09-12-2010, 22:52
(09-12-2010, 11:22)Romero schrieb: Meiner Meinung nach hat Integration nur zweitrangig damit zu tun, ob sich jemand als - in diesem Fall - "Deutscher" fühlt oder nicht. Jemand, der sich immer noch als Türke, Iraner, Schweizer, Franzose etc. betrachtet, kann sich trotzdem in Deutschland integrieren. Integration beinhaltet nicht das Aufgeben des eigenen Selbstverständnisses.
[...] Ich finde, Menschen sollten gemäss ihrem eigenen Zugehörigkeitsgefühl "zugeordnet" werden.
Das alles unterschreibe ich, wie ich überhaupt Deinen Beitrag toll finde.
Und das hier unterschreibe ich auch:
(09-12-2010, 20:57)Artist schrieb: man muss das nicht so ernst nehmen mit dem populistischem wahnsinn alles in irgendeine nationalschublade stecken zu müssen.
Wir sind immerhin auf dem Wege nach Europa. Das Gefühl nationaler Identität schwindet langsam, auch wenn es in gelinderer Form immer eine Rolle spielen wird.
Ich fahre alles mal spielerisch eine Nummer tiefer: in die Zeit, wo das Deutsche Reich noch nicht gegründet war und man sich als Württenberger oder Preuße fühlte und das auch wichtig war: denn man führte ja Krieg gegeneinander.
Auch heute noch mag es Württemberger geben, die Westfalen nicht ausstehen können - einfach, weil die doof sind -, aber das stirbt aus. Die Bundesrepublikaner ziehen dort hin, wo ein attraktiver Job winkt, und die kunterbunte Mischung der 'Volksstämme' oder gar Bundesländer fällt kaum noch auf.
Muss sich ein Berliner in die bayrische Mentalität integrieren? Nein, wenn man mich fragt. Wenn sie nicht von alleine auf ihn wirkt, dann kann er weiterhin dem Biertrinken abhold bleiben und von morgens bis abends 'Denkste denn, denkste denn, du Berliner Pflanze' abnudeln.
Genau auf dieser Ebene würde ich dann diese Frage beantworten ->
(09-12-2010, 10:42)Schmettermotte schrieb: Was muss man tun oder wie muss man sein, um als im Ausland geborener oder als Deutscher mit ausländischen Vorfahren deutsch zu sein und als Deutscher anerkannt zu werden?
Ist Jemand, der ausschließlich türkische Vorrfahren hat, aber in Deutschland geboren wurde als Deutscher zu betrachten?
Ist Jemand, der im Ausland geboren wurde, dessen Vorfahren abr sämtlichst Deutsche waren nun mehr oder weniger deutsch als der erste Erwähnte?
Liegt es überhaupt an den Vorfahren, zu welchem Land ein Mensch zugeordnet wird? Oder ist es die Mentalität, das Zugehörigkeitsgefühl?
Wenn sich jemand der deutschen Gesellschaft zugehörig fühlt, weil er da Freunde hat, in Vereinen mitwirkt, am öffentlichen Leben teilnimmt oder was auch immer, dann sollte er als vollwertig integriertes Mitglied der Gesellschaft gelten, auch wenn er sich selbst von der Nationalität her als Türke, Franzose, etc. sieht.
Ich nehme mal aus obigem Zitat den Mittelteil heraus und ersetze die nationalen Begriffe jeweils durch bundesdeutsche Länderbegriffe:
Ist Jemand, der ausschließlich hessische Vorrfahren hat, aber in Berlin geboren wurde als Berliner zu betrachten?
Ist Jemand, der in Hessen geboren wurde, dessen Vorfahren abr sämtlichst Berliner waren nun mehr oder weniger berlinerisch als der erste Erwähnte?
In solchen Fragen steckt - eventuell - noch immer die unbewuste Annahme, es gäbe ein mentales Erbgut, das hessisch oder berlinerisch oder türkisch oder deutsch sei.
Berliner mit Haut und Haar bin ich vielleicht dann, wenn ich dort seit ewigen Zeiten lebe und mich mit deren Problemen mehr identifiziere als mit denen von Düsseldorf. Lebe ich aber mehere Monate im Jahr in Helsinki, hört man vielleicht auf, in Städte-Kategorien zu denken und identifiziert sich mehr mit mit der Familie, die immer mitdackelt, wo immer ich gerade lebe.
Wie Artist richtig sagte, sind politische Einheiten meist künstlich. Und was die Volksstämme angeht, so gibt es wohl kaum noch 'reine'. Das ist alles längst bunt gemischt. Und auch die Deutschen waren von Anbeginn ein Mischvolk - mit was soll men sich da konkret identififizieren?
Vielleicht mit der Kultur?
Das halte ich eigentlich für ein sehr wesentliches Kriterium. Mit der Kultur identifiziert man sich sehr.
Aber hört man im Konzertsaal hauptsächlich deutsche Komponisten? Nee.
Sind unsere Philosophen, die wir lesen, vor allem deutsch? Nee. Gerade da gab es noch zu Anfang der Neuzeit gar keine nationalen Bestimmungen, sondern man schrieb auf Latein, damit alle Philosophen einander lesen konnten. Wissen wir überhaupt, dass Spinoza Holländer war? Die meisten wissen es weniger als dies, dass er Pantheist war.
Das einzige, was wirklich - im Gegensatz zu meiner Anaogie zu der Zeit vor der Reichsgründung - ein nicht wegzudiskutierender gewichtiger Punkt ist, ist die deutsche Sprache, die dazu führt, dass Auslänger sich selber anders fühlen als die Deutschen und von den Deutschen als anders empfunden werden.
Mentalität ist eine Frage des Milieus, in dem man lebt. Dort - unter anderem - wird die als spezifisch empfundene Mentalität erzeugt. Und das Milieu wiederum wird in allerkrassester Form durch die Sprache erzeugt. Die Mentalität wird in kaum ausreichend zu beschreibenem Maß von der Sprache geformt.
Nicht umsonst bemüht man sich, in Norddeutschland das Plattdeutsche am Leben zu erhalten, im Spreewald die wendische Sprache, in Wales das Walisische zu erhalten, weil mit der Sprache eine wesentliche Facette der Mentalität untergehen würde.
Die Gefahr besteht natürlich nicht, wenn türkische Bundesbürger irgendwann nicht mehr türkisch sprechen können. Das Türkische geht dadurch nicht unter.
Wohl aber geht die türkische Mentailtät innerhalb Deutschlands unter. Oder die indische oder die italienische.
Ich selber fände darum eine Assimilation fatal. Es wäre die Chance vertan, dass verschiedene Mentailtäten, die nach Deutschland importiert wurden, ihren positiven Einfluss auf unsere Kultur weiter ausüben. Dass diese dann einfach versickern.
Zum Glück aber versickern sie nicht. Weil die Betreffenden sich in hoher Anzahl sträuben.
Unsere deutsche Kultur ist zur Zeit tot, absolut tot. Was sie dennoch immer wieder aufweckt, ist der Einfluss der ausländischen Kultur.
Unsere mitunter verkopfte Zivilisation wird aufgelockert durch Neubürger, die in einer anderen - zum Beispiel mehr meditativen - Kultur großgeworden sind. Das bringen sie dann ihren Kindern bei, und schon haben wir in Deutschland neues Erfahrungsgut.
Ich überlege mir sogar, ob ich Integration so sinnvoll finde. Natürlich darf das jeder selber entscheiden - aber ich nehme jetzt mal das alte Alexandria, das gerade dadurch so unglaublich in kultureller Hinsicht fruchtbar wurde, weil die Bevölkerung ethnisch extrem gemischt war, es aber keinen 'Integrationszwang' gab, so weit ich das weiß.
Ich widerspreche mir hier in gewissem Sinn selber, weil mir klar ist, dass nur der in Deutschland den Arbeitsplatz finden kann, den er sich wünscht, der die Sprache perfekt beherrscht.
Ich bedauere aber, dass er seine ursprüngliche Sprache verliert. Denn damit gibt er auch seine ursprüngliche Mentalität auf.
Und eine lebendige Kultur lebt davon, dass verschiedene Mentalitäten aufeinander prallen und sich gegenseitig befruchten.
Allerdings ist zur Zeit natürlich in Deutschland die Möglichkeit vielfach vorhanden, die Kultur des Herkunftlandes hier weiter zu pflegen. Und das wird ja wohl auch ausreichend wahrgenommen.
Mageres Fazit aus meinen Überlegungen:
Sprachschulung schon der Kinder halte ich für unerlässlich.
Dass die Sprache der Eltern dennoch beherrscht wird, sollte gefördert werden, wenn die Kinder selber das wünschen.
Die Kulturen der Migranten sollten hochstmöglich hier in Deutschland blühen können.
