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(12-08-2014, 22:50)Lelinda schrieb: In einigen Bibeln sagt Jesus nämlich in Vers 56 (Quelle: Schlachter-Bibel 2000 von biblegateway): "Wisst ihr nicht, welches Geistes [Kinder] ihr seid? Denn der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um die Seelen der Menschen zu verderben, sondern zu erretten!"
Merkwürdig, dass dieser in meinen Augen sehr wichtige Satz so oft weggelassen wird!
Gefährlich wurden den Texten vor allem jene Kopisten, die klug genug waren, die Probleme, die mit manchen Aussagen verbunden sind, zu erkennen und keine Skrupel hatten, sie entschärfend zu verändern oder zu ergänzen. Textteile, die in heutigen Ausgaben weggelassen sind, entstammten allesamt späten Handschriften.
MfG B.
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(13-08-2014, 10:38)Bion schrieb: Gefährlich wurden den Texten vor allem jene Kopisten, die klug genug waren, die Probleme, die mit manchen Aussagen verbunden sind, zu erkennen und keine Skrupel hatten, sie entschärfend zu verändern oder zu ergänzen.
Wenn das tatsächlich geschehen sein sollte, dann wären das keine Kopisten, sondern Fälscher
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13-08-2014, 13:51
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 13-08-2014, 13:54 von Lelinda.)
Zitat:Gefährlich wurden den Texten vor allem jene Kopisten, die klug genug waren, die Probleme, die mit manchen Aussagen verbunden sind, zu erkennen und keine Skrupel hatten, sie entschärfend zu verändern oder zu ergänzen. Textteile, die in heutigen Ausgaben weggelassen sind, entstammten allesamt späten Handschriften.
Du meinst, der Satz ist eine spätere Erfindung? Ursprünglich wäre also tatsächlich nicht gemeint gewesen, dass Jesus (zumindest in diesem Fall) dagegen gewesen wäre, ein Dorf zu vernichten?
Schade. Ich hätte eher vermutet, dass es umgekehrt gewesen wäre und der Satz von vorneherein zum Text gehört hätte. Es wäre ja auch denkbar gewesen, dass der Satz gestrichen worden wäre, als das Christentum römische Staatsreligion wurde und die Christen massivere Mittel als nur ihre persönliche Überzeugungskraft bekamen, um andere Leute zu "bekehren". Aber wenn es so ist, wie du schreibst, kann das ja nicht so gewesen sein.
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Es geht hier darum, ob die Jünger "befehlen" wollten, und um die Nennung von Elia. Das sind die Punkte, die zur Diskussion stehen
Bion hat nicht geschrieben, daß der Satz, daß Jesus die beiden zurecht gewiesen hat, nachträglich eingefügt wurde. Dieser Satz steht außer Streit
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Nein, nein. Es geht nur um die wörtliche Rede, also die Begründung für die Zurechtweisung. Und wenn Bion Recht hat, ist die Begründung, dass Jesus nicht auf die Erde gekommen wäre, um zu zerstören, sondern um zu retten, nur eine nachträgliche Interpretation irgendeines späteren Lektoren.
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13-08-2014, 15:23
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 13-08-2014, 15:46 von Ulan.)
(13-08-2014, 13:51)Lelinda schrieb: Du meinst, der Satz ist eine spätere Erfindung? Ursprünglich wäre also tatsächlich nicht gemeint gewesen, dass Jesus (zumindest in diesem Fall) dagegen gewesen wäre, ein Dorf zu vernichten?
Darauf hatte ich weiter oben schon hinweisen wollen. Der Hinweis auf Elia findet sich nur im spaeten byzantinischen Text (wie gesagt, die Vorlagen fuer Luthers Vorlage waren aus dem 11.-15. Jahrhundert), und da hat wohl ein eifriger Kopist die Aussage abgemildert, weil das in den alten Texten nicht steht.
(13-08-2014, 13:16)Sinai schrieb: Wenn das tatsächlich geschehen sein sollte, dann wären das keine Kopisten, sondern Fälscher
Das kam oft vor. Deshalb ist ja die Haltung der biblischen Literalisten so laecherlich. Auch bei unseren aeltesten Bibeln ist klar, dass sie, wegen der zahlreichen Unterschiede im Text, nicht von denselben Vorlagen stammen konnten. Die Sache mit der "wortgetreuen Ueberlieferung" ist ein offensichtliches Maerchen.
Falls es Dich troestet: Umgekehrt bedeutet das natuerlich auch, dass niemand weiss, welcher der vielen Editoren des Lukas-Evangeliums diesen Satz da als Erster hineingeschrieben hat. Stand der im Ursprungstext? Man koennte mal nachschauen, ob Irenaeus oder Tertullian den zitieren, ob er schon in Markions Version des Evangeliums stand. All dies unter der Annahme, Irenaeus oder Tertullian waeren wortgetreuer ueberliefert worden, was nun auch nicht unbedingt der Fall ist.
Dazu kommt noch, dass das Lukas-Evangelium selbst schon eine Ueberarbeitung von mehreren anderen Vorlage-Texten ist. Du kannst Dir vorstellen, was das fuer die Annahme von "authentischen" Jesus-Worten bedeutet.
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13-08-2014, 20:15
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 13-08-2014, 20:16 von Sinai.)
(13-08-2014, 15:23)Ulan schrieb: Die Sache mit der "wortgetreuen Ueberlieferung" ist ein offensichtliches Maerchen.
So viel ich weiß, wurden Bibelabschriften folgendermaßen geprüft:
1.) zuerst einmal wurde jeder einzelne Satz numeriert. zB Lukas 9:50
Wie bei den Juristen. Da wird jedes Gesetz in Paragraphen unterteilt, diese dann in Absätze, diese dann in litera a,b,c,d,e, . . .
2.) die Schreiber zählten die Anzahl der Buchstaben im Satz und schrieben dann am Satzende diese Zahl. Damit kann nachträglich jeder einzelne Satz überprüft werden. So gewissenhaft, wie das Protokoll bei einem Gerichtsverfahren in einem Mordprozeß oder wie die Abschrift eines königlichen Testaments oder wie der Text eines Staatsvertrags. Da wurde echt mit höchstem Sicherheitsaufwand gearbeitet in den Klöstern. So ein Pater schrieb da nicht husch pfusch wie einen Einkaufszettel, er hatte alle Zeit der Welt. Wenn er für eine Seite vier Monate brauchte, machte das nichts. Wenn er starb, setzte sein Nachfolger das fort . . . die einzelnen Buchstaben wurden oft kunstvoll gemalt, manche Anfangsbuchstaben eines Kapitels sind wahre Kunstwerke.
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(13-08-2014, 20:15)Sinai schrieb: So viel ich weiß, wurden Bibelabschriften folgendermaßen geprüft:
...
Bitte laß uns doch an deinem Wissen teilhaben und nenne mal die Quelle wo du das her hast.
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13-08-2014, 21:07
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 13-08-2014, 21:22 von Ulan.)
(13-08-2014, 20:15)Sinai schrieb: So viel ich weiß, wurden Bibelabschriften folgendermaßen geprüft:
1.) zuerst einmal wurde jeder einzelne Satz numeriert. zB Lukas 9:50
Wie bei den Juristen. Da wird jedes Gesetz in Paragraphen unterteilt, diese dann in Absätze, diese dann in litera a,b,c,d,e, . . .
Du redest ueber viel spaetere Zeiten. Die fruehesten Manuskripte und Bibeln hatten einen fortlaufenden Text, keinerlei Satzzeichen, keine Luecken zwischen Worten, und Zeilenumbrueche immer dann, wenn kein Zeichen mehr auf die Zeile passte, was oft genug mitten im Wort war. Der Text in jedem Manuskript ist folgerichtig anders, da Verschreiben sehr haeufig war. Manchmal wurden auch Randkommentare in den Haupttext uebernommen, weil der Kopist sie fuer eine Korrektur hielt. Auslassungen passieren gerade am Zeilenende haeufig. Man kann auch oft die vielen Korrekturen in den Manuskripten sehen. Hier eine Seite aus dem Codex Vaticanus (4. Jhdt.) mit dem Ende von Lukas und Anfang von Johannes:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/co...r_Luke.jpg
Vor allem die fruehen Zitate lassen erkennen, dass die Texte, so sie existierten, anders ausgesehen haben muessen. Das, worueber Du da redest, mag spaeter im 2. Jahrtausend der Fall gewesen sein.
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(12-08-2014, 00:59)Sinai schrieb: "Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sagten sie: Herr, sollen wir befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet?"
Lukas 95:4 (Einheitsübersetzung)
Das ist doch eine ungeheuerliche Stelle.
Wem hätten denn Jünger befehlen sollen, daß Feuer vom Himmel fällt ??
Hier steht nicht: sollen wir bitten
Hier steht: befehlen
Da sieht man mal wieder, was der "Herr" für gehässige Leute um sich scharrt.
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
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(13-08-2014, 14:38)Lelinda schrieb: Nein, nein. Es geht nur um die wörtliche Rede, also die Begründung für die Zurechtweisung.
Ich weiß nicht, wie Du darauf kommst, und was Du jetzt damit genau sagen willst
(13-08-2014, 14:38)Lelinda schrieb: Und wenn Bion Recht hat, ist die Begründung, dass Jesus nicht auf die Erde gekommen wäre, um zu zerstören, sondern um zu retten, nur eine nachträgliche Interpretation irgendeines späteren Lektoren.
Auch dieser Schluß scheint mir nicht astrein zu sein
Willst Du damit etwa sagen, Du vermutest nun, daß damit alle positiven Aussagen im NT automatisch als nachträgliche Einfügungen gewertet werden können ?
So einfach ist das nicht. Wenn Du es Dir einfach machen willst, dann wirf die Bibel ins Feuer. Solltest Du aber Interesse an ernsthafter Bibelforschung haben, so wirst Du mit vorschnellen Vereinfachungen nicht weit kommen, auch wenn sie noch so bequem sein mögen
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13-08-2014, 21:59
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 13-08-2014, 22:29 von Sinai.)
(13-08-2014, 21:29)Geobacter schrieb: (12-08-2014, 00:59)Sinai schrieb: "Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sagten sie: Herr, sollen wir befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet?"
Lukas 95:4 (Einheitsübersetzung)
Das ist doch eine ungeheuerliche Stelle.
Wem hätten denn Jünger befehlen sollen, daß Feuer vom Himmel fällt ??
Hier steht nicht: sollen wir bitten
Hier steht: befehlen
Da sieht man mal wieder, was der "Herr" für gehässige Leute um sich scharrt.
Ja, das mag schon sein, ist aber nicht Thema dieses Threads.
Das diskutieren wir ohnehin mit Lelinda in einem anderen Thread.
Hier möchte ich eine andere Frage diskutieren:
Ich stelle mal in den Raum, daß dieser Vorschlag der beiden Jünger unter Umständen von den Juden als Gotteslästerung gewertet werden hätte können.
Vielleicht deshalb diese ganze zweideutige Sprache im NT. Um nicht juristisch angreifbar zu sein. Der Mafiosi sagt ja auch nicht klar "bring ihn um!", sondern er sagt sehr zweideutig "kümmere dich um ihn!"
Vielleicht wurde eben absichtlich alles möglichst zweideutig ausgedrückt und wir arme Narren heute versuchen, Textanalysen nach allen Regeln der Interpretationskunst durchzuführen . . .
Verfolgte Gruppen bedienen sich immer einer zweideutigen Ausdrucksweise. Siehe die Gaunersprache
Die Jesusleute wurden damals von den jüdischen Religionsbehörden beobachtet und verfolgt
Man könnte etwas überspitzt formuliert sagen: "Das NT erklärt nicht, es verschweigt"
Unklare Formulierungen, an denen sich dann die Christen die Zähne ausbissen
Wenn heute ein Jurist eines Industriebetriebes einen assistance téchnique Vertrag derart unklar formulieren würde, dann würde ihm entweder der eigene Generaldirektor das Konvolut um die Ohren werfen, oder der Generaldirektor des potentiellen Vertragspartners würde sofort abwinken. Nie käme ein Konsens zustande
Befehlen, daß Feuer vom Himmel fällt – das Ausüben eines Zaubers ?
Wie konnten sie die Frechheit haben und sagen, daß sie befehlen werden, daß Feuer vom Himmel fällt ?
Auf solche Anmaßung stand bei den Juden die Steinigung.
Zauberei wurde gemäß der Thora mit dem Tode bestraft
Vielleicht deshalb der Zusatz mit Elia an manchen Stellen. Damals, als das Evangelium geschrieben wurde, war mit den jüdischen Religionsbehörden nicht zu spaßen. Man denke an die Steinigung des Stephanus durch die Juden. Der Zusatz mit Elia bricht dem Vorwurf der Zauberei den Zahn aus, eine Schutzbehauptung mit dem Motiv, eine Verfolgung zu vermeiden
Wenn man großzügig ist und das nicht als Zauberei wertet, so kommt es in die Nähe des Wassers von Meriba
Ich denke eher, die Frage an Jesus "sollen wir" war eher eine versteckte Aufforderung an Jesus, mitzuspielen
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(13-08-2014, 21:29)Geobacter schrieb: Da sieht man mal wieder, was der "Herr" für gehässige Leute um sich scharrt.
Ja, das mag schon sein.
Das Thema "Religion" lockt immer gehässige Leute an, so wie Licht die Fliegen
Diese beiden Jünger waren zweifellos gehässige Leute. Aber auch die Gegner der Religion sind oft ebenso gehässig.
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 13-08-2014, 23:05 von Ulan.)
(13-08-2014, 21:59)Sinai schrieb: Damals, als das Evangelium geschrieben wurde, war mit den jüdischen Religionsbehörden nicht zu spaßen.
Damals, als das Lukas-Evangelium geschrieben wurde, gab es keine "juedische Religionsbehoerde" mit irgendwelchen grossartigen Befugnissen mehr.
Du hast auch seltsame Vorstellungen davon, was damals "Gotteslaesterung" ausmachte.
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(12-08-2014, 22:50)Lelinda schrieb: ..in Vers 56 (Quelle: Schlachter-Bibel 2000 von biblegateway): "Wisst ihr nicht, welches Geistes [Kinder] ihr seid? Denn der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um die Seelen der Menschen zu verderben, sondern zu erretten!"
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Du meinst, der Satz ist eine spätere Erfindung?
Die Aussage entstammt späten Handschriften. Unter den Fachgelehrten besteht weitgehend Übereinstimmung, dass sie von der Hand eines Kopisten stammt. In den frühen griechischen Texten und im Hieronymus-Text (Vulgata) ist sie noch nicht vorzufinden.
In der Nestle-Aland-Ausgabe heisst es:
Lk 9,55-56 στραφεὶς δὲ ἐπετίμησεν αὐτοῖς. καὶ ἐπορεύθησαν εἰς ἑτέραν κώμην.
In der Vulgata steht:
Lk 55-56 et conversus increpavit illos et abierunt in aliud castellum
MfG B.
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