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das Aramäischproblem
#16
(27-09-2016, 08:27)Sinai schrieb: Simon ben Jochai verwirft bereits im 2. Jahrhundert diese aramäische  Lesart.

Und doch behauptest Du im ersten Beitrag dieses Threads, dass "Engel" auch eine gueltige althebraeische Lesart ist. Was zeigt, dass die Argumentation des Rabbis keineswegs sprachlicher Natur ist (auch althebraeischer Lesart nach waeren Engel als Deutung erlaubt), sondern schlicht theologisch-exegetische Gruende hat, nach denen es zu des Rabbis Zeit mittlerweile unsittlich war, dass Engel sexuell mit Menschen verkehrten. Das Sexuelle war zu seiner Zeit aus juedisch-religioesem Denken weitgehend verschwunden.

Deine Art der Begruendung versagt also im simplen Logik-Test. Wobei Tarkesh uebrigens die Begruendung, warum diese Variante unwahrscheinlich ist, schuldig bleibt. Die Luther-Uebersetzung zumindest folgt der uebernatuerlichen "Gottessohn"-Lesart.
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#17
(27-09-2016, 14:11)Ulan schrieb: Wobei Tarkesh uebrigens die Begruendung, warum diese Variante unwahrscheinlich ist, schuldig bleibt.

1)
Bis zu Gen 6,1-4 ist nirgendwo von Engeln oder ihrer Erschaffung die Rede.

2)
Die Engel-Interpretation wird sowohl im alten wie im modernen Judentum meines Wissens komplett abgelehnt. Favorisiert wird dort stattdessen die erwähnte Sethianer-Interpretation und, eher marginal, die erwähnte Despoten-Interpretation. Die Engel-Interpretation geht auf christliche Spekulationen zurück.

3)
Im Judentum gelten Engel als Wesen mit spirituellen Leibern. Dass sie Nachkommen mit irdischen Frauen zeugen können, ist auf dieser Grundlage nicht vorstellbar.
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#18
(27-09-2016, 16:25)Tarkesh schrieb:
(27-09-2016, 14:11)Ulan schrieb: Wobei Tarkesh uebrigens die Begruendung, warum diese Variante unwahrscheinlich ist, schuldig bleibt.

1)
Bis zu Gen 6,1-4 ist nirgendwo von Engeln oder ihrer Erschaffung die Rede.

2)
Die Engel-Interpretation wird sowohl im alten wie im modernen Judentum meines Wissens komplett abgelehnt. Favorisiert wird dort stattdessen die erwähnte Sethianer-Interpretation und, eher marginal, die erwähnte Despoten-Interpretation. Die Engel-Interpretation geht auf christliche Spekulationen zurück.

3)
Im Judentum gelten Engel als Wesen mit spirituellen Leibern. Dass sie Nachkommen mit irdischen Frauen zeugen können, ist auf dieser Grundlage nicht vorstellbar.

Danke fuer das Nachreichen.

Punkt 1 macht noch halbwegs Sinn. "Engel" ist allerdings bereits eine apologetische Umscrheibung dessen, was da eigentlich steht; was hier gemeint war, ist schlicht die Gurndbedeutung des Worts: Soene von Goettern. Anders ausgedrueckt, die juedische Exegese hat ihre erste apologetische Umdeutung als "Engel" mittlerweile verworfen und durch eine naechste Stufe ersetzt.

Punkt 2 is abzulehnen, da die Septuaginta, die die Engel-Uebersetzung bereits enthaelt, kene christliche, sondern eine juedische Schoepfung ist. Diese Interpretation also auf Christen zu schieben ist ein genau so durchsichtiges Ablenkungsmanoever, wie der Versuch, sie Aramaeern anzulasten. Das Judentum hat sich erst in christlicher Zeit von der Septuaginta distanziert, und viele Interpretationen machen Sinn, wenn man sie als nachtraeglichen Abgrenzungsversuch vom Christentum begreift.

Punkt 3 zollt halt der Entwicklung juedischer Vorstellungen Rechnung, und das habe ich ja oben auch getan. In juedischer Exegese werden alle moeglichen Erwaehnungen anderer Goetter als Jahwe im Tanach apologetisch verfremdet und umgedeutet. Das ist zwar exegetisch fuer die moderne Glaubensvorstellung nachvollziehbar und in dieser Hinsicht sinnvoll, aber historisch im Bezug auf die Unrsprungsbedeutung nicht haltbar. Die Geschichte ueber Sodom stellt uebrigens Engel auch als durchaus koerperlich anziehend dar. Der Tanach hat viele verschiedene Vorstellungen davon, was Engel eigentlich sind.
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#19
Ich habe bezueglich der LXX noch einmal nachgeschaut. In den meisten heute erhaeltlichen LXX-Versionen steht an dieser spezifischen Stelle immer noch υἱοὶ τοῦ Θεοῦ. Alexandrinus hat beide Versionen, ἄγγελοι τοῦ θεοῦ and υἱοὶ τοῦ Θεοῦ, in Versen 2 und 4. Ich muesste mal nachgucken, ob die spezifische Stelle irgendwie frueher ueberliefert ist. Die Rekonstruktion der urspruenglichen LXX ist recht schwierig, da sie in christlicher Zeit hebraeischen Texten weigehend angepasst wurde.
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#20
Ulan schreibt in Beitrag # 18
"Die Geschichte ueber Sodom stellt uebrigens Engel auch als durchaus koerperlich anziehend dar."

Ja, richtig.
Körperlich anziehend in diesem Fall allerdings nur für perverse homosexuelle Gewaltverbrecher.
Auch das beweist, daß es sich keinesfalls um höhere Wesen handelt, sondern um Menschen.
Denn ein Geistwesen kann man nicht vergewaltigen und außerdem ist es wehrhaft weil es übernatürliche Kräfte hat und außerdem kann es davonfliegen wenn es gefährlich wird und bräuchte nicht vom Hausherrn vor Vergewaltigung geschützt werden !
Auch diese Geschichte (natürlich von Moses in Hebräisch geschrieben) zeigt, daß es sich nicht um Engel im indogermanischen Sinn handelt, sondern um vornehme Prinzen oder dergleichen.
Und die abergläubische aramäische Lesart aus späterer Zeit (die Thora wurde original hebräisch und nicht in aramäisch geschrieben) ist schlichtweg falsch! Späteres Beiwerk halt aus den Sümpfen des Euphrat
Ich folge der energischen Warnung von Rabbi Simon ben Jochai
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#21
Leer, da doppelt
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#22
Ulan schreibt in Beitrag # 18
". . . ist ein genau so durchsichtiges Ablenkungsmanoever, wie der Versuch, sie Aramaeern anzulasten."

Rabbi Simon ben Jochai hat das nicht "den Aramäern" angelastet !
Keineswegs als Volk, die sind ihm wurscht.
Er lehnte jedoch energisch die aramäische Lesart der inkriminierten Thorastelle ab.
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#23
(28-09-2016, 10:32)Sinai schrieb: Ulan schreibt in Beitrag # 18
". . . ist ein genau so durchsichtiges Ablenkungsmanoever, wie der Versuch, sie Aramaeern anzulasten."

Rabbi Simon ben Jochai hat das nicht "den Aramäern" angelastet !
Keineswegs als Volk, die sind ihm wurscht.
Er lehnte jedoch energisch die aramäische Lesart der inkriminierten Thorastelle ab.

Wobei Du immer noch nichts dazu zu sagen hast, dass die "aramaeische Lesart" nach Deiner eigenen Aussage in Beitrag #1 auch eine zulaessige "althebraeische Lesart" ist. Falls das also das einzige Argument Rabbi Simon Ben Jochais ist, dann argumentiert er schlecht. Oder Dein Beitrag #1 erzaehlt Unsinn.

Aber prinzipiell fehlt Dir hier, wie so oft, das Gespuer, durch sich veraendernde theologische Ansichten motivierte Scheinargumentation zu erkennen. Der Rabbi lebte in christlicher Zeit, hatte also Abgrenzungsbedarf, und Engel spielten gerade in der christlich-gnostischen Literatur eine grosse Rolle.
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#24
Zum Nachlesen:
Die von mir erwähnte Warnung des Rabbi Simon ben Jochai wird in der Kabbala von 1844 erwähnt.

Kabbala von 1844
Leipzig 1844.   Nachdruck von Reprint-Verlag-Leipzig (ohne Jahreszahl)
ISBN 3-8262-0600-2
Seite 291

Diese Warnung wurde schon vor langer Zeit ausgesprochen.
Rabbi Simon ben Jochai starb im 2. Jhdt nC. Ein prominenter Kenner der Bibelproblematik ‘Hebräisch-Aramäisch’. 
Er wirkte an der Urfassung des Sohar (das Hauptwerk der Kabbala) maßgeblich mit!  Manche vermuten sogar mit einigem Fug und Recht, er sei derjenige Schreiber gewesen, dem die Endredaktion dieses Werkes oblag, dies wäre nach heutiger Terminologie in etwa der ‘Herausgeber’.



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#25
Nichts davon geht auf meine Fragen ein. Als Verfasser der Sohar gilt heute Mosche de Leon aus dem 13. Jhdt. Der hat in einer Art aramaeischer Kunstsprache geschrieben und ist wohl keine Autoritaet zu Sprachfragen.

Edit: An der von Dir genannten Stelle (S. 291) steht: "Diese Stelle zeigt einerseits, wie sehr Simon ben Jochai der Auffassung von "Soehne Gottes" sich entgegensetzte; andererseits aber auch, dass die υἱοὶ Θεοῦ auch unter den palaestinensischen Juden bekannt waren."

Das war genau mein Punkt: "Soehne Gottes" war eine vollkommen legitime Interpretation, weil diese Bedeutung auch im Hebraeischen existiert (das steht an Deiner Textstelle explizit, im Satz vor dem von mir zitierten); bei Simon ben Jochai spielt also Wunschdenken eine Rolle.
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#26
(28-09-2016, 15:58)Ulan schrieb: Als Verfasser der Sohar gilt heute Mosche de Leon aus dem 13. Jhdt.


wissen  tut das überhaupt keiner (Mehr dazu hier)

(Bitte keine doppelten Posts!)
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#27
Jedenfalls hat die von Ulan vorgetragene Meinung Eingang in die Lexika gefunden:

Hier beispielsweise der Auszug aus einem Beitrag zur Kabbala aus dem Lexikon für Theologie und Kirche, Band 5, Sp. 1119ff., von  Klaus Samuel Davidowicz:

Zitat:1. Die provenzalische Kabbala

Die stark vom Neuplatonismus beeinflussten esoterischen u. theosophischen Lehren der Kabbala haben sich im 12. u. 13. Jh im Languedoc u. in der Provence ausgebildet (v.a. Isaak der Blinde 1160-1235), zeitgleich mit dem aschkenasischen Chassidismus in Deutschland.
[…]

2. Die spanische Kabbala

Die Lehren der 1. Kabbala aus der Provence fanden ihre Verbreitung in Spanien, wo sich Burgos, Gerona u. Toledo zu bedeutenden Zentren entfalteten. Drei große Ströme kristallisierten sich ab 1230 heraus: die Schule Jakob ha-Kohens (13. Jh.) u. seiner Schüler in Kastilien; Abraham Abulafia (1240-91) u. seine "prophetische Kabbala"; Mose de Leon (1240-1305) u. das Buch Sohar,...
[…]
Der Sohar stellt das umfangreichste u. bedeutendste Werk der spanischen Kabbala dar, dessen größter Teil v. Mose de Leon in den Jahren 1280- 1286 verfasst u. pseudepigraphisch Simon ben Jochai aus dem 2. Jh zugewiesen wurde.
[…]

3. Die lurianische Kabbala

Nach der Vertreibung der Juden aus Spanien 1492 wurde Safed in Palästina zu dem bedeutenden kabbalistischen Zentrum u.a. durch Joseph Karo (1488-1575), Mose Cordovero (1522- 1570) u. Isaak Luria (1534-72). Ausführliche Darstellungen der lurianischen Kabbala finden wir nur in Büchern der Schüler Lurias, wie Ez Chajim, "Baum des Lebens" v. Chajim Vital (1543-1620).
[...]
MfG B.
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#28
Interessante Frage.
JOHANNES REUCHLIN, der den Anstoß zur Reformation gab, schrieb de Arte Cabalisticà
Vgl. Die Kabbala von Franck 1844, deutsch, Seite 8

Es ist ja klar, daß niemand den Ursprung der Kabbala kennt, ist ein uraltes Thema und früher war das Judentum verfolgt.
Dennoch würde mich Deine Privatmeinung interessieren, Bion:

"Sind nach Deiner Ansicht die provenzialische Kabbala, die spanische Kabbala, die lurianische Kabbala Triebe aus derselben Knolle ?"
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#29
(01-10-2016, 08:59)Sinai schrieb: Es ist ja klar, daß niemand den Ursprung der Kabbala kennt,...

So ist das nicht! Wann und auf welche Weise die kabbalistischen Texte entstanden sind, ist weitgehend bekannt.

Dass die Kabbala nicht aus dem Nichts entstanden ist, liegt auf der Hand. Die erste voll entwickelte Erscheinungsform jüdischer Mystik begegnet uns mit der frühmittelalterlichen Merkava-Mystik (Thronwagenmystik). Nicht zu leugnen ist, dass die Merkava-Mystik starke Auswirkungen auf das religiöse Denken der Juden hatte. Natürlich muss die Merkava-Mystik auch mit dem Entstehen der Kabbala im 12. Jh in Verbindung gebracht werden.

Die jüdische Mystik hat ihre Geschichte. Diese kann man, wenn man so will, mit Ezechiels Schau des göttlichen Thronwagens beginnen lassen. Die Kabbala selbst aber ist ein Produkt des Hochmittelalters.

Eine umfassende Arbeit dazu gibt es von Peter Schäfer:

Peter Schäfer: Die Ursprünge der jüdischen Mystik. 2011 Berlin, Verl. der Weltreligionen im Inselverlag.
MfG B.
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#30
Die Kabbala von 1844 besagt ausdrücklich, daß man die geheimen (nicht niedergeschriebenen) Bestandteile der Kabbala nur
einem einzigen Menschen im Leben weitergeben darf. (S. 64)
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