(11-10-2009, 05:41)Kyrios702 schrieb: es gibt drei moeglichkeiten auf die Frage, wie das Universum entstanden ist.
Hier ist zu unterscheiden, was analysiert werden soll und kann:
I. Geht es um die physische Welt, die gewissermaßen die „Hardware“ unseres Daseins darstellt?
II. Oder geht es um unsere, die menschliche Seinsweise, die Fragen erörtert um unsere Vorstellungen und Erfahrungen, unsere Gesellschaft und deren Regeln, unser Verhalten und Motivation – gewissermaßen die Software?
Nehmen wir zuerst die Nr. I. (Hardware)
Die drei Thesen postulieren Dinge, die in Bezug auf die Beschreibung von Sachverhalten nicht empirisch belegt werden können (Gott, ‚nichts’, ‚Entstehen’).
1. Ein hoeheres Wesen war der Ursprung ( Gott )
Es spielt für eine Sachbeschreibung keine Rolle, wie eine empirisch feststellbare, mess- und beobachtbare Sache entstanden ist. Man beobachtet lediglich ihr Verhalten und ihre Eigenschaften.
Unsere Astronomen beobachten ein expandierendes Raumzeitgebilde, in dem wir leben. Daraus rückwärts auf einen dichteren Zustand zu schließen, ist bis zu einem gewissen Grad richtig. Was diesen ausgelöst haben mag, ist vorläufig reine Spekulation. Die Zahl der kosmologischen Hypothesen ist inzwischen unübersehbar.
Von Wissen kann keine Rede sein. Wir können nur hoffen, dass sich eine der vielen Hypothesen durch Messungen bestätigen lassen wird. Also trifft These 3 zu.
Ein „hoeheres Wesen (Gott)“ ist einer empirischen Prüfung
definitionsgemäß nicht zugänglich. Es gibt mithin kein Experiment, welches das Wirken eines höheren Wesens nachweisen würde: „Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen“, so drückt es Jesus dem Versucher gegenüber aus.
2. Das Universum hatte " nichts " als ursprung
„Nichts“ als Ursprung der „Hardware“ widerspricht unseren zeitgebundenen Vorstellungen. Schon Immanuel Kant hat festgestellt, dass wir uns Raum und Zeit nicht wegdenken können, ohne uns der Mittel des Nachdenkens zu berauben:
Denken wir, so müssen sowohl Werkzeug als auch Gegenstände vorhanden sein.
Im Nichts sind weder Werkzeug noch Gegenstände existent, und das „Nichts“ entzieht sich uns mangels Möglichkeiten zum Nachdenken. Das Nichts hat aus unserer Perspektive keine Eigenschaften, die Ursache für das Werden der Welt sein könnten. Ein Nichts aber
mit Eigenschaften ist alles andere als nichts!
Raum, Zeit, Strahlung und Materie müssen also aus einem im Vergleich zu heute undifferenziertem Zustand
mit Eigenschaften entstanden sein. Was wir einfach derzeit nicht wissen, was dies für ein Zustand gewesen sein mag.
3. Wir wissen es nicht.
Richtig: Hier auf Erden gibt es kein Experiment, welches einen solchen Zustand zu erzeugen gestattet.
Nehmen wir nun die Nr. II. (Software)
Das Beziehungsgeflecht einer Gesellschaft ist außerordentlich vielschichtig, selbstbezüglich und historisch bedingt. Um darin seit vielen Jahrzehntausenden zu überleben, besitzt der Mensch Ziel- und Wertvorstellungen, Deutungsgerüste und Kommunikationsmittel.
Selbstverständlich wird jeder Einzelne von uns bestrebt sein, solche Vorstellungen in der menschlichen Umgebung zu „synchronisieren“, um den Aufwand der eigenen Anpassung an das Beziehungsgeflecht zu minimieren.
Eine zentrale Vorstellung darin nimmt „das Heilige“ ein, welches einen großen Teil des menschlichen Daseins auf einen einfachen, gemeinsamen Nenner bringt. Meistens handelt es sich bei diesem „Nenner“ um die Verankerung wichtiger, gesellschaftlich relevanter Verhaltensweisen. Ich wüsste im Moment kein Beispiel aufzuzeigen, wo dies
nicht der Fall wäre. Ein nicht immer funktionierender Nebeneffekt sind Sinngebung und das Gefühl, in der Welt eine Heimat zu haben.
Das Heilige (die Götter, Gott) wird stets als eine das Ganze überspannende, geistige Einheit betrachtet, dem anzugehören in der Vorstellung leichter fällt, als sich als zu einer anonymen Gesellschaft gehörig zu empfinden.
1. Ein hoeheres Wesen war der Ursprung ( Gott )
In der Tat ist der Ursprung geregelter menschlicher Seinsweise die Ausrichtung (das Bekenntnis) zu einem Heiligen (Gott im Judentum, Christentum, Islam). Die Vorstellung ist derart verfestigt, dass dieser ontologische Ursprung auch auf die physische Welt übertragen wird. Leider ist diese Übertragung nicht widerspruchsfrei kommunizierbar, weswegen ich ihr nicht zustimme.
2. Das Universum hatte " nichts " als ursprung
Dies ist schlicht nicht denkbar (ausführlich: siehe oben). Deswegen kann man sich das menschliche Leben als unter einem Schöpfer des Ganzen geordnet (s. Genesis)
vorstellen. Eine Begründung ist dies jedoch nicht, sondern ein Postulat für Gläubige.
3. Wir wissen es nicht.
Korrekt! Postulate bzw. Bekenntnisse begründen die nachfolgenden kulturellen Denk- und Verhaltensweisen. Man braucht sie nur zu kennen und danach tun.