10-12-2004, 23:29
cerridwen schrieb:...Nun, ich gehe ja mal davon aus, dass gerade eben dieser Hebräertext nach Jesus entstanden ist und demnach die Menschen in dieser Zeit ein nachösterliches Verständnid von Jesu hatten, demnach also die Auferstehung schon ein Teil ihres Glaubens war.Das gilt für alle Texte des Neuen Testaments, cerridwen,
sie alle sind Bekenntnisse der Urgemeinde zu Jesus,
von dessen Gottessohnschaft sie überzeugt waren.
Alle Texte setzen den Osterglauben voraus.
Was wirklich von Jesus so gesprochen war,
ist sehr schwer zu ermitteln, aber lässt sich dennoch in Textanalysen zeigen.
Der Glaube an Jesus
ist somit ein Anerkennen seiner Lehre und seines Lebens,
wie es dort von der Urgemeinde bekannt und dargestellt wird,
für jeden Christen persönlich.
Niemand, keine Autorität, nimmt einem die eigene Glaubensentscheidung ab.
Entweder man sieht Jesu Lehre und Leben als Weg zum wahren Menschsein heute an oder nicht.
Das hat jeder selbst zu klären.
cerridwen schrieb:...Nun frage ich mich, ob denn ein Text ...eine wirkliche Legitimation darstellt, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist....CerridwenDie Deutung, die der Verfasser des Hebräerbriefes zu Jesu Tod gibt,
ist natürlich seine Sicht im Rahmen seiner Zeit, also auch mit der Tendenz, sich vom Judentum abzugrenzen.
Wie es zum Gedanken eines Sühnopfers kommen konnte,
zeigt Paulus.
Er wird von seinen Heidenchristen gefragt:
"Müssen wir auch das jüdische Passahfest feiern und ein Opfer-Lamm schlachten?"
Und der Missionar Paulus sagt natürlich:
"Nein. Jesus ist unser Opferlamm!"(1. Korinther 5,7)
Das heißt aber mit anderen Worten: Wir brauchen kein Opferlamm, wir haben Jesus und seinen Weg zum "Heil".
Wer jetzt die Metapher oder das Bild als Sache selbst versteht, kann daraus eine Sühnopfertheorie entwickeln.
Deshalb muss man alle spätern Texte
an den frühen als authentisch erkannten, messen.
Und da erklärt sich Jesus nie als Opferlamm.
Er ist, wie damals einige Wanderprediger des sog. "Galiläischen Chassidismus" ein erklärter Gegner der Tempelfrömmigkeit und Kultgläubigkeit. Statt auf den Kult wie die Jerusalemer Geistlichkeit setzt er auf die Ethik (und die Armut).
Jesu Tod ist die Konsequenz seines Lebens.
Er provozierte die Geistlichkeit so sehr mit seiner bedingungslosen Nächstenliebe gegenüber den Ausgestoßenen der jüdischen Gesellschaft (Zöllner, Samariter u.a. "Sünder", mit denen er aß und trank),
mit den Vorwürfen der Oberflächlichkeit und falschen Kult-Ausübung (auch geschäftsschädigend für die Stadt Jerusalem und die Tempel-Geistlichen),
dass man ihn los werden wollte.
Da machten sie sich die damalige schon allergische Furcht der Römer vor Aufständischen zunutze und schwärzten ihn bei Pilatus an.
Dazu würde es sich für dich lohnen das Buch des jüdischen Neutestamentlers Pinhas Lapide zu lesen "Er predigte in ihren Synagogen" (Siebenstern-Tb. 1440) oder das Buch von Gerd Theißen "Im Schatten des Galiläers".
Jesus wusste um seine Lebensgefahr und hat seinen Tod bewusst in Kauf genommen, um auf der Seite der Ausgestoßenen zu bleiben.
So hat er auch uns das wahre Gotteskindsein vorgelebt und ist in diesem Sinne auch "für uns gestorben!"
"Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche!" (Gustav Mahler nach Thomas Morus)


