effendi : NABIL1 - aus der Einleitung zu Nabils Bericht, den ersten Tagen der Babi- und Baha'i-Religion
Der einzige bekanntgewordene Bericht, daß ein Europäer den Báb zu Gesicht bekam, entstand zur Zeit Seiner Verfolgung, als ein in Tabríz wohnender englischer Arzt, Dr. Cormick, von den persischen Behörden zu Ihm gerufen wurde, um Ihn auf Seinen Geisteszustand zu untersuchen. Das Schreiben dieses Arztes an einen Kollegen, der in amerikanischem Auftrag in Persien weilte, wird in Professor E, G. Brownes `Materials for the Study of the Bábi Religion` zitiert. Dieser Arzt schreibt: "Sie fragen mich nach Einzelheiten meines Interviews mit dem Gründer dieser Bábísekte. Es kam nichts Wichtiges heraus bei diesem Gespräch, da der Báb gewahr wurde, daß ich mit zwei anderen persischen Ärzten gescchickt war, ihn zu untersuchen, ob er geistig normal oder eher verrückt war, und zu entscheiden, ob er zu töten war oder nicht. Da er das wußte, war er nicht gewillt, die ihm gestellten Fragen zu beantworten. Auf alle Fragen sah er uns nur sanft an und sang in tiefer, melodischer Stimme, ich nehme an, es waren Hymnen. Zwei andere Siyyids, ihm nahestehende Freunde, die später mit ihm zusammen getötet wurden, waren auch da, zusammen mit einigen Regierungsbeamten. Er würdigte mich erst einer Antwort, als ich sagte, ich sei kein Muselman und wollte gern etwas über seine Religion wissen, der ich mich unter Umständen anschließen wollte. Daraufhin sah er mich eine Weile an und sagte, er hege keinen Zweifel, daß eines Tages alle Europäer zu seiner Religion übertreten würden. Unser Bericht an den Sháh ging selbstverständlich dahin, sein Leben zu erhalten. Einige Zeit darauf wurde er auf Befehl des Amír-Nizám, Mírzá Taqí Khán doch getötet. Auf unseren Bericht hin erhielt er lediglich die Bastonade. Bei dieser Operation schlug ihm ein Scherge absichtlich oder nicht mit dem Prügel, der für seine Füße bestimmt war, übers Gesicht, was eine böse Wunde mit Schwellung hervorrief. Auf die Frage, ob man ihm zur Behandlung einen persischen Wundarzt schicken solle, äußerte er den Wunsch, daß man mich bitten möge, und ich behandelte ihn dann einige Tage lang. Aber bei den nun folgenden Zusammentreffen gelang es mir nie, ihn für ein vertrautes Gespräch zu gewinnen, weil immer einige Amtspersonen zugegen waren, er war ja Gefangener. Er war ein sehr zart und gebrechlich aussehender Mann, ziemlich schmal von Statur und sehr hellhäutig für einen Perser. Seine Stimme war melodisch und weich und hat mich sehr beeindruckt. Als Siyyid war er auch in der Tracht dieser Sekte gekleidet, ebenso seine beiden Gefährten. Sein ganzes Aussehen und Verhalten war sehr dazu angetan, einen für ihn einzunehmen. Über seine Lehre vernahm ich von ihm selbst nichts. Doch man hat den Eindruck, daß seine Religion eine gewisse Nähe zum Christentum hat. Einige armenische Zimmerleute, die in seinem Gefängnis einiges auszubessern hatten, haben ihn in der Bibel lesen gesehen, und er machte auch keinen Hehl daraus, im Gegenteil, er sprach mit ihnen sogar darüber. Den muselmanischen Fanatismus gibt es ganz bestimmt nicht in seiner Religion, wie auch nicht bei den Christen. Auch findet man in ihr nicht die Unterdrückung der Frauen, wie sie heutzutage besteht."
Shoghi Effendi : NABIL1
In `A Traveller's Narrative` (p.34-35) wird Abdu'l-Bahá zitiert mit folgender Erklärung zum moralischen Gesichtspunkt ihrer Handlungsweise:
»Der Minister (Mírzá Taqí Khán) schickte in eigenmächtiger Willkür, ohne dazu Anweisungen erhalten oder Erlaubnis eingeholt zu haben, in alle Richtungen Befehle aus, die Bábí zu strafen und zu züchtigen. Statthalter und Friedensrichter fanden hier einen Vorwand, Reichtümer anzuhäufen, Beamte einen Weg, sich Profit zu verschaffen. Berühmte Gelehrte hetzten von ihren hohen Kanzeln aus zum allgemeinen Angriff. Die Gewalten von religiösem und zivilem Gesetz wetteiferten Hand in Hand, die Bábí auszurotten und zu vertilgen. Nun hatten diese Menschen noch nicht so viel Wissen über die grundlegenden Prinzipien und verborgenen Weisheiten in den Lehren des Báb erworben, wie es richtig und notwendig gewesen wäre, als daß sie ihre Pflichten erkannt hätten. Ihre Begriffe und Vorstellungen stammten noch aus früheren Zeiten, und ihr Benehmen und Verhalten entsprachen altem Brauch. Zudem war ihnen der Weg, mit dem Báb Verbindung aufzunehmen, verschlossen, und die Flamme des Aufruhrs loderte auf allen Seiten. Nach dem Urteil der höchst berühmten Gelehrten hatte die Regierung, und in Wirklichkeit das gemeine Volk, mit unwiderstehlicher Gewalt ein allseitiges Rauben und Beutemachen in Gang gesetzt und war beschäftigt mit Strafen und Foltern, Morden und Plündern, um dieses Feuer zu löschen und diese armen Seelen zu vernichten. An Orten, wo es nur eine kleine Zahl von ihnen gab, fielen sie alle mit verbundenen Händen dem Schwert zum Opfer, in größeren Städten, wo sie zahlreich waren, erhoben sie sich zur Selbstverteidigung nach ihrer guten alten Überzeugung, zumal ihnen nicht möglich war nachzufragen, was ihre Pflicht sei, denn alle Tore waren verschlossen.«
Shoghi Effendi : NABIL1
+1:1 #35
Zu einer Zeit, da das Licht von Muhammads Glauben verdunkelt war durch die Unwissenheit, den Fanatismus und den Eigensinn streitender Sekten, erschien am östlichen Horizont¹ ein leuchtender Stern göttlicher Führung, Shaykh Ahmad-i-Ahsá'í.² Er sah, wie die Bekenner des Islám die Einheit des Glaubens erschüttert, seine Kraft geschwächt, seinen Sinn entstellt und seinen heiligen Namen geschändet hatten. Seine Seele war von Angst und Sorge erfüllt beim Anblick der Korruption und des Haders, der bei der Shí'áh-Sekte im Islám herrschte. Erleuchtet von dem Licht, das in ihm schien,³ stand er auf und erhob zielbewußt mit unbeirrbarem Seherblick und in äußerster Loslösung Protest wider den Verrat, den diese Unwürdigen an ihrem Glauben begingen. Voll glühenden Eifers und im Bewußtsein der Erhabenheit seiner Berufung rief er nicht nur die Anhänger des shí'itischen Islám, sondern alle muhammadanischen Gläubigen im ganzen Osten leidenschaftlich dazu auf, aus dem Schlummer ihrer Nachlässigkeit aufzuwachen und Ihm den Weg zu bereiten, Ihm, der zur erfüllten Zeit mit Sicherheit offenbar werde und dessen Licht allein die Nebel der Vorurteile und der Unwissenheit, die den Glauben verhüllen, zerstreuen könne. Dem Auftrag einer allmächtigen Vorsehung folgend, ließ er Heim und Familie auf einer der Bahrayn-Inseln im Süden des Persischen Golfes zurück und machte sich auf, die Geheimnisse jener Verse in den Islámischen Schriften zu enthüllen, die das Kommen einer neuen Manifestation voraussagten. Er war sich der Nöte und Gefahren seines Weges wohl bewußt und erkannte auch voll und ganz die überwältigende Verantwortung seiner Aufgabe. In seiner Seele brannte die Überzeugung, daß eine Wiedergenesung dieses verderbten Volkes nicht durch Reformen innerhalb des Islám, und seien sie noch so tiefgreifend, bewirkt werden könne.
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¹ Geboren im Monat Rajab 1166 d.H. (24. April bis 24. Mai 1753) in der Stadt Ahsá im Bezirk Ahsá, im Nordosten der Arabischen Halbinsel. (A.L.M.Nicolas, Essai Sur le Shaykhisme, I,S.1)
Shoghi Effendi : NABIL1
"Saihis" gab's in Persien nicht. Asmusen meint anscheinend die Shaykh'i, zu denen später auch Sayyid Khazzim gehörte. Mit radikal-sozialrevolutionär hatten diese Mystiker nichts zutun. Vergleichbar mit den frühen Zeugen Jehova's und den Sieben-Tages-Adventisten lehrten sie "das unmittelbare Bevorstehen des Kommens des Qua'im", des "verschwundenen Iman" der der Legende und einigen Hadithen zufolge "den Gesandten nach Muhammad ankündigt".
Später "ging" Baha'u'llah auch nicht einfach "in's Exil" - er wurde verbannt. In Istanbul existiert immer noch das Archiv des osmanischen Reiches, in dem die noch vorhandenen Orginaldokumente des letzten Sultans, Abdul'Aziz, aufbewahrt werden. Darunter befinden sich die Botschaften des persischen Shah bezüglich der Verbannung Baha'u'llah's zunächst nach Bagdad und später nach Konstantinopel - daraus geht eindeutig hervor, das die "Entfernung" Baha'u'llah's als Strafe gedacht war.
Obwohl Baha'u'llah anfangs freundlich aufgenommen wurde, war das Verhältnis zum Sultan aufgrund neidischer Intrigen der Höflinge schnell nicht besonders gut. Der Sultan vetraute seinen Hoflingen, die wiederum fürchteten die Verurteilung von Korruption und Günstlingswirtschaft durch Baha'u'llah, der in Konstantinopel schnell als Mann der Ehre und Aufrichtigkeit galt. Die Intrigen der Höflinge gingen soweit, dass Baha'u'llah schliesslich nach Adrainopel und dann nach Akko (Akka) verbannt wurde - in die schlimmste Gefängnisstadt des osmanischen Reiches. Das Tablet "Brief an des Sohn des Wolfes" von Baha'u'llah schildert die genauen Umstände. Jesper Asmusen hat das Buch sicher nicht gelesen.
Abdul'Baha hinterlies ein Testament - "Wille und Testament". Von Angehörigen der Familie Baha'u'llah's wurde die Richtigkeit des Testamentes offen bestritten - schliesslich ging es um die Führung der Baha'i-Gemeinde, und die wollten einige Familienangehörige nicht in den Händen eines Enkels sehen, der "zu jung sei und auch noch bei den Christen studiert" (Shoghi Effendi studierte seinerzeit in Oxford). Seitens der "ortodoxen Baha'i" unter damaliger Federführung von Ruth White und Herrmann Zimmer kursierte das Gerücht der "Testamentfälschung" bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts.Nach dem Tod der Gründer dieser Bewegung scheint dieser Zweig der Baha'i-Religion "ausgestorben" zu sein.
Shoghi Effendi hinterlies kein Testament - vermutlich weil er mit seinem plötzlichen Tod (Herzinfarkt) nicht rechnete. Da von Baha'u'llah selbst verfügt wurde, das nur dann ein bevollmächtigter Hüter des Glaubens bestimmt ist, wenn dieser testamentarisch benannt wird, und dieser Hüter nicht zwangsläufig aus den Reihen der "Agsan" oder "Afnan" (Familienangehörigen des Bab und Baha'u'llah's) stammen muss, erhob ein damals hochrangiges Mitglied des Beraterteams den Anspruch der neue Hüter zu sein - er berief sich abweichend von der Baha'i-Lehre auf eine mündliche Aussage Shoghi Effendi's. Da keine schriftliche Anspruchsbestätigung vorlag und auch keine mündlichen Zeugen aufzutreiben waren, wurde der Anspruch auf Führerschaft einer Einzelperson zurück gewiesen und die Leitung des Glaubens in die Hände des damals schon gewählten Universalen Hauses der Gerechtigkeit gelegt.
Der nun ehemalige Baha'i, der den Anspruch auf Führerschaft erhob, gründete daraufhin die Bewegung der "Reform-Baha'i". Diese Bewegung ist heute hauptsächlich in den USA, Kanada und Indien vertreten.
[Durchgehende Fettschrift entfernt bzw. durch Schrägschrift (als Zitate) ersetzt./Ekkard]