11-12-2010, 02:18
(11-12-2010, 00:57)humanist schrieb: Betrachten wir das Theodizee-Problem.
Dem monotheistischen Gott wird nachgesagt, er sei vollkommen gut.
Ich habe Dir oben schon was dazu geschrieben. Was hat denn mit der Existenz Gottes zu tun, "was ihm nachgesagt wird"?
(11-12-2010, 00:57)humanist schrieb: Dann dürfte es kein Leid auf der Welt geben.
Dieses Argument kenne ich seit einem halben Jahrhundert. Und noch nie habe ich erfasst, wie man damit den Gottesglauben aushebeln will.
Obwohl ich selber unfähig bin, mit dem Begriff 'Gott' zu leben.
Aber ich habe vielfach beobachtet, dass das, was ich einfach als Lebensweisheit verstehe, andere als 'Gott' bezeichnen.
Es ist nichts weiter als eine Frage der Bezeichnung.
Was willst Du da widerlegen.
Du gehst von einem Phantasiegott aus - einen, den Du dir selber zurechtgedacht hast -, und den widerlegst Du dann.
Was Du an Widerspruch empfindest, ist nicht mal für mich einer. Wenn Du an der Logik klebst, kriegst Du nicht viel vom Leben mit.
Künstler zum Beispiel - Schauspieler, Musiker, Balltettänzer - haben viel mehr von der Tiefe des Lebens verstanden als jemand, der alles nach der Logik misst.
Ich liebe die Logik, wirklich. Ich liebe die Mathematik, arbeite mir ihr. Aber ich käme nie auf die Idee, mit der Logik widerlegen zu wollen, wie ein Künstler eine Sinfonie komponiert hat und in welche seelischen Abgründe sie steigen kann.
Wie eigentlich willst Du - etwas, was mich noch immer am meisten aufwühlt - mit der Logik wegdiskutieren, dass ein Familienvater abends seine Kinder küsst und umarmt und ihnen ein Schlafliedchen singt
und am nächsten Tag in der Lage ist, Juden zu vergasen. Erzähl mir, humanist, wie dieser Widerspruch mit der Logik aus der Welt zu schaffen ist.
Manche leugnen vermutlich genau aus diesem Grund den Holocaust. Weil er mit der Logik nicht vereinbar ist. Und er existierte dennoch.
Ich nehme mal Dietrich Bonhoeffer, evangelischer Theologe, von den Nazis wegen Widerstand gegen den Staat erhängt.
Glaubst Du im Ernst, Du hättest ihn, wenn Du ihn in seiner Todeszelle besucht hättest, mit Deiner "Gottesvorstellung" und Deinen 'Argumenten' beeindrucken können?
Ihm klarmachen können, dass es ganz "unlogisch" ist, an Gott festzuhalten, weil ja das Leid ja gar nicht existieren könnte?
Bonhoeffer sah den Widerstand gegen das Nazireich als Teil der Bemühung an, Gott zu realisieren. Auf dieser Erde. Ganz konkret, indem man sich nicht feige drückt.
Nimm weiter Sophie Scholl. Sie ist mit 22 Jahren in der Nazizeit durch die Guillotine ermordet worden.
Sie war ebenfalls gläubig. Man kennt einige Berichte und Briefe aus ihrer letzten Zeit.
Siehst Du Dich ebenfalls befugt, ihr ihre Unlogik nachzuwesein? Sie lebte ihren Glauben, genauso wie Bonhoeffer.
Ihr Gott war das, was sie das tun ließ, was sie tat.