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Existenz
#16
(06-11-2025, 18:48)Ekkard schrieb: Völlig richtig! Aber die Tatsache, dass Forschung nie "fertige Gewissheiten" liefert, scheint Usern wie Reklov nicht zu passen. Das "umgreift" unser Dasein im Sein nicht genug - jedenfalls nach seiner Meinung.

ganz recht!

fantasien und wunschvorstellungen tun das natürlich - vor allem, wenn im gleichen atemzug relativiert wird, es könne eh niemand etwas (genaues) wissen und sagen (außer einem selbst, natürlich - das schwingt implizit mit)
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#17
Offenbar sind wir empfänglich für Geschichten. Gern gelesene Märchen, Romane, Fabeln, SciFi, Mythen legen das nahe. Was also passiert, wenn eine ganze Gesellschaftsgruppe aus einer solchen Geschichte, allgemein: Narrativ einen verbindlichen Mythos macht, der in Zirkeln um die Heiligen Schriften zur Lehre stilisiert wird?
Schleichend wird die oftmals lästige, gefährliche, komplizierte, tödliche Realität ersetzt durch die "Wahrheit", die angeblich im Mythos vorhanden sei.
Ich behaupte: Mehr als eine Herleitung aus gedachten Grundsätzen ist das nicht. Wie ernst muss man solche Wahrheiten nehmen?
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#18
(07-11-2025, 16:06)Ekkard schrieb: Wie ernst muss man solche Wahrheiten nehmen?

Ich meine sehr ernst!

Vorab: Auch der Begriff "Wahrheit" zählt ja letzten Endes zu den kürzlich erwähnten Sprachverwirrungen, den "Substantivierungen". Denn genau genommen gibt es nur Aussagen (welcher Art auch immer), die entweder "wahr", "falsch" oder, sofern nicht überprüfbar, beliebig und gegestandslos sind. Im umgangssprachlichen, alltäglichen Bereich ist der Gebrauch des Wortes "Wahrheit" meiner Meinung nach dennoch völlig OK. Im philosophischen und speziell im "weltanschaulichen" Diskurs aber ist "Wahrheit" letztlich eine völlig sinnentleerte Begrifflichkeit, die dafür aber mit lauter aufgeblasenen, moralinsauren Emotionen angefüllt wird und mit der man dann wie mit einer irgendwie existierenden "Entität" herumjongliert.

Und weil das Wort "Wahrheit" überhaupt nichts Sinnvolles aussagt, man damit aber teils heftige Emotionen und emotional aufgeladene Urteile schüren kann, ist es gerade bei religiösen Ideologien mit Allein-Wahrheits-Vertretungs-Anspruch über alle Maßen beliebt. Hier werden mal eben sogar "Personen" zur "Wahrheit":

"Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben..." (Johannes 14,6)

Und da sind wir dann beim Ernstnehmen von beliebig konstruierten "Wahrheiten":

"All deine Gebote sind Wahrheit..." (Psalm 119,86)

Natürlich sind religiöse Gebote lediglich von Menschen erdachte Anweisungen, was getan werden soll (weil es "gut" ist) bzw. was unterlassen werden soll (weil es "böse" ist). Mit den logischen Partikeln "wahr" oder "falsch" hat das selbstverständlich überhaupt nichts zu tun. Indem man sie jedoch zu "Wahrheiten" erklärt, macht man sie zum mystifizierten, emotionsgeladenen Kampfmittel.

Dass dieser "Wahrheits"-Irrsinn eine monstöse Blutspur in der ohnehin traurigen Geschichte der Menschheit hinterlassen hat, ist allseits sicherlich genau so bekannt, wie der traurige Umstand, dass die auf der Überzeugung, im vermeintlichen Besitze der "alleinigen Wahrheit" zu sein, gründende Gewalt bis heute andauert. Man denke da nur an den abartigen, gruseligen Islamismus. Und ganz allgemein kann man ja in fast allen Diktaturen und Autokratien dieser Welt die eifrigsten Unterstützer derselben in den Inhabern der alleinigen, göttlichen "Wahrheit(en)" ausmachen.

Die Argumentation gegen den Unsinn von nach Belieben konstruierten "Wahrheiten" ist jedenfalls für mich definitiv mehr als ein bloßer, amüsanter Zeitvertreib im Rahmen philosophischen Dilettierens...
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#19
(07-11-2025, 18:02)bellevue schrieb: Im umgangssprachlichen, alltäglichen Bereich ist der Gebrauch des Wortes "Wahrheit" meiner Meinung nach dennoch völlig OK. Im philosophischen und speziell im "weltanschaulichen" Diskurs aber ist "Wahrheit" letztlich eine völlig sinnentleerte Begrifflichkeit, die dafür aber mit lauter aufgeblasenen, moralinsauren Emotionen angefüllt wird und mit der man dann wie mit einer irgendwie existierenden "Entität" herumjongliert

sehr richtig! und treffend formuliert

Zitat:Und weil das Wort "Wahrheit" überhaupt nichts Sinnvolles aussagt, man damit aber teils heftige Emotionen und emotional aufgeladene Urteile schüren kann, ist es gerade bei religiösen Ideologien mit Allein-Wahrheits-Vertretungs-Anspruch über alle Maßen beliebt

jaja, die berüchtigten "glaubenswahrheiten"...
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#20
... zumal wir im Forum schon viele Male über Wahrheit (unsere Suche, und: nur in Betreffen) diskutiert haben. @Bellevue hat die Chose auf den Punkt gebracht!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#21
(03-11-2025, 20:29)bellevue schrieb:
(03-11-2025, 20:03)Ekkard schrieb: Ich teile durchaus die Forderung, Eigenschaften durch Adjektive von Gegenständen und Wirkungen durch Verben zu beschreiben. Wenn mein Schreibstil in "Substantivismus" verfällt, namentliche mitten in der Nacht, dann bin ich der Letzte, der daraufhin "Männchen macht".

Die Kritik am "Substantivismus" bezog sich keineswegs auf deine Einlassung. Vielmehr war es mir wichtig, diese fast überall anzurteffenden argumentativen Verirrungen in die Aussagen Kants einzuordnen.



(03-11-2025, 20:03)Ekkard schrieb: Ich persönlich spreche bei Gegenständen wie "Gerade", "Zahl" oder "Gesetz" lieber von "hergeleiteten Größen" oder dergleichen. Z. B. existieren Zahlen nicht, sondern sie werden hergeleitet aus der Art, wie wir Mengen zählen oder Größen bestimmen (siehe "Beweise für die Existenz der Zahl Pi"). In der Wirklichkeit existiert das Verhältnis von Umfang und Durchmesser eines Kreises nicht im empirischen Sinne. Man kann das nachmessen und erhält immer einen ungenauen Wert plus/minus irgendwelcher Messunsicherheiten. Erst die Idealisierung von "Kreis" und "Durchmesser" führt auf die Kreiszahl mit unendlich vielen Nachkommastellen (eins von zahllosen Beispielen!).

Ich für meinen Teil finde Kants Argumentation und Kategorisierung im Grundsatz überaus trefflich und vor allem für unschlagbar hilfreich, menschliche Gedankentätigkeit einzuordnen und zu analysieren. Eine eine seiner zentralen Begrifflichkweiten, nämlich "a priori", also "vor jeglicher (sinnlichen) Ehrfahung" existierend, halte ich jedoch für ein rein theoretisches, unerweisliches Konstrukt und bestreite letztlich, dass es ohne jegliche (sinnliche) Erfahrung überhaupt zur Bildung auch nur irgendwelcher, auch der von ihm als "a priori" bezeichneten Begriffe und Urteile im menschlichen Kopfe kommen könnte.

... man muss nicht für alles und in jedem Fall eigene sinnliche Erfahrung sammeln. Man kann auch "a priori", aus Gründen der Vernunft oder durch logisches Schließen zu Urteilen oder Lösungen kommen. Das Gemüt des Erkennenden spielt da auch mit! - Ist z.B. etwas notwendig, kann es nicht falsch sein.

So würde es z.B. jede Person vermeiden, in einem Gewässer zu baden, welches den Ruf hat, dass dort Krokodile leben, - und das, ohne je ein Krokodil "live" gesehen zu haben. Oft wird also lediglich "abgeleitet", um vernünftige Dinge zu machen, oder Gefahren zu vermeiden - und das ganz ohne "Erfahrung"!
Ich denke, so könnte es Kant gemeint haben ...

Gruß von Reklov
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#22
(07-11-2025, 18:02)bellevue schrieb:
(07-11-2025, 16:06)Ekkard schrieb: Wie ernst muss man solche Wahrheiten nehmen?

Ich meine sehr ernst!

Vorab: Auch der Begriff "Wahrheit" zählt ja letzten Endes zu den kürzlich erwähnten Sprachverwirrungen, den "Substantivierungen". Denn genau genommen gibt es nur Aussagen (welcher Art auch immer), die entweder "wahr", "falsch" oder, sofern nicht überprüfbar, beliebig und gegestandslos sind. Im umgangssprachlichen, alltäglichen Bereich ist der Gebrauch des Wortes "Wahrheit" meiner Meinung nach dennoch völlig OK. Im philosophischen und speziell im "weltanschaulichen" Diskurs aber ist "Wahrheit" letztlich eine völlig sinnentleerte Begrifflichkeit, die dafür aber mit lauter aufgeblasenen, moralinsauren Emotionen angefüllt wird und mit der man dann wie mit einer irgendwie existierenden "Entität" herumjongliert.

Und weil das Wort "Wahrheit" überhaupt nichts Sinnvolles aussagt, man damit aber teils heftige Emotionen und emotional aufgeladene Urteile schüren kann, ist es gerade bei religiösen Ideologien mit Allein-Wahrheits-Vertretungs-Anspruch über alle Maßen beliebt. Hier werden mal eben sogar "Personen" zur "Wahrheit":

"Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben..." (Johannes 14,6)

Und da sind wir dann beim Ernstnehmen von beliebig konstruierten "Wahrheiten":

"All deine Gebote sind Wahrheit..." (Psalm 119,86)

Natürlich sind religiöse Gebote lediglich von Menschen erdachte Anweisungen, was getan werden soll (weil es "gut" ist) bzw. was unterlassen werden soll (weil es "böse" ist). Mit den logischen Partikeln "wahr" oder "falsch" hat das selbstverständlich überhaupt nichts zu tun. Indem man sie jedoch zu "Wahrheiten" erklärt, macht man sie zum mystifizierten, emotionsgeladenen Kampfmittel.

Dass dieser "Wahrheits"-Irrsinn eine monstöse Blutspur in der ohnehin traurigen Geschichte der Menschheit hinterlassen hat, ist allseits sicherlich genau so bekannt, wie der traurige Umstand, dass die auf der Überzeugung, im vermeintlichen Besitze der "alleinigen Wahrheit" zu sein, gründende Gewalt bis heute andauert. Man denke da nur an den abartigen, gruseligen Islamismus. Und ganz allgemein kann man ja in fast allen Diktaturen und Autokratien dieser Welt die eifrigsten Unterstützer derselben in den Inhabern der alleinigen, göttlichen "Wahrheit(en)" ausmachen.

Die Argumentation gegen den Unsinn von nach Belieben konstruierten "Wahrheiten" ist jedenfalls für mich definitiv mehr als ein bloßer, amüsanter Zeitvertreib im Rahmen philosophischen Dilettierens...

... wer das Wort "Wahrheit" nur über Bibel-Zitate erklären/verstehen möchte, der ist nur auf einem Bein humpelnd unterwegs!

"Wahr" ist z.B., dass alle user, welche hier mitmachen, zwar jetzt noch zu den wahrhaftig Lebenden gezählt werden können, in 100 Jahren aber sicher nicht mehr ...
So ist auch "Wirklichkeit" an sich keine dauerhafte "Wahrheit", da sie ständigen Veränderungen unterworfen ist - und zwar aus unterschiedlichsten Gründen.
Die so viel angeführte Frage nach Wahrheit ist weit gefächert und u.a. mit dem Erkennen von Dasein auf diesem kleinen Planeten noch lange nicht beantwortet.
Was dem Menschen als Aufgabe bleibt, ist das Erhellen des Sinns von Wahrheit. Dabei stößt er auf Grenzen und Ausnahmen.

So ist das Jesus-Zitat (Joh. 14,6) schon mal völlig anders einzuordnen, als z.B. die einfache wahre Aussage, dass 25+25 = 50 sind. Die geläufigen Meinungen über "Wahrheit" erweisen sich zumeist als Ausdruck des Bedürfnisses nicht nach Wahrheit, sondern nach einem Halt. - Man will viel lieber etwas Festes, um sich nicht am Weiterdenken zu überheben, scheut also unablässiges Weiterdenken. (Manche user halten ja bereits die Frage nach dem Sinn ihres Daseins als überflüssig!) 
Nicht selten wird "Wahrheit" auch, scheinbar klar, als Ausdruck von verschleierten Daseinsinteressen benützt. In der menschlichen Gesellschaft ist auf das Wahre wenig Verlass und so ist der Advokat leider nicht zu entbehren, um eine Wahrheit in unserer Welt durchzusetzen. Wahrheit und Unwahrheit sind seit jeher gleichermaßen in unzähligen Lebensbereichen zum Kampfmittel geworden.

Beispiele mangelnder Wahrheit in psychologischen oder soziologischen Tatbeständen können das Wahrsein als solches nicht gefährden, aber nur dann, wenn Wahrheit unantastbar ist, in sich selbst besteht und von einer gelingenden oder misslingenden Verwirklichung zu trennen ist.
Die Trennung von Wahrheit an sich und ihrer Verwirklichung ist in begrenzten Situationen für endliche, partikulare Wahrheiten sinnvoll, wenn sich Erkenntnis und techn. Anwendung der Erkenntnis scheiden. - Aber eine solche Scheidung kann wohl für besondere Verwirklichungen der Wahrheit in bestimmten Strukturen, nicht im Ganzen für Wahrheit schlechthin anerkannt werden! 

Das Wahre, auf das es ankommt, könnte seiner Natur nach sich der Eindeutigkeit und Einmütigkeit einer jeden Aussage entziehen! - Es war und ist so, dass ein Mangel an einer einzigen allumfassenden Wahrheit an sich besteht - als Grundtatbestand unseres Greifens nach "Wahrheit" in der Welt. - Das für absolut wahr Gehaltene wird gerne als falsch gestempelt, sowohl unter Menschen gegeneinander, wie im einzelnen Menschen gegen sich selbst, und zwar so, dass keine endgültige Lösung eintritt, wohl aber die Menschen jeweils selbst die Wahrheit zu besitzen meinen. - 
Irren ist bekanntlich menschlich und lebensbeherrschende Wahrheit erweist sich Anderen als falsch. - In unserer Welt hören wir die aufeinander treffenden Behauptungen aus wesensverschiedenen Ursprüngen. Dieses gleicht oft einem Lärm, der in seinen Explosionen zu Massenerscheinungen durch die Jahrhunderte geht.

Das sehr schwierige Thema ist damit nur angerissen, keinesfalls erschöpft - und verdient an sich einen extra thread ...

Gruß von Reklov
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#23
(21-11-2025, 19:50)Reklov schrieb: Ist z.B. etwas notwendig, kann es nicht falsch sein

wer entscheidet, wie kan man überhaupt wissen, ob etwas "notwendig" ist?

was sind deine kriterien dafür?
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#24
Es geht nicht um Wahrheit(en) sondern um Existenz. Und "Wahrheit" gehört nicht in die Kategorie von Begriffen um das Sein, weil es sich um alle möglichen Arten der Beurteilung durch uns, den Menschen handelt.
Wie wir in zahlreichen Diskussionsrunden haben feststellen müssen, ist Wahrheit kein Begriff, auf den man sich allgemein (intersubjektiv) verständigen kann.

Ich bitte darum, jeglichen Schwurbel um "Wahrheit/en" zu unterlassen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#25
(21-11-2025, 19:50)Reklov schrieb: Man kann auch "a priori", aus Gründen der Vernunft oder durch logisches Schließen zu Urteilen oder Lösungen kommen.
Ja, kann man, @Reklov. Ich schließe z.B. aus Gründen der Vernunft - richtigerweise aus Vernunftsgründen darauf - dass es dir in allen Belangen deiner eigenen Existenz, a priori allseits arg an Aufmerksamkeit fehlt. Der Dunning-Kruger-Effekt
beschreibt eine kognitive Verzerrung, bei der inkompetente Menschen ihre Fähigkeiten überschätzen, weil ihnen die Fähigkeit zur realistischen Selbsteinschätzung fehlt. (Die Lösung zu deinem Rätsel: "Was ist der Mensch".... usw. usf.. )

(21-11-2025, 19:50)Reklov schrieb: Das Gemüt des Erkennenden spielt da auch mit! - Ist z.B. etwas notwendig, kann es nicht falsch sein.
Damit darf ich mir dann wohl sicher sein, dass mein Gemüt mich hierzu nicht täuscht. Es ist nämlich überaus notwendig, dich wiedermal darauf aufmerksam zu machen, dass die anderen Mitforisten hier, allesamt selber bei Weitem die besseren Existenz-Philosophen sind, als du es  ihnen erlauben möchtest.
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
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