Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Heiliges Kreuz, Kreuzauffindung
#1
Im Zeichen des Kreuzes hat ↗Konstantin d. Gr. seinen Rivalen ↗Maxentius an der Milvischen Brücke (312) besiegt. So berichtet es ↗Eusebius (v. Const. 1, 28). Als Monogramm aus einem übereinandergelegten X (Chi) und P (Rho) war das himmlische Zeichen auf den Schildern der Soldaten Konstantins angebracht. So ist es bei ↗Laktanz (mort. pers. 44) zu lesen.

Im römischen Münzbild tritt das ↗Christogramm zunächst spärlich auf. Erstmals belegt ist eine solche Prägung für das Jahr 315 (Hahn 6).

Das Passionskreuz tritt in der Münzprägung als Beizeichen erst in den späten 30er-Jahren des 4. Jahrhunderts auf (Hahn 7).

Bevor das Heilige Kreuz zur prominentesten ↗Reliquie der Christenheit werden konnte, musste es noch seine Anrüchigkeit als Marterwerkzeug verlieren. Zunächst schaffte Konstantin die ↗Kreuzigung als Hinrichtungsart ab. Dann machte sich seine fromme Mutter, ↗Helena, auf, das Kreuz zu finden, an dem Christus gestorben war. Nach einer göttlichen Eingebung fuhr sie (wohl 326-328) ins ↗Heilige Land und suchte nach ↗Überresten. Dass davon nach knapp 300 Jahren nichts mehr irgendwo herumlag, leuchtet ein.

↗Jerusalem war im  Jahre 70 gründlich zerstört worden. Nach dem 2. Jüdischen Krieg, dem ↗Bar-Kochba-Aufstand (132-135), wurde die Stadt unter Hadrian neu gestaltet und zu ↗Aelia Capitolina1. Juden war es verboten, sie zu betreten. Zwischen dem ↗Golgota und dem ↗Grab Christi sollen in diesen Tagen nach groß angelegten Aufschüttungen zwei Tempel, ein Venus- und ein Junotempel, errichtet worden sein.

Unter diesen Voraussetzungen noch irgendwelche Überreste aus dem Jahre 30 finden zu wollen, war ein optimistisches Unterfangen.

Allen Widrigkeiten zum Trotz wurde das Kreuz gefunden. Es wurde zerteilt. Ein Teil ging nach Rom, ein weiterer Teil nach ↗Konstantinopel. Der dritte, größte Teil verblieb in Jerusalem. Früh wurde damit begonnen, die Teile weiter zu zerteilen und Parikelchen in alle Weltgegenden zu verbringen.

Der älteste Beleg, der das Heilige Kreuz als Reliquie anspricht, findet sich in einem Text ↗Kyrills von Jerusalem (*313 †386). In einer Glaubensunterweisung (catech.  4,10), die um 350 entstand (Heussler 27), stellt er fest, dass mit dem Kreuzesholz nunmehr fast der gesamte Erdkreis erfüllt ist. Das Kreuz Christi (oder was man dafür hielt) war wohl schon einige Zeit zuvor in den Besitz der Christengemeinde von Jerusalem gekommen. Auf welche Weise, ist nicht bekannt. Von einer Auffindung des Kreuzes durch Helena weiß Kyrill noch nichts. Die Auffindungslegenden sind wohl alle erst später entstanden. Das Verlangen der Gläubigen, ein Teilchen vom Kreuz besitzen zu dürfen, muss schon stark verbreitet gewesen sein. Eine Bemerkung des ↗Johannes Chrysostomos (≈*349/350 †407), wonach solche Kreuzespartikel von Gläubigen in goldenen Kapseln um den Hals getragen werden2, ist ein weiteres Indiz dafür.

Ein Text, der die Kreuzauffindung zeitlich ins erste Jahrhundert, in die Zeit des ↗Kaisers Klaudius, verortet, ist die ↗Protonikelegende. Sie ist erst im fünften Jahrhundert entstanden. Die Hauptperson der Handlung ist die unhistorische Kaisergattin Protonike. 

Die bekannteste und verbreitetste Erzählung zur Kreuzauffindung aber ist die ↗Helenalegende. Sie ist in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts entstanden und wird in ihrer einfachsten Ausgestaltung erstmals von ↗Ambrosius von Mailand (* 339 †397) (obit. Theod. 43-51) erzählt. In späteren Fassungen wurde die Erzählung erweitert.

In einer dritten Legende zur Kreuzauffindung, der ↗Kyriakoslegende, steht die Kaisermutter Helena ebenfalls im Mittelpunkt des Geschehens. Neben ihr ist der Jude Judas, der später auf den Namen Kyriakos getauft wird und der eigentliche Finder des Kreuzes ist, die zweite Hauptfigur.

Die ↗Legenda Aurea schließlich erklärt, dass das Holz aus dem das Kreuz Christi hergestellt wurde, vom ↗Baum des Lebens aus dem ↗Paradies stammt. Sie erzählt eine aus späteren Fassungen der Kreuzauffindungslegenden kompilierte Geschichte.

Als ↗Adam einmal krank war, habe ↗Seth  an die Pforte des Paradieses geklopft, um Medizin für den Vater zu erbitten. Damals habe er vom ↗Erzengel Michael einen Zweig vom Baum des Lebens bekommen und eingepflanzt. Daraus sei ein stattlicher Baum geworden. ↗Salomo habe den Baum später fällen lassen, um ihn bei seinem Palastbau als Säule zu verwenden. Da er sich dafür nicht zurichten habe lassen, wurde er als Brücke über ein Gewässer gelegt. Später habe man aus diesem Holz das Kreuz Christi gezimmert. Nachdem Christus daran verstorben war, verschwand das Kreuz in der Erde. Erst Helena konnte es wiederfinden (LA 269ff.). Später wurde das Kreuz von den ↗Persern geraubt3 und von ↗Kaiser Herakleios wieder zurückgeholt (LA 537). Bei Auffindung und Wiederauffindung verrichtete es zum Zeichen seiner Echtheit erstaunliche Wunder.

Endgültig verloren ging der in Jerusalem verbliebene Teil des Kreuzes wohl mit der Zerstörung der christlichen heiligen Stätten durch den ↗Fatimiden-Kalifen Al-Hakim (1009)4. Dem nach Konstantinopel verbrachten Teil des Kreuzes erging es nicht viel besser. Als im Zuge des ↗4. Kreuzzuges 1204 Konstantinopel geplündert wurde, war auch das Heilige Kreuz Teil der Kriegsbeute gewesen. Nach dem Raub soll es weiter aufgeteilt worden sein.

Nur die beiden Teile des Kreuzes, die nach ↗Rom gebracht und später in ↗Santa Croce in Gerusalemme aufbewahrt wurden, sind bis heute erhalten. Der größere Teil von beiden wurde 1629 in den ↗Petersdom verbracht.

Ein handgroßes Stück vom Kreuz befindet sich im ↗Zisterzienserstift Heiligenkreuz bei Wien.


1) Als sich Helena anschickte, das Kreuz zu finden, hat Jerusalem noch Aelia Capitolina geheißen. Sonderbar ist die erwähnte Anwesenheit "der Juden" in der Stadt, die dort eigentlich nicht wohnen hätten dürfen.
2) Vgl. Jacques-Paul Migne. Patrologia Graeca 48,826
3) Es handelte sich um den Rest des Kreuzes, der in Jerusalem verblieben war. 614 wurde es von den ↗Sassaniden als ein Teil der Kriegsbeute nach Persien verbracht. 629/630 wurde es von Kaiser Herakleios zurückerobert und nach Jerusalem rückgeführt. Allerdings ging die christliche Herrschaft über Jerusalem mit der Eroberung durch ↗Kalif Umar (638) bald wieder verloren.
4) Im Zuge des ↗1. Kreuzzuges wollte man nach der Einnahme Jerusalems wieder einmal Reste vom Heiligen Kreuz in einer aus Silber gefertigten Kiste gefunden haben.

Literatur:
Die Legenda Aurea des Jacobus der Voragine. Übers. v. Richard Benz. 131999 Gütersloh. Gütersloher Verlagshaus. (LA)
Wolfgang Hahn. Im Zeichen Christi. Römische Münzen der Constantinischen Ära. In: Mitteilungsblatt des Instituts für Numismatik der Universität Wien Nr. 19, 1999.
Carla Heussler. De Cruce Christi. Kreuzauffindung und Kreuzerhöhung: Funktionswandel und Historisierung in nachtridentinischer Zeit. 2006 Paderborn. Verl. Ferdinand Schöningh (Diss UNI Stuttgart 2003).


● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
Zitieren


Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Kreuzauffindung durch Protonike (Protonikelegende) Bion 0 136 20-01-2024, 13:24
Letzter Beitrag: Bion
  Kreuzauffindung durch Helena und Judas Kyriakos (Kyriakoslegende) Bion 0 592 20-01-2024, 13:04
Letzter Beitrag: Bion
  Kreuzauffindung durch Helena (Helenalegende) Bion 0 341 18-01-2024, 13:11
Letzter Beitrag: Bion

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste