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Wichtigste Einrichtungsgegenstände in Synagogen
#1
Mir ist neulich eine Fragebogen in einer Ex-Synagoge für Schulkinder gegegnet. Es wurden Texte aus den Informationstafeln imho missverständlich "abgefragt" Nach den beiden einzigen andeutungsweise vorhandenen Einrichtungsgegenstände Thoraschrein und Lesepult wurde mit der Frage nach den "wichtigsten" Einrichtungsgegenständen gefragt. Sind sie dies wirklich so unumstritten? Ich würde fast eher an Thora-Rolle und Ewiges Licht denken ...
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
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#2
Hallo Fritz :)
Einen Bestand an Thorah-Rollen und Megilloth wuerde man als Jude eher als "Lebewesen" bewerten, es ist das Wort, und nicht "Einrichtungs-Gegenstaende" nennen. Die betreffen doch eher das Mobiliar.
Thorah-Schrein (Aron) zur Unterbringung unserer Lebendigen Worte - dafür wird oft eine eigene Nische gemauert -
und Lesestand (Bimah) zum Verlesen der Hl.Texte (Hauptzweck, und das benötigt Platz fuer mehrere Personen zugleich)
- und ich meine auch, in Europa zumindest (incl.Land Israel) auch die Gebets-Staende, in denen die hoerende Gemeinde Platz nimmt, das ist wesentlich an einer Synagoge.

Rote Ampel? - ist Geschmacksache.
G0TT ist uns doch überall besonders nahe und nicht nur hier.
Eine Synagoge ist ja nicht vergleichbar zum Heiligtum in Jerusalem mit unserm Allerheiligsten inmitten, wir wollen jenes ueberhaupt nicht ersetzen oder imitieren - sondern ein "babylonisches" Lernhaus, wie es Daniel eingeführt hatte, als wir erstmals im Exil waren - und Sozial-Zentrum der Gemeinden.
Etwas, das den Roten Ampeln in Kirchen aehnelt, sind kleine fromme Leucht-Einrichtungen zum Gedenken an bestimmte Tote, deren Name dann auf einem kleinen Taefelchen meist dabei steht - es gibt das auch als relativ grosse Gedenkbretter fuer viele, worauf fuer jeden ein elektrisches Dauer-Lichtchen glimmert - meist haben diese auch zum Bau und Erhalt dieses Bethauses einiges an Eifer eigetragen und sie sollen nicht vergessen sein.

mfG WiT :)
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#3
Smile 
Die Tora-Rollen - waren lediglich die Vorläufer der Bibel- und/oder Koranseiten.
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#4
"lediglich" Vorlaeufer ???
Als Text sind sie immer noch die Mehrheit der Bibel geblieben. Da ist es noch aktuell genug fuer 1/6 der Menschheit.
Vorlaeufer sind unsere Schriftrollen in dem Sinne auch nicht, denn es gab schon massenhaft Geschriebenes, auch in leicht transportabler Form.

Die Hl.Schrift ist nicht geschrieben worden, um Vorlaeufer anderer zu werden, denn in der Hinsicht war der Codex Hammurabi eher einzuordnen und auch 2000 Jahre direkt als sowas benutzt worden, sowie bis ins StGB und BGB von heute indirekt Vorlaeufer von weiteren Buechern. Wenn ueberhaupt, dann hat gelegentlich irgendwer und mit geringem Effekt versucht, eine juedische "Bibel" alleine neu zu erstellen, fuer eine andere Gemeinschaft, und dann nahm er sich am ehesten nur die Partie vor, von der er dachte, diese sei das, um was es gehe.

Doch die juedische Bibel kam im Lauf von ca.1000 Jahren aus diesem ganzen Volk her geschrieben zustande, das schon kann kein Einzelner nachmachen, es sei denn, der stellt sich aus auch 1000 Jahren kontinuierlich zu einander verknuepfte Textoriginale zu seiner eigenen Herkunfts-Gemeinschaft zusammen.
Fuer Juden ist unsere Hl.Thorah - angefangen mit den 5 Buechern Moses - die Gruendungs-Urkunde unserer Gemeinschaft mit diesem einen G0TT, mit Anlagen aus ca.1000 ersten Jahren des Beisammen-geblieben-Seins unserer Gemeinschaft. Darin ist es aber fuer damals schon etwas voellig Normales, was man von jeder etwas laenger existenten Gemeinschaft kennt und erwartete.

Z.B. sowas wie "50 Jahre Freiwillige Feuerwehr in Musterstadt" ist ein Schriftwerk in dieser Richtung, das bestueckt jede Feuerwehr mit Texten nach eignen Moeglichkeiten: mit einer Chronik, die X schrieb und einer "Erinnerung-wie-es-war", die Vereins-Oldie Y schrieb, sowie vielleicht nocheinmal ihrer Satzung, und je nach Interesse des Vereins manchmal noch etwas lebhafter illustriert durch Mitglieder-Berichte ueber besondere Ereignisse, Lustiges und Trauriges, sowie Toten-Ehrung verstorbener Kameraden, ein paar Einzel-Wuerdigungen der Tapfersten oder Treuesten, und ein paar Grussworte von ausserhalb, die den Wert dieser Feuerwehr fuer alle Leute, die da leben, dankbar anerkennen.

Wir haben unsere Hl.Schrift zunaechst auch etwa als so etwas angesehn und zwar immer mal weiter vervielfaeltigt, und weil es einen Vertrag enthielt, aber ansonsten nicht viel darin herumgeblaettert - denn davon wurde noch genug muendlich erzaehlt, als wir zusammen lebten - auch haben die Richter darin ab und zu mal ganz genau nachgesehn, an was wir uns da hatten halten wollen und das dann wieder neu angeordnet und als "wirklich wichtig" bekanntgemacht.
Das hatte mitunter nur Gruende von aussen, etwa, damit man uns als Koerperschaft begreifen und als Gesamt bestehn lassen sollte.
So etwas an Text hatte rundherum jedes Volk bis heute.

Erst in der Verbannung, in Babel, kam Daniel, ein gelernter Schreiber, darauf, dass aus den Schriften mehr zu entdecken moeglich war als das, was alle Voelker so haben, seitdem engangieren wir das ganze Volk, es auf jede Woche im Jahr verteilt in Synagogen jaehrlich einmal text-kontrollierend ganz zu verlesen, und es in vieler Hinsicht wirklich durchzustudieren was wir da von uns selber aufgeschrieben finden, weil unser G0TT offenbar nicht sowas war und ist, was die andern als G0tt bezeichneten.

Es war dann eine Weile lang immer noch nur ein Textwerk fuer ganze Zehnschaften, Gemeinden, und das Ganz-Volk, kollektiv. Es begannen dann auch die umfangreichen Kommentare zu diesen Texten, wie einzelne Passagen daraus zu verstehn seien, denn die Sprache hatte sich schon auch mit der Zeit geaendert.

Überleg mal: unsere juedische Bibel, das ist immer noch so ein Textwerk: Moses waere im 6.Jhd.auf fraenkisch geschrieben worden, die Psalmen Davids 450 Jahre nachher auf Mittelhochdeutsch, die Propheten kamen aus Bayern, Sachsen, Westfalen oder Rheinland in ihren Dialekten und anderen Jahrhunderten dazu, eine Kanzlei haette im 14.Jhd die Chronik nochmal neu zusammengefasst, und zwar nun in ihrem Mittelhochdeutsch, und nachher schrieben noch einige kluge Leute und gute Poeten verschiedener deutscher Lande aufhebenswerte Gedanken und Lieder dazu - bis im 16.Jhd. die Sprache aller genormt zu werden begann.
Und dann waeren Deutsche fuer einige Jahrzehnte in alle Welt auseinander getrieben worden.
Das bis dahin Vorliegende schrieb dann eine kleine Kommission im 19.Jhd. in z.B.Englisch um, weil die meisten das nun besser konnten, wo sie lebten. Fuer das, was der uebersetzte, wurde aber beschlossen, es exakt so, wie es vorlag, mit einheitlichen Buchstaben geschrieben, aufzubewahren, weil es doch als Texte sicherer unser eigen war als so eine eilige Uebersetzung - es soll ja nur 70 Tage gedauert haben, die griechische Uebersetzung unserer Hl.Texte anzufertigen.
In wichtigen Fragen traut man besser nicht einer Uebersetzung allein, und manches, um nachzupruefen, ob das da genau so gesagt worden war, kann sie gar nicht bieten. Daher gibt es immer den fortgesetzten Lehr-Dienst, der sich die Muehe macht, die alten Sprachstufen auch wirklich zu unterscheiden und zu beherrschen, unsere Rabbi-Schulen.

Es dauerte dann nochmal ein paar Jahrhunderte, bis wir begriffen, dass der Text auch noch dazu geeignet ist, dass ihn ein Einzelner liest und waehrenddessen mit G0TT darueber redet, um persoenliche Lebenshilfen zu bekommen, und zwar erst intensiver, nachdem unser Volk nun auf wirklich lange Zeit in alle Welt zerstreut leben muss.

Es sind ja ausser Chroniken und Rechenschaftsberichten auch poetische Texte darin, Weisheits-Ueberlegungen zur allgemeinen Lebensfuehrung, Lieder zum Mitsingen, ein Buch ueber die Stadien des Liebens zweier Menschen, wie die vorkommen koennen, und Konzepte zum friedlich eintraechtigen Miteinander-Leben von Leuten jeder Glaubens- oder Unglaubens-Richtung. Es ist sogar geeignet als eine Handbibliothek fuer einsame Inseln.
- Dem Einzeljuden ist sie deshalb heilig, weil er mit diesem Buch auch dann weiss, dass er nicht allein ist.

Die Hl.Bibel der Christenheit ist nicht ueberall gleich lang, einige liessen spaeter ca.1/3 der Texte der anderen weg, generell aber ist es auch eine Herkunfts-Geschichte zur Auskunft, welcher G0TT genau gemeint ist, den Christen anbeten und als ueber Recht richtend anerkennen.
Die damaligen Roemer hatten ja ueber 400 offiziell gemeinde-reichere G0tter zur Hand. Zusaetzlich, das Neue Testament klaert auch auf, was ihnen mit Jesus v.Nazareth alles passiert war, dass sie jedenfalls nicht eine Nation Volks sind wie Israel, sondern einen eigenen Weg eingeschlagen haben, von vornherein nur Religion zu sein, der ein individueller Mensch jedes beliebigen Standes beitreten kann, aber Hausvaeter auch gleich fuer all ihre Angehoerigen - worin sie diese dann aber auch freigeben, nicht mehr automatisch mit dem Schicksal des Hausvaters verknuepft bleiben zu muessen, in dieser Welt und in der Welt nach diesem Leben.
Daher spielt hier von Anfang an das selbst Lesen in den Hl.Texten die grosse Rolle, es wird viel zitiert und neu beleuchtet, was das auch-besagen kann.

Der Hl.Qur'an wiederum ist (wie es aufgebaut ist und was es an Inhalt berichtet) weder formal nach so einem "Vorbild" nachgemacht worden, noch erfuellt er fuer den Muslim dieselbe Funktion wie die Hl.Thorah fuer Juden oder die Hl.Bibel fuer Christen.
Es sind im Prinzip Worte eines 1-Ueberbringers dessen, was er als von einem Engel ihm gesagt so einordnete, dass er das weitersagen sollte. Das tat er also. Dann haben es seine ersten Freunde aufgeschrieben, nachdem er gestorben war.
Dazu wurden die Texte, die er gelehrt hatte, dass es die von seinem Engel bekommenen seien, abgeschlossen und zum "Hl.Buch" fuer diese Gemeinschaft der frommen Kaufleute und ihrer internationalen Kunden bestimmt.
Das entspricht als Text-Kategorie 1 Prophetenbuch wie die 15, die in der Bibel stehn, vorkamen. Weder hat er da schon ein Volk fuer, an dessen Herkunft erinnert werden muesste, noch Ereignisberichte, was seitdem alles passierte noch Textbeitraege anderer Autoren und Kategorien. - Schau mal rein, dann siehst Du den Unterschied selbst.

Der Qur'an diente sodann vorrangig der rechtlichen Ordnung unter den an diesem Buch interessierten Beteiligten, also Rechtsgelehrten, die sich dann das Volk dazu schufen, das dieses akzeptieren wuerde. Es war nicht vorgesehen dazu, etwa eine der vorhandenen Hl.Schriften ganz zu ersetzen, jedoch wurde verlangt, unter allen Beteiligten die Hoheit Des G0TT vom Sinai zu akzeptieren, von Dem die Juden her kommen. Es darf kein Wesen hoeher gestellt werden.

Nicht erwartet und verlangt wurde, dass jeder Beteiligte das Buch selbst lese, sich darin als gedanklich direkt mit G0TT zu kommunizieren erlebe und selbst auslege, was es fuer ihn im Alltag an Verhaltens-Maximen bringen solle.
Es gehoert von Anfang an in Richter-und-Gelehrten-Hand und hat deshalb ein grosses Beiwerk an Kommentaren. Deren Erkenntnisse sollen ueber ein Lehrer-System den Einzelnen weitervermittelt werden zwecks Bildung einer sozial solidarischen Gemeinschaft, die allen Menschen angeboten werden sollte, ungeachtet ihrer Herkunft, Konfession oder Rasse, unter einheitlichem Recht, das voraussetzt, dass die wirklich ganz gerechte Beurteilung jedem Individuum eines Tages nach dem Tod noch geschehen werde, wenn dann alle Menschen vor diesem G0TT zusammengekommen sind. Es soll allen erstmal fuer dies Leben Regeln geben, an die man sich halten kann.

Du siehst, keins dieser 3 Werke kann direkt der Vorlaeufer eines anderen genannt werden.

"Heiliges Buch", ganz pauschal gesagt, ist auch den Kommunisten "Das Kapital" von Marx und den Rotchinesen das "Rote Buechlein" des Mao geworden. Sie setzten es ja einfach fuer ihre Gemeinschaften an als das Textwerk, das erstmal komplett unveraendert so gelten soll, wie es geschrieben wurde.
In allen Zweifelsfragen hatte man das Textwerk zuratezuziehen und im Meinungsstreit als hoeher gelten zu lassen, dass es auch da so gesagt worden sei.

"Heilig" ist ein profanes Wort dafuer, dass etwas so wie es ist, in Ruhe gelassen werden soll, z.B. der eigene Schreibtisch, das eigene Tagebuch, die sind Leuten auch "heilig", und sie nehmen es uebel, wenn andere darin nach deren Sinn fuer Anordnung oder Wert der Inhalte "aufraeumen" wollten.
Besonders empfaende ein Mensch es als komplett unfreundlichen Uebergriff, wenn jemand dies Tagebuch mit Gewalt naehme und daraus zitierend vor einer Meute von Fremden zitiert, damit die alle lachen und spotten ueber den, der das privat geschrieben hatte.
Einer, der sie menschlich respektiert, wuerde das auch unterlassen.

MfG WiT :.)
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#5
WiTaimre schrieb:Hallo Fritz :)
Einen Bestand an Thorah-Rollen und Megilloth wuerde man als Jude eher als "Lebewesen" bewerten, es ist das Wort, und nicht "Einrichtungs-Gegenstaende" nennen. Die betreffen doch eher das Mobiliar.
Thorah-Schrein (Aron) zur Unterbringung unserer Lebendigen Worte - dafür wird oft eine eigene Nische gemauert -
und Lesestand (Bimah) zum Verlesen der Hl.Texte (Hauptzweck, und das benötigt Platz fuer mehrere Personen zugleich)
- und ich meine auch, in Europa zumindest (incl.Land Israel) auch die Gebets-Staende, in denen die hoerende Gemeinde Platz nimmt, das ist wesentlich an einer Synagoge.
Hmm, wesentlich im Sinne das Wesen einer Synagoge ausmachend? Muss man dann nochmal differezieren zwischen den ländlichen Gebets-Stüberln und schlichten Synagogen? Ist ein fürs gemeinsame Zusammenkommen bestimmter Raum KEINE Synagoge mehr ohne Schrein und Bima? Tuts da ein mittiger Tisch und Ein Schrankfach für die Schriften nicht ebenso? Gerade wenn man z.B. in Westfalen einige Jahrhunderte zurückgeht, wird doch vieles nicht ganz so edel ausgesehen haben, als uns die museale Erinnung glauben zu machen sucht ... vielleicht auch mangels konkreter Überlieferung ... Die heute beschriebenen Landsynagogen reichen doch kaum weiter als Mitte des 19. JH. zurück. Das lässt auch Schlüsse auf vormalige fast provisorische Bauqualität aufgrund des eher ärmlichen Lebensstils zu. Nur tat dies der Gültigkeit kultischer Gemeinschaft kaum Abbruch. Wegen wirtschaftlichen Aufschwungs UND preussischer Konzentrations- und Regulierungswut blieben ab etwa 1850 dann nur noch weniger aber ansehnlichere Synagogen nach. - wenn ich mich da ganz irren sollte ...

Fritz
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

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#6
WiTaimre schrieb:Die Hl.Bibel der Christenheit ist nicht ueberall gleich lang, einige liessen spaeter ca.1/3 der Texte der anderen weg,
Hmm, die Juden nicht ebenso und vor ihnen? Folgt da christliche nicht NUR verschiedenen jüdischen Traditionen?

Bei dem sog. Drittel marginalisiertem Text geht es doch um das "Sondergut" des grichischen Alten Testaments, der Septuaginta ... einem wahrend der Zeitenwende aktuellem jüdischen Schriftkanon, durch alexandrinische Diasporajuden initiiert. Der strengere um 1/3 reduzierte hebräische Kanon entstand doch erst wieder am Ende des 1. JH. nach der Zeitenwende, weit nach Zerstörung Jerusalems und Zerstreuung ... vielleicht auch in bewusster Abgrenzung von den sich gerade herausbildenden urchristlichen Traditionen. Die Legende von der ganz stabilen Textgestalt und Textumfang scheint mir historisch eh einigermaßen zweifelhaft. Zu sehr differieren die (jüdischen) Textfunde voneinander ...

Fritz
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#7
Fritz7 schrieb:
WiTaimre schrieb:Die Hl.Bibel der Christenheit ist nicht ueberall gleich lang, einige liessen spaeter ca.1/3 der Texte der anderen weg,
Hmm, die Juden nicht ebenso und vor ihnen? Folgt da christliche nicht NUR verschiedenen jüdischen Traditionen?

Bei dem sog. Drittel marginalisiertem Text geht es doch um das "Sondergut" des griechischen Alten Testaments, der Septuaginta ... einem wahrend der Zeitenwende aktuellem jüdischen Schriftkanon, durch alexandrinische Diasporajuden initiiert. Der strengere um 1/3 reduzierte hebräische Kanon entstand doch erst wieder am Ende des 1. JH. nach der Zeitenwende, weit nach Zerstörung Jerusalems und Zerstreuung ... vielleicht auch in bewusster Abgrenzung von den sich gerade herausbildenden urchristlichen Traditionen. Die Legende von der ganz stabilen Textgestalt und Textumfang scheint mir historisch eh einigermaßen zweifelhaft. Zu sehr differieren die (jüdischen) Textfunde voneinander ...

Fritz
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#8
Schalom, Fritz :)
Zitat:Hmm, wesentlich im Sinne das Wesen einer Synagoge ausmachend? Muss man dann nochmal differezieren zwischen den ländlichen Gebets-Stüberln und schlichten Synagogen? Ist ein fürs gemeinsame Zusammenkommen bestimmter Raum KEINE Synagoge mehr ohne Schrein und Bima? Tuts da ein mittiger Tisch und Ein Schrankfach für die Schriften nicht ebenso?
Ohne "Schrein" wird auch die kleinste Stube nicht sein, denn wenn auch eine Synagoge in nach unten offener Grenze klein und arm sein kann, wird einer, der in dem Zimmer eine Schriftrolle hütet, ihr einen Schrank fuer sie gesondert goennen. 10 Mann oder 10 Frau, die erst eine "Gemeinde" bilden koennen, werden das zusammen mal immer noch hinkriegen, dass ihre Hl.Thorah ihren respektierten Ort hat.
Als "Bimah" bezeichnet man den Lesetisch wegen seiner Funktion, natuerlich kann man dazu jeden beliebeigen Tisch nehmen, der daist, wenn man arm ist, ist doch schon der Tisch, wo Juden essen und am Sabbath die Lichter brennen, ein heiliger Gebetsaltar.  
Wenn es aber Leute dann besser haben, moechten wir, dass unser Hl.Versammlungsort es am Besten von allen in der Gemeinde habe, folglich steigt die Schoenheit und Kostbarkeit der Einrichtungen im Masse, wie es mal ab und zu Reichere gibt oder gab.
Zitat:Gerade wenn man z.B. in Westfalen einige Jahrhunderte zurückgeht, wird doch vieles nicht ganz so edel ausgesehen haben, als uns die museale Erinnung glauben zu machen sucht ... vielleicht auch mangels konkreter Überlieferung ... Die heute beschriebenen Landsynagogen reichen doch kaum weiter als Mitte des 19. JH. zurück. Das lässt auch Schlüsse auf vormalige fast provisorische Bauqualität aufgrund des eher ärmlichen Lebensstils zu. Nur tat dies der Gültigkeit kultischer Gemeinschaft kaum Abbruch. Wegen wirtschaftlichen Aufschwungs UND preussischer Konzentrations- und Regulierungswut blieben ab etwa 1850 dann nur noch weniger aber ansehnlichere Synagogen nach. - wenn ich mich da ganz irren sollte ...
Ja, so ungefaehr lief das ab, mitunter zu Ungunsten der synagogalen Herzlichkeit und Gemuetlichkeit, "bei sich zuhause" zu sein, bestand der Preussenkoenig im 19.Jhd mit Ausblick auf eine Kaiser-Werdung auf "Erhabenheit" - in Kassel, die Liberale Neue Synagoge, die hatte hoch oben am Giebel eine Gestaltung der Gesetztafeln Moses, da amuesierten sich die Landjuden drueber und sagen: "Ja, gugge-mal, die Gebote! - hoch genug, dass die koaner uebertreten kann..."

In unserm Ort hatten sie grad mit Muehe das Geld zusammengekratzt und eine Scheune ersteigert - vor 1806 durften wir doch überhaupt keine Immobilien haben - die baute man sinnreich um in Gebetsraum, Kuesterwohnung, Sozial-Einlieger-Stube, Gaertchen dahinter fuer die Armenspeisung am Sabbath - aber die Unkosten waren noch drin, um der Hl.Thorah auch eine gemauerte Bimah an diese nette kleine Fachwerkscheune anzufügen

Das Geld trieben wir auf durch Versteigern der Ehre, wer vorliest - der Reihe nach und jeweils an den Hoechstbietenden zuerst (wir brauchen je 3 dafuer, einen Israel, einen Levi und einen Cohen, jeder kommt 2 mal dran) - das Vergnuegen galt nicht als genug "erhaben an heiliger Staette" - der Staat verbot es uns

- 10 Menschen waren nicht immer zu kriegen, weil jeder Freiherr rundum mal 2 oder 3 Juden "halten" durfte. Nun teilte sich das noch in a) herkoemmliche Konservative b) kaiserlich gewuenschte erhaben-deutsch betende Liberale und c) etwas erschrockene nun ploetzlich strikt neu-Orthodoxe - und eher noch seltener kriegten diese je 10 Mann zusammen.

Die Gemeinde hatte sich sogar besonders angestrengt und "koederte" einen Thorah-Lehrer fuer die kleine Gemeinde herbei, mithilfe eines teuren Holzrahmen-Bettes mit richtiger Bettleinwand-Ausstattung, weil wir gehoert hatten, dass Staedter eventuell nicht mehr wie wir auf Strohlagern schlafen wollten. Wir kriegten auch einen, uj, der konnte Hebraeisch, und dawnen und singen, und lehren - aber der konnte kein Hochdeutsch und bestand nicht das Staatsexamen - also verbot ihn der Staat uns

Liberal und auf Deutsch teils sehr eigenartige Gebetbuecher benutzen -das war uns zu ungewoehnlich - strikt orthodox wiederum - dazu waren wir nicht gelehrt genug - und unser begabtester eigener Talmud-Schueler verstarb schon als Schueler an TBC oder so. Hochdeutsch redeten da herum nur Beamte von auswaerts - unsere paar Kinder haetten wir mit den katholischen paar Kindern zusammen in 1 Zwergschule schicken duerfen - zusammen haette es fuer 1 Schulmeister gereicht - oder man schickte sie - oft noch in Schuhen aus Filz, selbstgenaeht - noch ein paar km weiter zu dem Dorf, wo es viele Judenfamilien gab, wo auch der Friedhof fuer alle zuerst war.
Es galt wiederum als "unsittliches Verhalten" (weil "nicht Sitte" der Region) wenn unsereiner ausser der knappen preussischen Schule (=4 Grund-Rechenarten, Auswendiglernen, Schreiben, Lesen, Singen, Geschichte der preuss.Siege, und - Apfelbaeumchen pflanzen) fuer ausschliesslich spaeter wehrfaehige Knaben - den Kindern samt der Maedchen, am Nachmittag etwa, auch noch Prozent-Rechnen, Englisch, Franzoesisch oder Italienisch, Griechisch, Latein (falls eins Arzt werden sollte) mehr Geschichte, sowie Hebraeisch und Geografie beibrachte. Ein Tadel fuer "unsittliches Verhalten" dieser art und gar "Quaelen der zarten Kinder durch doppelte schulische Belastung" wirkte sich empfindlich aus, im Preussenstaat. - Unsere Kinder lernten daher ab dem 3.Lebensjahr das Nötigste auf Hebraeisch zu schreiben und lesen. Ältere Kinder schickten wir zum Weiterlernen eventuell ins Baltikum, nach Polen oder nach Italien. Hauslehrer von dort pflegten seit Jahrhunderten die Runde zu machen und nahmen sie dann mit. Das war nicht immer optimal, und ging manchmal komplett schief, aber wenigstens halfen Reichere hier den Aermeren mit Stipendien aus.

Weil man noch nicht Recht hatte, sich selber Holz zum Heizen zu holen, obwohl drumherum eins der groessten Waldreviere war, pflegte die ganz Gegend sich Misthaufen von aussen dicht an die zugigen Fachwerkwaende zu packen, was im Winter wenigstens etwas das Haus heizt, und es frieren die Wasserleitungen nicht ein. - Das war aber nicht "erhaben", befand die koenigliche Kontrolle - es wurde verboten vom Staat.

Wir hatten sogar ein super-modernes WC im Synagogenhaus eingebaut - das galt leider auch nicht als genug erhaben - wir mussten ein Herzchenhaeuschen an die aeusserste Ecke des Gartens stellen und das WC abreissen.

Als "erhaben genug" galt es, dass am Sabbath unsere Maenner eigentlich einen Zylinderhut aufsetzen sollten, wenn sie muessig durch das Dorf spazierten, um zu beten, wenn alle Welt drumherum Hausputz-Tag hatte ...

Die rituelle Bad-Stube unter der Synagoge wurde wegen Bausicherheit zu betreiben verboten und geschlossen - man haette ja nahebei zwei kleine Fluesse nehmen koennen - oder so - wo durch die Schwemme die Last-Karren und Kutschen mit Pferden hindurch-fuhren und ritten (dann hielten die Holz-Raeder fester, wenn sie oefter durchnaesst werden)

Je erhabener die allgemeine Anforderung an uns wurde, desto mehr fuehlten wir uns infolge unserer armen Gemeinde blossgestellt und aermlich - umsomehr verlor sich das Freuen an der Lehre - laut durfte man nicht sein, lachen sollte man nicht im Gebetshaus - irgendwonach riechen durfte es nicht mehr - Lehrer zu besorgen, die einfach das, was wir zusaetzlich brauchten, haetten lehren koennen, kriegten wir nicht mehr - es war im Winter zu kalt - Zum Reinigungsbad musste man wer-weiss-wie-weit laufen, der Zylinder als Schabbesdeckl loeste Lachsalven bei unsern Nachbarn und uns gegenseitig aus - einer nach dem andern zog dann fort, nach Amerika oder in die grossen Staedte

Schliesslich waren wir also so erhaben geworden, dass wir nicht mehr genug Gemeinde waren, um das Bethaus zu finanzieren, da wurde der bewohnbare Anteil an Christen vermietet. Nur deshalb wurde uns dann am 9.Nov. der "spontane Volkszorn" erlassen, aber derr Vorsitzende musste auf dem Marktplatz die Kaiserdeutsche Fahne mit Benzin verbrennen, denn wir seien des Deutschen nicht mehr wuerdig genug - der alte Mann weinte verzweifelt und brachte das nicht fertig, die Gemeinde war doch seit 300 Jahren hier gewesen - schliesslich, ehe man den zusammenschluege, tat es Isidor Lorsch, der Schuster, sein Sohn, dessen Frau Selma in der Kueche immer so gerne sang "Tief drunt' im Boehmerwald" - und das Haus blieb bestehen.

Der, dem es zufiel, hat es spaeter leer gelassen, aber das Dach neu gedeckt und die Waende gesichert, falls wir wiederkaemen.
- Es fanden sich aber niemals mehr 10 juedische Beter in diesem Ort. Wenn man auf die leeren Augen des Hauses schaute, hoerte man geradezu dieses Loch in der Luft, dass von dort her keine Gebete mehr aufsteigen unf kein Schofar mehr zu Neujahr das Volk zusammenruft, es zankt sich niemand mehr um die Ehre, vorlesen zu duerfen und man hoert keinen "Krach-wie-in-der-Judenschul" mehr herausschallen -  

So gesehn - das Wesentliche an einer Synagoge ist nicht etwas Architektonisches, sondern es sind die dazu gehoerigen Menschen mit unserer "Sabbath-Braut", der Hl.Thorah

mfG WiT
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#9
WiTaimre schrieb:Der, dem es zufiel, hat es spaeter leer gelassen, aber das Dach neu gedeckt und die Waende gesichert, falls wir wiederkaemen.
- Es fanden sich aber niemals mehr 10 juedische Beter in diesem Ort. Wenn man auf die leeren Augen des Hauses schaute, hoerte man geradezu dieses Loch in der Luft, dass von dort her keine Gebete mehr aufsteigen unf kein Schofar mehr zu Neujahr das Volk zusammenruft, es zankt sich niemand mehr um die Ehre, vorlesen zu duerfen und man hoert keinen "Krach-wie-in-der-Judenschul" mehr herausschallen -  

So gesehn - das Wesentliche an einer Synagoge ist nicht etwas Architektonisches, sondern es sind die dazu gehoerigen Menschen mit unserer "Sabbath-Braut", der Hl.Thorah
Ja, das scheint bedrückende Realität heute auf dem Lande, wo denn noch eine ehem. Synagoge der Zerstörung entgangen ist.
Ich HOFFE immer noch, dass sich aud dem Wachsen der jüdischen Gemeinden durch Einwanderer auch noch mal hier oder da ZEHN zusammentun, um einer Judenschul authentisch jüdisches Leben einzuhauchen ... und die muffige deutsche "Erinnerungskultur" etwas austreiben. Nichts gege Erinnerung ... aber Judentum ist für mich nicht nur museal und nicht auf rund 12 braune Jahre zu reduzieren.

Das Wesentliche, Synagogen-Gemeinschaftstiftende von der Möblierung weg auf Menschen um Thora versammelt verschoben zu sehen, käme meinem Verständnis sehr entgegen. Mich hats irritiert bei der Überlegung, was bei wohl heutigen Schulkindern ankommt und haften bleibt bei solchen Fragebogen, die dann als WESENTLICH mehr auf Innenarchitektur als Inhalte verweist. Aber das kommt wohl dabei heraus, wenn vormalige jüdische Ortskultur nur noch von chr. Religions- und Geschichtslehrern vermittelt wird ...

Fritz
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
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#10
 
Zum besseren Verständnis ein paar Sätze aus dem Buch von Rabbiner S. Ph. Devries: »Jüdische Riten und Symbole

Name und Bedeutung
Zitat:Will man wissen, was die jüdische Synagoge ist, darf man sie nicht mit der allgemeinen Vorstellung vergleichen, die man von einem G´ttes haus aus der näheren Umgebung hat. Zuerst müsste man das Bild der Kirche völlig aus den Gedanken verbannen. Denn allein ihr Name beinhaltet etwas ganz anderes: Das griechische Wort »Synagoge« gibt denn auch sinngemäss den hebräischen Ausdruck »Beth Haknesset« wie der, was »Haus der Versammlung«, »der Zusammenkunft« bedeutet. Und dieser Begriff bringt genau das zum Ausdruck, was sie ist. Aber im jüdischen Volksmund hat sie eine andere, viel treffendere Bezeichnung.

Im Laufe der vielen Jahrhunderte, als die grosse Mehrheit der Juden in deutschsprechenden und slawischen Ländern unterdrückt und immer wieder vertrieben lebte, als sie aus der allgemeinen Gesellschaft gestossen wurde und man sie zwang, abgesondert in eigenen Gegenden und Stadtvierteln zu wohnen, schuf sie sich allmählich eine eigene Umgangssprache. Von allen europäischen Sprachen beherrschten die meisten Juden am besten das Mittelhochdeutsche. Als sich dann in Osteuropa, wo man slawische Sprachen sprach, jüdische Zentren bildeten, die zunehmend mehr Juden anzogen, die den Schwierigkeiten entflohen, hielten sie an ihrer Sprache, dem Mittelhochdeutschen, fest. Sie brachten sie mit sich mit, bereicherten sie mit Ausdrücken aus der Sprache ihrer neuen Heimat. Daneben gebrauchten sie auch hebräische Wendungen aus der Bibel, aramäische aus der Talmudliteratur und neuhebräische aus den rabbinischen Schriften, und auch sie wurden in ihre tägliche Umgangssprache eingegliedert. Auf diese Weise wurde das Jiddische geboren, die Sprache, in der sich die Juden am heimischsten fühlten. Im Verlauf vieler Jahrhunderte und inmitten der verschiedensten Landessprachen wurde das Jiddische die Sprache der Juden, an sie gewöhnten sie sich wie die Menschen in der Provinz oder der Dorfbewohner an seine Mundart. Und nur in ihr kann man sich voll verständigen, kommt sich wirklich nahe, spricht die Seele zur Seele. Das ist die eigentliche Volkssprache. Und in dieser Volkssprache heisst die Synagoge »Schul«, das heisst die Schule. Damit ist schon viel gesagt, aber noch nicht alles.

Wo war die Synagoge am lebendigsten?

Wo lag sie am häufigsten in den Zentren mit einer grossen jüdischen Bevölkerung?

Der Puls des Judentums schlägt am lebendigsten dort, wo »gelernt« wird. Hat sich an einem Ort eine Gruppe von Juden niedergelassen, kommen sie schon bald zusammen, um gemeinsam zu lernen. Sie kaufen Bücher, treffen am Schabbat und am Feierabend nach der Arbeit zusammen und setzen sich unter dem Vorsitz desjenigen an einen Tisch, der sich berufen fühlt, sie zu leiten, oder den sie als dafür geeignet betrachten, und sie fangen an zu lernen. Und je nach dem Umfang ihrer Vorbildung im Bereich des Judentums studieren die Teilnehmer die fünf Bücher Moses mit dem allgemein beliebten Raschi-Kommentar; den »Schulchan Aruch« mit seinen genauen Anweisungen zum täglichen Leben oder eine seiner »Kurzfassungen«, von denen es mehrere gibt, auch solche, die gar nicht so kurz sind; die Bibel allgemein, mit oder ohne Kommentaren; die »Mischna«, die den Kern des »Talmud« bildet, aber ohne die Erläuterungen und Diskussionen, die schon von besonderen Kommentatoren gesammelt, stark zusammengefasst und niedergeschrieben wurden, oder auch den »Talmud« selbst. Den jedoch im allgemeinen weniger häufig, weil es zumindest in den Ländern des Westens dafür kaum die Instruktoren mit dem nötigen Fachwissen gibt, genauso wenig wie die dafür vorgebildeten Zuhörer.

Das Zimmer, in dem gelernt wird, ist der Ort der Zusammenkunft. Es ist das »Beth Hamidrasch«, das heisst das allen zugängliche Unterrichtszimmer. Fast alle wichtigen jüdischen Zentren, praktisch jede jüdische Gemeinde besitzt mehrere solcher Unterrichtszimmer, die immer, Tag und Nacht, offen stehen. Und praktisch halten sich denn auch immer Besucher in ihm auf, entweder sitzen sie in kleinen Gruppen zusammen, oder es sind Einzelgänger.

Und gleich wird auch der Unterrichtssaal zum Gebetshaus. Die Zusammenkünfte, bei denen der Geist Nahrung erhält, werden so geregelt, dass sie mit den für den G´ttesdienst bestimmten Zeiten zusammenfallen. Und der G´ttesdienst findet direkt im Unterrichtssaal statt. Was allerdings nicht bedeuten soll, dass der G´ttesdienst blosse Zugabe wird. Im Gegenteil, dadurch wird er erhoben. Seit jeher erfreute sich das Unterrichtszimmer bei den Juden einer grösseren Wertschätzung und war wichtiger für das Judentum als das Gebetshaus. Wer sich dem Studium widmet, hat viele andere religiöse Pflichten damit aufgewogen. Denn schon immer wussten die Juden, dass Wissen auch Macht und Stärke ist. Ja, das Wesen selbst des Judentums basiert auf dem Studium, auf der Wissenschaft des Judentums. Wer sich in diese Kultur einlebt, wer sie sich aneignet, der stützt sich auf sie und überliefert sie auch. Das gilt immer und überall, insbesondere jedoch zu solchen Zeiten und unter solchen Umständen, in denen die Juden von anderen, mächtigen Kulturen umgeben sind und unzählige, vielfache und fremde Strömungen in sich aufnehmen.

So wurde aus dem Unterrichtszimmer auch die Synagoge, die gleich bedeutend wurde mit dem Unterrichtssaal. Und deshalb wurde sie im Volksmund als »Schul«, das heisst Schule, bezeichnet. Diesen Namen hat sie dann auch beibehalten, selbst wenn sie in den meisten Fällen schon längst nicht mehr die weiter oben ausgeführte Aufgabe erfüllt und keine »Schul« mehr ist.

Das Innere
Zitat:Betritt man eine Synagoge, fällt einem sofort auf, dass sie in zwei Teile geteilt ist: einen für die Männer und der zweite für die Frauen. Die Frauenabteilung befindet sich meistens auf einer Galerie oder einem Balkon, oder sie schliesst sich unmittelbar dem Raum für die Männer an, und zwar ebenerdig oder erhöht oder auch zu beiden Seiten rechts und links. Das ist jedoch kaum wesentlich und hängt ganz vom Bauentwurf und dem zur Verfügung stehenden Raum ab. Wie dem auch sei, auf jeden Fall sitzen Männer und Frauen getrennt. Daraus hat man den Schluss gezogen, im Judentum sei die Frau minderwertig, und aus diesem Grund sitze sie in eine Ecke oder auf einen Balkon verbannt. Aber diese Schlussfolgerung ist falsch. Im Gegenteil, die getrennte Sitzanordnung in der Synagoge basiert auf einer ganz anderen Idee als der der Unterlegenheit der Frau. Nebenbei bemerkt gibt es kaum eine andere Gesellschaft, in der die Frau so in Ehren gehalten wird wie in der jüdischen. Denn sie ist die Herrin des HAUSES, oder knapp und treffend, wie der Talmud es sagt: Die Frau - sie ist das HAUS! Und absichtlich steht hier Haus mit Grossbuchstabens. Leider ist es in unserer Zeit ja so, dass das Heim aufgrund der sozialen Verhältnisse oder auch Missverhältnisse häufig nicht mehr den Kern der Gesellschaft bildet. Bei den Juden ist es jedoch immer noch so, und sie möchten es auch so in der Zukunft sehen. Die Frau ist also voll verantwortlich für das Heim. Und dort befindet sich auch der eigentliche Mittelpunkt des religiösen Lebens. Von dort müssen Wärme und Begeisterung ausstrahlen. Denn das religiöse Leben zu Hause beschränkt sich nicht nur auf Gebet, Lesen der Bibel und das sorgfältige Einhalten aller rituellen Vorschriften, die zusammen dazu bestimmt sind, den Herrn zu Hause zu ehren. Wichtig ist auch die Ergebenheit im Haus, die in ihm vorherrschende religiöse Stimmung. Aus diesem Grund ist auch die Mutter voll verantwortlich für die religiöse Erziehung der Kinder, selbst wenn sie persönlich keinen Anteil an Gebet und G´ttesdienst hat Deshalb ist ihr ganzes Leben ein einziger anhaltender Dienst an G´tt, der jeden G´ttesdienst auf wiegt. Und wenn man das eine ganz bewältigen will, bleibt kaum noch Kraft Für das andere. Wenn die Frau also voll ihre Aufgabe als Gattin und Mutter erfüllt, ist sie von der Verpflichtung befreit, auch noch andere Aufgaben während des G´ttesdienstes zu erfüllen. Deshalb beteiligt sie sich nicht im gleichen Umfang am öffentlichen Gemeindeg´ttesdienst wie die Männer, der - davon soll noch später ausführlich die Rede sein - erst durch die aktive Teilnahme aller Anwesenden diesen Namen verdient. Die aktive Teilnahme ist also Aufgabe der Männer, während die eigentliche Aufgabe der Frau auf einem anderen Gebiet liegt. Aus diesem Grund schreibt ihr die religiöse Pflicht nicht einmal den Synagogenbesuch vor - jedenfalls nicht dann, wenn sie seinetwegen eine ihrer häuslichen Pflichten vernachlässigen müsste. Allein schon diese Tatsache, dass sie sich nicht aktiv am G´ttesdienst beteiligt, dass ihr nicht die gleichen Pflichten wie dem Mann auferlegt werden, rechtfertigt die getrennte Sitzordnung. Darüber hinaus war man der Ansicht, dass notwendiger Ernst im G´ttesdienst und die ihm gebührende Aufmerksamkeit gestört werden, wenn Männer und Frauen im gleichen Raum zusammensitzen. Mit der Frage, die uns weiter oben beschäftigte- ob die Frau im Judentum nun als minderwertig gilt oder nicht -, hat das überhaupt nichts zu tun. Wenn jedoch jemand in dieser Hinsicht misstrauisch ist und deshalb auch die Trennung anordnet, dann sind die Männer davon nicht weniger betroffen als die Frauen. Auf keinen Fall kann daraus die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Frau im Judentum eine niedrigere Stellung als der Mann einnimmt.

Mitten in der Synagoge erhebt sich ein Podest. Das ist die »Bima«, das heisst die Erhöhung. Gelegentlich wird sie auch als »Almemmor« bezeichnet, was auf arabisch das gleiche bedeutet. Von diesem Podium aus wird die Torah, die an die Menschen gerichtete Lehre, vorgelesen. Und diese Vorlesung ist der wesentliche Mittelpunkt jedes G´ttesdienstes, zumindest jedes Hauptg´ttesdienstes. Sie ist der Grund dafür, warum überhaupt ein G´ttesdienst abgehalten wird, und deshalb findet er auch stets in Anwesenheit einer Gruppe statt, wovon noch später die Rede sein soll.

Die Torah ist jedoch kein Buch, sondern eine »Gesetzesrolle«, aus der vorgelesen wird. Jede Synagoge besitzt im allgemeinen mehrere solcher Schriftrollen. Sie sind der am meisten geschätzte Besitz der Gemeinde. Und in der Synagoge wird ihnen sogar ein eigener Platz zugewiesen: die »Bundeslade«, wie sie in der Vergangenheit hiess, heute der »Torahschrein«. Er liegt stets an der Ostwand des Gebetshauses. Für ihn wurde in die Wand eine Nische gebaut oder ein Schrank vor die Wand gestellt, und es kann auch ein Schrank in einer Nische sein. Gemäss seiner heiligen Aufgabe als Hüter der Torahrollen ist der Torahschrein entsprechend eingerichtet und geschmückt. Die Juden in Deutschland hängen einen Vorhang vor den Eingang.

Die Bezeichnungen für Bundeslade und Vorhang - Aron »Hakodesch« und »Parochet« - gehen noch auf die Lade zurück, in der die steinernen Gesetzestafeln erst in der »Stiftshütte« und dann in »Salamos Tempellagen«. Damals stand die »Bundeslade« im »Allerheiligsten«, das ein Vorhang vom »Heiligen« trennte. Im zweiten Tempel, den Esra baute und der später »Herodes´ Tempel« hiess, gab es keine Gesetzestafeln mehr.

Vor dem Torahschrein befindet sich der »Amud«, das Bet- oder Lese pult. Hier steht der Vorleser oder Kantor, der »Chasan«, der den G´ttes dienst leitet. Auch auf der »Bima«, könnte er aus der Torah vorlesen, er muss es aber nicht. Das kann ein anderer auf sich nehmen, und dieser andere wird dann nicht mehr »Chasan«, sondern »Koreh«, das heisst Vorleser, genannt.

Um die »Bima«, herum stehen Bänke für die Synagogenbesucher. Für die Synagogenvorsteher wird meistens eine Bank ganz in der Nähe der »Bima« bereitgestellt. Aber es ist keine Pflicht, keine Vorschrift. Häufig stehen alle Bänke an der hinteren Wand und blicken nach Osten, ebenso oft stehen sie zur Mitte, zur »Bima«, hin angeordnet. Das alles ist jedoch ziemlich nebensächlich. Neben dem Platz für die Sitzbänke gibt es ausser dem Lesepult meistens auch noch einen Schrank, in dem die für den G´ttes dienst benötigten Bücher und Ritualgegenstände aufbewahrt werden.

Die Gesetzesrolle
Zitat:Wie bereits erwähnt, erfolgt das Vorlesen der Torah von der Bima herab - dem erhöhten Podest im Zentrum der Synagoge - nicht aus einem Buch, sondern aus einer Schriftrolle. Diese Schriftrolle ist nicht einfach eine Rolle Papier. Ihr altehrwürdiger Charakter ist treu bewahrt worden. Die Gesetzesrolle oder Sefer Torah besteht aus Pergament. Allerdings ist nicht jedes beliebige Pergament, das man im Geschäft kaufen kann, es wert, das Wort G´ttes zu tragen. Sogar die Tierart, aus deren Haut das Pergament hergestellt wird, unterliegt einer Reihe von Einschränkungen. Verwendet werden dürfen nur jene Tiere, die auch nach den Speisevorschriften als rein gelten. Ebenso müssen es braucht wohl kaum noch betont zu werden - das Färben der Häute und alle übrigen Vorbereitungen so vorgenommen werden, dass der Arbeiter stets den heiligen Zweck des Pergaments vor Augen hat.

In Anbetracht dieser Umstände überrascht es nicht, dass die Gesetzesworte nicht mit einer gewöhnlichen Druckmaschine auf das Papier gebracht werden. Die Schriftrolle wird mit der Hand beschrieben, jedes einzelne Wort, angefangen mit: »Am Anfang ...« im ersten Buch Mose, bis zu den letzten Worten im fünften Buch Mose. Ein Sefer Torah enthält den gesamten Pentateuch, das heisst die fünf Bücher Mose, auf einer langen Pergamentrolle. Selbstverständlich gibt es keine einzige Haut, die lang genug für diesen umfangreichen Text wäre. Dar über hinaus wäre das Beschreiben einer derartigen Fläche auch nicht unbedingt bequem. Deshalb wird eine genügende Anzahl von Einzelblättern vorbereitet, die die volle Schriftrolle bilden. Sie werden einzeln beschrieben und anschliessend sorgfältig zusammengenäht. Das Nähen erfolgt mit Fäden, die aus den Sehnen koscherer, das heisst rituell reiner Tiere, hergestellt wurden.

Ebenso muss die Tinte einer Reihe von rituellen und technischen Vorschriften entsprechen. Sie sollte pechschwarz sein und vor allem Bauer halt, damit sie ziemlich dick aufgetragen werden kann, ohne dass sie beim Aufrollen der Schriftrolle rissig wird oder abblättert. Die meisten Schreiber bereiten ihre Tinte eigenhändig nach einem streng gehüteten Rezept zu. Zum Schreiben verwenden sie einen altmodischen Federkiel von einer Gänse- oder Truthahnfeder.

Der Text ist in Spalten angeordnet, wobei eine Spalte im allgemeinen mindestens 40, jedoch nicht mehr als 60 Zeilen umfasst. Gewöhnlich sind die Pergamentblätter so gross, dass vier oder fünf Spalten nebeneinander Platz haben. Insgesamt bestehen die fünf Bücher aus knapp 200 Spalten, was bedeutet, dass für ein vollständiges Sefer Torah 40 Pergamentblätter benötigt werden.

Hebräisch ist eine Konsonantensprache, was aber nicht bedeutet, dass sie keine Vokale besitzt oder dass die Vokale nicht ausgesprochen werden. Im Altertum gab es in der Hebräischen Sprache einfach keine Zeichen für die Vokale. Die heute gebräuchlichen Symbole wurden ge gen das achte Jahrhundert unserer Zeitrechnung erfunden. Demzufolge besteht das geschriebene Hebräische Wort nur aus einer Reihe von Konsonantenzeichen. Aufs Deutsche übertragen würde es bedeuten, »Vater« wie »Vtr« und »König« als »Kng« zu schreiben. Und genauso wird der Pentateuch auch heute noch geschrieben.

Hebräisch wird von rechts nach links geschrieben. Es ist durchaus möglich, dass anfangs alle Schriften so geschrieben wurden. Viele der frühesten Zeichen, die der Mensch für eine »schriftliche« Mitteilung verwendete, wurden in Stein gemeisselt. Dabei hielt der »Schreiber« seine »Feder« in der linken Hand, auf die er mit dem Holzhammer in der rechten Hand schlug. Es ist nur logisch, dass der Schreiber bei diesem Verfahren rechts anfing und weiter nach links auf der zu beschreibenden Fläche fortfuhr. Aufgrund praktischer Entwicklungen hat sich das in der Zwischenzeit geändert.

Es braucht wohl nicht hervorgehoben zu werden, mit welcher Sorgfalt der Schreiber die einzelnen Buchstaben bildet. Die Schönschreibkunst - und sie ist ja eine Kunst - erfordert eine Geduld, die man nicht hoch genug preisen kann. Alle Spalten müssen vollkommen gleichmässig sein, alle Zeilen in einer geraden Linie beginnen und auslaufen. Kein einziges Wort darf getrennt werden, denn bei einer Sprache ohne Vokale muss der Leser das ganze Wort mit einem Blick erfassen können. Abgesehen davon hängt die Aussprache häufig von dem Zusammen hang ab, in dem ein Wort verwendet wird. Wenn man z. B. im Deutschen »Brt« sieht, könnte es dann nicht »Bart« oder »Brot« bedeuten? Deshalb gibt es weder Trennstriche noch einzelne Silben; trotzdem muss jede Zeile genau am Ende der Spalte aufhören. Sollte das unmöglich sein, gibt es nur eine Lösung, nämlich einen Buchstaben zu »verlängern«, bis er bis zum Rand reicht. Allerdings greift ein geschickter Schreiber kaum je zu diesem Mittel, denn eine wirklich schöne, ins Auge fallende Handschrift sollte regelmässig und mit gleichen Abständen geschrieben sein. Vom Anfang bis zum Ende sollte das ganze Manuskript die gleichen typischen Merkmale, die gleiche, deutlich unterscheidbare »Handschrift« aufweisen.

Natürlich wird ein Sefer Torah nicht an einem einzigen Tag geschrieben, sondern in vielen Monaten geduldiger, treuer Arbeit. Der Schreiber weiss, dass er keine gewöhnliche Arbeit ausführt, und er ist sich bewusst, dass jedes Wort »das Wort« ist, so als diktiere G´tt es ihm persönlich. Unter diesen Umständen ist auch nicht der geringfügigste Fehler gestattet. Deshalb muss er ständig aufmerksam und völlig konzentriert arbeiten, damit seine Gedanken nicht zu wandern beginnen. Jeder Nerv ist angespannt, die Konzentration ist absolut, damit Geist und Seele sich auf die Arbeit richten können. Jeden fertigen Abschnitt überprüft er sorgfältig, und wenn die Arbeit vollendet ist, lesen er und andere sie nochmals peinlich genau durch. Der grösste Lohn des Schreibers ist das Wissen, dass er seine hingebungsvolle Arbeit mit reinem Körper und reiner Seele vollenden durfte.

Nachdem alles beendet ist - die Tinte ist völlig getrocknet, und die Blätter wurden zusammengenäht -, wird das erste Blatt, das die Anfangsworte des ersten Buches Mose enthält, an einem Stöckchen befestigt, ebenso wie das letzte Blatt mit dem fünften Buch Mose an einem zweiten. Jetzt kann die Pergamentrolle um die beiden Stöcke zueinander gerollt werden, die lang genug sind, um oben und unten mit kräftigen Griffen versehen zu werden. Zwischen Griff und Stock wird je eine flache Holzscheibe eingeschoben. Sie ist so gross, dass die Ränder des Pergaments im zusammengerollten Zustand auf der Holzfläche ruhen. Damit wird nicht nur das Aufrollen erleichtert, sondern werden die Blätter auch vor Beschädigungen bewahrt, wenn sie auf die Bima gelegt werden.

Jetzt versteht der Leser zweifelsohne, warum das Sefer Thora für die Synagoge solch ein wertvoller Gegenstand ist. Es ist wertvoll im materiellen Sinn, darüber hinaus ist es jedoch vor allem ein geheiligter Besitz. Heilig übrigens im höchsten, nie im gewöhnlichen Sinn des Wortes. Damit will ich sagen, dass es um das Sefer Torah keinerlei Geheimnisse gibt und dass ihm weder eine metaphysische noch eine sakramentale Bedeutung oder Aufgabe zugeschrieben wird. Wenn dem so wäre, hätte ich es wahrscheinlich nicht so sachlich und verhältnismässig nüchtern beschreiben können.

So wie die Gesetzesrolle sorgfältig und voller Ergebenheit hergestellt wurde, so wird sie auch weiterhin behandelt. Ihr Besitz wird gepflegt, damit sie so lange wie möglich für den Gebrauch erhalten bleibt. Die Rolle wird sorgfältig in eine Hülle geschlagen, und man versucht, das Pergament so wenig wie möglich mit der Hand zu berühren. Darüber hinaus ziert man sie mit schönen Tüchern und Schmuck, die in Form von Türmen oder einer Krone an den oberen Handgriffen angebracht sind. Häufig schützt die Hülle an der Vorderseite auch noch ein Schild. Und dieser Schmuck wurde meistens aus Silber gearbeitet, manchmal ist er sehr alt und hat eine sehr schöne Form.

Im allgemeinen sind Hülle und Schmuck der Schriftrollen Geschenke von Menschen, die auf diese fromme Weise ihren Dank für ein besonderes Ereignis in ihrem Leben zum Ausdruck bringen möchten. Auch jemand, der das Andenken eines geliebten Menschen in der Synagoge ehren möchte, macht der Synagoge solche Geschenke. Auf diese Weise erhält die Synagoge von Zeit zu Zeit eine neue Gesetzesrolle. Das ist jedes Mal ein wichtiges Ereignis. Die Rolle wird sehr feierlich eingeweiht, und die ganze Synagoge bereitet ihr einen königlichen Empfang.

Ein Verein, den es in fast jeder Gemeinde gibt, ist für die Pflege und Instandhaltung von Torahhüllen und Schmucksachen wie auch von Wertgegenständen im allgemeinen verantwortlich, genau wie für Erneuerung und Erweiterung des Synagogeneigentums. Gegründet wer den solche Vereine von den Frauen, die sich auf diese Weise in den Dienst der Synagoge stellen. Und die Synagogen sind denn auch ein sichtbares Zeichen dafür wie ernsthaft die Frauen ihrer Aufgabe nach kommen.
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#11
Eigentlich, WiT, eigentlich sollten wir da sammeln.... damit aus der alten Synagoge auf dem Land wieder eine mit Leben erfüllte Synagoge wird. Wir sollten dort, wo vergleichsweise grosse jüdische Gemeinden noch existieren, für das kleine Dorf mit der kleinen Synagoge werben - nicht "nächstes Jahr in Jerusalem", sondern "nächstes Jahr in der Landesynagoge".

Die Landesfürsten, die Preussen, die Könige und Kaiser, die Nazi`s haben soviel von der reichen jüdischen Kultur vernichtet - man sollte sich mal auch als Nicht-Jude vermehrt darum bemühen, wieder etwas von dieser schönen Kultur, die trotz Diaspora und Verfolgungen auch die christliche Kultur bereichert hat, wieder zu gewinnen.
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#12
Hallo Nadja
- danke fuer das ausfuehrliche informmative Zitat zu diesem Thema :)
Nett von Dir, es rauszusuchen :)
Hallo Thomas :)
Zitat:Eigentlich, WiT, eigentlich sollten wir da sammeln.... damit aus der alten Synagoge auf dem Land wieder eine mit Leben erfüllte Synagoge wird.
- Wir sollten dort, wo vergleichsweise grosse jüdische Gemeinden noch existieren, für das kleine Dorf mit der kleinen Synagoge werben
- nicht "nächstes Jahr in Jerusalem", sondern "nächstes Jahr in der Landesynagoge".
Eigentlich seh ich das ein, aber da ist ein Problem - es ist schon sehr schwer, bei zu kleiner Gemeinde-Groesse eine Gemeinschaft auf das Land zu ziehn, wie sie frueher mal moeglich war. Mindestens 10 Mann / 10 Frau im Minimum benoetigt es, einen Gemeinde-G0TTES-Dienst zu beten, und das bedeutet doch, dass in erreichbarer Entfernung bei konservativer oder orthodoxer Richtung etwa 100 juedische Menschen Arbeit und Unterkunft finden muessen - stellenweise ist das durch Neu-Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjet-Union ja geschehen - aber das ist nicht gleich dadurch eine Gemeinschaft, denn diese hatten doch bis kurz von 1991 nicht die geringste Chance auf religioese Unterrichtung und Praxis in ihrem Glauben und kennen einander doch nicht schon untereinander - und Deutsch ist ihnen oft nicht bekannter als Hebraeisch. Das sind also erst keine 20 Jahre.
Zum Andern - das Faktum bleibt und bleibt traurig:
es gab eine deutsch-juedische Zeit von den Roemern an bis 1942. Das war nicht immer gut ertraeglich, aber boden-staendig gepraegt von dem Mit-Einander zum Roemer-Reich und dem alten Imperium der Kaiser bis 1806 - es war ein Kontinuum mit Hoehen und Tiefen in den Beziehungen zum nordlichen Schicksal des Christentums.
Das ergab ein "Profil" an Ereignissen und Personen, die uns hier etwas bedeuteten und die beeinflussten, wie es dem modernen noerdlichen Judentum in all diesen Laendern dann von 1806 bis 1942 weiter erging, wie es sich teilte in liberale und orthodoxe und konservative Personen, Meinungen, ganze konfessionell-gesonderte Schulen - das war so oft zentral auch aus dem Deutschen heraus gedacht und empfunden - es war immer noch ohne die Chance auf das Land in Land Israel, als hier herum Nationen sich herausdifferenzierten und "bereinigten"
- und das fuehrte dazu, sich schliesslich auch wieder als Nation Israel zu definieren, wenn man denn grad der religioesen Herkunft wegen gar nicht von den andern her sein konnte, logisch.
Das eben wurde total personell vernichtet, hier - also das Selbe ist nicht mehr "wieder" erstellbar. Wer auch immer hier ins Land neu einzieht und juedisch ist, kann natuerlich wieder Gemeinden bilden und zum Beten alte Synagogen zu kriegen versuchen oder neue bauen, es findet sich aber nun nicht dessen einstiger Nachbar erneut, denn dieses "gewisse" Etwas des Vertrautseins war zu lange unterbrochen
- und die, deren vertraute Nachbarn des neuzugewanderten Juden oder deren Eltern, Vor-Eltewrn waren, werden nicht die von hier sein.

Das geht ja schon den Ost-Vertriebenen so, Ostpreussen, Schlesier, Sudeten - wer da ist, wo diese Familien her sind, ist gewoehnlich jemand, dessen Vorfahren genau dort damals ja auch gar nicht waren -da ist kein Wieder-Erkennen von Namen, Adressen, Lokal-Ereignissen moeglich.
Es ist seelisch dann einfacher, es so hinzunehmen wie es ist: man kommt an einen rt der WElt neu hin und hat "vielleicht" ein paar Anknuepfungs-Punkte, das ist schon auch gut - es ist nicht Heimkehr.
Zitat:Die Landesfürsten, die Preussen, die Könige und Kaiser, die Nazis haben soviel von der reichen jüdischen Kultur vernichtet
- man sollte sich mal auch als Nicht-Jude vermehrt darum bemühen, wieder etwas von dieser schönen Kultur, die trotz Diaspora und Verfolgungen auch die christliche Kultur bereichert hat, wieder zu gewinnen.
Diese Aufzaehlung trifft es nicht genau:
"reich" ist die juedische Kultur durch jeden Kulturwandel zusaetzlich geworden, und auch um das, was da zwischendurch unter Kaisern und Koenigen und Landes-Herren und Staaten entwickelt wurde, ist es schade fuer beide Seiten, was nun im Judentum auch mit den Personen, die sich verkoerpernd erinnerten, komplett "historisch" gemacht worden ist - museums-wissenschaftlich "gewesen" - aber deprimierenderweise "prae-historisch", obwohl erst vor 70 Jahren geloescht.
Es ist zum Trost, aber nicht im Kontinuum, ein neuer "Reichtum", der sich ab dann und deswegen im Judentum kulturell entwickelte, Erfahrungen, Erlebnisse unter wieder neuen Konditionen seit "1942..." und ab "Intifada II" - es ist wie neue Zeitrechnungen nach tiefen Schocks - nicht weniger gravierend als Noahs Sintflut
- sicher ist nur:
G0TT ist Derselbe, ER war immer mit betroffen und dabei - und ER sah alles genau und nahm es in Sein Herz hinein - ER hat keines Seiner Gebote wegen irgendetwas, das geschah, zu aendern brauchen - ER ist auf allen Seiten unmittelbarster Zeuge von Glueck oder Leid - ER behaelt Zukunft und Gegenwart.
Im "familiaeren" Sinne ist ER insbesondere nur-Israels G0TT, denn andere hatten noch zusaetzlich Geschichten, Identitaeten, und wenn sie IHN zu verehren waehlten, waehlten sie - Israel "hat" IHN "einfach" und exakt von Abraham, Isaak und Jakob anvertraut bekommen.

Was besagt das fuer gehabte Synagogen? - Das ist schwer zu sagen
- im Herzen wuenschte ich mir einfach, sie seien es noch- oder wieder-belebt
- ich fuehl mich wohl in solchen, die einen Faden an Kontinuitaet haben, dass noch Ehemalige genug zusammenkamen, um den Dienst neu anzufangen
- ich fuehl mich betrogen, wenn man eine abriss und eine Tafel an deren Stelle die Meldung hinterlaesst
- ich fuehl mich verwirrt und etwas verstimmt, wenn ein Museum darin errichtet wird oder etwas "fuer die Kultur" Relevantes, auch wenn das Achtung und Respekt ausdruecken soll (was ich durchaus als anstaendigen Gedanken anerkenne) - denn hiermit lebten Leute, die nicht im Sinn hatten, ein Element "Kultur" zu sein
- ich konnte mich einleben in ganz neu gebauten oder eingerichteten, wo ich wieder Gemeinde finde - ich geh ja schliesslich um des Betens vor G0TT willen hin - ER ist Der Selbe - "wir" sind auch das
- vielleicht beruehrte es mich doch am tiefsten, diese eine Synagoge, die leere von vor meinem damaligen Fenster, die gewissermassen ratlos instandgehalten wurde, aber zu gar nichts mehr benutzt - denn sie praesentierte in ihrer Umgebung jene Leute, die das mal belebten, im Echo derer, die drumherum wohnen blieben und sich erinnerten - die erinnerten sich an den Schuster Isidor und die in der Kueche singende Caroline und den Schneider Stern, der sich nicht ins Ausland retten wollte, weil seine Familie noch nie im Ausland war seit 1648 - mit denen fuehle ich mich seitdem richtig verwandt, obwohl ich neu hinzuzog und sie nicht mehr sind oder nie wiederkommen koennen.

Des Menschen Herz ist eben etwas raetselhaft und weiss nicht immer eine "glatte" Loesung, meinem geht es nicht anders.
Schalom
WiTaimre
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