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Heilige Schrift
#1
Ich eröffne das Thema in Bereich "Christentum und Theologie", obwohl ich überlegt habe, ob es in den Bereich "Religionsübergreifendes und Interreligiöses" gehört. Ausschlaggebend war dann für mich, dass ich das Thema halbwegs sachgerecht nur dort kommentieren kann, wo ich die Tratition von klein auf kenne. Gemeint ist aber dennoch ein übergreifender Gedanke, der sich hoffentlich gleich zeigen wird.

Eines der Konfliktstoffe innerhalb der Religionen untereinander, aber auch innerhalb einer Religion selbst ist die Tatsache, dass es ein Buch oder eine Schrift gibt, die als "heilig" deklariert wird, also mehr Autorität besitzt als ein anderes Buch.

Ich bin in den letzten Monaten dazu gekommen, dass das Christentum, solange es nicht darauf verzichten kann, die Bibel als ein "heiliges" Buch anzusehen, zumindest latent eine freie Weiterentwicklung dessen, was "Christsein" heißt, blockiert. Noch immer - und zur Zeit mehr denn je - werden die Aussagen der Bibel als Norm genommen. Die Normen sind unterschiedlich, die man daraus zieht, ja. Aber dennoch werden sie jeweils mit der Bibel begründet und nicht aus dem reinen Menschsein heraus.

Das Bedürfnis nach "Heiligem" scheint sehr in vielen Menschen enthalten zu sein. Woher kommt das? Kann man das nicht überwinden? Sollte man das nicht überwinden? Kann eine Religion nicht auch ohne Heiligkeit existieren?

Warum soll das, was Jesus gesagt hat, mehr Aussagakraft haben als das, was andere weise Menschen gesagt haben. Warum kann man es nicht mischen? Warum greifen fast alle Christen letztendlich dann doch auf das Neue Testament zurück und versuchen es umzudeuten und anzupassen, um es als "Grundlage" behalten zu können?

Das Gefühl des "Heiligen", wenn es einmal anerzogen wurde, geht sehr schwer weg. Es ist so wie mit dem Tabu. Wer schon in der Kindheit gelernt hat, dass etwas "tabu" ist, muss an sich arbeiten, um das überwinden zu können.
.............................

Leider nur ein paar ungeordnete Gedanken, keine logisch konzipierte Abhandlung. ich würde mich freuen, wenn zu diesem Thema weitere Gedanken formuliet werden würden.
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#2
Karla,
hast du dir eine Kultur ohne Heiliges schon mal vorgestellt, rein theoretisch?
Das Heilige oder Heiliges richtet Menschen auf, gibt Orientierung. Als ich deinen Beitrag las, dachte ich an die Naturvölker, z.B. an die Indianer, die ein ausgeprägtes Gespür und Achtung dafür haben, Heiliges als heilig zu bewahren. Die Natur als Ganzes wurde/wird als heilig angesehen. Ihnen war die Ausbeutung der "Erde" fremd. Für alles wurde gedankt - der Dank ist die Fähigkeit, das Wesen der Schöpfung wahrzunehmen. Ein dumpfer, oberflächliche Blick erlaubt solche Erfahrung und Sehen nicht.
Nun bin ich bereits an einem Punkt, wo ich von Dankbarkeit und Dank sprechen will. Heiliges kann von Menschen nicht vereinnahmt werden, steht nicht zu Verfügung, allenfalls als Geschenk. Das spüren Menschen und werden dabei dankbar. Das Erntedankfest der ist so eine Danksagung an das "Heilige", denn nicht immer selbstverständlich. Oder das Kirschblütenfest der Japaner, das mich an ein Freudenfest und Dank an den Frühling erinnert. Sicher ist den Japanern dieses Fest heilig.
Heilig oder Heiliges erinnert mich in diesem Zusammenhang, an Heil, an Ganzheit.
Um Heiliges hüllt sich - nach meinem Gefühl - eine Aura von Gold.
Den Sabbath, den Sonntag heiligen. Wie schön und heilsam, in all der Unruhe unserer Zeit. Stell dir mal vor, Menschen würden mal ablassen von ständiger Aktivität (Aktionismus) und einen Tag (Moment) mal nichts tun?
Heiliges überwinden, warum denn das?
All diese Punkte, die ich kurz angedeutet habe, lassen sich auf fast jede Religion übertragen.
Auch meine Gedanken zu diesem Thema, sind völlig ungeordnet und spontan verfasst. Ein offenes Ende.
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#3
Karla schrieb:Eines der Konfliktstoffe innerhalb der Religionen untereinander, aber auch innerhalb einer Religion selbst ist die Tatsache, dass es ein Buch oder eine Schrift gibt, die als "heilig" deklariert wird, also mehr Autorität besitzt als ein anderes Buch.

Ich bin in den letzten Monaten dazu gekommen, dass das Christentum, solange es nicht darauf verzichten kann, die Bibel als ein "heiliges" Buch anzusehen, zumindest latent eine freie Weiterentwicklung dessen, was "Christsein" heißt, blockiert.
Hmm, das sehe ich ein bisschen anders ...
Wenn "Heilig" bedeuten soll dass die Bibel für Christen als Ganzes und in Teilen nicht krtikwürdig oder auch kritikbedürftig sei, DANN wäre sie zumindest für aufgeklärte Christen KEIN Heiliges Buch. Bibel enthält Erfahrungen, Überzeugungen und Gedanken von Menschen in bezug auf Gott.
Aber Bibel ist auch für Christen unsere relativ verlässigste religiöse Quelle für theologische Aussagen in Bezug zu Gott. Damit können wir sie Gott zuordnen. Und das wäre auch Heiligkeit ... ebenso wie Menschen heilig sein können ...
Ich denke, die Bibel hindert ganz gewiss Christen weniger an Weiterentwicklung und glaubwürdigem Zeugnis als vieles andere im Kirchenmuff. Und ich hoffe sehr, dass uns die Bibel so erhalten bleibt als Kompass ...

Fritz
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
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#4
Moin,

als Noachide kann ich das natürlich nicht christlich diskutieren, aber Du fragst ja offen.

Ich denke, das Problem ist nicht, ein Buch als heilig oder als einzig richtige Botschaft anzusehen.

Das Problem etnsteht erst dann, wenn Du das anderen Menschen ebenfalls als Ansicht aufzwängst.

Solange man dieses nur für sich so betrachtet, ist es kein Problem.

Solange man darüber friedlich diskutiert, auch nicht.


Auch Buchstabentreue oder Verbalinspiration ist an sich kein Problem.

Solange man erkennt, dass man trotzdem zu anderen Auslegungen kommen kann.

Im jüdischen wird jeder Buchstabe der Thora als von G'tt genauso gemeint angesehen. Es geht also über die christliche Sichtweise (einiger, nicht aller Christen) der Verbalinspiration sogar noch hinaus.

Dennoch ist die Deutung sehr verschieden, man diskutiert und streitet über Auslegungen. In dem Bewusstsein, dass die Botschaft von einem menschen gar nicht in gänze erfassbar ist und jede Generation ihre Deutung neu finden muss. Aber das Ursprungswerk bleibt dabei unverändert.


Zusammengefasst: Es kommt darauf an, was man daraus macht.

Tschüss

Jörg
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#5
Hallo!

Danke für Eure Antworten!
Ich gehe in dem Fall in der Beantwortung mal rückwärts vor, weil sich das thematisch für mich praktischer bindet.
Alles, was ich hier schreibe, sind aber nach wie vor "tastende Gedanken", auch wenn sie schon seit einigen Monaten oder länger in mir rumschwirren.


Flat schrieb:Zusammengefasst: Es kommt darauf an, was man daraus macht.
Flat schrieb:Ich denke, das Problem ist nicht, ein Buch als heilig oder als einzig richtige Botschaft anzusehen.

Das Problem etnsteht erst dann, wenn Du das anderen Menschen ebenfalls als Ansicht aufzwängst.

Solange man dieses nur für sich so betrachtet, ist es kein Problem.
Ich würde Dir - auf der Ebene der Theorie - durchaus Recht geben. Ich hätte Dir vielleicht sogar noch vor einer Weile bezogen auf die Praxis Recht gegeben. Aber das tue ich jetzt nicht mehr.
Nicht genau vergleichbar, aber in einem Punkt vergleichbar dennoch wäre die Aussage: "Wenn der Mensch gut wäre, könnte ein kommunistischer Staat funktionieren."

Der Vergleichspunkt liegt hier nur in der realen Einschätzung des Menschen.
Ich habe auf meiner langen Suche keinen, wirklich keinen Christen gefunden, der - wenn er die [b]Heilige[b] Schrift als Basis ansieht - nicht mit ihr seine Meinung begründet. Und damit die Schlussfolgerungen anderer Christen aus der selben Schrift für falsch erklärt.

Deshalb bin ich für mich zu der - vielleicht vorläufigen - Erkenntnis gekommen, dass es eine Art Bedürfnis christlicher Menschen gibt, eine Autorität anzuerkennen, die heiliger ist als andere und mit der andere Menschen oder zumindest Christen gemessen werden.

Für mich selber entsteht nicht erst das Problem, wenn man jemandem seine Ansicht "aufzwängt". Das tut bei uns ohnehin niemand, kann es auch gar nicht. Aber es verhindert den Gedanken, dass ich, wenn ich mit Nietzsche mehr anfangen kann als mit der Heiligen Schrift, mich nicht mehr als Christ sehen darf. Denn der Christ verpflichtet sich zumeist nach wie vor auf diese Heilige Schrift. Es wird gesondert, nicht vereint.

Und so bin ich dazu gekommen, das Wort "heilig" als Anlaufstelle für die Überlegung zu sehen, dass hier Irrationalismen verborgen sind, Restbestände des Urbedürfnisses, sich von anderen Autoritäten sagen zu lassen, was Sache ist.



Fritz7 schrieb:Wenn "Heilig" bedeuten soll dass die Bibel für Christen als Ganzes und in Teilen nicht krtikwürdig oder auch kritikbedürftig sei, DANN wäre sie zumindest für aufgeklärte Christen KEIN Heiliges Buch. Bibel enthält Erfahrungen, Überzeugungen und Gedanken von Menschen in bezug auf Gott.
Ich selber würde hinzufügen: nicht in Bezug auf Gott, sondern in Bezug auf ihre Gottesvorstellungen.
Damit wäre aber das Buch seiner Heiligkeit entkleidet, denn auch Meister Eckhart schreibt über seine Gottesvorstellungen, auch der schon mal erwähnte Nietzsche, auch Goethe. Aber diese sieht man auf einer anderen Stufe als die Schreiber der Bibel. Auf Grund welcher Basis? Ich vermute eben: dass man der Meinung ist, dass die biblischen Schriften mehr von Gott geheiligt sind als andere Schriften. Dass dort also mehr "Gott" enthalten ist als in anderen Schriften, wo auch Gotteserfahrungen enthalten sind.

Wenn tatsächlich gesagt werden würde, und zwar von den Kirchen, dass die Bibel in Bezug auf Wahrheitscharakter mit allem auf einer Stufe steht, was Menschen für richtig halten, dann wäre keine Heiligkeit der Schrift mehr behauptet. Aber man liest in den Gottesdiensten nur die Bibel, auch bei aufgeklärten Christen (in meiner Studienzeit war das zeitweise anders, da wurden in Studentengottesdiensten auch andere Texte genommen).

Aber der Trieb nach einem "wahren Fundament" wuchert heute wieder ungebrochen, noch nie gab es so viele junge Christen, die darauf bestehen, dass nur die Bibel die Wahrheit über Gott sagt.
Und bei den sogenannten aufgeklärten Christen bin ich inzwischen auch nicht mehr so sicher. Letztlich ist für sie doch ausschlaggebend, was dort steht (auch wenn sie es umdeuten oder von mir aus auch erstmalig richtig deuten).

Zitat:Ich denke, die Bibel hindert ganz gewiss Christen weniger an Weiterentwicklung und glaubwürdigem Zeugnis als vieles andere im Kirchenmuff. Und ich hoffe sehr, dass uns die Bibel so erhalten bleibt als Kompass ...
Der Kompass wird einem nicht genommen, wenn es kein heiliger Kompass mehr ist. Der Mensch hat dann die Wahl, welche Quellen er als für sich erhellend ansieht - nicht die Tradition, nicht das Glaubenszeugnis hat dann die Hauptstimme.

Kirchenmuff - mag sein. Aber es ist die Bibel, mit der strenggläubige Christen andere Christen erschlagen (geistig), immer und immer wieder die Bibel. Gäbe es sie (und andere heilige Schriften) nicht, gäbe es vielleicht mehr Frieden auf der Welt.
Aber ich kann auch anders formulieren: Weil der Mensch mit dem Frieden eventuell gar nicht klar käme, denkt er sich immer wieder Heilige Schriften aus, wodurch er sich von anderen abgrenzen, sich selber mehr in der Wahrheit fühlen kann.


Lea schrieb:Karla,
hast du dir eine Kultur ohne Heiliges schon mal vorgestellt, rein theoretisch?
Nur unsere heutige Zeit. Und ihr würde es bekommen - in meinen Augen.


Zitat:Das Heilige oder Heiliges richtet Menschen auf, gibt Orientierung. Als ich deinen Beitrag las, dachte ich an die Naturvölker, z.B. an die Indianer, die ein ausgeprägtes Gespür und Achtung dafür haben, Heiliges als heilig zu bewahren.
Ich kann nicht für andere Völker sprechen, nicht einmal für andere Religionen. Darum habe ich anfangs auch gesagt, dass ich nur das kommentieren kann, was ich von klein auf kenne.
Der Begriff "heilig" wird, glaube ich, von Dir hier anders benutzt als in der Wortverbindung "Heilige Schrift". Ich wollte "heilig" nur in dieser Wortverbindung und in diesem Sinne thematisieren.

Die Bibel mag bewahrenswürdig sein. Aber diesen Respekt vor alten Büchern haben auch ganz unreligiöse Menschen - ich kenne ein paar wenige bibliophile Menschen, die alte Bücher sehr sehr lieben und davor Respekt haben. Aber mir ging es um die Inhalte, die als heilig angesehen werden, und das ist hier gleichbedeutend mit "wahr". Der heilige Gott hat gesprochen. Und zwar nur hier.


Zitat:Heiliges kann von Menschen nicht vereinnahmt werden, steht nicht zu Verfügung, allenfalls als Geschenk.
Das widerspricht gänzlich meinen eigenen Erfahrungen, Lea. Das sogenannte Heilige wird als Schlagkeule missbraucht. Wer die Bibel in den Augen der Gralshüter verletzt, deren sogenannte Heiligkeit verletzt, wird verflucht.

Lea, Du denkst ganz anders und bist vielleicht (glaube ich tatsächich) frei von dem, was ich gemeint habe. Aber der Missbrauch ist Tagesordnung. Ich kann selber etwas heiligen, ja. Tue ich vielleicht auch. Aber etwas als von einer unbekannten Instanz als "heilig" erklärt bekommen, da, wo ich nur aus Gehorsam oder Gehirnwäsche dazu gebracht werden könnte, es als heilig anzusehen (wo ich nicht widersprechen, nicht "nein" zu sagen darf) ist eine Gefahrenkeule. Und ist es seit mehr als tausend Jahren.
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#6
Ausschließlich mit Hilfe von Theorien "über Heiliges" zu schreiben/reden, dadurch erhellt sich weder ein Fragen, noch ein wahrer Kern, den es zu finden sich lohnt. In das Wasser muß jeder Menschen eigenständig tauchen. Der Lohn ist die Freude und Wärme - eigentlich als das Geschenk.
In der Kabbalah wird von Schleiern gesprochen, die schichtweise fallen.

Ich weiss, Karla, mit meinem vorangegangen Beitrag umschrieb ich einen weiten Kreis, der Ausserbiblisches miteinschloss oder zumindest anstreifte.
Von was kann ich dann sprechen? Von Begegnungen, die die Worte der Bibel (Erstes und Neues Testament) in Lebendiges im Laufe der Zeit umwandelte; ich begriff, welcher Reichtum/Schätze in den heiligen Schriften zu finden sind - immer neue, in jeder Zeit, jeweils mit veränderten Augen und Sinnen, um erneut zu verstehen. Ein Wachstumsbuch, das Buch, das uns vorausgeht und von Vergangenheit und Zukunft spricht. Ich denke sogar, die Bibel spricht jeden Menschen einzeln an, und dies auf höchst persönlicher Ebene.

Als ich deinen Eingangstext wiederholt überdachte, wurde mir klar, was dein Motiv gewesen sein könnte - nämlich, der Mißbrauch, die Unterjochung des Menschen per verordneter Heiligung. Das ist seelisch-geistiger Mißbrauch, Vergewaltigung. Von dem will ich tatsächlich nichts wissen und distanziere mich von jeglicher Bevormundung, die offensichtlich nichts Gutes im Sinn hat, ausser Machterhalt; was aber nicht unbedingt sein muß - ausser Menschen lassen das zu (!). Fragt man sich das, werden die Fragen mehr, die Antworten magerer denn je. Hast du die Sendereihe über die Wehrmacht eventuell angesehen? Macht braucht ein System, baut auf willige Menschen auf (z.B.Karriere) und reisst Menschen, die in Abhängigkeit von Mächtigen stehen, mit in dieses erstarkende Netz. Mit der Zeit verfestigt sich das, wird als normal erlebt - wird Norm, bis das Ganze umkippt und scheitern muß. Bin etwas abgeschweift - ich denke, auch auf religiöser Ebene funktioniert diese Norm, dieses Vorsagen, was als heilig oder wahr erachtet werden soll. Dann allerdings sprechen wir von "scheinheilig" und was auch immer...
Sehr komplex das Thema. Letztlich konzentriert sich das Heilige, auf das Heiligen des Lebens als Ganzes, der Schöpfung und dem, was als Ewiges erfahren werden kann. Ja, ein Kann.
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#7
Karla schrieb:
Fritz7 schrieb:Wenn "Heilig" bedeuten soll dass die Bibel für Christen als Ganzes und in Teilen nicht krtikwürdig oder auch kritikbedürftig sei, DANN wäre sie zumindest für aufgeklärte Christen KEIN Heiliges Buch. Bibel enthält Erfahrungen, Überzeugungen und Gedanken von Menschen in bezug auf Gott.
Ich selber würde hinzufügen: nicht in Bezug auf Gott, sondern in Bezug auf ihre Gottesvorstellungen.
Damit wäre aber das Buch seiner Heiligkeit entkleidet, denn auch Meister Eckhart schreibt über seine Gottesvorstellungen, auch der schon mal erwähnte Nietzsche, auch Goethe. Aber diese sieht man auf einer anderen Stufe als die Schreiber der Bibel. Auf Grund welcher Basis? Ich vermute eben: dass man der Meinung ist, dass die biblischen Schriften mehr von Gott geheiligt sind als andere Schriften. Dass dort also mehr "Gott" enthalten ist als in anderen Schriften, wo auch Gotteserfahrungen enthalten sind.

Wenn tatsächlich gesagt werden würde, und zwar von den Kirchen, dass die Bibel in Bezug auf Wahrheitscharakter mit allem auf einer Stufe steht, was Menschen für richtig halten, dann wäre keine Heiligkeit der Schrift mehr behauptet. Aber man liest in den Gottesdiensten nur die Bibel, auch bei aufgeklärten Christen (in meiner Studienzeit war das zeitweise anders, da wurden in Studentengottesdiensten auch andere Texte genommen).

Aber der Trieb nach einem "wahren Fundament" wuchert heute wieder ungebrochen, noch nie gab es so viele junge Christen, die darauf bestehen, dass nur die Bibel die Wahrheit über Gott sagt.
Und bei den sogenannten aufgeklärten Christen bin ich inzwischen auch nicht mehr so sicher. Letztlich ist für sie doch ausschlaggebend, was dort steht (auch wenn sie es umdeuten oder von mir aus auch erstmalig richtig deuten).

Zitat:Ich denke, die Bibel hindert ganz gewiss Christen weniger an Weiterentwicklung und glaubwürdigem Zeugnis als vieles andere im Kirchenmuff. Und ich hoffe sehr, dass uns die Bibel so erhalten bleibt als Kompass ...
Der Kompass wird einem nicht genommen, wenn es kein heiliger Kompass mehr ist. Der Mensch hat dann die Wahl, welche Quellen er als für sich erhellend ansieht - nicht die Tradition, nicht das Glaubenszeugnis hat dann die Hauptstimme.

Kirchenmuff - mag sein. Aber es ist die Bibel, mit der strenggläubige Christen andere Christen erschlagen (geistig), immer und immer wieder die Bibel. Gäbe es sie (und andere heilige Schriften) nicht, gäbe es vielleicht  mehr Frieden auf der Welt.
Aber ich kann auch anders formulieren: Weil der Mensch mit dem Frieden eventuell gar nicht klar käme, denkt er sich immer wieder Heilige Schriften aus, wodurch er sich von anderen abgrenzen, sich selber mehr in der Wahrheit fühlen kann.
Ja ... GottesVORSTELLUNGENEusa_angel

Ansonsten scheint mir auch in dieser Diskussion einiges in die Richtung zu gehen: "Heiliges wärmt und enthebt uns der Notwendigkeit eigenverantwortlich unseren Verstand zu gebrauchen für Unterscheidungen ..." Das scheint heute wieder mehr Trend zu werden, Bibel im Ganzen fundamentalistisch als buchstabengenaue Gottes-Offenbarung und deswegen ohne jeden Abstrich als absolute Wahrheit Gottes zu sehen. Und dann wird selektiert und harmonisiert ...bis es gar nicht mehr aufgeht ...

Das kann nur schiefgehen, Menschen früher oder irre werden lassen an ihrem verstand und wahrscheinlich auch an ihrem Glauben. Weil es gar keine Hilfe bietet im Umgang mit den Widersprüchen und Befremdenden in der Bibel.

Aber solche Trends sind keine HEILIGEN Regeln sondern menschengemacht aus ihren Bedürfnissen. Niemand sollte sich den Gebrauch seines eigenen Verstandes schlechtreden lassen ... oder seine Zweifel ... auch die Glaubenszweifel. Bibel ENTHÄLT für mich WAHRHEIT, aber sie ist NICHT die absolute Wahrheit ... und schon gar kein papierener Gott.

Und es gibt KEINE Hierarchie der Fähigkeiten, in der Bibel zu lesen und zu verstehen. Jeder Bibelleser ist da (auch religiös) eigenverantwortlich und nicht weisungsgebunden. Verwerfungen, Drohungen mit schlimmen Gottesstrafen oder sonstige Angstmache ist Missbrauch von Amtautorität, ganz bestimmt nicht heilig oder Gott gefallend. Für mich zeigts eher theologische Inkompetenz.

Fritz
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
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#8
Karla schrieb:
Flat schrieb:Zusammengefasst: Es kommt darauf an, was man daraus macht.
Flat schrieb:Ich denke, das Problem ist nicht, ein Buch als heilig oder als einzig richtige Botschaft anzusehen.

Das Problem etnsteht erst dann, wenn Du das anderen Menschen ebenfalls als Ansicht aufzwängst.

Solange man dieses nur für sich so betrachtet, ist es kein Problem.
Ich würde Dir - auf der Ebene der Theorie - durchaus Recht geben. Ich hätte Dir vielleicht sogar noch vor einer Weile bezogen auf die Praxis Recht gegeben. Aber das tue ich jetzt nicht mehr.
Nicht genau vergleichbar, aber in einem Punkt vergleichbar dennoch wäre die Aussage: "Wenn der Mensch gut wäre, könnte ein kommunistischer Staat funktionieren."

Der Vergleichspunkt liegt hier nur in der realen Einschätzung des Menschen.
Ich habe auf meiner langen Suche keinen, wirklich keinen Christen gefunden, der - wenn er die [b]Heilige[b] Schrift als Basis ansieht - nicht mit ihr seine Meinung begründet. Und damit die Schlussfolgerungen anderer Christen aus der selben Schrift für falsch erklärt.

Moin,

alos erstens könnte ich Dir da einige Christen nennen, die nicht andere Auslegungen für falsch erklären.

Zweitens sehe ich in dem 'Falsch erklären' grundsätzlich überhaupt kein Problem.

Ich sehe z.B. nahezu jede Auslegung der christlichen Bibel für falsch an. Wo ist das Problem?

Gut, ich nerve manche in Diskussionsforen.

Aber ich lasse doch jeden Christen Christ sein. Ist doch seine Entscheidung.

Probleme gibt's erst, wenn dritte ins Spiel kommen (aggressive und (oder unfaire Missionierung)

Zitat:Deshalb bin ich für mich zu der - vielleicht vorläufigen - Erkenntnis gekommen, dass es eine Art Bedürfnis christlicher Menschen gibt, eine Autorität anzuerkennen, die heiliger ist als andere und mit der andere Menschen oder zumindest Christen gemessen werden.

Ich weiß, dass das viele Christen, insbesondere im etwas fundamentalistischerenn Teil, tun.

Aber das gilt doch nicht für alle.

Nach meiner Erfahrung, und die ist nun wirklich kritisch, sind die meisten Christen recht vernünftige Leute. Das Problem ist eine Minderheit, aber die kann reichlich Probleme verursachen.

Zitat:Für mich selber entsteht nicht erst das Problem, wenn man jemandem seine Ansicht "aufzwängt". Das tut bei uns ohnehin niemand, kann es auch gar nicht. Aber es verhindert den Gedanken, dass ich, wenn ich mit Nietzsche mehr anfangen kann als mit der Heiligen Schrift, mich nicht mehr als Christ sehen darf.

Wer kann Dir das verbieten?

Jemand kann diese Meinung haben, aber wer entscheidet denn, wer Christ ist?

Zitat:Denn der Christ verpflichtet sich zumeist nach wie vor auf diese Heilige Schrift. Es wird gesondert, nicht vereint.

Aber die Auslegung ist doch sehr differenziert.

Tschüss

Jörg
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#9
Flat schrieb:Zweitens sehe ich in dem 'Falsch erklären' grundsätzlich überhaupt kein Problem.
Ich sehe z.B. nahezu jede Auslegung der christlichen Bibel für falsch an. Wo ist das Problem?
Das "Problem wäre für mich ein intellektuelles und eins der Redlichkeit bzw. des Respekts. Solange ich nicht ALLE Auslegen SEHR gut kenne, würde ich mich vor Grundsatz-Pauschalverurteilung scheuen, ebenso auch alle jüdischen Auslegung für richtig oder falsch zu erklären. Bibelwissenschaftler beider Religionen wissen das seit längerem und arbeiten sehr gut zusammen. Z.B. gibts auch Bibelkommentare chr. Verlage für chr. Kommentarreihen aus jüdischer Feder. Also auch falsch? Nur weil ein chr. Etikett drauf steht?

Flat schrieb:
Zitat:Deshalb bin ich für mich zu der - vielleicht vorläufigen - Erkenntnis gekommen, dass es eine Art Bedürfnis christlicher Menschen gibt, eine Autorität anzuerkennen, die heiliger ist als andere und mit der andere Menschen ... gemessen werden.
Ich weiß, dass das viele Christen, insbesondere im etwas fundamentalistischerenn Teil, tun.
das tun auch viele Fundis anderer Religionen. Der Druck des nicht "richtig", zu "heillos" zu seín geht immer in Richtung rechts ... . Ich würd da übehaupt keine Religion ausschließen ...
Flat schrieb:Jemand kann diese Meinung haben, aber wer entscheidet denn, wer Christ ist?
Ganz so wie z.B. im Judentum auch: JedeR für sich und die Gemeinschaft dann nochmal für die Gemeinschaft. Bisweilen gibts auch Experten, die von außerhalb religiöse Praxis anderer Religionen einzukasteln versuchen. Das gibt dann regelmäßig Kopfschütteln bis Widerstände.
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
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#10
Über die Heiligkeit von Schriften

Nahezu jeder, der sich hier über AT und NT Gedanken macht, hat seine Heimat in einer der christlichen Gemeinschaften oder er hat seine christliche Vergangenheit; Flat, als Beispiel, seine evangelische, ich meine katholische. Was jeder von uns sein will, ist seine ganz persönliche Sache. Der eine schließt sich wieder einer Gemeinschaft an, der andere löst sich von der Verpflichtung, bekennen zu müssen.

Als ich mich während meiner Studienzeit  mit Texten des AT zu beschäftigen hatte, haben diese für mich nach und nach ihre Heiligkeit verloren. Später ging es mir mit den Texten des NT ebenso. Also begann ich, die Inhalte so zu sehen, wie sie – meinem Verständnis nach – zu sehen sind: Als eine Sammlung von Mythen, denen zum Teil ein historischer Kern innewohnt. Dazu sind Weisheiten eingebunden, die es zu entdecken gilt, und allgemein akzeptierbare Grundnormen: du sollst nicht töten, etc. eingebunden, die aber durch andere Gesetze relativiert bzw. aufgehoben werden.

Problematisch wird es, wenn man ethische Ansprüche an die Texte stellt. Da kommt man sehr bald an Grenzen, wo Theologen Zusammenhänge sehen und erklären wollen, die sich mir nicht erschließen. Es wird gerne der Vorwurf erhoben, sich "von außen" in Dinge einmischen, die einem nichts angehen. Oder, der bequemste Einwand: wenn einer die Sache anders sieht, dann versteht er eben nicht.

Für mich tragen die Texte des AT und NT heute nichts Heiliges mehr in sich. Ich finde Vernunft und Unvernunft, Weises und Abscheuliches, Erbauliches und Abstoßendes, und, wenn man so will, wenig Heiliges und viel Unheiliges in ihnen. Und um die "heiligen Schriften" anderer Religionen, soweit ich sie kenne, ist es nicht viel anders bestellt.

Wenn es heute jemand schafft, nach den Vorgaben Jesu zu leben, dann gebührt ihm meine Achtung. Ich habe aber noch nie jemanden getroffen, der das durchgehalten hätte.

Epicharm
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#11
Epicharm schrieb:Wenn es heute jemand schafft, nach den Vorgaben Jesu zu leben, dann gebührt ihm meine Achtung. Ich habe aber noch nie jemanden getroffen, der das durchgehalten hätte.
Woher will denn jemand genau wissen, wieoft es Jesus "nicht durchgehalten" hat. Er hatte schon nach NT seine Schwächephasen, seine Zweifel und Ängste ... eben (auch) GANZ Mensch.

Warum also die Messlatte künstlich soo hoch hängen, dass es NUR Vesager geben KANN? Was sind da die Motive ...

Fritz
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Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
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#12
Hallo Fritz,

Messlatten will ich nicht legen.

Unter "nach den Vorgaben Jesu zu leben", verstehe ich ein Bemühen in diese Richtung.

Wenn ich aber zusehe, wie Bekennende in meinem Umkreis leben, passt da einiges nicht zusammen.

Epicharm
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#13
Hallo!
Epicharm schrieb:Über die Heiligkeit von Schriften

Als ich mich während meiner Studienzeit mit Texten des AT zu beschäftigen hatte, haben diese für mich nach und nach ihre Heiligkeit verloren. Später ging es mir mit den Texten des NT ebenso. Also begann ich, die Inhalte so zu sehen, wie sie – meinem Verständnis nach – zu sehen sind: Als eine Sammlung von Mythen, denen zum Teil ein historischer Kern innewohnt.
Genau dies trifft in das Zentrum meiner Fragestellung. Diesen Prozess, den Du beschreibst, halte ich für "gesund". Und wenn er nicht geschieht, sind Irrationalismen in die Sache eingebaut, die natürlich nie zum Ausbruch kommen müssen, aber von ihrer Substanz her eben können. Sodass da latent ständig eine Gefahr lauert, die im schlimmsten Fall - wirklich jetzt nur im schlimmsten Fall - zum Religionskrieg führen kann. Denn nur dann kann es "Heilige Kriege" und "Heilige Länder" geben. Nur heilig gesprochene Texte - die gegen andere heiliggesprochene Texte angehen - können einen Heiligen Krieg rechtfertigen. Wegen Immanuel Kant führt niemand Krieg.

In meiner Kindheit waren die Fahnen heilig, die roten Fahnen. Man durfte über sie nicht lästern. Man musste sie grüßen. Man musste stolz auf das sein, wofür sie standen. Zu diesem Gefühl der "Heiligkeit" wurde man in der Schule erzogen, beziehungsweise es wurde versucht. Für mich assoziiert sich "Heiligkeit" mit "tabu" (gewisse Dinge dürfen nicht in Frage gestellt werden) und mit Gehorsam gegenüber jemanden, der will, dass manche Dinge tabu sind. Und das ist letztendlich reduzierbar auf das Gespann Macht-Gehorsam. Der eine will Macht und erreicht mittels Erziehung zum Heiligkeitsempfinden den Gehorsam.

Auch der "Führer" war einst heilig. Er ist es in gewissem Sinn noch heute, denn viele flüstern von ihm. Da ist so massiv die Propaganda gelungen, dass ein heiliges Wesen auf Erden wandelte, so die Faszination - nach der offenbar viele ein Verlangen haben -, verankert, dass man sich ihrer nicht erwehren kann, diesem "Zauber" bis heute erliegt. Und sei es ein negativer.

Mir scheint, dass in dem Menschen - und einige sind dafür sehr anfällig - eben dieses Bedürfnis nach Heiligem psychisch vorhanden ist, sodass sie sich den Kreisen anschließen, die dieses anbieten. Und dazu gehören auch christliche Gemeinden, die klar NT und AT als Heilige Schriften bezeichnen, die nicht hinterfragt werden dürfen, da das Numinose selbst dort sich geäußert habe.

Dass im Theologiestudium ein anderes Verhältnis zu AT und NT entsteht, wird von vielen gesagt. Wenn aber nach wie vor - jetzt nun wohl in den Kirchen - darauf bestanden wird, dass in diesem Buch mehr die Wahrheit gesagt wird als im Koran zum Beispiel -, dann birgt dies eine Kollektivverpflichtung, die den Gedanken der Heiligkeit - während der Koran nicht so heilig sei - weiter fortpflanzt.

Ich überlege mir, ob eine Religion zusammenbrechen würde, wenn man ihr die Heiligen Bücher nehmen würde; das heißt, den Büchern die Heiligkeit - expressis verbis - nehmen würde.


Fritz7 schrieb:Ansonsten scheint mir auch in dieser Diskussion einiges in die Richtung zu gehen: "Heiliges wärmt und enthebt uns der Notwendigkeit eigenverantwortlich unseren Verstand zu gebrauchen für Unterscheidungen ..." Das scheint heute wieder mehr Trend zu werden, Bibel im Ganzen fundamentalistisch als buchstabengenaue Gottes-Offenbarung und deswegen ohne jeden Abstrich als absolute Wahrheit Gottes zu sehen. Und dann wird selektiert und harmonisiert ...bis es gar nicht mehr aufgeht ...

Das kann nur schiefgehen, Menschen früher oder irre werden lassen an ihrem verstand und wahrscheinlich auch an ihrem Glauben. Weil es gar keine Hilfe bietet im Umgang mit den Widersprüchen und Befremdenden in der Bibel.

Aber solche Trends sind keine HEILIGEN Regeln sondern menschengemacht aus ihren Bedürfnissen.
Ja, sie sind menschengemacht. Aber "heiligen" ist ohnehin ein menschliches Geschehen. Ich glaube tatsächlich, dass hier ein menschliches Urbedürfnis vorliegt. Aber es kommt alles darauf an, wo ich es hinlenke und wo es nicht missbrauchbar wird.

Ich kann zum Beispiel sagen: Mir ist das menschliche Leben heilig. Ich werde darum nicht töten. Oder: Mir ist alles Leben heilig. Darum werde ich keine Tiere essen.
Aber dann ist das meine eigene Entscheidung. Wenn aber "heilige Texte" das von mir verlangen, dass ich weder Menschen noch Tiere töte, dann wird es theoretisch möglich, dass ich - pervers, wie das dann auch ist -, Krieg führe gegen die, die diese heiligen Texte nicht als Basis respektieren.

Ich glaube ja auch, dass - zumindest in den protestantischen Kirchen, die ich nun kenne - nicht so heiß gegessen wird, wie gekocht wird. Und es gibt ja gerade in diesem Forum einige hier, die vieles in der Bibel hinterfragen. Aber - nach meiner Beobachtung - wird der letzte Schritt nicht getan: man sieht das, was man in der Heiligen Schirft zu sehen meint, dennoch als verpflichtend an. So wie Epicharm es oben beschrieben hat: es werden dennoch - für alle Christen - verpflichtende Handlungen, und seien es ethische, daraus abgeleitet.


Zitat:Niemand sollte sich den Gebrauch seines eigenen Verstandes schlechtreden lassen ... oder seine Zweifel ... auch die Glaubenszweifel. Bibel ENTHÄLT für mich WAHRHEIT, aber sie ist NICHT die absolute Wahrheit ... und schon gar kein papierener Gott.
Ich gebe Dir da Recht, natürlich. Aber wir nehmen uns diese Freiheit. Wir achten nicht so darauf, dass ja eigentlich bestimmte Dinge als verpflichtend erklärt wurden.

Ich weiß nicht, ob Du schon mal Forums-Diskussionen mit erklärten Atheisten geführt hast, vornehmlich solchen, die früher mal christlich erzogen und dann dagegen allergisch geworden waren. Sie scheuen keine Mühe, um Dir nachzuweisen, dass laut allen Statuten und Erklärungen das und das nicht zu hinterfragen sei. Und dass gefälligst der die Kirche zu verlasen habe, der sich jenseits dieser Statuten und Erklärungen eine eigene Meinung gebildet habe. Gerade diese "Lauheit", "Halbherzigkeit" und "Feigheit" prangern sie ohne Ende an, wenn jemand diese "Heiligkeit" der Schrift nicht mehr teilt und trotzdem in der Kirche bleibt.

Mir muss man nicht sagen, dass in protestantischen Kreisen diese knallharte Verpflichtung auf Glaubenssätze nicht existiert. Ich weiß, dass sie nicht existiert, jedenfalls nicht existierte, als ich noch in der Kirche war. Aber da fällt dann Schein und Sein auseinander. Und wenn dann Menschen den Schein mal wieder aufgreifen und ihn in die Tat umsetzen, also die Heiligkeit der Schrift nicht einfach unterlaufen, sondern sie im Gegenteil wieder betonen, dann war da wohl eine Unterlassungssünde gewesen, oder? Man hat den Schein gelassen - also die Heiligkeit der Schrift -, aber de facto nicht mehr danach gehandelt. Jedenfalls nicht in allen Punkten. Ein "bisschen" Heiligkeit wollte man nie aufgeben. Weil man dann vielleicht so gar keine Rechtfertigung mehr für den Begriff "Christentum" hätte finden können.


Zitat:Und es gibt KEINE Hierarchie der Fähigkeiten, in der Bibel zu lesen und zu verstehen. Jeder Bibelleser ist da (auch religiös) eigenverantwortlich und nicht weisungsgebunden. Verwerfungen, Drohungen mit schlimmen Gottesstrafen oder sonstige Angstmache ist Missbrauch von Amtautorität, ganz bestimmt nicht heilig oder Gott gefallend. Für mich zeigts eher theologische Inkompetenz.
Ich gebe Dir auch da ja recht, dass jeder seinem Gewissen verantwortlich ist. Wo aber ist das geschrieben in den "Statuten"? Wo steht, dass ich Buddha aussagekräftiger finden kann als Jesus? Oder dass ich beide für aussagekräftig halte? (Ich rede hier nicht von mir selber, das "ich" ist nur ein generalisierendes Ich.)
Theologische Inkompetenz, gut. Aber was konkret sollen sie tun? Wie können sie erreichen, dass die Offenheit festgeklopft wird?


Flat schrieb:Ich sehe z.B. nahezu jede Auslegung der christlichen Bibel für falsch an. Wo ist das Problem?
Da ist dann gar kein Problem. Das Problem beginnt dort, wo seit tausend Jahren die Heiligkeit der Bibel nie abgeschafft wurde und darum immer wieder Menschen nachwachsen, die das wörtlich nehmen. Und wieder Gewalt lehren (wenn es stimmt, dass die Fundamentalisten ein Drittel der derzeitigen Christen ausmachen, dann sind es bereits ein Drittel von ihnen, die eine latente Gefahr für die Demokratie bedeuten).


Zitat:Probleme gibt's erst, wenn dritte ins Spiel kommen (aggressive und (oder unfaire Missionierung)
Ja, genau. Und wie wollen wir das verhindern? Keiner wird, wie oben gesagt, wegen Immanuel Kant aggressive Missionierung in Angriff nehmen. Weil seine Texte nie heilig gesprochen wurden.


Zitat:Nach meiner Erfahrung, und die ist nun wirklich kritisch, sind die meisten Christen recht vernünftige Leute. Das Problem ist eine Minderheit, aber die kann reichlich Probleme verursachen.
Es ist keine Minderheit mehr. Fanatisch reden heute schon Achtzehnjährige - vor zwanzig, dreißig Jahren bei uns in Deutschland ganz undenkbar. Du solltest mal lesen, wie in Narnia-Foren ("Narnia" ist ein Kinderbuch von Lewis und wurde vor einem Jahr verfilmt) die Gewalt verteidigt wird, wenn
sie von Christen ausgeht. Das sind Kids, die da diskutieren. Sie glühen für Narnia und den Löwen, der für sie Christus verkörpert. Sie finden es in Ordnung, dass in dieser Geschichte schon die Kinder zur Waffe erzogen werden. Man kann sie auf dieser Ebene gar nicht erreichen, sie haben kein Gespür dafür, was da ethisch abläuft, wenn man die Regeln unserer Demokratie aufs Spiel setzt. Es ist ja Gott, der da spricht. Es ist dieses verdammte tabu, das greift und diese Menschen verzaubert.


Zitat:
Zitat:Für mich selber entsteht nicht erst das Problem, wenn man jemandem seine Ansicht "aufzwängt". Das tut bei uns ohnehin niemand, kann es auch gar nicht. Aber es verhindert den Gedanken, dass ich, wenn ich mit Nietzsche mehr anfangen kann als mit der Heiligen Schrift, mich nicht mehr als Christ sehen darf.

Wer kann Dir das verbieten?
Niemand, wie gesagt. Aber das ist ja nicht mein Punkt. Der Punkt ist, dass es gemeinhin so aufgefasst wird, dass Christentum ein Verein mit Regeln ist. Und ich wüsste nicht, dass irgendwo steht, dass die Bibel nicht mehr die Basis ist. Und zwar die verpflichtende Basis.

Egal, wie verschieden sie ausgelegt wird.


Lea schrieb:Als ich deinen Eingangstext wiederholt überdachte, wurde mir klar, was dein Motiv gewesen sein könnte - nämlich, der Mißbrauch, die Unterjochung des Menschen per verordneter Heiligung. Das ist seelisch-geistiger Mißbrauch, Vergewaltigung. Von dem will ich tatsächlich nichts wissen und distanziere mich von jeglicher Bevormundung, die offensichtlich nichts Gutes im Sinn hat, ausser Machterhalt; was aber nicht unbedingt sein muß - ausser Menschen lassen das zu (!).
Aber eben das ist ja meine Frage. Menschen lassen es zu. Ich kann sie doch nicht überspringen, ich kann ihre psychische Struktur doch nicht außer Acht lassen. Wenn alle Menschen gereift wären, wäre alles kein Problem. Aber wir bauen unsere Staatsformen und Schulen nach den Menschen, so wie sie realiter sind und nicht, wie sie idealiter sind. Meine Grundfrage bezüglich der Kirchen ist da, ob noch immer nicht nach tausend Jahrend Missbrauch begriffen wurde, dass die Masse der Menschen nach Suggestion schreit. Wir sollen AUCH Konzepte entwickeln, wie man das verändern kann - aber mir ist keins gerade gegenwärtig, das funktioniert... Das doch Effizientere und auch leichter zu Erreichende ist doch, dass man das abschafft, das auf Menschen verheerend wirkt. Innere und äußere Veränderung müssen beide angegangen werden. Ein Führerkult beispielsweise wird meist auch so gelöst, dass man den Führer der Heiligkeit entkleidet und nicht nur, dass man die ihm Verfallenen erst mal umerzieht.
Gestern habe ich in einem stark frequentierten Tolkienforum gelesen, dass irgend ein Schriftsteller öffentlich was gegen "Herr der Ringe" von Tolkien gesagt hat, und einer der Tolkienfans rief, dass er von nun an den Schriftsteller und seine Verfilmungen "boykottieren" werde, und er rufe alle "Tolkienjünger" auf, ihm zu folgen.

Das ist der Punkt. Man will Jünger sein, egal von was. Hauptsache, man kann sich gegen andere abgrenzen, kann die eine Wahrheit verteidigen (und sei sie noch so läppisch).

Und wenn die Kirchen diesem Urbedürfnis Vorschub leisten und das NT und das AT für heilig erklären, dann ist der Völkermord für einige damit gerechtfertigt. Denn auch Gott hat gemordet, und es ist mit dieser Heiligen Schrift begründet und gerechtfertigt. Da haben alle aufgeklärten Theologen keine Chance mehr, sie werden als vom Teufel besessen erklärt (ich übertreibe nicht).

Weshalb also schafft man die Heiligkeit der Schrift nicht offiziell ab, wenn sie (die Heiligkeit) nachweislich nur Unheil angerichtet hat und jetzt schon wieder anfängt, Unheil anzurichten (indem man wieder beginnt, die Kinder zu schlagen, weil das so in der heiligen Bibel steht)?
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#14
Die Künstlerin Clara Halter (Paris) sagt von sich selbst "Ich glaube an gar nichts. Ich bin weder Atheistin noch Agnostikerin. Ich glaube an rein gar nichts."
Ein befreundeter Philosoph beschreibt ihr(e) Werk(e), als völlig unheilig, ohne Mitte....

Als ich den Beitrag über Clara Halter erinnerte, fiel mir wieder dein Thread ein.
Heilig. Heilige Schrift usw....
Diese Künstlerin scheint total desillusioniert zu sein - und doch voller Kraft. In Jersusalem gab es die "Zelte des Friedens", die schliesslich auch an andere Orte aufgebaut werden sollen. Das Wort Frieden in zig Sprachen auf den Zelten und einer Plane, die über einen Hang entrollt wurde - das ist ihre Kunst, ihre Antwort auf das ganz Unheilige.
Clara Halter schafft in ihren Werken das, was unter einem vollendeten Nihilismus verstanden werden kann. Das Auslöschen des Nichts ist vielleicht der Beginn von etwas Grösserem. Dann braucht Mensch nicht einmal Heiliges.

Gruß
Lea
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#15
Wofür trittst Du ein, Lea? Dass der HEILIGE Krieg, die HEILIGE Schrift mit Recht als heilig erklärt werden und nur dann, wenn jemand Nihilist geworden ist, diese Begriffe aufgegeben werden dürfen?
Ich sehe in Deinen posts eine Rechtfertigung eines der schlimmsten Mittel, Menschen seelisch zu versklaven und auf die Abschaffung des Krieges zwischen Menschen auf Dauer zu verzichten. Es ist eine der fiesesten Methoden, seelische Macht über Menschen so auszuüben, dass man etwas als "heilig" erklärt und dadurch über Menschen Macht bekommt, ganz gewöhnliche Dinge denkerisch nicht zu hinterfragen.

Man muss nicht Nihilist werden, um zu begreifen, dass die Heiligsprechung von unheiligen Dingen eines der Hauptursachen ist für unendlich viel Elend.

Und, worauf ich eigentlich in diesem Thread hinauswollte: solange das Bedürfnis da ist, der "Heiligen" Schrift seinen Tribut zu zollen, solange wird nicht wirklich eine Gemeinschaft zwischen Religionen erreicht werden können. Denn das, was jemandem als heilig erscheint, erscheint ihm auch als zu Verteidigendes: das "heilige" Vaterland gegen unheilige Vaterländer, die "heilige" Bibel gegen unheilige Religionsschriften.

Das ist ja das Zynische, dass in vielen Fällen das, was man als Kind als heilig engetrimmt bekommen hat, so schwer wieder loswird. Es ist ein "Über-Ich", eine eingepflanzte Autorität, die den Menschen unfrei macht. Und wer das als Kind nicht eingetrimmt bekommen hat, sucht sich Gemeinschaften auf, wo man es ihm eintrimmt. Der Mensch tut alles, um der Freiheit zu eintrinnen. Und da kommt das Wort "heilig" gerade recht.
Es ist in meinen Augen ein Unwort wie "Vaterland" und "Führer" - gefühlsgeladene Begriffe, die nur eines wollen: den Menschen daran zu hindern, Dinge zu hinterfragen.
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