(05-10-2010, 18:56)melek schrieb: Warum "und nur dann" ?
Ich verstehe es eher so, daß die Rache zwar erlaubt ist, aber Vergebung trotzdem besser ist, und belohnt wird.
Weil Vergebung (durch den/die Rechtsnachfolger des vorsätzlich Getöteten) zwar angemahnt wird, diese aber immer Voraussetzung dafür ist, dass anstelle des Talionsrechts (qisas) die We(h)rgeldzahlung (diya) tritt. Die grundsätzliche Regelung dazu findet sich in Sure 2, 178f.
Ihr Gläubigen, bei Totschlag ist euch die Wiedervergeltung vorgeschrieben:…
Und wenn einem (der den Totschlag begangen hat) von seiten seines Bruders (dem die Ausübung zur Wiedervergeltung obliegt) etwas nachgelassen wird (d.h. wenn statt der Wiedervergeltung durch Tötung nur Blutgeld gefordert wird), soll die Betreibung (des Blutgeldes durch den Rächer) auf rechtliche und (umgekehrt) die Bezahlung durch ihn auf ordentliche Weise vollzogen werden. Das ist (gegenüber der früheren Handhabung der Blutrache) eine Erleichterung und Barmherzigkeit von seiten eures Herrn. Wenn aber einer, nachdem diese Regelung getroffen ist, eine Übertretung begeht (indem er sich an die frühere Sitte der Blutfehde hält), hat er im Jenseits eine schmerzhafte Strafe zu erwarten. Die Wiedervergeltung sichert euch das Leben. (Bedenkt dies) die ihr Verstand habt! Vielleicht werdet ihr gottesfürchtig sein.
Übers. R. Paret
Der Verzicht (das Nachlassen) auf das Recht, den Täter zu töten, ist Voraussetzung, damit die Schuld mit der Zahlung von Blutgeld abgetragen werden kann. Eine solche Lösung des Problems wird war an einigen Stellen des Korans direkt oder indirekt angemahnt, obliegt aber keinem richterlichen Beschluss oder dgl., sondern alleine dem zur Ausübung der Wiedervergeltung berechtigten und verpflichteten (!) Mitglied der geschädigten Familie.
Zu 2,179 schreibt R. Paret in seinem Kommentar:
Wenn es heißt, die Wiedervergeltung sichere das Leben, bedeutet das, dass nunmehr nur der Täter belangt wird und nicht, wie bisher bei der Blutfehde, ein weiterer Kreis von Menschen zu Tode kommt.
Damit war eine solche Regelung ein Fortschritt gegenüber der bis dahin exzessiv angewandten Blutfehde.
An vielen Stellen im Koran wird für erduldetes Unrecht Verzeihung angemahnt und Verzeihung als gottgefällige Handlung bezeichnet. Aber nur dann, wenn von der geschädigten Familie auch Verzeihung gewährt wird, gilt bei Mord oder Totschlag anstelle der Tötung des Täters die Zahlung einer Entschädigung (We(h)rgeld) als Tatausgleich.
Matthias Rohe (Das islamische Recht, S. 139) kommentiert 2,178f. folgendermaßen:
Die Sippe des Opfers ist zur Entscheidung über Körperstrafe (Talio) oder Zahlung von Blutgeld berechtigt. Es wird grundsätzlich auch auf Körperverletzungen sinngemäß angewandt.
MfG B.
	
	

