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Wissen wir jetzt eigentlich schon, wie das passieren konnte?
#31
(22-02-2021, 18:13)eddyman schrieb: Und sind wir ehrlich, wenn es bei uns heute heißt, Gewalt gegen Rettungskräfte, oder gegen Bürgermeister (einer wurde ja auch umgebracht), dann ist doch schon wieder eine rote Linie überschritten, dann steht man schon wieder da und denkt sich: in Deutschland?!

Der Ansatz im Erziehungswesen ist wahrscheinlich der falsche. Mit Schreckensbildern schreckt man heute niemanden mehr; die Medien sind doch eh voll davon. Dagegen sind auch Jugendliche meist schon desensitiviert. Es waere besser, die dahinter liegenden Mechanismen zu lehren. Ich hatte die Versuche, in denen eine Haelfte einer Klasse problemlos dazu gebracht wurde, die andere Haelfte zu foltern, ja schon angesprochen. Nachher befragt, fuehlten sich die Taeter zwar irgendwie unwohl; gemacht haben sie's trotzdem.
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#32
Klar doch, das ist das, was ich unter "ideologischer Falle" meinte: Die "Täter" glauben sich auf der Seite der "Authorität" mithin auf der Seite (irgendeiner) "guten Sache".

Das passiert selbst mir, obwohl ich diesen Mechanismus hasse. Beispiel sind Aufrufe, sich mit gewissen Gruppen solidarisch zu erklären (Unterschriften- und Spendenaktionen). Es ist unglaublich schwierig heraus zu finden, wer da unterstützt wird, von wem und warum (zu wessen Nutzen).
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#33
(23-02-2021, 08:49)Ulan schrieb: Der Ansatz im Erziehungswesen ist wahrscheinlich der falsche. Mit Schreckensbildern schreckt man heute niemanden mehr; die Medien sind doch eh voll davon. Dagegen sind auch Jugendliche meist schon desensitiviert. Es waere besser, die dahinter liegenden Mechanismen zu lehren. Ich hatte die Versuche, in denen eine Haelfte einer Klasse problemlos dazu gebracht wurde, die andere Haelfte zu foltern, ja schon angesprochen. Nachher befragt, fuehlten sich die Taeter zwar irgendwie unwohl; gemacht haben sie's trotzdem.

In diesem Zshg. fände ich es auch wichtig herauszustellen, was das Böse ist, und wie es ist. Und erstmal natürlich, dass es das schon gibt...
Das Böse ist per Definition der Wille, das Leben physisch oder psychisch zu zerstören. Es erscheint daher seltsam, dass wenn man auf einen Genozid zurückblickt, das nicht klar herausgestellt und eingehender beleuchtet wird. V.a. auch deswegen, weil das Böse Hand in Hand mit der fortwährenden, bereits zur Normalität gewordenen Lüge geht. Und weil es sich dabei versteckt, und sich ungemein an gesellschaftliche Normen angepasst geben kann (Eichmann wäre hier das Paradebeispiel).
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#34
(21-02-2021, 17:27)eddyman schrieb: Sehr eng damit verbunden sehe ich das Verlangen nach Sicherheit, Recht und Ordnung, Moralität, und ein damit leicht verletzbares Gerechtigkeitsgefühl. Aber im Grunde meine ich die Unfähigkeit zur Unterscheidung zw. prinzipiell und integer, was ich noch genauer ausformulieren will.

Dazu noch, weil es mir wirklich als typisch deutsch erscheint. Mir scheint, dass wir ein ganz grundsätzliches Problem damit haben, zwischen (nennen wir es mal) prinzipiell und integer zu unterscheiden. Dabei steht "prinzipiell" für etwas Fixes, starre (moralische) Grundsätze, der leicht verletzliche Gerechtigkeitssinn, und natürlich die hohen Erwartungen, die daraus resultieren. "Integer" dagegen meint etwas, das im Sinne des Lebens funktioniert, es ist also flexibler als "prinzipiell", aber dennoch an etwas gebunden.

Ich denke, jemand, dem dieser Unterschied recht gut bewusst war, war wiederum Helmut Schmidt. Daran sieht man, dass es auch gelassener macht. Auf eine Frage von Maischberger antwortet er, er sei skeptisch. In der Nachfrage will sie seine Sichtweise festmachen, doch die Antwort ist erneut, er wäre skeptisch. Es ist nunmal nicht immer so oder so, verabsolutieren kann man Dinge nur im Kleinen. Geht es zB um Politik eines Staates oder gar Staatenverbundes, dann geht das so nicht, eine kategorische Sichtweise ist nicht realistisch. - Ja, es ist wahr, dass bei uns die Reichen immer reicher werden, und das verletzt den Gerechtigkeitssinn. Aber es ist gleichzeitig so, dass die Masse historisch gesehen noch nie einen solchen Lebensstandard gehabt hat. Beides ist wahr. Natürlich sollte man etwas gegen soziale Ungleichheit unternehmen, aber nicht basierend auf einer kategorischen und damit schiefen Grundanschauung, die, wie mir scheint, in Deutschland überwiegt.

Das sehe ich definitiv als weiteren Baustein in dieser furchtbar unbefriedigend beantworteten Frage. Es hat mich beeindruckt in dem Film "Sophie Scholl", wie sie inhaftiert wurde, ihr wurde der Schmuck abgenommen, aber aufgrund ungenügender Beweislage kam sie wieder frei (mitsamt ihres Eigentums!). In Südamerika wäre sie vergewaltigt, die Zunge rausgeschnitten und auf einer Mülldeponie abgeladen worden. Aber in D. ist es prinzipiell, sogar unter einem mörderischen Staat. Ausgeliefert hat sie dann der Hausmeister der LMU... all das sind Anzeichen einer prinzipiellen Gesinnung, keiner integeren. Die Nazi-Herrschaft war nichts Integeres, sie stimmte nicht mit dem Leben überein, sonst gäbe es sie ja heute noch.

Diese Unterscheidung also, scheint mir, trifft einen Nerv. Und es ist doch durchaus möglich, dass ein Großteil des Erstaunens über die Gräueltaten eines angeblich so zivilisierten Volkes aus der Verwechslung dieser beiden Aspekte herrührt, dass man also "prinzipiell" stets als "integer" interpretiert hat. Das war aber nicht so.

Noch eine nette Grafik (v.a. die "Verkehrungen" der obere Hälfte): *https://www.identity-foundation.de/images/stories/downloads/Grafik_IF_Koordinaten.tif


Bitte Links, die nicht in unserer Liste erlaubter Links stehen, mit ein Sonderzeichen (z. B. *) unanklickbar machen.
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#35
(23-02-2021, 23:42)eddyman schrieb: In diesem Zshg. fände ich es auch wichtig herauszustellen, was das Böse ist, und wie es ist. Und erstmal natürlich, dass es das schon gibt...
Das Böse ist per Definition der Wille, das Leben physisch oder psychisch zu zerstören. Es erscheint daher seltsam, dass wenn man auf einen Genozid zurückblickt, das nicht klar herausgestellt und eingehender beleuchtet wird. V.a. auch deswegen, weil das Böse Hand in Hand mit der fortwährenden, bereits zur Normalität gewordenen Lüge geht. Und weil es sich dabei versteckt, und sich ungemein an gesellschaftliche Normen angepasst geben kann (Eichmann wäre hier das Paradebeispiel).

Siehst Du, ich halte das fuer ueberhaupt nicht hilfreich. Wer mit "dem Boesen" argumentiert, argumentiert von der eigenen Verantwortung weg. Ich habe das Konzept von Teufel und Daemonen schon immer als Versuch gesehen, die Handlung auf jemand Anderen abzuschieben und sich selbst als Opfer von imaginaeren Akteuren zu stilisieren. Dazu kommt, was Ekkard sagte: niemand sieht sich selbst als boese. Jeder meint, gute Gruende fuer das eigene Handeln zu haben. Auch die Vernichtung von Menschen wurde immer mit dem Argument verkauft, dass dies eine Notwendigkeit sei, damit es den "Guten" - also definitionsgemaess der eigenen Gruppe - wieder besser geht, ein Akt der Reinigung, ein notwendiges Opfer, um die Gemeinschaft auf ein hoeheres Niveau zu heben. Dass diese Gedanken auch immer noch lebendig sind, sieht man ja am erneuten Erstarken des Rechstradikalismus.

Im Prinzip kann man fuer solch eine Argumentation sogar die Bibel herauskramen. Zumindest im AT sind solcherlei Gedankengaenge zu finden.
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#36
(24-02-2021, 00:42)Ulan schrieb: Ich habe das Konzept von Teufel und Daemonen...

Teufel und Dämonen hat doch keinen Zshg. mit dem 3.Reich.

(24-02-2021, 00:42)Ulan schrieb: Siehst Du, ich halte das fuer ueberhaupt nicht hilfreich. Wer mit "dem Boesen" argumentiert, argumentiert von der eigenen Verantwortung weg.

Das finde ich gar nicht, es wäre im Gegenteil die Verantwortung, das Böse zu erkennen (v.a. wenn man doch so furchtbar "verführt" wurde). Zuerst einmal muss man zugestehen, dass es so etwas gibt, auch jetzt, das gibt es immer. Gerade wenn es nicht benannt wird, erhält das Böse seine Macht. Die Mehrheit der Menschen wird sich im Mittelfeld zwischen Gut und Böse bewegen, aber einige wenige böse Menschen sind immer da (Du hast ja auch von "ein paar Psychopathen" gesprochen). I.d.R. wirkt das Böse eher versteckt, nur manchmal gewinnt es gesellschaftliche Macht. Extrem krass ist es, wenn es auch dann nicht gesehen wird, und die Menschen ihm bis zum "Endsieg" folgen (d.h. einer von beiden wird in jedem Fall vernichtet).

Es geht bei diesem Punkt schlichtweg um Wissen. Banale Fakten wie Hitlers Machtergreifung, und warum wir ein Grundgesetz haben, werden vehement vermittelt, aber sobald es ans Eingemachte geht, kneift man.

(24-02-2021, 00:42)Ulan schrieb: Dazu kommt, was Ekkard sagte: niemand sieht sich selbst als boese. Jeder meint, gute Gruende fuer das eigene Handeln zu haben. Auch die Vernichtung von Menschen wurde immer mit dem Argument verkauft, dass dies eine Notwendigkeit sei, damit es den "Guten" - also definitionsgemaess der eigenen Gruppe - wieder besser geht, ein Akt der Reinigung, ein notwendiges Opfer, um die Gemeinschaft auf ein hoeheres Niveau zu heben.

Wenn man aber, damit es einem "wieder besser geht", zum Mittel der Vernichtung eines anderen greift, muss ein hoher innerer Druck zugrundeliegen. Hass eigentlich.

Eine ganz entscheidende Frage ist dann, wie kann man ein Externalisieren des Hasses verhindern (was dann von bösen Kräften instrumentalisiert werden kann). Man kommt ja doch wieder aufs Psychologische...

(24-02-2021, 00:42)Ulan schrieb: ... sieht man ja am erneuten Erstarken des Rechstradikalismus.

Wenn Du von "Erstarken" sprichst, denke ich an Stärke. Und das ist definitiv in Bezug auf D. vorhanden, wie ich schon sagte, etwas Aufstrebendes, die Verkehrung "Weltmeisterphantasien" in der Grafik.
Ein ind. Mystiker sagte über D. im 3.Reich: Es hat seine Seele gesucht, aber nur ihre Stärke gefunden.
(Dieses Thema beschäftigt mich, weil ich all diese Tendenzen auch in mir selber wahrnehme, teilweise sehr deutlich.)
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#37
(24-02-2021, 14:30)eddyman schrieb: Das finde ich gar nicht, es wäre im Gegenteil die Verantwortung, das Böse zu erkennen (v.a. wenn man doch so furchtbar "verführt" wurde). Zuerst einmal muss man zugestehen, dass es so etwas gibt, auch jetzt, das gibt es immer. Gerade wenn es nicht benannt wird, erhält das Böse seine Macht. Die Mehrheit der Menschen wird sich im Mittelfeld zwischen Gut und Böse bewegen, aber einige wenige böse Menschen sind immer da (Du hast ja auch von "ein paar Psychopathen" gesprochen). I.d.R. wirkt das Böse eher versteckt, nur manchmal gewinnt es gesellschaftliche Macht. Extrem krass ist es, wenn es auch dann nicht gesehen wird, und die Menschen ihm bis zum "Endsieg" folgen (d.h. einer von beiden wird in jedem Fall vernichtet).

Es geht bei diesem Punkt schlichtweg um Wissen. Banale Fakten wie Hitlers Machtergreifung, und warum wir ein Grundgesetz haben, werden vehement vermittelt, aber sobald es ans Eingemachte geht, kneift man.

Weil das Problem nicht so simpel ist. Soziopathen werden irgendwie gebraucht; die meisten Leitungsfiguren haben soziopathische Aspekte. Das kennen wir aus der Spieltheorie: eine Gemeinschaft funktioniert dann am besten, wenn die meisten sich an die Regeln halten und einige wenige halt eben nicht. Erstere stehen fuer Kontinuitaet, letztere fuer Veraenderung. Veraenderung kann beides sein, Fortschritt oder Untergang. Allerdings kann auch Kontinuitaet fuer Untergang stehen, wenn sich die Umgebung veraendert, aber das Handeln nicht. Beide Extreme fuehren letztlich zum Versagen des Systems. Die Mischung macht's. Leider kann man nicht hundertprozentig sagen, wo die richtige Mischung liegt (fuer die Modellsysteme der Spieltheorie natuerlich schon, aber das Leben ist halt etwas komplexer, und man hat die Aussenbedingungen zum Gutteil nicht unter Kontrolle).

(24-02-2021, 14:30)eddyman schrieb: Wenn man aber, damit es einem "wieder besser geht", zum Mittel der Vernichtung eines anderen greift, muss ein hoher innerer Druck zugrundeliegen. Hass eigentlich.

Es ist, rein emotionslos betrachtet, eine Loesung, die ein Problem ein fuer alle mal loest; daher ja auch der Ausdruck "Endloesung". Es ist letztlich effektiv und effizient. Darin liegt aber auch das Problem. Mit einem einfachen "das ist verrueckt" oder "das ist Ausdruck eines nicht positiv besetzten Gefuehls" kommt man dem nicht bei, da es sich ja auch um eine historisch bewaehrte Handlungsweise handelt (wir vergessen oft, wie jung dieses Zoegern, andere Leute umzubringen, die nicht zum engsten eigenen Umfeld gehoeren, eigentlich ist). Der eigentliche Ansatzpunkt hier ist ja auch eher das Argument, dass das "Problem", das damals geloest werden sollte, gar nicht erst existierte, d.h., die scheinbare Logik an der Praemisse schon scheitert. Das ethisch-moralische Element ist dann ein zweiter Aspekt, aber Ethik und Moral sind letztlich an Ideologien gebunden. Dort, wo es einen grundsaetzlichen Kampf zweier Ideologien gibt, greift die Ethik der einen nicht bei den Anhaengern der anderen. Da hilft auch kein Absolutheitsanspruch, da ja auch beide Ideologien diesen besitzen. "Gut" und "Boese" definieren sie komplett anders.

(24-02-2021, 14:30)eddyman schrieb: Eine ganz entscheidende Frage ist dann, wie kann man ein Externalisieren des Hasses verhindern (was dann von bösen Kräften instrumentalisiert werden kann). Man kommt ja doch wieder aufs Psychologische...

Ja sicher. Meist handelt es sich um ein Gemenge aus handfesten Problemen und weniger handfesten, die solche Gesinnungen fuettern. Der langsame wirtschaftliche Niedergang Europas im Vergleich zu den Hauptmitbewerbern ist ein Problem, der mit der Globalisierung verbundene Verlust von Arbeitsplaetzen im produzierenden Gewerbe, die Zunahme von prekaeren Job-Verhaeltnissen, das Gefuehl, dass unser Rechtsstaat sich nur noch darum kuemmert, dass einige Wenige sich auf Kosten der "kleinen Leute" ganz legal bereichern koennen, aber auch Identitaetsfragen, wo "Heimat" verloren geht, da der naechste Job auch zwei Laender weiter sein kann - oder halt auch die Erkenntnis, dass man selbst dieses Spiel gar nicht mitspielen kann. Da kommen viele Dinge zusammen, einige reell, andere eher gefuehlsmaessig. Da wird dann wieder das alte Spiel vom Goldenen Zeitalter gespielt, in dem alles besser war; und einiges mag ja tatsaechlich besser gewesen sein (igendetwas findet man fuer fast jede Situation). Die Vergangenheit wird dann zu einer Nostalgie-Suppe zusammengeruehrt, und laengst tot geglaubte Ideen aus der Mottenkiste werden wiederbelebt. Man muss gar nicht lange suchen: auch auf diesem Forum wurden in den letzten Tagen einige dieser Wiedergaenger bedient. Das Internet ist voll davon.

(24-02-2021, 14:30)eddyman schrieb: Wenn Du von "Erstarken" sprichst, denke ich an Stärke. Und das ist definitiv in Bezug auf D. vorhanden, wie ich schon sagte, etwas Aufstrebendes, die Verkehrung "Weltmeisterphantasien" in der Grafik.
Ein ind. Mystiker sagte über D. im 3.Reich: Es hat seine Seele gesucht, aber nur ihre Stärke gefunden.
(Dieses Thema beschäftigt mich, weil ich all diese Tendenzen auch in mir selber wahrnehme, teilweise sehr deutlich.)

Hmm, ja. Das "Dritte Reich" war ja eher untypisch fuer Deutschland mit seiner foederalen Struktur, wie sie ueber mehr als ein Jahrtausend in wechselnden Formen praegend war. Ein kurzer, aber sehr heftiger Flirt mit einer anderen Idee von "Nation".
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#38
(24-02-2021, 16:33)Ulan schrieb: Weil das Problem nicht so simpel ist. Soziopathen werden irgendwie gebraucht;

Eine solche Sichtweise ist extrem kompromissbeladen. Was kann man von Handlungen, die von einem Soziopathen ausgehen (also von jemandem, der keine gefühlsmäßige Verbindung zu seinem Umfeld hat), schon groß erwarten. Einen Fortschritt kann er höchstens zufällig bringen. So kommt man hier nicht weiter...

(24-02-2021, 16:33)Ulan schrieb:
(24-02-2021, 14:30)eddyman schrieb: Wenn man aber, damit es einem "wieder besser geht", zum Mittel der Vernichtung eines anderen greift, muss ein hoher innerer Druck zugrundeliegen. Hass eigentlich.
Es ist, rein emotionslos betrachtet, eine Loesung, die ein Problem ein fuer alle mal loest; daher ja auch der Ausdruck "Endloesung". Es ist letztlich effektiv und effizient. …
"Gut" und "Boese" definieren sie komplett anders.

Man kommt nicht weiter mit dieser Relativität, und wird so die im Raum stehende Frage nie beantworten können. Es klingt, als ob man gar nichts zugrundelegen könnte, aber das stimmt nicht. Helmut Schmidt, nur um ein Beispiel zu nehmen von jemandem, der mit religiösen Ansichten nichts am Hut hatte, hat es als "Menschlichkeit" bezeichnet.

Ekkard schrieb:Klar doch, das ist das, was ich unter "ideologischer Falle" meinte: Die "Täter" glauben sich auf der Seite der "Authorität" mithin auf der Seite (irgendeiner) "guten Sache".

Wenn aber diese "gute Sache" jedweder Menschlichkeit entgegensteht, was ist dann falsch gelaufen?
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#39
PS: Was haltet Ihr von dem Gedanken oben über die Unterscheidung zw. prinzipiell und integer?
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#40
Ich greife mal den Begriff "Menschlichkeit" heraus.
Manchmal habe ich den Eindruck, wir Menschen ignorieren gerne die Gefahr, die uns durch andere Menschen droht, welche auch von jedem selbst ausgeht. Unsere Wunschvorstellung ist geprägt vom "in-Frieden-gelassen" zu werden. Das Dumme ist aber die Konkurrenz um Ressourcen (v. a. Nahrung, Wasser, Wohnraum, Kleidung, Fortpflanzungspartner, Innovation).

Unter "Innovation" fasse ich mal alle Anstöße zusammen, die gesellschaftliche Entwicklungen begünstigen. Und da kann es sein, das "unbequeme Leute" ('Ulan': Soziopathen) erreichen, was saturierte Gesellschaften nicht schaffen.

Menschlich ist das alles (Ressourcenverbrauch, Kampf um Ressourcen, Wunschdenken und Aufbruch). Aber gemeint ist wohl etwas anderes. "Menschlichkeit", wie ich sie hier wahrnehme, ist wohl mehr Mitleid, Solidarität (Hilfsbereitschaft, Ressourcen-Teilen), Schutz. Gewöhnlich nennt man eine derartige Haltung anderen gegenüber "gut", vieles andere Verhalten "böse". Im Detail ist die Schachlage aber weitaus komplexer. Denn die Politik muss beispielsweise den Ressourcenverbrauch eines Volkes beachten. Man kann also nicht beliebig Güter, Dienstleistungen und Dienstleister (Gutes tun!) abgeben, ohne Hunger, Durst und Revolten zu riskieren.

Aber nämliche Politik kann auch künstlich einen Mangel vortäuschen oder fälschlich als bevor stehend erklären, Motto: "Volk ohne Raum".

(26-02-2021, 12:39)eddyman schrieb: "Gut" und "Boese" definieren sie komplett anders. ("sie" = radikal eingestellte Politik?)
...
Man kommt nicht weiter mit dieser Relativität, und wird so die im Raum stehende Frage nie beantworten können. Es klingt, als ob man gar nichts zugrundelegen könnte, aber das stimmt nicht. Helmut Schmidt, nur um ein Beispiel zu nehmen von jemandem, der mit religiösen Ansichten nichts am Hut hatte, hat es als "Menschlichkeit" bezeichnet.
Ich denke, dass man sehr wohl "weiterkommt". Die Sache ist bloß nicht so einfach, wie eine monokausale Betrachtung glauben macht. Die Fragen sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Was erzählt uns die Politik?
- Worin liegt die Rechtfertigung?
- Wem nutzt sie und wem schadet sie?
- Gibt es einen Wohlfühlfaktor und für wen?
- Gibt es eine "gute Sache"? Und
- heiligt diese das oder die eingestzten Mittel?

(26-02-2021, 12:39)eddyman schrieb: Wenn aber diese "gute Sache" jedweder Menschlichkeit entgegensteht, was ist dann falsch gelaufen?
Die (historischen) Gerichtsverfahren zeigen, dass es die Dimension des Widerwärtigen ist, die das Verbrechen ausmacht. Die kleine Lüge, der einfache Totschlag mögen unerwünscht sein. Dasselbe aber im großen Stil lässt sich durch nichts rechtfertigen. Da läuft wirklich etwas "schief"!

(26-02-2021, 12:43)eddyman schrieb: PS: Was haltet Ihr von dem Gedanken oben über die Unterscheidung zw. prinzipiell und integer?
Das ist schwer auseinander zu halten.
Prinzipien sind nützliche Hilfen. Aber es gibt mehr Situationen als es Regeln gibt. Und es ist richtig, dass sich Prinzipien gegen andere richten können. Deswegen bedürfen Prinzipien eines Korrektivs.

Integrität stellt eine Haltung dar, die auch den Anderen (und dessen Rechte) beachtet. Aber eine Haltung ist für sich allein nicht ausreichend oder bei Entscheidungen u. U. zu langsam. D. h. eine im Prinzip notwendige Handlung kommt zu spät.

Zusammen fassend wollte ich darlegen, dass "gut" und "böse" keine Kategorien sind, nach denen man immer entscheiden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#41
(26-02-2021, 12:39)eddyman schrieb:
(24-02-2021, 16:33)Ulan schrieb: Weil das Problem nicht so simpel ist. Soziopathen werden irgendwie gebraucht;

Eine solche Sichtweise ist extrem kompromissbeladen. Was kann man von Handlungen, die von einem Soziopathen ausgehen (also von jemandem, der keine gefühlsmäßige Verbindung zu seinem Umfeld hat), schon groß erwarten. Einen Fortschritt kann er höchstens zufällig bringen. So kommt man hier nicht weiter...

Es ist genau andersherum. Du legst die Zuegel an der falschen Stelle an. Ich glaube, Du kommst hier nicht weiter, weil Du schon beim Denken die Bremse einsetzt und deshalb die zugrundeliegenden Mechanismen uebersiehst, obwohl solche Bremsen erst beim Handeln gefragt sind. "Kompromisse" haben mit meiner Aussage rein gar nichts zu tun. Ich hatte die Spieltheorie genannt (wem der Begriff nicht gelaeufig ist: hierbei geht es um ernsthafte Untersuchungen zur Funktionsweise von Gemeinschaften, vor allem die Rolle, die die Entscheidungen Einzelner dabei spielen), und hier ist ein Ergebnis der Experimente, dass im Wettstreit der Gemeinschaften die die Nase vorn haben, wo solche Individuen, die Grenzen ueberschreiten, agieren. Gemeinschaften, wo jeder sich an die Regeln haelt, sind auf der Verliererseite (solche, wo zu viele die Regeln brechen, natuerlich sowieso). Das ist erst einmal ein Faktum, das man zur Kenntnis nehmen muss und beim Verstaendnis des Problems hilft.

Auf den Staat gesehen, institutionalisieren wir ja solche Grenzueberschreitungen zum Teil. Unsere "Fuehrer", auch die gewaehlten, sind ja mit besonderen Privilegien ausgestattet, die ihnen Handlungen erlauben, die uns "Normalsterblichen" nicht gestattet sind. Banale Beispiele sind das Gewaltmonopol der Polizei, das Recht der Armee, Menschen zu toeten, das Recht irgendeiner Regierungsebene, Dir Dein Grundstueck auch gegen Deinen Willen wegzunehmen, wenn es fuer ein Gemeinschaftsprojekt gebraucht wird. D.h., das Brechen unserer akzeptierten Umgangsformen miteinander ist manchmal notwendig. Aehnliche Ergebnisse gibt es bei Untersuchungen zu erfolgreichen Fuehrern von Unternehmen: das sind fast alles Soziopathen, die sprichwoertlich "uber Leichen gehen".

Ich habe jetzt leider den Autor vergessen, aber ich hatte mal die Kurzform zu einer soziologischen Studie gelesen, nach der das radikale Aufraeumen der Nazi-Diktatur mit zum Teil seit Jahrhunderten bestehenden regionalen gesellschaftlichen Machtstrukturen zu einer Modernisierung der Gesellschaft fuehrte, die nach dem Krieg mitverantwortlich war fuer den darauf folgenden Boom. Trotz teilweiser Restitutionen wurden die alten Strukturen nie wieder in ihrer vorher existierenden Form wiederhergestellt - dafuer war der ihnen angetane Schaden zu gross - so dass tatsaechlich die Nachkriegsgesellschaft von diesen Folgen des Naziregimes profitierte. Dass diese Modernisierung urspruenglich zugunsten und zur Bereicherung der Nazi-Partei und ihrer Fuehrungspersonen auf allen Ebenen durchgefuehrt worden waren, aendert daran nichts. Solche Erkenntnisse sind wichtig um Mechanismen zu erkennen. Wohlgemerkt, das ist kein Fall von "sollte man oefter machen" - das sind dann letztich ethisch-moralische und politische Entscheidungen - aber es hilft dabei, zu erkennen, warum Dinge geschehen, dass sie nicht so unbegreiflich sind, sondern dass diese Handlungsweisen mit handfesten Vorteilen verbunden waren; was letztlich die Threadfrage beantwortet.
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#42
(24-02-2021, 16:33)Ulan schrieb: Das "Dritte Reich" war ja eher untypisch fuer Deutschland mit seiner foederalen Struktur, wie sie ueber mehr als ein Jahrtausend in wechselnden Formen praegend war. Ein kurzer, aber sehr heftiger Flirt mit einer anderen Idee von "Nation".


Da hast Du völlig recht. Der Bayer war immer der Erzfeind* der Österreicher (zur Zeit von Maria Theresia ganz besonders und dann wieder zur Zeit von Andreas Hofer) - und der Norddeutsche haßte schon immer die Sprache des Süddeutschen. Der Süddeutsche sagt "Topfen" und "Schlagobers" und ärgert sich, wenn der Piefke "Quark" und "Sahne" sagt!
Besonders im Sommerurlaub am Mittelmeer fällt das auf, wenn sich am Frühstückstisch eine freche Preußenfamilie mit echt "Berliner Goschn" neben einer wiener "Mundlfamilie" breit macht. Da ist 1866 nicht weit!
Es sind zwar nur 50 Reizwörter (ein dünnes Vokabelheft, das man in zwei Tagen lernen kann), aber da gehen die Wogen hoch.
Wenn ein Deutschschweizer am Tisch sitzt, und erzählt, daß er einen neuen "Pneu" fürs Auto braucht, nehmen aber alle liebevoll zur Kenntnis, daß er einen "Autoreifen" meint. Icon_smile
Die "Schweizer Nation" ist offenbar schon anerkannt, ist ja schon 500 Jahre draußen.
Aber zwischen Norddeutschen und Süddeutschen gibt es einen verbissenen Kampf, wer tonangebend sein darf!

*) Der arme Franz Joseph wurde geopfert, indem seine Familie entschied, er müsse eine Wittelsbacherin heiraten um die Kriegsgefahr zu beenden.
Er zahlte es seiner Familie heim, indem er zwar gezwungenermaßen eine Prinzessin aus dem Hause Wittelsbach heiratete, aber nicht die Gebildete - sondern eine unreife blöde Gans !
Diese schaute - zunächst - bewundernd zu ihm auf; aber nach kurzer Zeit stellte sie ihm einen Baum auf, und brachte großes Unglück für das Volk. Ihre frechen Blödheiten die sie als Medium des verfluchten Galgenstricks** Gyula Andrássy machte, führten schnurstracks zum Krieg mit dem Zarenreich ! Der Weltkrieg begann.

**) Er wurde 1848 zum Tod durch den Strang verurteilt, aber leider vom Kaiser begnadigt
Seine weitere Lebensgeschichte kann man im Wikipedia mühelos "bewundern"


Deutschland besteht aus einem Dutzend Regionen, wo jede ihr eigenes Süppchen kocht. Nordrhein-Westfalen hat sogar ein anderes Waffenrecht (!) als Baden
Sehr skurill. In einer Region ist ein Luftdruckgewehr im Garten erlaubt, in der anderen Region nicht. Freuen sich die Anwälte - gibts immer Knete für Beratungen . . .

Aber ist Frankreich wirklich eine monolithische Nation ??
Zwar kam der größenwahnsinnige Diktator Napoleon mit dem überaus nazionalistischen Slogan der "Grande Nation" daher (französische Soldatenstiefel der "Grande Armee" traten ganz Europa nieder, um angeblich zu "befreien" Icon_twisted), aber der Ziegenbauer der Côte d'Azur hat eine andere Kultur als der käseerzeugende Rinderbauer der Normandie !

Und der despotisch gesinnte Garibaldi sorgte mit seinen Hetzreden dafür, daß sich die Bewohner von Mailand und die Leute in Sizilien als Angehörige derselben Nazion fühlen (müssen)
Anfänglich durch Bajonette erzwungen, nach einer Generation des Zwanges bereits internalisiert

Und der "Russe" aus Tschetschenien hat ganz andere Familiensitten als der den gleichen Reisepaß habende Kiewer.

Bei diesen Staaten wurde halt gleich brutal gleichgeschaltet. Napoleon merzte alle Besonderheiten aus und schuf per durch Bajonette geschütztes und erzwungenes Dekret eine einheitliche Schulsprache mit identer Aussprache. Im gesanglich berühmten Marseille sprechen seither die Kinder die selbe Sprache wie im vornehmen Strasbouurg

Und der despotisch gesinnte Garibaldi sorgte mit seinen Hetzreden dafür, daß sich die Bewohner von Mailand und die Leute in Sizilien als Angehörige derselben Nazion fühlen (müssen)
Anfänglich durch Bajonette erzwungen, nach einer Generation des Zwanges bereits internalisiert

In Deutschland spielt derzeit der Duden eine derartige unrühmliche Rolle - er will den Kindern aufzwingen (brutal durchgesetzt mit empfindlichen Sanktionen wie Studienverbot durch "numerus clausus" bei den anständigen Studienrichtungen per schlechter Deutschnote im Abitur) - wie man neuerdings zu schreiben habe. Schifffahrt mit drei "f"
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#43
Was lernen wir den daraus? Der Nationalismus ist doch Gruppenegoismus pur. Das ist doch das, was 'Ulan' meinte. Das "Dritte Reich" war ein untypisches Lügengespinst. Es basierte im Wesentlichen auf einer dummdreisten Gleichschaltung der gebauchpinselten "Urdeutschen", die es gar nicht wirklich gab - vereint durch das einlullende "Zu-den-Guten-Gehörens".

Das klappt inzwischen schon wieder ganz ausgezeichnet.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#44
(27-02-2021, 12:43)Ekkard schrieb: Das klappt inzwischen schon wieder ganz ausgezeichnet.

Ja, ganz besonders bei den üblichen Verdächtigen
Amerikaner mit ihrem langen Stacheldrahtzaun, die Grande Nazion mit Le Pen, Grooßbritannien mit seinem berühmten Brexit, Rußland mit seinem Putin

Icon_cheesygrin
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#45
(26-02-2021, 22:38)Ekkard schrieb:
(26-02-2021, 12:39)eddyman schrieb: "Gut" und "Boese" definieren sie komplett anders. ("sie" = radikal eingestellte Politik?)
...
Man kommt nicht weiter mit dieser Relativität, und wird so die im Raum stehende Frage nie beantworten können. Es klingt, als ob man gar nichts zugrundelegen könnte, aber das stimmt nicht. Helmut Schmidt, nur um ein Beispiel zu nehmen von jemandem, der mit religiösen Ansichten nichts am Hut hatte, hat es als "Menschlichkeit" bezeichnet.
Ich denke, dass man sehr wohl "weiterkommt". Die Sache ist bloß nicht so einfach, wie eine monokausale Betrachtung glauben macht. Die Fragen sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

- Was erzählt uns die Politik?
Ist alles Lüge!

- Worin liegt die Rechtfertigung?
Merkel will die Weltherrschaft

- Wem nutzt sie und wem schadet sie?
Bill Gates und den Rothschilds

Du weißt was ich meine, das sind alles Fragen nach außen, aber wenn der innere Filter völlig "verdreckt" ist, dann wirds wieder nichts, egal welche guten Fragen man gelernt hat zu stellen. 
Man kann sagen, das 3.Reich war ein psychologisches Problem, das aus den sozioökonomischen Faktoren abgeleitet werden kann. Von mir aus. Aber Schlüsse für die Zukunft müssen doch die Quelle, das Innere tangieren, das psychologische Problem; Fragen nach sozioökonomischen Faktoren sind höchstens für Historiker interessant.
Mit anderen Worten: Man muss dahin kommen, dass die Psyche nicht mehr in solchem Ausmaß von äußerlichen Faktoren beeinflusst werden kann (?)
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