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Gottesliebe, Nächstenliebe, Selbstliebe
#1
Hallo zusammen

Für mich ist in dem dicken Buch Bibel die folgende Stelle aus Matthäus 22, 34ff von zentraler Bedeutung:

34 Als aber die Pharisäer hörten, dass er die Sadduzäer zum Schweigen gebracht hatte, versammelten sie sich miteinander.
35 Und es fragte einer von ihnen, ein Gesetzesgelehrter, und versuchte ihn und sprach:
36 Lehrer, welches Gebot ⟨ist⟩ groß im Gesetz?
37 Er aber sprach zu ihm: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand.«
38 Dies ist das große und erste Gebot.
39 Das zweite aber ist ihm gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.«
40 An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.

Wenn ich irgendjemand auf der Strasse frage, mit welchem Begriff die christliche Lehre verbunden wird, dann ist es die Nächstenliebe.
Diese formuliert Jesus am Anfang der Karwoche zu den Pharisäern, als er in Jerusalem eintraf.
Aber er setzt die Nächstenliebe in Beziehung zur Gottesliebe und zur Selbstliebe.
Wobei das "Doppelgebot der Liebe" die Beziehung der Gottesliebe zur Nächstenliebe betont, während die Selbstliebe in der Interpretation oft schamhaft verschwiegen wird.

Was meint ihr:

  1. Setzt Jesus die Selbstliebe als sowieso gegeben voraus, wenn er sagt: "du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst", oder 
  2. fordert Jesus uns zusätzlich auf, uns selbst zu lieben?

LG, Pagus
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#2
Das Gebot der Naechstenliebe kommt ja aus Lev 19 (EU):

"18 [...] Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der HERR."

Der Satz koennte, wie der Kommentar anmerkt, auch uebersetzt werden als: "Du sollst deinen Nächsten lieben; er ist wie Du." Das gibt einen Hinweis darauf, was hier gemeint ist.

Weiterhin werden in Lev 19 solche Gebote auch immer wieder mit der Gottesfurcht verbunden, nicht mit "Gottesliebe". Auch das weist wiederum darauf hin, dass hier "Respekt" gemeint ist.

Weder Liebe noch Furcht sind hier also so gemeint, wie wir die Begriffe normalerweise heute verstehen. Es geht darum, sich respektvoll und umsichtig sowohl dem Naechsten, Fremden, Alten, Kranken, eben auch Gott gegenueber zu verhalten, genauso wie man das sich selbst gegenueber tun sollte. Ich wuerde das also so sehen, das mit dieser Selbstliebe implizit gemeint ist, dass, wer keinen Respekt vor sich selbst hat, auch keinen Respekt vor anderen hat. Das ist eine Frage der grundsaetzlichen Einstellung. Man muss erst mit sich selbst ins Reine kommen, bevor man die Ruhe hat, dies auch auf andere auszustrahlen.
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#3
(20-04-2022, 13:31)Ulan schrieb: Ich wuerde das also so sehen, das mit dieser Selbstliebe implizit gemeint ist, dass, wer keinen Respekt vor sich selbst hat, auch keinen Respekt vor anderen hat. Das ist eine Frage der grundsaetzlichen Einstellung. Man muss erst mit sich selbst ins Reine kommen, bevor man die Ruhe hat, dies auch auf andere auszustrahlen.

Hallo Ulan,

... da stimme ich Dir zu!

Selbstliebe zeigt sich aber auch z.B. anhand der Lebensweise eines Menschen, - wie er sich also verhält, - totz all dem Überflüssigen, welches ihm als Verlockung und Glücksversprechen angeboten wird. So könnte man sagen, Selbstliebe achtet zunächst mal auf die eigene Gesundheit - denn - ohne diese geht recht wenig! Icon_frown

Ist man jedoch gesund, kann man sich auch anderen Menschen auf vielerlei Art zuwenden.

Gruß von Reklov
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#4
(20-04-2022, 12:54)pagus schrieb:
  1. Setzt Jesus die Selbstliebe als sowieso gegeben voraus, wenn er sagt: "du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst", oder 
  2. fordert Jesus uns zusätzlich auf, uns selbst zu lieben?

ich tippe auf ersteres. wobei damit klar ist, daß es sich nicht um einen konkreten auftrag handelt, sondern um eine metapher über die wichtigkeit der "nächetnliebe", also des gedeihlichen sozialen miteinanders

denn wortwörtlich kann die nächstenliebe nie der selbstliebe gleichkommen, außer in pathologischen fällen ("helfersyndrom"). letztlich ist jeder mensch sich immer selbst der nächste
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#5
(20-04-2022, 15:24)petronius schrieb: ich tippe auf ersteres. wobei damit klar ist, daß es sich nicht um einen konkreten auftrag handelt, sondern um eine metapher über die wichtigkeit der "nächetnliebe", also des gedeihlichen sozialen miteinanders

denn wortwörtlich kann die nächstenliebe nie der selbstliebe gleichkommen, außer in pathologischen fällen ("helfersyndrom"). letztlich ist jeder mensch sich immer selbst der nächste

Hallo petronius,

... wie und wo bist Du denn aufgewachsen, dass Du meinst, den Willen, zu helfen, schon gleich wieder "pathologisch" einstufen zu müssen?

Meine Mutter war sich z.B. nie "selbst die Nächste", sondern verzichtete stets zugunsten ihrer Kinder.
Im Rentenalter pflegte sie später ihre Schwiegermutter über 2 Jahre in einem "Rund-um-die-Uhr-Job", als diese krank wurde und verteilte nach deren Tod die Erbschaft unter ihre 2 Kinder, - ohne etwas für sich zu beanspruchen.
(Wir überwiesen ihr aber ihren Teil auf ihr Konto, ohne sie vorher groß zu fragen.)

>> Als Helfersyndrom bezeichnet man negative Auswirkungen übermäßiger Hilfe auf den Helfenden, die häufig in sozialen Berufen anzutreffen sind. Es wurde erstmals 1977 von dem Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer in seinem Buch >Die hilflosen Helfer< beschrieben. << (Wikipedia)

Meine Anmerkung dazu:
Es muss einer erst mal selbst in eine hilflose Lage geraten, um zu schätzen, was Zuwendung bedeutet und wie wertvoll sie ist!
Typisch für Psychoanalytiker, wie z.B. W. Schmidbauer, dass sie den Wert der sozialen Berufe nicht würdigen und stattdessen von "hilflosen Helfern" plappern. Icon_frown

So mancher Psycho-Doktor sollte zunächst mal über sich ein ordentliches Gutachten verfassen, was aber schlecht geht, denn "das Auge kann sich ja nicht selbst anschauen."

Gruß von Reklov
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#6
(20-04-2022, 15:24)petronius schrieb:
(20-04-2022, 12:54)pagus schrieb:
  1. Setzt Jesus die Selbstliebe als sowieso gegeben voraus, wenn er sagt: "du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst", oder 
  2. fordert Jesus uns zusätzlich auf, uns selbst zu lieben?

ich tippe auf ersteres. wobei damit klar ist, daß es sich nicht um einen konkreten auftrag handelt, sondern um eine metapher über die wichtigkeit der "nächetnliebe", also des gedeihlichen sozialen miteinanders

Hallo petronius,

... erstens ist Tippen nur im Lotto angebracht Icon_razz und zweitens hat Nächstenliebe viele Ausdrucksformen! Diese zeigen sich nicht nur im "gedeihlichen sozialen Miteinander", sondern beweisen ihre Stärke auch damit, dass man z.B. den vom Krieg Verfolgten eine Überlebenschance eröffnet, indem man sie bedingungslos aufnimmt und versorgt!
Somit ist das Bibel-Zitat schon ein "Auftrag zum Menschsein" und nicht nur eine unverbindliche Metapher, sich in guten Zeiten gegenseitig auf eine Grill-Party einzuladen, um feuchtfröhlich zu plaudern ! Icon_rolleyes

Gruß von Reklov
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#7
Hallo zusammen,

mir geht es in diesem Thread nicht primär um die Nächstenliebe, sondern um das "...wie dich selbst".

Was genau hat Jesus damit gemeint?

Petronius tippt darauf, das Jesus die Selbstliebe als gegeben voraussetzt (also das 1).

Ulan meint: Es geht darum, sich respektvoll und umsichtig sowohl dem Naechsten, Fremden, Alten, Kranken, eben auch Gott gegenueber zu verhalten, genauso wie man das sich selbst gegenueber tun sollte. Ich wuerde das also so sehen, das mit dieser Selbstliebe implizit gemeint ist, dass, wer keinen Respekt vor sich selbst hat, auch keinen Respekt vor anderen hat.

Ulans Posting interpretiert zunächst, wie die Selbstliebe gemeint ist, also nachsichtig mit uns selbst umzugehen. 
Reklov stimmt hier zu, und ich würde das auch tun.

Die spannende Frage ist nun, wie hat Jesus es gemeint:

1) "Du liebst dich selbst sowieso. Und genau so sollst du deinen Nächsten lieben"
oder 
2) "Du sollst dich selbst liebhaben (bzw. mit dir selbst nachsichtig und respektcoll umgehen). Und genauso sollst du dich gegenüber deinem Nächsten verhalten".

Also: Fordert Jesus uns (implizit) auf, uns selbst (in diesem Sinne) zu lieben?

Für mich ist diese Frage sehr wichtig und zentral. Denn wenn ich mich umsehe, bei anderen und auch bei mir selbst, dann erwachsen Probleme (auch mit anderen) meistens (fast immer?) dann, wenn die Menschen nicht liebevoll mit sich selbst umgehen (Suchtverhalten, Arbeitssucht, Beziehungssucht, Internetsucht), oder blinde Flecken bei sich selbst haben, Lebenslügen, die eigentlich offensichtlich sind und man aber nicht wahrhaben will. 

Und ich gehe davon aus, das Jesus tief in den Menschen hineinsehen konnte, und ihm das auch klar war. Deswegen plädiere ich auch zur Variante 2).
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#8
(21-04-2022, 11:53)Reklov schrieb:
(20-04-2022, 15:24)petronius schrieb: ich tippe auf ersteres. wobei damit klar ist, daß es sich nicht um einen konkreten auftrag handelt, sondern um eine metapher über die wichtigkeit der "nächetnliebe", also des gedeihlichen sozialen miteinanders

denn wortwörtlich kann die nächstenliebe nie der selbstliebe gleichkommen, außer in pathologischen fällen ("helfersyndrom"). letztlich ist jeder mensch sich immer selbst der nächste
wie und wo bist Du denn aufgewachsen, dass Du meinst, den Willen, zu helfen, schon gleich wieder "pathologisch" einstufen zu müssen?

reklov, wie und wo hast du denn lesen gelernt, daß du meinst, ich hätte irgendwas vom "Willen, zu helfen" geschrieben?

ich habe klar von pathologischer, also selbstschädigender "nächstenliebe" geschrieben - z.b. dem helfersyndrom, wo man sich selber aufreibt, um anderen seine hilfe angedeihen zu lassen

Zitat:Als Helfersyndrom bezeichnet man negative Auswirkungen übermäßiger Hilfe auf den Helfenden, die häufig in sozialen Berufen anzutreffen sind. Es wurde erstmals 1977 von dem Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer in seinem Buch >Die hilflosen Helfer< beschrieben

na also - zumindest kopieren und einfügen kannst du es ja

jetzt mußt du nur noch lernen, das auch zu lesen und verstehen

Zitat:So mancher Psycho-Doktor sollte zunächst mal über sich ein ordentliches Gutachten verfassen, was aber schlecht geht, denn "das Auge kann sich ja nicht selbst anschauen."

ah, jetzt bist du außer ausgewesenem erkenntnistheoretiker auch noch der fachmann für psychiatrie

wen wunderts...




(21-04-2022, 12:04)Reklov schrieb: ich tippe auf ersteres. wobei damit klar ist, daß es sich nicht um einen konkreten auftrag handelt, sondern um eine metapher über die wichtigkeit der "nächetnliebe", also des gedeihlichen sozialen miteinanders
erstens ist Tippen nur im Lotto angebracht
[/quote]

stimmt - du sagst ja von allem, du weißt es. auch wenn du gleichzeitig sagst, man kann es gar nicht wissen

warum nur vergesse ich das immer wieder...

Zitat:zweitens hat Nächstenliebe viele Ausdrucksformen!

nein, echt jetzt?

wahnsinn, was du alles weißt!

Zitat:Diese zeigen sich nicht nur im "gedeihlichen sozialen Miteinander", sondern beweisen ihre Stärke auch damit, dass man z.B. den vom Krieg Verfolgten eine Überlebenschance eröffnet, indem man sie bedingungslos aufnimmt und versorgt!

und das wäre dann kein gedeihliches soziales miteinander?

Zitat:Somit ist das Bibel-Zitat schon ein "Auftrag zum Menschsein" und nicht nur eine unverbindliche Metapher, sich in guten Zeiten gegenseitig auf eine Grill-Party einzuladen, um feuchtfröhlich zu plaudern !

bemerkenswert, worauf sich dein gedeihliches soziales miteinander beschränkt. hoffentlich geht deinem nachbarn nie das bier aus, nicht, daß du dann noch zum asozialen wirst...
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#9
(21-04-2022, 14:05)pagus schrieb: Petronius tippt darauf, das Jesus die Selbstliebe als gegeben voraussetzt

eigentlich nicht - sondern daß der spruch darauf hinweist, wie wichtig sie ist
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#10
OK, Petronius, dann habe ich dein "ich tippe auf ersteres" im Posting #4 nicht richtig interpretiert.
Wenn du aber denkst, dass die Selbstliebe so wichtig ist, wie hat es Jesus dann gemeint, deiner Ansicht nach?
Fordert uns Jesus auf: "du sollst dich selbst liebhaben?"

Immerhin reden wir hier über die zentrale Stelle der ganzen Bibel, oder?

Manchmal lese ich: das Doppelgebot der Liebe ist eigentlich ein Dreifachgebot, 

also nicht nur

Gottesliebe = Nächstenliebe, 

sondern

Gottesliebe = Nächstenliebe + Selbstliebe

Aber meistens wird der Aspekt des "wie dich selbst" eher so als "Wurmfortsatz" ausgesprochen, genuschelt und nicht wahrgenommen, oder wenigstens gar nicht thematisiert.
Nächstenliebe ohne Selbstliebe funktioniert doch auch nicht, oder?
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#11
(21-04-2022, 14:05)pagus schrieb: Die spannende Frage ist nun, wie hat Jesus es gemeint:

Da das lediglich ein Zitat eines Gottesgebots aus der Tora war, ist gar nicht mal sicher, ob er dazu eine spezifische Meinung gehabt haette.

(21-04-2022, 14:05)pagus schrieb: 1) "Du liebst dich selbst sowieso. Und genau so sollst du deinen Nächsten lieben"
oder 
2) "Du sollst dich selbst liebhaben (bzw. mit dir selbst nachsichtig und respektcoll umgehen). Und genauso sollst du dich gegenüber deinem Nächsten verhalten".

Also: Fordert Jesus uns (implizit) auf, uns selbst (in diesem Sinne) zu lieben?

Nun, was Jesus dazu dachte, kann ich Dir selbstverstaendlich nicht sagen; da die Selbstliebe aber nicht extra betont wird, tippe ich auch eher auf 1. Meine Ausfuehrung, dass Aussage 2, wenn man "Liebe" eher als "Respekt" versteht, trotzdem eine sinnvolle Forderung ist, war lediglich meine eigene Meinung zu dem Problem.

Dass ich eher auf "1" tippe, liegt am Kontext der Quelle. Da geht es generell darum, dass man andere Leute nicht deshalb schlechter behandeln soll, nur weil sie anders sind. Man kann die Forderung also auch so ausdruecken: Behandele andere Menschen so, wie Du selbst behandelt werden willst.
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#12
(21-04-2022, 15:27)Ulan schrieb:
(21-04-2022, 14:05)pagus schrieb: Die spannende Frage ist nun, wie hat Jesus es gemeint:

Da das lediglich ein Zitat eines Gottesgebots aus der Tora war, ist gar nicht mal sicher, ob er dazu eine spezifische Meinung gehabt haette...

... Nun, was Jesus dazu dachte, kann ich Dir selbstverstaendlich nicht sagen; da die Selbstliebe aber nicht extra betont wird, tippe ich auch eher auf 1. 

Ja, er zitiert aus der Tora, ziemlich wörtlich. Das muss aber nicht heissen, das er dazu keine Meinung hatte. Wenn man sich die Situation vorstellt, in der er war. Die Pharisäer wollen ihm eine Falle stellen. Sie kennen die 1000 Regeln in der Tora, machen mit der Regeleinhaltung ein prächtiges Geschäft, und nun fragen sie ihn, was das wichtigste Gebot in der Schrift ist. Im Grunde kann Jesus nur falsch antworten.

In seiner Antwort MUSS Jesus aus der Tora zitieren, denn genau danach wurde er ja gefragt. Wenn er nicht aus der Tora zitiert hätte, hätte er die Frage nicht beantwortet.

Aber natürlich hatte er eine eigene Meinung dazu! Denn zwischen seinen beiden Tora-Zitaten setzt er Bewertungen: "das andere aber ist ihm gleich". D.h., das "=" Zeichen aus meinem letzten Posting kommt von Jesus, und nicht aus der Tora. Und weiter: er sagt den Parisäern noch, das in der Befolgung diesen beiden "gleichen" Gesetze die gesamte Schrift und alle Propheten stecken. Diese zweite Bewertung war natürlich der KO-Schlag für die Pharisäer. Denn er sagt ihnen gerade heraus: wenn ein kleiner Wicht den Nächsten wie sich selbst liebt, dann liebt er damit nicht nur Gott , sondern er erfüllt die gesamte Schrift und alle Propheten! D.h., er sagt den Pharisäern ins Gesicht, dass ihr Spezialwissen, mit dem sie im Tempel ihr Geld verdienen, im Grunde nix wert ist.

Jesus hat nicht nur die Tora zitiert, sondern hat auch noch zwei fundamentale Bewertungen vorgenommen.
Aber ich gebe dir Recht, es wird nicht klar, welche Meinung Jesus zur Selbstliebe hatte.

Der Text steht zunächst im Kontext des Kreuzverhörs durch die Pharisäer.

Aber wenn dieser Text von Jesus im Kontext eines Leitbildes, einer Richtschnur, für den Christen interpretiert werden soll, wie man sein Leben am besten gestalten kann, dann ist die Frage, wie Jesus zur Selbstliebe steht, von entscheidender Bedeutung.

Gibt es denn dazu keine "offizielle" christliche Exegese?
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#13
(21-04-2022, 16:46)pagus schrieb: Ja, er zitiert aus der Tora, ziemlich wörtlich. Das muss aber nicht heissen, das er dazu keine Meinung hatte.

Meine Aussage war auch nicht, dass er dazu definitiv keine Meinung hatte, sondern dass Du oder ich diese nicht wissen koennen, da er sie uns nicht verraet.

(21-04-2022, 16:46)pagus schrieb: Aber natürlich hatte er eine eigene Meinung dazu! Denn zwischen seinen beiden Tora-Zitaten setzt er Bewertungen: "das andere aber ist ihm gleich". D.h., das "=" Zeichen aus meinem letzten Posting kommt von Jesus, und nicht aus der Tora.

Gottesliebe und Naechstenliebe, ja. Deine Frage betraf aber die Selbstliebe, und dazu sagt er weiter nichts.

(21-04-2022, 16:46)pagus schrieb: Und weiter: er sagt den Parisäern noch, das in der Befolgung diesen beiden "gleichen" Gesetze die gesamte Schrift und alle Propheten stecken. Diese zweite Bewertung war natürlich der KO-Schlag für die Pharisäer.

Es ist schon interessant, wie es zu solchen Interpretationen kommt, wenn man nur die Bibel zur Hand nimmt. Jesus vertritt hier eine pharisaeische Position, allerdings die einer bestimmten pharisaeischen Schule. Man nehme nur die Aussage von Hillel des Aelteren, eines ungefaehren Zeitgenossen Jesu (ein paar Jahre aelter), der Vorsteher seiner nach ihm benannten Schule war. Von ihm ist folgender Ausspruch ueberliefert (Babylonischer Talmud, Schabbat 31a):
"Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht; das ist die ganze Gesetzeslehre, alles Andere ist nur die Erläuterung, gehe und lerne sie."

Natuerlich gab es auch eine pharisaeische Schule, die das anders sah.

(21-04-2022, 16:46)pagus schrieb: Gibt es denn dazu keine "offizielle" christliche Exegese?

Bestimmt Dutzende. Kommt auf das von Dir gewaehlte "offizielle" Sprachrohr an.
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#14
(21-04-2022, 17:08)Ulan schrieb: [quote pid="232501" dateline="1650552397"]
Bestimmt Dutzende. Kommt auf das von Dir gewaehlte "offizielle" Sprachrohr an.

[/quote]

Wow, gleich Dutzende, also mindestens 24 Exegesen zur Selbstliebe dieser Bibelstelle! :)
Ich bin kein Theologe. 
Ich kenne zur Selbstliebe dieser Bibelstelle keine einzige Interpretation, würde mich aber dafür interessieren.
Kannst du mir einen Hinweis geben, wo ich Exegesen zur Selbstliebe dieser Bibelstelle finde?
Muss auch gar nicht hoch offiziell sein. Plausibel reicht schon.
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#15
(21-04-2022, 15:25)pagus schrieb: Wenn du aber denkst, dass die Selbstliebe so wichtig ist, wie hat es Jesus dann gemeint, deiner Ansicht nach?
Fordert uns Jesus auf: "du sollst dich selbst liebhaben?"

ja. denn wenn du dich noch nicht mal selber liebst, wird das mit der nächstenliebe erst recht nichts werden

aber das ist natürlich meine interpretation, wie ich dem ganzen sinn gebe. ob und was ein historischer jesus gesagt oder gemeint hat, wissen wir nicht

ob und warum die autoren der bibel was geschrieben und wie gemeint haben (jedenfalls der wahrscheinlichkeit nach), da sind z.b. ulan und bion die experten hier, ich noch nicht mal blutiger laie. weshalb ich mich dazu auch einer eigenen meinung enthalte und nur zuhöre und lerne

Zitat:Immerhin reden wir hier über die zentrale Stelle der ganzen Bibel, oder?

ja, so wird sie heute vielfach verstanden

Zitat:Nächstenliebe ohne Selbstliebe funktioniert doch auch nicht, oder?

ja, so sehe ich das auch
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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