05-12-2010, 16:03
(03-12-2010, 20:23)petronius schrieb: zwar ist ich-bewußtsein voraussetzung für die wahrnehmung des ichs als solches, aber dennoch nur teil desselben. wieviel meines ichs ist mir eigentlich bewußt? wird mir z.b. erst später bewußt?
Genau hier liegt die Schwierigkeit.
Und daran angehängt die Frage: wenn ein Psychoanalytiker in der Lage ist, Teile meines Ichs - die mir vorher völlig unbekannt waren - 'hochzuholen', also mir bewusst zu machen:
wie dann wirkten diese Ichinhalte - von denen ich vorher keine Ahnung hatte - davor auf mich ein? Bevor ich also von ihnen wusste?
Und mit welcher Berechtigung kann ich sie im Nachhinein als 'Inhalt meines Ichs' bezeichnen, wo ich sie doch vorher nie zu meinem Ich gezählt hätte?
Zähle ich zu meinem Ich also nur das, was mir grad bewusst ist? Und alles das, was ich vergessen habe, zähle ich gar nicht mehr zu meinem Ich?
Wer also hat den Überblick über die wirklichen Inhalte meines Ichs?
(03-12-2010, 20:23)petronius schrieb: das gleichnis mit dem "schuhbewußtsein" ist gar nicht so verkehrt. ich bin mir der schuhe an meinen füßen bewußt, wie ich mir meiner eigenen existenz bewußt bin. wobei ich mir z.b. an einem gelungenen tanzabend meiner drückenden schuhe weit weniger bewußt bin, so wie auch bestimmte aspekte meines ichs in meinem bewußtsein meiner selbst von anderen übertönt werden können
Daran kann man jetzt ebenfalls weitere Überlegungen anknüpfen. Wenn der Schuh drückt - ist in Deiner Aussage indirekt enthalten -, werde ich mir meines Schuhs bewusst. (Dass dies wieder überlagert werden kann, lasse ich hier mal weg.)
Meines Zahns werde ich mir dann besonders bewusst, wenn er anfängt weh zu tun.
Es gab mal Experimente, von denen ich gelesen hatte, die mir aber nur dunkel in Erinnerung sind:
wenn man sich in eine Flüssigkeit legt, wo der Gegendruck genauso groß ist wie der Druck des Körpers, dann spürt man nicht mehr, dass man einen Körper hat. Dann schwimmt man in dieser Flüssigkeit und hat das Körperbewusstsein verloren.
Ich hoffe, ich mache jetzt keinen Gedankenfehler, wenn ich sage:
ich kann mir nur da einer Sache bewusst werden, wo diese Sache an eine Grenze stößt. Ich erkenne meinen eigenen Willen da, wo er plötzlich blockiert wird.
Er kann auch innerhalb meines Ichs blockiert werden: einerseits will ich meinen Partner loswerden, andererseits will ich ihn behalten - die für den Menschen typische Ambivalenz.
Weiter ist daraus - eventuell - zu schlussfolgern:
Ich-Bewusstsein existiert nicht allgemein, sondern nur konkret:
ich werde mir einer Sache bewusst. Erst in der Konfrontation mit einer Sache entsteht Bewusstsein und auch Ich-Bewusstsein.