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Ich habe gerade Hartmut Rosas Buch "Resonanz - Eine Soziologie der Weltbeziehung" gelesen.
Hartmut Rosa verwendet den Begriff der Resonanz in einem so umfassendem Sinn, dass die Konturen etwas undeutlich sind.
Aber ich meine schon, dass er einen wahren Kern gefunden hat. Ein gelingendes Leben beruht auf Resonanz.
Dabei benennt er die Religion als eines von mehreren Instrumenten, um Resonanzachsen für ein gelingendes Leben
herzustellen. Er sieht hierbei die katholische Kirche gegenüber den Protestanten im Vorteil. Er zitiert oft Max Weber,
der in seiner Analyse der protestantischen Ethik ja im Protestantismus die Keimzelle einer entfremdenden kapitalistischen Lebensweise sieht.
Die Volksfrömmigkeit des Katholizismus mit seinen Ritualen, der Heiligenverehrung und dem ganzen Klimbim hat es einfacher
im Menschen etwas zum Klingen zu bringen.
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(09-12-2024, 23:25)Thomas der Ungläubige schrieb: Die Volksfrömmigkeit des Katholizismus mit seinen Ritualen, der Heiligenverehrung und dem ganzen Klimbim hat es einfacher
im Menschen etwas zum Klingen zu bringen. Hass und Ekel ist da bei mir vorherrschend.
„Niemals tut der Mensch das Böse so vollkommen und fröhlich, als wenn er es aus religiöser Überzeugung tut.“ Blaise Pascal
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(09-12-2024, 23:25)Thomas der Ungläubige schrieb: Hartmut Rosa verwendet den Begriff der Resonanz in einem so umfassendem Sinn, dass die Konturen etwas undeutlich sind
um welche art von resonanz von was überhaupt soll es gehen? im physischen oder metaphorischen sinn?
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(09-12-2024, 23:25)Thomas der Ungläubige schrieb: Ich habe gerade Hartmut Rosas Buch "Resonanz - Eine Soziologie der Weltbeziehung" gelesen.
... ich meine schon, dass er einen wahren Kern gefunden hat. Ein gelingendes Leben beruht auf Resonanz.
Dabei benennt er die Religion als eines von mehreren Instrumenten, um Resonanzachsen für ein gelingendes Leben herzustellen.
...
Die Volksfrömmigkeit des Katholizismus mit seinen Ritualen, der Heiligenverehrung und dem ganzen Klimbim hat es einfacher im Menschen etwas zum Klingen zu bringen. Nein, das ist wohl mehr eine Art Selbstbestäubung der jeweiligen Sozialisation durch einen Predigttrick (Resonanz), der anklingen lässt, was man ohnehin "intus" hat.
Der "ganze Klimbim", auch auf protestantischer Seite, ist traditionell-narrativ. Und Menschen sind äußerst empfänglich für solche ständig wiederholten Erzählungen. Man betrachte die Weihnachtsgeschichten und -lieder mal ein Bisschen von der objektiven Seite!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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10-12-2024, 09:31
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10-12-2024, 09:31 von Ulan.)
Wenn ich das richtig gelesen habe, dann meint Rosa mit Resonanz einfach nicht nur ein Reden miteinander, sondern ein Geben und Nehmen in Beziehungen zwischen Menschen oder Mensch und Umgebung. Es geht ihm also um Zuhoeren (im weitesten Sinne) und darum, dass das Hin und Her der Kommunikation nicht abgebrochen oder gar blockiert wird. Als Soziologe muss er dafuer natuerlich einen eigenen Begriff praegen.
Auf Religion bezogen heisst das ja dann auch nichts weiter, als dass man sich aktiv in eine solche Gemeinschaft einbringt, dafuer etwas zurueckbekommt, und das dann gewinnbringend fuer das Leben ist. Das sollte aber dann aber wohl auch mit anderen Gemeinschaften wie Vereinen etc. funktionieren.
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(10-12-2024, 09:31)Ulan schrieb: Wenn ich das richtig gelesen habe, dann meint Rosa mit Resonanz einfach nicht nur ein Reden miteinander, sondern ein Geben und Nehmen in Beziehungen zwischen Menschen oder Mensch und Umgebung. Es geht ihm also um Zuhoeren (im weitesten Sinne) und darum, dass das Hin und Her der Kommunikation nicht abgebrochen oder gar blockiert wird
das ist natürlich absolut sinnvoll, egal auf welcher soziologischen ebene
allerdings - das mag jetzt meiner protestantischen sozialisation geschuldet sein - sehe ich da keine besonderen vorzüge der rkk, eher im gegenteil: ist sie doch traditionell eher dahin orientiert, daß kommunikation nur einseitig stattfindet, also anweisungen "von oben" ans kirchenfußvolk als befehlsempfänger erteilt werden
ich muß dazu allerdings sagen, daß der priestermangel hier eine öffnung der strukturen erzwingt und z.b. in meinem heimatort ein äußerst reges miteinander der katholischen gläubigen stattfindet - da es keinen pfarrer mehr gibt, müssen (dürfen?) nun die laien dessen aufgaben übernehmen und unter sich aufteilen. was recht gut zu klappen scheint
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10-12-2024, 11:07
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10-12-2024, 11:07 von Ulan.)
(10-12-2024, 10:42)petronius schrieb: allerdings - das mag jetzt meiner protestantischen sozialisation geschuldet sein - sehe ich da keine besonderen vorzüge der rkk, eher im gegenteil: ist sie doch traditionell eher dahin orientiert, daß kommunikation nur einseitig stattfindet, also anweisungen "von oben" ans kirchenfußvolk als befehlsempfänger erteilt werden
Ohne das jetzt bei Herrn Rosa gelesen oder gehoert zu haben, nehme ich mal an, dass er darauf anspielt, dass der Protestantismus eher Wert auf die individuelle Heilssuche legt, Erloesung alleine durch Gottes Gnade (sola gratia), die man durch Gottesfuerchtigkeit erreicht. Individueller Wohlstand als Lohn von Fleiss wird bei manchen protestantischen Richtungen gross geschrieben. Im Katholizismus dagegen spielen gute Werke als Weg zur Erloesung eine groessere Rolle, was sich dann halt auch in Hilfestellungen fuer den Naechsten aeussert, also viel karitativer Arbeit. Natuerlich sind das jeweils keine absoluten Unterschiede, aber ich kann mir denken, dass er darauf anspielt.
(10-12-2024, 10:42)petronius schrieb: ich muß dazu allerdings sagen, daß der priestermangel hier eine öffnung der strukturen erzwingt und z.b. in meinem heimatort ein äußerst reges miteinander der katholischen gläubigen stattfindet - da es keinen pfarrer mehr gibt, müssen (dürfen?) nun die laien dessen aufgaben übernehmen und unter sich aufteilen. was recht gut zu klappen scheint
Ja, kleinere Gruppen funktionieren in dieser Beziehung sowieso besser als grosse, weil man nichts den Anderen ueberlassen kann. Machtstrukturen gibt's da immer noch, aber die Hierarchie ist notwendigerweise flacher.
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(10-12-2024, 09:31)Ulan schrieb: Wenn ich das richtig gelesen habe, dann meint Rosa mit Resonanz einfach nicht nur ein Reden miteinander, sondern ein Geben und Nehmen in Beziehungen zwischen Menschen oder Mensch und Umgebung. Es geht ihm also um Zuhoeren (im weitesten Sinne) und darum, dass das Hin und Her der Kommunikation nicht abgebrochen oder gar blockiert wird. Als Soziologe muss er dafuer natuerlich einen eigenen Begriff praegen.
Auf Religion bezogen heisst das ja dann auch nichts weiter, als dass man sich aktiv in eine solche Gemeinschaft einbringt, dafuer etwas zurueckbekommt, und das dann gewinnbringend fuer das Leben ist. Das sollte aber dann aber wohl auch mit anderen Gemeinschaften wie Vereinen etc. funktionieren.
Die Kommunikation zwischen Menschen kann nach Rosa Resonanz erzeugen, wenn sie nicht rein instrumentell ist, sondern man wirklich bereit ist sich vom Gegenüber berühren zu lassen. Aber Rosas Resonanz geht über die Kommunikation zwischen Menschen deutlich hinaus. Er behauptet, dass Menschen nicht nur mit anderen Menschen (=horizontale Resonanz), sondern auch zu Kollektivsingularen wie der Natur, der Kunst, der Geschichte und eben auch der Religion in eine Resonanzbeziehung oder Resonanzachse treten können. Das nennt er vertikale Resonanz. Dieses sich berühren lassen von der Religion hat laut Rosa mehr mit Gesängen und Ritualen zu tun als mit Dogmen oder Narrativen. Für eine religiöse Resonanzerfahrung reicht - so wie ich Rosa verstehe - die allgemeine Vorstellung eines antwortenden Gegenübers aus, ob das jetzt psychologisch betrachtet eine Illlusion oder Autosuggestion ist, scheint für Rosa keine Rolle zu spielen.
Menschen können auch in Resonanz zu Dingen und Tätigkeiten treten (=diagonale Resonanz). Im gemeinsamen Abendmahl der Christen können alle drei Resonanzachsen angesprochen werden.
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10-12-2024, 21:53
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10-12-2024, 21:59 von Ulan.)
Klar, aber es ist ausdruecklich nichts gemeint, was an den physikalischen Resonanz-Begriff erinnert. Dass es um Kommunikation nicht nur zwischen Menschen geht, habe ich ja erwaehnt: ich hatte allgemein die zwischen Mensch und Umgebung genannt, was alles moegliche einschliesst, wie Umwelt, Kultur, etc. Dass man auch mit einem Gott, der nur als Vorstellung existiert, irgendwie kommunizieren kann, ist mir schon klar; dieser Gott existiert ja schliesslich in einem kollektiven Bewusstsein, ist also, zumindest wenn an bestimmte Religionen gebunden, nicht rein vom eigenen Selbst definiert.
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(10-12-2024, 21:18)Thomas der Ungläubige schrieb: Dieses sich berühren lassen von der Religion hat laut Rosa mehr mit Gesängen und Ritualen zu tun als mit Dogmen oder Narrativen
das wird wohl mehr mit seinen (auch anerzogenen?) vorlieben zu tun haben als mit irgendeiner mystischen "resonanz"
hab ich schon mal gesagt, wie ekelhaft ich es finde, wenn sich esoteriker durch verwendung naturwissenschaftlicher begriffe in absolutem "off label use" glaubwürdigkeit zu verschaffen suchen?
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Der von Rosa benutzte Resonanz-Begriff wirkte jetzt nicht mystisch auf mich. Mein Eindruck war, dass es sich hier um den in der Soziologie ueblichen Brauch handelt, erst mal zu Beginn einer These einen Haufen Begriffe neu- oder umzudefinieren. Wenn man dann diese Begriffseinfuehrung nicht liest, kommt man beim Lesen der Abhandlung schnell auf die falsche Faehrte.
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11-12-2024, 10:03 von petronius.)
(11-12-2024, 00:41)Ulan schrieb: Der von Rosa benutzte Resonanz-Begriff wirkte jetzt nicht mystisch auf mich
auf mich schon, weil resonanz ja eine wechselwirkung ist. hier aber scheint es um einseitige attraktion zu gehen. hr. rosa fühlt sich halt von weihrauch und monotonen gesängen angezogen - dem weihrauch wird's egal sein
man mag "mystisch" aber gern durch "unscharf konturiert" ersetzen
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11-12-2024, 10:28 von Geobacter.)
(10-12-2024, 21:18)Thomas der Ungläubige schrieb: Die Kommunikation zwischen Menschen kann nach Rosa Resonanz erzeugen, wenn sie nicht rein instrumentell ist, sondern man wirklich bereit ist sich vom Gegenüber berühren zu lassen.
Diese Resonanzen mit so manch einerer "Nervensäge"... kennen wir alle. Und von wegen sich berühren lassen...wozu man auch noch wirklich bereit sein müsse. Wegen der mystischen Schuldgefühle, denen man sich ansonsten zu ergeben habe. Zitat: Götz von Berlichingen!
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
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