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(12-01-2022, 03:46)Ulan schrieb: Siehst Du hier uebrigens Parallelen zu Platons Politeia? Ich weiss nicht mehr, welcher Autor es war, aber auch die Gemeinschaft der Apostel, wie sie in der Apg geschildert wurde, wurde mit der Idealvorstellung des Staates bei Platon verglichen. Die Fuehrung ist von jeglichen Sorgen um ihr materielles Wohl befreit; dafuer sorgt das Fussvolk.
Formal besteht eine Parallele zwischen Politeia und Apg in dem einen Punkt, dass eine abgesonderte Gruppe Gütergemeinschaft praktiziert. Dieses eine gemeinsame Merkmal besagt aber wenig. Nach Grundeinstellung, Motivation, Ziel und Durchführung sind die Unterschiede weit gewichtiger als die Übereinstimmungen. In der Politeia argumentiert der platonische Sokrates nüchtern für sein Modell, indem er vor allem hervorhebt, dass Freiheit von materiellen Sorgen die Leistung steigere, während sowohl Reichtum als auch Armut sich auf die Erfüllung der Aufgaben hemmend auswirken. In der Apostelgeschichte ist die Gütergemeinschaft ganz anders fundiert, sie ist Ausdruck der Glaubensgemeinschaft und ein diesbezüglicher Frevel Sünde gegen den Heiligen Geist, der ganze Kontext ist emotional stark aufgeladen. Bei Platon dient die Gütergemeinschaft dem Staatswohl, die Apostelgemeinde hatte mit dem Staat nichts im Sinn. In der Politeia ist die Gütergemeinschaft verpflichtend vorgeschrieben, in der urchristlichen Gemeinschaft freiwillig - man darf durchaus ein Grundstück oder den Verkaufserlös daraus behalten. Nach Apg 2,44 hatten die Gläubigen "alles gemeinsam", nach Apg 4,34 wurden zumindest alle Immobilien verkauft und der Erlös in die Gemeinschaftskasse eingebracht, nach Apg 5,4 war das jedoch nicht der Fall. Ich teile die in der Forschung verbreitete Ansicht, dass das hapanta koina von 2,44 eine übertreibende Redewendung ist, die der Autor aus hellenistischem Gedankengut übernahm, vielleicht sogar wörtlich. Weil es bloße Floskel war, sah er keinen Widerspruch zu seiner Darstellung in Apg 5,4. Was die Herkunft der Redewendung betrifft, ist weit eher an pythagoreische als an platonische Tradition zu denken. Im 1. Jahrhundert war ja der Neupythagoreismus im Aufschwung und das pythagoreische Freundschaftsideal, zu dem die Gütergemeinschaft gehört, wurde kultiviert.
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14-01-2022, 02:09
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14-01-2022, 02:11 von Ulan.)
(14-01-2022, 01:16)Apollonios schrieb: In der Apostelgeschichte ist die Gütergemeinschaft ganz anders fundiert, sie ist Ausdruck der Glaubensgemeinschaft und ein diesbezüglicher Frevel Sünde gegen den Heiligen Geist, der ganze Kontext ist emotional stark aufgeladen. Bei Platon dient die Gütergemeinschaft dem Staatswohl, die Apostelgemeinde hatte mit dem Staat nichts im Sinn. In der Politeia ist die Gütergemeinschaft verpflichtend vorgeschrieben, in der urchristlichen Gemeinschaft freiwillig - man darf durchaus ein Grundstück oder den Verkaufserlös daraus behalten.
Das sehe ich nicht so. "Freiwillig" war das ind er Gemeinschaft um Petrus bestenfalls formal. Leute, die sich nicht an das Ideal der Guetergemeinschaft hielten, wurden mit dem Tode bestraft.
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14-01-2022, 09:53 von Sinai.)
(14-01-2022, 02:09)Ulan schrieb: Leute, die sich nicht an das Ideal der Guetergemeinschaft hielten, wurden mit dem Tode bestraft.
Das waren dann ja wirklich gemeingefährliche Verbrecher einer terroristischen Vereinigung und gehörten den Löwinnen und Löwen zum Fraß vorgeworfen. Vielleicht noch ein bisserl rösten vorher?
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14-01-2022, 11:18 von Ulan.)
Du kannst versuchen, es ins Laecherliche zu ziehen, aber die Apg schildert das so. Das Urteil spricht Petrus, vollstrecken tut es dann, mit sofortiger Wirkung, "Gott".
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(14-01-2022, 02:09)Ulan schrieb: (14-01-2022, 01:16)Apollonios schrieb: In der Apostelgeschichte ist die Gütergemeinschaft ganz anders fundiert, sie ist Ausdruck der Glaubensgemeinschaft und ein diesbezüglicher Frevel Sünde gegen den Heiligen Geist, der ganze Kontext ist emotional stark aufgeladen. Bei Platon dient die Gütergemeinschaft dem Staatswohl, die Apostelgemeinde hatte mit dem Staat nichts im Sinn. In der Politeia ist die Gütergemeinschaft verpflichtend vorgeschrieben, in der urchristlichen Gemeinschaft freiwillig - man darf durchaus ein Grundstück oder den Verkaufserlös daraus behalten.
Das sehe ich nicht so. "Freiwillig" war das ind er Gemeinschaft um Petrus bestenfalls formal. Leute, die sich nicht an das Ideal der Guetergemeinschaft hielten, wurden mit dem Tode bestraft.
Ich habe Apostelgeschichte 5,4 so verstanden, dass Ananias das Grundstück oder den Verkaufserlös hätte behalten können, ohne deswegen seinen Status als Mitglied der Gemeinde aufgeben zu müssen. Dagegen hätte Petrus nach seinen Worten offenbar nichts einzuwenden gehabt. Also war die Gütergemeinschaft freiwillig. Das ist eine verbreitete Interpretation, die ich übernommen habe. Allerdings ist auch eine andere Deutung möglich: Ananias und Saphira gehörten der Gemeinde noch nicht an und verkauften das Grundstück, um die Eintrittsbedingung des Beitritts zur Gütergemeinschaft zu erfüllen. Dann ist 5,4 so zu verstehen, dass sie den Besitz nur dann hätten behalten können, wenn sie außerhalb der Gemeinde geblieben wären. Wenn es so gemeint ist, ist deine Auffassung die zutreffende.
Das Thema ist brisant, da die Christen ebenso wie Nichtchristen in der Regel von Gütergemeinschaft nichts wissen wollen. Daher kommt die Standarddeutung, wonach nur die Lüge und nicht das Behalten von Privatbesitz bestraft wurde, den Bedürfnissen der Gläubigen sehr entgegen.
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14-01-2022, 11:50 von Sinai.)
(14-01-2022, 11:36)Apollonios schrieb: Das Thema ist brisant, da die Christen ebenso wie Nichtchristen in der Regel von Gütergemeinschaft nichts wissen wollen.
Wenn schon, dann gehört Tisch und Bett geteilt
Aber da wollen die Schmarotzenden nichts davon wissen
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14-01-2022, 13:30 von Ulan.)
@Apollonius: Nun ja, die Situation ist ja schon eine, wo Ananias der Gemeinde Geld gibt, nur halt nicht alles. Wenn es nur um die Luege gegangen waere, macht die Situation wenig Sinn fuer mich. Insofern halte ich die Interpretation, dass es um den Eintritt in die Gemeinde geht, fuer die wahrscheinlichere. Fuer entscheidend halte ich diesen Satz:
"Und konntest du nicht auch, als er verkauft war, noch tun, was du wolltest?"
Anscheinend war nun eine Situation eingetreten, wo er nicht mehr tun konnte, was er wollte.
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Der Trottel hätte es so machen müssen, wie andere Juden auch, wenn sie Nazoräer werden.
Das Haus der Verwandtschaft schenken und erst dann Interesse an der Sekte zeigen
Dann schauen die Gfraster durch die Finger
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