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Glaube und Naturwissenschaft
#1
Zu Beginn der Hl. Augustinus v. Hippo betreffend das Verhältnis der religiösen zur wissenschaftlichen Wahrheit, an Hand der Annäherungsweisen an einen Baum:


"Denn mit ihrem Verstande und dem Geist, den du ihnen gegeben, erforschen sie vieles und sie fanden vieles; viele Jahre zuvor wissen sie die Mond- und Sonnenfinsternisse zu verkünden,
an welchem Tage und zu welcher Stunde sie stattfinden, welchen Umfang sie haben werden;
ihre Berechnung täuscht sie nicht, und wie sie vorher verkündeten, so geschah es; auf Grund ihrer Forschungen stellen sie darin feste Regeln auf, die man noch heute anwendet, und aus ihnen erkundet man, in weichem Jahre, Monate, Tage, zu welcher Stunde und um wieviel sich
Mond oder Sonne verfinstern werde, und es geschieht nach ihrem Wort. Und die Menschen wundern sich darüber und die Unkundigen entsetzen sich, die Kundigen aber frohlocken und brüsten sich, und in ruchlosem Stolze entfernen sie sich und entziehen sich deinem Lichte, sehen lange vorher der Sonne Verfinsterung, aber die ihrige sehen sie nicht.

Denn sie fragen nicht mit frommen Sinne, woher sie ihren Geist haben, durch den sie dies erforschet. Und wenn sie endlich erforschen, dass du sie geschaffen, so geben sie sich nicht dir zu eigen, auf dass du erhältst, was du geschaffen, und wie sie selbst sich machen zu ihren Götzen, so sterben sie dir ab und trotzen dir mit Hochfahren wie die Vögel unter dem Himmel und mit ihrem Fürwitz wie die Fische im Meere, mit dem sie auf den verborgensten Pfaden des Meeres
umherschweifen, und mit ihren Lüsten wie die Tiere des Feldes, damit du Gott, ein fressend Feuer, ihrer Toten Sorgen verzehrst und sie wiedergeboren werden lässest zur Unsterblichkeit.
Aber sie kennen nicht den Heilsweg, dein Wort, durch das du schufst, was sie zählen, und sie, welche zählen, und den Verstand, womit sie zählen, aber deiner Weisheit ist keine Zahl. Er selbst aber, der Eingeborene, ist uns gemacht zur Weisheit, zur Gerechtigkeit und Heiligung, er ward unter uns gezählt und gab dem Kaiser, was des Kaisers ist. Den Weg lernen sie nicht kennen, auf welchem sie von ihrer selbstgewählten Höhe hinabsteigen zu ihm und durch ihn
hinaufsteigen zu ihm. Den Weg lernen sie nicht kennen und halten sich für leuchtend und erhaben wie die Sterne, und siehe, sie stürzten zur Erde und ihr unverständiges Herz ist verfinstert. Vieles Wahre wissen sie von der Schöpfung zu sagen; aber die Wahrheit der Schöpfung, ihren Ursprung suchen sie nicht mit frommem Herzen, und deshalb finden sie ihn auch nicht, oder wenn sie ihn finden und Gott erkennen, so preisen sie ihn nicht als Gott und
danken sie ihm nicht, sondern sie sind in ihrem Dichten eitel geworden und hielten sich für weise und legen sich zu, was dein ist. Deshalb suchen sie auch in ihrer verkehrten Blindheit dir zuzuschreiben, was das ihre ist, häufen Lügen auf dich, der du die Wahrheit bist, und
haben verwandelt die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in ein Bild gleich dem vergänglichen Menschen und den Vögeln und den vierfüßigen und kriechenden Tieren und verwandeln deine Wahrheit in Lügen und haben geehrt und gedient deinem Geschöpfe mehr denn dem Schöpfer.
Vieles aber, was sie vorhersagten von der Schöpfung, behielt ich, und die wissenschaftliche Begründung ihrer Aussagen leuchtete mir ein durch Berechnung und Ordnung in der Zeit und
durch die sichtbaren Zeugnisse der Gestirne, und ich verglich es mit den Aussprüchen des Manichäers, welcher gerade darüber viel wahnwitziges Zeug zusammenschrieb; doch entbehrte er so jeglicher wissenschaftlicher Begründung in bezug auf Sonnenwende, Sonnen-
und Mondfinsternisse, wie denn in diesen Schriften auch nichts von Weltweisheit stand. Hier musste ich blindlings glauben, meine Kenntnisse, die auf Berechnungen und Augenschein
fußten, halfen mir nichts, denn alles verhielt sich da ganz anders.
Gefällt dir schon der, welcher solches weiß, o Herr und Gott der Wahrheit? Unglücklich ist wahrlich der Mensch, der solches alles kennt und dich nicht kennt, selig aber, wer dich kennt, wenn er auch jenes nicht kennt. Und wenn er auch dich und jenes kennt, so ist er um jener
Kenntnisse willen doch nicht glückseliger, sondern allein du bist, der ihn beseligt, wenn er weiß, dass ein Gott ist, und wenn er dich als seinen Gott preiset, dir danket und nicht eitel in
seinem Dichten wird. Denn wie der besser daran ist, welcher weiß, dass er einen Baum besitzt, und für den Nutzen, den er ihm bringt, Dank abstattet, ob er gleich nicht weiß, wieviel Fuß er
hoch ist oder welches sein Umfang ist, als jener, welcher ihn ausmisst und alle seine Zweige zählt, während er ihn weder besitzt noch seinen Schöpfer kennt oder liebt, so hat unzweifelhaft der Gläubige den besseren Teil, dem die Welt mit all ihren Schätzen ist, dernichts innehat und doch alles hat, weil er den umfängt, dem alles dient, wenn er auch den Kreislauf des Wagens nicht kennt; besser ist ihm als dem, der den Himmel misst, die Sterne zählt, die Elemente wägt und dich dabei vernachlässigt, der da alles geordnet hat nach Maß, Zahl und Gewicht.
...
Wenn ich einen christlichen Mitbruder über weltliche Dinge eine Ansicht aussprechen höre, die Unkenntnis der Tatsachen und Irrtümer verrät, so habe ich doch Geduld mit ihm, denn ich
weiß, dass ihm seine Unkenntnis betreffs der Lage und Beschaffenheit der sinnlichen Natur keinen Schaden bringt, sofern er nur von dir, dem Herrn und Schöpfer aller Dinge, nichts Unwürdiges glaubt. Schaden brächte es ihm ja nie, wenn er glaubte, dass solches in den
Bereich der Lehre von der Gottseligkeit gehöre, und er es wagte, hartnäckig zu behaupten, wovon er doch nichts versteht."


Augustinus von Hippo in Confessiones, 5. Buch
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