Hallo Thoddy,
Zitat:Thoddy: ... das meinte ich!
Die sogenannten "Rechtsgelehrten", die in Kenntnis der Umstaende und Situationen im Sudan, im Jemen, im Iran, in Saudi-Arabien... von denen geht eine viel hoehere Gefahr aus als von ... in Holland...
- wie t.Logemann schon sagte, ist es nicht etwa so, das die ganzen ca. 1,2 Mrd Muslime im Einzelnen wissen, was Lehr-Bescheide aus einer der 6 sunnitischen oder 4 shiitischen Hochschulen (und es gibt dann noch kleinere auch musliimische Konfessionen dazu) als "machbar" oder "nicht machbar" erforscht oder erarbeitet und entschieden haben. Man nennt solche Art Arbeit auch Responsen (also jemand fragt die Wissenschaft nach dem korrektesten Ergebnis des Quellen-Vergleichens mit der Tradition z.B.eines Brauches - wie in Eurem Beispiel eine der moeglichen Maedchen-Situationen, ob das zum Islam "heilsnotwendig" sei, etwas zu dulden, auch wenn es seit den Hoehlen von Lascaux vor Ort die Sitte gewesen waere und seit 1400 Jahren unter Musliminnen unwidersprochen weiter so gemacht wurde. Wer solche Anfragen so eng gestellt beantworten soll, muss trocken und fleissig alles weglassen, was "mit-gemeint" sein koennte und gucke, was wirkloich gesagt wurde.
Ist sicher kein Jedermanns-Beruf, Jurist oder Religionsrechts-Jurist zu sein, aber anders geht es in rechtsprechenden Gemeinschaften auch nicht, als dass es irgendwer tut.
Ich billige es bitteschoen nicht, falls es um so einen Amts-Gelehrten geht, ihn als einen "sogenannten" abzuqualifizieren - man muss nicht unhoeflich sein, wenn man Berufe anderer nicht versteht
- die werfen nicht Wuerfel und ihre ernstliche Aufgabe ist es, Anfragen nach vorgegebenen wissenschaftlichen Regeln zu pruefen, auch wenn einem findigen Journalisten in einem Nachrichten-Blatt dieser Lehrer untereinander oder was-weiss-ich wo entdeckt hatte, einfacher vorkaeme, zu sehn, dass etwas nicht gut ist, wie es praktiziert ist. So ein Bearbeiter einer Anfrage hat nicht das Recht und bekaeme es analog auch nicht in einer westlichen Hochschule, so per erstem Eindruck "pi-mal-Daumen" Antworten zu geben, die irgendwem gefallen muessen - denn danach ist der nicht gefragt.
- ein sogenannter "..." - im Deutschen besagt diese Formulierung, dass der andere sich einen Titel erschlich, verstehst Du? Ein sogenannter "Arzt" hat Medizin nicht gelernt, ein sogenannter "Chefkoch" taeuscht vor, ein solcher zu sein, aber nie war wo eingestellt oder als Fuehrungskraft eine Kueche legitimiert
- ein sogenannter "Rechtsgelehrter" zu sein wuerde jemand nur zu Recht genannt, der keinerlei Rechtsschule besucht hat, keine Examen nach Regeln bestand, sondern nur so rumrennt und sich wichtig tut mit ein paar eingestreuten gelehrt klingenden Worten - und null Ahnung vom Fach.
Die Rechtsschulen werden tausenderlei Dinge gefragt, und ihre Mitarbeiter bilden sich bis zur Kompetenz-Reife aus wie anderswo auch Gelehrte es in ihren Faechern tun. Sie sind nicht die Ungebildeten und haben in 1400 Jahren auch das Kontinuum weiterzustricken in eine Zukunft.
Wer da leichtsinnig etwas behauptet, kann Schaden anrichten, indem Leute sich danach richten - aber prueft es der naechste Fachmann nach, ist das ja wieder hin, die Schule verliert an Glaubwuerdigkeit und bei der naechsten Sache, wo das Recht sehr genau gefunden werden muss, koennte genau das dann auch keiner mehr fuer ernst nehmen.
Nehmen wir an, es ist eine Anfrage so beschieden worden, dass das Ergebnis nicht troestet, und ein Misstand bliebe noch so. Das ist noch nicht das letzte Wort in dieser Sache.
Bei Juristen ist es oft doch so, dass sie dasselbe Tun in mehrerer Hinsicht befragen koennen, falls es um die legitime Beendigung einer bisherigen Duldung einer Sitte geht.
Dann geht man halt genauso trocken jeder dieser Fragen genau nach und stellt fest, was rauskommt. Wenn so nicht, dann kann man das Ganze nochmal aus einem anderen Blickwinkel untersuchen. Es waere gut, wenn dann ein erwuenschtes Ergebnis rauskommt, wenn dieses auch einwandfrei abgeleitet wird aus der vorhergehenden Rechts-Setzung. Sonst waere das im Nu hin.
In aller Welt arbeiten Rechts-Gelehrte so, geniale Verteidiger zeichnen sich aus durch mehr Blickwinkel, die ihnen einfallen. Dritte Belegstellen heben mitunter Widersprueche zweier Beleg-Stellen eines Rechtsspruchs auf. Die an den Hochschulen sind nicht selbst vor Ort Kadi (Richter) oder Imam (Glaubenslehrer), denn die vor Ort koennen nicht immer genausoviel wissen, darum fragt man ja die Spezialisten.
Nimm mal an, es gebe sehr wichtige Fragen an islamische Gemeinschaften, generelle oder welche, die Glueck und Unglueck vieler Menschen betreffen, je nachdem wie die Antwort ausfaellt. Es kann um die Staatsform gehen oder um die Loesung eines tragischen Konfliktes, etc. Dann sind diese Autoritaeten des Rechtes sehr wichtig. Wenn es gut ist, soll es doch auch halten.
Genau wie wir es haben, gibt es auch im Islam Gesetze, die lange schon vergessen sind und wenn man sie anwendete, wuerden viele Leute ungluecklich. Um sie abzuschaffen, muss die richtige Institution es tun, welche sie erliess.
Es wuerde sonst nur eine Sekte mehr, wenn Leute etwas fuer abgeschafft erklaeren und nicht dazu befugt sind - kann sein, es macht sich gut in einer Wahl-Propaganda, es macht sich gut vor Leuten, die es gar nicht betrifft - kann auch sein. Aber nach einiger Zeit holt das die Wirklichkeit doch ein. Wer den Schaden haette, ist der, den es angeht.
Das zu dem Thema, es ist nicht persoenlich gemeint, aber es reisst immer mehr ein, wichtige Institutionen anderer zu verhoehnen, auch wo sie es nicht verdienen, man verhaelt sich anders, wenn man Frieden und ein Miteinander haben will. So ist es mit Titeln, deren Arbeitsplatzbeschreibung man nicht kennt, wie Mufti, Mulla oder Ayatolla (hohe Geistliche wie z.B.im Christentum Patriarchen, Rektoren, Bischoefe) - diese Aemter sind es doch nicht, woraus etwaige Probleme in juengerer Zeit entstanden sind, und damit spoettisch umherzuschmeissen ist ein betraechtliches Zeugnis von eigener Unkenntnis und Unfairness, in solch einem "Klima" kann man kaum im Ernst etwas erfahren oder mitteilen.
Es handelt sich um durchgegliederte 1,2 Mrd Muslime mit ihren Hierarchien der Kompetenzen und Befugnisse, weil man nirgendwo auf der Welt eben einfaxh Massen von Volk Entscheidungen groesserer Tragweite spontan treffen lassen kann - sonst kommt man eben so schnell von "Hoch soll er leben" zu "Auf ihn mit Gebruell", was man als Verhalten des "Mobs" kennzeichnet - einer schreit vor, alles folgt nach, richtet was emotional an und keiner hat eine Ahnung.
Wir Gesellschaften moechten im Grunde doch wirlich am liebsten einfach miteinander leben koenen, und es kommen immer wieder auch Probleme allgemeiner Art auf alle Menschen zu, dazu ist es so wichtig, in Ruhe zu lassen, was schon ok ist, versteht Ihr?
Vor 40 Jahren wollte ich einem Freund ein Buch schenken, das ein Muslim selber geschrieben hat, irgendein schoenes, normales Buch. Ich haette es wirklich nicht gedacht, dass ich nach Besuchen mehrerer wirklich grosser Buchhandlungen auf Deutsch ausser 1 Uebersetzung Koran, "1001-Nacht" Maerchen in mehreren Auswahl-Varianten und Qualitaeten des Einbands und einer Dissertation ueber was Geologisches
nur 1 einziges Buch fand (etwas ueber damaszenische Kunst-Stile, schoen bebildert), das dem Autoren-Namen nach ein Muslim selber geschrieben hatte, und als ich den Text anlas, stimmte das auch, es war aus seiner Sicht geschrieben
- aus Buechern von Reisenden und anderen wusste ich aber, dass es sie geben musste, von Muslimen geschriebene Literatur aus 1400 Jahren
- aber hierzulande halt nicht, Verleger dachten eben: wer liest das schon?
Als ich dann mal kurz in England war, war da ein grosses Buechergeschaeft und ich nun interessiert hinein und verglichen - ganze Regale voll gab es da jede Art Literatur von Muslimen, vom billigen Paperback ueber klassische Literatur bis hin zu den herrlichst bebilderten Baenden. Ich spreche hier nicht ueber missionierende, eifernd "islamistische" Tendenzliteratur, sondern ueber Situations-Schilderungen, Romane, Gedicht-Baende, Reiseberichte, Zeit-Analysen, Theaterstuecke - denn wenn auch sehr viele mehr als heute Analphabeten waren, weil viele Laender, die Muslime enthielten, auch oft zu arm waren, durch Prioritaeten, die kleinen regierende Cliquen gefielen, in was auch der beste Landes-Reichtum an Bodenschaetzen verschwand.
Ein Staat wie der Irak von 1969 gab 97 Prozent fuer Militaer-Einrichtungen aus - von was sollte der wohl Schulen und soziale Dienste im Volk versorgen?
Weite Landstriche wurden noch vor nicht langer Zeit von fast nur leib -untertaenigen Menschen bewohnt, deren Herren unterhielten sich derweil blendend an der Riviera - inzwischen zogen Umstuerzler, die sie ebenfalls weder ehrten noch liebten durch deren Welt zuhause, denen zu folgen hinterher noch erst richtiges Unglueck ueber die Bevoelkerung brachte.
Es gab aber auch Besucher jener Leute, die voellig beeindruckt waren von den selben Voelkerschaften, naeher mit ihnen lebten, die Sprachen erlernten und dann bemerkten, wie auch der sesshafte Stand der Armen sich ordnet, und eben muendlich fast auch alle Literatur-Gattungen praktizierte, ist es doch gerade eine vorder-orientalische Domaine, zu gerne zu reden und zu erzaehlen. Und wenn man biografische Sammlungen durchsieht, zeigt sich, dass Begabte auch aus den Kreisen der Armen entdeckt werden konnten und es in irgendeiner Kunst oder Wissenschaft zu Ruhm brachten. Gerade dieser Weg war doch auch offen, egal wie schwierig die Regierung sich benahm. - Andere Begabte "entdeckte" kein Foerderer, aber es kam deren Umgebung zugute. Manches schrieb dann eben ein anderer fuer sie auf.
Also ich war traurig, dass unser so hoch den Ausbildungen aller Art faehiges Volk sich schlicht nicht dafuer interessierte, was der Nachbar-Kulturkreis liebte, dachte, wusste oder in Worte fasste. Das ist ja seither sehr viel besser geworden, aber ich kann nicht uebergehen, dass da vor nur 40 Jahren ein Mit-Erlebens-Vakuum war.
Von diesem Vakuum her direkt durch agressive Terroristen hochgeschreckt zu werden, war sicher nicht der Uebergang, nun nachzuholen, was man bisher gar nicht zu wissen wuenschte und wo man sich mit dem begnuegte, was von Europaeern ueber diesen Nachbar-Kulturkreis berichtet und gedacht wude.
Mir waere ganz lieb, wenn ich selber auch mehr Kenntnisse in der Hinsicht haette. wenn es mal in unseren Ausbildungen einen Querverweis gab, etwa in der Medizin zu dem grossen Ibn Sina (Avicenna) - aber das war es schon.
Gewiss, in Spezial-Verlagen haette ich wohl etwas gekriegt, was jener schrieb. Heute besitze ich sein ganzes Lehrbuch "Kanon der Medizin" - aber auf Franzoesisch ... doch er lebte *980-1037^ ndZ - das ist etwas laenger her.
mfG WiT