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tradition und kulturelle eigenheiten
#1
im thread, der eigentlich zum schwimmunterricht eröffnet wurde, geht ja mittlerweile die debatte schon allgemein darum, wie weit die mehrheitsgesellschaft soziales verhalten von minderheiten zu akzeptieren habe, welches zwar dem eigenen verständnis zuwiderläuft, aber eben bei der minderheit (glaubens)tradition ist oder gar zu grundlagen des glaubens gehören soll

für mein verständnis wird dabei zu leichtfertig alles mögliche zu "grundlagen des glaubens" erklärt, was es de facto in keiner weise ist. wenn nur eine minderheit der muslime in d kleidungsvorschriften wie diverse formen der verschleierung oder verhaltensvorschriften wie personen des anderen geschlechts nicht die hand zu geben befolgt, fällt es mir schwer, anzuerkennen, daß die mehrheit der muslime einfach gegen "grundlagen des glaubens" verstößt. eher schon würde ich dann annehme, daß eben auch der islamische glaube verschiedenen interpretationen zugänglich ist

ok - aber reicht es nicht auch, wenn eine minderheit in der minderheit halt etwas als die "grundlagen ihres glaubens" versteht? erfordert dann der respekt vor anderen kulturen, und mögen sie zahlenmäßig noch so marginal sein, nicht die anerkennung entsprechenden verhaltens?

also: wenn der imam sagt, koedukativer schwimmunterricht und gemischtgweschlechtliches händeschütteln verstoßen gegen die grundregeln unseres glaubens, und seine gemeindemitglieder halten sich daran - dann ist das so zu akzeptieren, auch wenn im lehrplan etwas anderes steht und die verhaltensregeln an der schule anders lauten?

klingt ja ganz gut. aber denken wir weiter, und nehmen wir uns ein aktuelles beispiel aus den niederlanden vor: dort wurden jetzt 49 fälle von kindesmißhandlung in moscheen (beim koran- und arabischunterricht) angezeigt

http://www. taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=au&dig=2009%2F12%2F17%2Fa0117&cHash=cd0855ca91

darf das denn sein? wie kommen die holländer dazu, die traditionen der muslime (daß halt in der medresse geprügelt wird) zu kritisieren? ist so was nicht einfach zu respektieren - vielleicht sieht der prügelnde imam es ja als eine grundregel seines glaubens an, daß gottes wille (den koran zu lernen) auch eingeprügelt werden darf? immerhin gibt es ja einschlägige koranstellen (wie auch bibelstellen!), die den wert körperlicher züchtigung nahelegen


was ich damit sagen will: man macht es sich zu einfach mit der blauäugigen forderung, fremde traditionen seien zu akzeptieren - vielleicht umso mehr, als sie als glaubenstraditionen reklamiert werden. es gilt einen ausgleich zu finden, eine grenze zu definieren für das, was noch als ausdruck persönlicher getaltungsfreiheit anzuerkennen ist, und dem, was in unserer gesellschaft einfach nicht hinzunehmen ist. daß dies nicht einfach ist und auch nicht durch einseitige deklaration seitens der mehrheitsgesellschaft erfolgen kann, ist klar. umgekehrt aber kann es aber auch nicht so sein, daß nur die minderheit berechtigt ist, für sich zu definieren, welche regeln einzuhalten sind (und sei es auch, daß damit die mehrheit vor den kopf gestoßen wird)

würde man etwa sagen wollen (was ich niemandem unterstelle): es ist bei uns eben so sitte und hat sich bewährt, unfolgsame schüler grün und blau zu prügeln - und was gehts euch an, es sind ja nicht eure kinder, und wir prügeln auch nicht an euren schulen - wäre das dann einfach hinzunehmen? immerhin hat es an unseren schulen ja noch vor ein paar jahren auch nicht anders ausgesehen...
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#2
Minderheiten kann man akzeptieren wo deren Lebenweise oder -grundsätze nicht gegen Gesetze verstoßen.
Die Gesetze des Landes in dem man lebt müssen eingehalten werden.
Inwieweit jedoch jeder einzelne Mensch die Umgangsformen, die Kleidung, das Verhalten seines Nachbarn oder Kollegen akzeptieren kann oder nicht, ist abhängig von der persönliche Akzeptanz gegenüber einer Minderheit oder gegenüber etwas das man fremdartig empfindet.
LG
Zahira
As Salamu Aleikhum
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#3
(17-12-2009, 21:47)zahira schrieb: Minderheiten kann man akzeptieren wo deren Lebenweise oder -grundsätze nicht gegen Gesetze verstoßen.
Die Gesetze des Landes in dem man lebt müssen eingehalten werden.
Inwieweit jedoch jeder einzelne Mensch die Umgangsformen, die Kleidung, das Verhalten seines Nachbarn oder Kollegen akzeptieren kann oder nicht, ist abhängig von der persönliche Akzeptanz gegenüber einer Minderheit oder gegenüber etwas das man fremdartig empfindet.

das stimmt so schon. wie meine nachbarn ihr leben gestalten, habe ich nicht zu werten. und wenn sie gegen gesetze verstoßen, greift der rechtsstaat. so weit, so einfach und klar

das problemfeld ist der grenzbereich zwischen (straf)gesetz und recht auf private selbstbestimmung. gehört koedukativer schwimmunterricht zu den "Gesetzen des Landes", denen zweifelsfrei folge geleistet werden muß, oder in den persönlichen, privaten bereich der glaubensregeln?

oder eben die körperliche züchtigung: heute strafbar, noch vor relativ kurzer zeit auch hier so gang und gäbe wie juristisch ok. also eine sache der kulturellen tradition, bzw. deren entwicklung

welchen, wie allgemein verbindlichen, wert dem status quo des gesellschaftlichen mainstreams (ggf. in gesetze und verordnungen gegossen) hier zuzugestehen sind wir bereit?
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#4
Nach dem Gesetz müssten meines Erachtens die Menschrechte bzw die Kinderrechtskonvention beachtet werden
As Salamu Aleikhum
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#5
(18-12-2009, 00:11)zahira schrieb: Nach dem Gesetz müssten meines Erachtens die Menschrechte bzw die Kinderrechtskonvention beachtet werden

so wie in der schule nach dem gesetz der lehrplan zu beachten ist, nicht wahr?
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#6
"Kulturelle Minderheiten" werden meistens in entsprechenden Vereinen ausgelebt, wobei natürlich auch hier gesetzliche Vorgaben einzuhalten sind. Daher wird wohl auch kein Mensch kritisieren, daß in einer muslimischen Gemeindehaus ein Mann der Frau keine Hand zur Begrüßung reicht. Nur, wenn die Tür von außen geschlossen wird, und der muslimische Mann eine nichtmuslimische Frau trifft und begrüßt, dürften wohl die gesellschaftlich vorgegebenen Regeln an dieser Stelle gelten.

Wenn jemand das Bedürfnis hat, unbekleidet herumzulaufen, gibt es die Möglichkeiet, dieses in entsprechenden Vereinen zu praktizieren. Verläßt er diese "Schutzzone" gelten die allg.gesetzlichen Vorgabe, was die Mindestbekleidung angeht. Warum kann das von religiös geprägten Menschen nicht akzeptiert werden?

Gruß
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#7
(18-12-2009, 10:21)petronius schrieb:
(18-12-2009, 00:11)zahira schrieb: Nach dem Gesetz müssten meines Erachtens die Menschrechte bzw die Kinderrechtskonvention beachtet werden

so wie in der schule nach dem gesetz der lehrplan zu beachten ist, nicht wahr?

ja, deshalb Schulpflicht, dazu gehört auch Schwimmunerricht und Sportuntericht

Aber meinst du dass es unter die Schulpflicht fällt dass man dem Lehrer die Hand gibt ? ;o)
As Salamu Aleikhum
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#8
Offensichtlich müssen eine Menge Benimm-Regeln mittlerweile über die Schule gelernt werden, weil Eltern ihrer Erziehungsaufgabe aus verschiedenen Gründen nicht wirklich nachkommen.

Gruß
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#9
Obwohl ich in Deutschland aufgewachsen bin, Urdeutsche Eltern habe, hier zur Schule ging, Lehre und Arbeit etc. wurde mir nie gelernt, dass ich zwingend jemandem die Hand geben muss zur Begrüßung.

Und wie ich bereits in mehreren Post´s schrieb. Ein klärendes Gespräch zwischen den Betroffenen bei dem jeder die Erwartung des anderen respektvoll betrachtet, seine eigeneErwartung erklärt und es gibt nur in ganz seltenen Fällen ein Problem.
As Salamu Aleikhum
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#10
(18-12-2009, 18:57)zahira schrieb: ja, deshalb Schulpflicht, dazu gehört auch Schwimmunerricht und Sportuntericht

nein, die schulpflicht besagt, daß kinder zur schule müssen. aber noch nichts inhaltliches zum lehrplan oder den an der schule fächerübergreifend zu vermittelnden werte

(18-12-2009, 18:57)zahira schrieb: Aber meinst du dass es unter die Schulpflicht fällt dass man dem Lehrer die Hand gibt ? ;o)

nein, das fällt unter die genannten fächerübergreifend zu vermittelnden werte
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#11
(18-12-2009, 19:26)zahira schrieb: Obwohl ich in Deutschland aufgewachsen bin, Urdeutsche Eltern habe, hier zur Schule ging, Lehre und Arbeit etc. wurde mir nie gelernt, dass ich zwingend jemandem die Hand geben muss zur Begrüßung

darum gehts auch gar nicht. es geht darum, diesen händedruck zu verweigern, wo er angebracht und üblich ist. und welche botschaft damit vermittelt wird
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#12
(18-12-2009, 21:56)petronius schrieb:
(18-12-2009, 19:26)zahira schrieb: Obwohl ich in Deutschland aufgewachsen bin, Urdeutsche Eltern habe, hier zur Schule ging, Lehre und Arbeit etc. wurde mir nie gelernt, dass ich zwingend jemandem die Hand geben muss zur Begrüßung

darum gehts auch gar nicht. es geht darum, diesen händedruck zu verweigern, wo er angebracht und üblich ist. und welche botschaft damit vermittelt wird

Nun, die Botschaft die damit übermittelt wird ist sicher jedesmal eine andere.
Beim einen bedeutet es .. ich kann dich nicht leiden.., beim andern ist es unverständnis weil aus einer anderen Kultur. Deshalb bin ich immer noch der Meinung. Das einzige Sinnvolle ist ein Gespräch. Maßnahmen aus dem Ergebnis falls keine Einigung erzielt wird, müssen Individuell geregelt werden.
LG
As Salamu Aleikhum
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#13
Es ist doch sicherlich auch zu beachten, in welcher Beziehung zwei sich Grüßende stehen. Unter Freunden oder Bekannten, also reines Privatleben, ist es ausschließlich Sache der Beiden, wie sie sich begrüßen. Im Geschäftsleben dürften andere Spielregeln zum Tragen kommen (Kollege - Kollege, MA - Vorgesetzer). Und für einen Schüler stellt auch eine Lehrerin eine Autoritätsperson da. Im Geschäftsleben hat normalerweise Vorrang, was die höhere Ebene anbietet.

Gruß
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#14
(19-12-2009, 09:56)zahira schrieb: Nun, die Botschaft die damit übermittelt wird ist sicher jedesmal eine andere.
Beim einen bedeutet es .. ich kann dich nicht leiden.., beim andern ist es unverständnis weil aus einer anderen Kultur. Deshalb bin ich immer noch der Meinung. Das einzige Sinnvolle ist ein Gespräch. Maßnahmen aus dem Ergebnis falls keine Einigung erzielt wird, müssen Individuell geregelt werden.

ich stell mir das grad bildhaft vor

die erstklässler malen bilder. der kleine murat hat ein ganz tolles haus mit garten gemalt, und die lehrerin streckt ihm die hand hin, um ihm zu seinem meisterwerk zu gratulieren. was wird der kleine murat antworten?

"ich geb dir nicht die hand. mein papa hat gesagt, daß männer frauen nicht die hand geben - da könnten sie ja auch gleich kochen und putzen"

oder sagt er:

"sehr geehrte frau lehrerin, ich bitte sie, die kulturellen eigenheiten meiner tradion zu respektieren, die es den geschlechtern verbietet, zum jeweils anderen kontakt, gar körperlichen, zu haben. seien sie versichert, daß dies nicht mangelnder achtung vor ihrem professionellen können und ihrer menschlichen autorität geschuldet ist. ich biete ihnen ein ausführliches gespräch über die eigenheiten unserer beiden kulturen und deren traditionelles verständnis der geschlechterrolle an, sodaß wir potentielle mißverständnisse bereits im vorfeld ausräumen können"

was meinst du, wie die antwort ausfallen wird?

ich stelle mir auch grade vor, wie der ausgelernte azubi den gratulierenden handschlag seiner betriebsinhaberin zur bestandenen prüfung verweigert. was meinst du - wird er dann immer noch auf platz eins der liste mit den in ein weiterführendes arbeitsverhältnis zu übernehmenden stehen?
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#15
Es gibt auch heute noch Geschäftsabschlüsse, wo das Händeschütteln dem Akt des Vertragsabschlusses gleich kommt.Und Gratulationen werden gewohnheitsmäßig per freundlichem Händeschütteln ausgedrückt. Wird hier dann auch erst ein den zu Beglückenden praktisch abweisenden Erklärungsvortrag gehalten?

Gruß
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