05-07-2009, 15:55
(03-07-2009, 14:30)petronius schrieb: wenn also vor gericht drei zeugen völlig unterschiedlich aussagen, dann würdest du als richter den angeklagten trotzdem verknacken, weil du dir einbildest, gerade wegen der drei widersprüchlichen aussagen zu wissen, "was gemeint ist"...Quatsch.
Wenn ein und derselbe Zeuge sagt "er wollte ihn erschlagen" und "er wollte ihn nicht töten", dann würde ich als Richter mich dafür interessieren, wie er das meint, und vielleicht herausbekommen, dass die Übersetzung der Zeugenaussage aus dem Türkischen schwierig ist, weil da für "schlagen" und "erschlagen" das gleiche Wort benutzt wird. (Das Beispiel ist aus dem Leben gegriffen).
Ich versuche dir etwas über antike literarische Konventionen zu erzählen und deren Unterschiede zu heutiger Art, Texte verfassen und zu lesen. Und die Auswirkungen auf die Interpretion solcher Texte (z.B. der Bibel).
Beispielsweise ist es in unserer Kultur ein wichtiger Unterschied, ob jemand eine Äußerung als direkte Rede wiedergibt und damit beansprucht, den Wortlaut wiederzugeben, oder ob er in indirekter Rede wiedergibt und damit nur beansprucht, den Inhalt wiederzugeben. In der Antike gab es in der Hinsicht keinen Unterschied, in beiden Fällen wurde damit beansprucht, den rhetorischen Gehalt (also weder Wortlaut noch "Inhalt" im modernen Sinn) wiederzugeben. Und wenn du jetzt meinst, weder Wortlaut noch Inhalt bedeute, dass der Schreiber Reden frei erfinden konnte, dann hast du immer noch nicht verstanden, wie die damaligen Konventionen waren.
Leg also mal deine eurozentrische Brille ab und lies die Texte so, wie sie gemeint sind, nicht wie Texte aus der europäischen Neuzeit!
Relativismus: "du hast deine Wahrheit, ich habe meine, beide sind richtig"
Toleranz: "was du sagst ist falsch, aber du hast das Recht, es zu sagen"
Toleranz: "was du sagst ist falsch, aber du hast das Recht, es zu sagen"