18-11-2010, 19:47
(18-11-2010, 04:17)Karla schrieb: Man kann es aber auch gegenteilig sagen: falls dieses Forum oder seine Festplatte bis Erkalten der Sonne bestehen bleibt, dann überlebt jede Menge von uns. Auch wenn Lux dazu nicht mehr 'Ich' sagt - ein anderer wird es vielleicht irgendwann tun.
Oder, was meinst Du?
Das ist ein sehr guter Ansatzpunkt.
Allerdings definiere ich mein 'Ich' nicht über eine Sachlage. Was ich heute behaupt kann ich morgen schon widerrufen, wenn sich meine Argumentationsbasis bzw. meine Meinung ändern würde. Im Moment meines Todes steht mir diese Option nicht mehr offen - ich kann nichts mehr widerrufen oder überdenken.
Daher halte ich es für überspitzt das 'Ich' auf eine vorrübergehende Phase eines 'Ichs' zu beschränken. Setzt man dieses 'Ich' nun mit dem 'Ichbewusstsein' gleich, müsste ich dir Recht geben.
Vielleicht habe ich deine Aussage
Karla schrieb:[...] ein anderer wird es vielleicht irgendwann tun.auch einfach missverstanden.
Aber gehen wir nun von folgendem Fallbeispiel aus:
Ich bin überzeugter Kommunist, von mir aus sogar fanatisch. Hierrüber definiere 'Ich' einen gewissen Abschnitt in meinem Leben, der Kommunismus wird zu 'meiner' Lebensphilosophie - diese Haltung lege ich jedoch nach einiger Zeit ab.
Irgendjemand kann sich mit der selben Lebensphilosophie später als 'Ich' identifizieren, aber das individuelle 'Ich', das mich zu dieser Philosophie geführt hat und mich veranlasst hat von ihr abzulassen und im Weitesten mein Handeln bestimmt hat, wird immer unangetastet bleiben, wird niemals jemand anderes annehmen können. Denn es ist genau dieser individuelle Hintergrund, der 'mich' einzigartig macht und in Situationen so handeln lässt, wie ich handel. Es ist meine individuelle Erfahrung, meine Vergangenheit, die mir diese Zukunft eröffnet.
Aber wenn da keine Zukunft mehr ist, nichts das den Prozess weiterführen könnte? Kann man diesen eingefrorenen Zustand am Ende des Lebens dann wirklich als ewiges 'Ich' dieser Person ausmachen? Oder ist es nur eine Projektion dieser Person, die wir zu einem bestimmten Zeitpunkt von dieser Person hatten und somit meinen zu wissen, was das Wesentliche, das 'Ich' dieser Person darstellt?
Ich persönlich denke, dass es ganz wichtig ist sich nahestehender Personen zu erinnern und auch der Gedankengang: "Was hätte er/sie gedacht/getan?" ist sicherlich nichts Verwerfliches, sondern spendet oftmals lebenswichtigen Trost. Aber die Antwort auf diese Gedanken sollte niemals etwas Endgültiges sein. Wie die entsprechende Person sich letztendlich verhalten hätte, weiß nicht mal sie selbst, denn dies setzt immer die genauen Umstände des 'Ichbewusstseins', des aktuellen Stands des 'Ichs' vorraus.
"Religion ist Ehrfurcht - die Ehrfurcht zuerst vor dem Geheimnis, das der Mensch ist." ~Thomas Mann

