Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Steinzeit im Blut - Mann und Frau - das kann nicht gut gehen.
#1
Ich habe einen interessanten Artikel über Evolution im "NZZ Folio" online gefunden, den ich gern mit euch (denen, dies interessiert) teilen möchte.

.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/6aaef252-2806-4809-bbe1-9f5b048a2a09.aspx

Von Reto U. Schneider

Zitat:Männer sind gewalttätig, wollen junge Frauen und schnellen Sex; Frauen sind sanft, wollen reiche Männer und romantische Liebe. Das ist sexistisch, politisch unkorrekt - und wahr. So wie Männer im Durchschnitt grösser sind als Frauen, gehören die drei Unterschiede bei Gewalt, Partnerwahl und Sex zu den markantesten zwischen den Geschlechtern.

Gewalt: In der Schweiz wurden 1997 - aus diesem Jahr stammen die neusten erhältlichen Zahlen - 77 Morde begangen, 71 von Männern, 6 von Frauen. Schwere Körperverletzung: 48 Fälle, 46 Männer, 2 Frauen. Raub: 349 Fälle, 320 Männer, 29 Frauen. In anderen Ländern sieht das Verhältnis ähnlich aus.

Partnerwahl: Der Psychologe David Buss von der University of Texas hat in 37 Ländern untersucht, welche Eigenschaften der Wunschpartner hätte. Über 10 000 Männer und Frauen haben ihre persönliche Rangliste aufgestellt. Männer stuften Jugend und Aussehen höher ein, Frauen Status, Ehrgeiz und Fleiss.

Sex: Vom unterschiedlichen Interesse der Geschlechter an anonymem Sex zeugt ein ganzer Wirtschaftszweig. Auch diesen Unterschied hat Buss statistisch nachgewiesen. Er wollte von amerikanischen Studentinnen und Studenten wissen, wie lange sie einen Wunschpartner kennen müssten, bevor sie mit ihm schlafen würden. Ein halbes Jahr bis ein Jahr war den Frauen gerade recht. Eine Woche war den meisten zu kurz. Den Männern dagegen war eine Woche gerade recht. Ob es eine Dauer gibt, die ihnen zu kurz ist, fand Buss nicht heraus. Seine Skala ging nicht unter eine Stunde.

Die Realität übertrifft das Klischee, und das Verhältnis zwischen den Geschlechtern wird dadurch arg belastet. In jeder Buchhandlung zeugen Wände voller Ratgeberliteratur davon: «Man gewöhnt sich an alles, nur nicht an einen Mann», «101 Gründe, ohne Frau zu leben», «Rettet die Männer. Frauen machen kaputt», «Warum sind Männer so schwierig?». Ja, warum bloss? Ist es ihre Natur, oder hat sie die Erziehung zu solchen Kotzbrocken gemacht? Und die Frauen, warum können die nicht auch eine Büchse Bier in die eine Hand nehmen, die Fernbedienung in die andere und zufrieden sein? Ist doch weiss Gott nicht schwer.

Angeboren oder erlernt? Natur oder Kultur? Der Streit wird von Soziologen, Feministinnen, Biologen und Psychologinnen ausgefochten. Heute beteuern zwar alle, wie wichtig das Zusammenspiel von Natur und Kultur sei, näher hat es die Geschlechter einander nicht gebracht.

Die einen schreiben das typische Verhalten von Mann und Frau der Erziehung in einer männerdominierten Gesellschaft zu, die andern sehen den Grund dafür in unterschiedlichen Gehirnfunktionen, die den Geschlechtern von der Evolution in die Wiege gelegt worden seien. Sie nennen ihr Forschungsgebiet Evolutionspsychologie und argumentieren so: Den grössten Teil seiner Stammesgeschichte hat der Mensch als Jäger und Sammler in der Steinzeit verbracht. An diese längst verschwundene Lebensweise sei das Gehirn angepasst, und nur aus diesem Blickwinkel lasse sich verstehen, warum Männer und Frauen heute so sinnlose Dinge tun wie Pornofilme anschauen und Heimatromane lesen. Die kurze Zeit von Ackerbau, Farbfernsehen und Verhütungsmitteln sei ohne Einfluss geblieben auf die Verdrahtungen im Gehirn. Wir seien mit einem Denkapparat aus der Steinzeit im 21. Jahrhundert gelandet. Die Frauen mit einem anderen als die Männer.

Obwohl Bücher über Evolutionspsychologie häufig mit einer glühenden Stellungnahme für die Gleichberechtigung der Geschlechter beginnen, bleiben Feministinnen und Sozialwissenschafter misstrauisch. Sie bringen vor allem drei Gegenargumente vor.

Erstens: Wenn Gewalttätigkeit und Seitensprung biologisch verankerte Verhalten wären, müssten sie auch richtig sein, weil natürliches Verhalten immer auch gutes Verhalten ist.

Zweitens: Selbst wenn man diese Verhaltensweisen für schlecht hält, müsste man sie entschuldigen, weil sie in den Genen angelegt sind und der Einzelne keine Macht über sie hat. Alle Versuche, die Gesellschaft zu verändern, wären damit nutzlos.

Drittens: Es gibt keine Beweise für die unterschiedliche Struktur des Geistes von Mann und Frau.

Das erste Gegenargument ist so alt wie falsch. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird es «naturalistischer Fehlschluss» genannt. Viele Menschen nehmen stillschweigend an, was die Natur eingerichtet habe, müsse auch moralisch richtig sein. Das Wort «natürlich» macht in Werbespots und Bioläden Karriere als Synonym für gut und richtig. In Tierfilmen sind von Elefant bis Mücke alle einzig um das Gleichgewicht des Ökosystems besorgt. Sie lassen für die andern immer etwas übrig und töten nur, wenn sie Hunger haben. Dabei bringen Schimpansenmännchen manchmal Junge um, bloss weil sie vermuten, nicht deren Vater zu sein. Die Natur kann keine Moral liefern - auch die Natur des Menschen nicht. Auf die Gleichstellung der Geschlechter muss diese Sicht der Dinge keinen Einfluss haben. Sie lässt sich losgelöst von der Biologie rechtfertigen: Es ist falsch, Menschen wegen ihres Geschlechts zu diskriminieren, weil die Diskriminierten darunter leiden.

Die Entkopplung der moralischen Argumentation von der biologischen Erkenntnis entkräftet aber nicht den zweiten Einwand. Zwar mag es moralisch verwerflich sein, wenn ein Mann gewalttätig wird, aber kann er dafür verantwortlich gemacht werden, wenn er doch einen angeborenen Zug zur Gewalt hat?

Wenn die Gene einen Einfluss auf das Verhalten haben, bedeute das noch lange nicht, dass der Mensch wie ein Roboter von ihnen gesteuert werde, entgegnen die Evolutionspsychologen darauf. «In der Möglichkeit, zwischen mehreren Zielen zu wählen, liegt einer der radikalsten Unterschiede zwischen uns und anderen Tieren», schreibt der Physiologe Jared Diamond von der University of California in Los Angeles in seinem Buch «Why Is Sex Fun?». Der menschliche Geist, so die Vorstellung der Evolutionspychologie, bestehe aus einer Unzahl verschiedener Module, jedes von der Evolution für eine bestimmte Aufgabe herangebildet. Unser mentales Leben sei eine lautstarke Versammlung konkurrierender Parteien. «Viele unserer Triebe, Bedürfnisse und Wünsche wurden von der Evolution geformt», sagt David Buss, «wir entscheiden, welchen wir folgen.»

Den ersten beiden Gegenargumenten stehen die Evolutionspsychologen also gelassen gegenüber. Sie betreffen nicht Erkenntnisse über die geistige Natur von Mann und Frau, sondern deren mögliche Folgen für die Gesellschaft. Der dritte Einwand hingegen - dass sich die unterschiedliche Struktur des Geistes von Mann und Frau nicht belegen lasse - ist nicht leicht zu entkräften. Den Beweis zu führen, dass ihr Verhalten biologisch verankert sei, ist sehr schwierig. Ein Crash-Kurs in Evolutionslehre zeigt, warum.

Die von Charles Darwin Mitte des 19. Jahrhunderts begründete Evolutionstheorie beschreibt einen Mechanismus, der die Entstehung der Tier- und Pflanzenarten und damit die Entstehung spezialisierter Körperteile, Organe und Verhalten erklären kann.

Nehmen wir zum Beispiel an, es gäbe eine Mausart, die etwas unscharf sieht, weil ihre Augen mit einer trüben Linse ausgestattet sind. Durch eine zufällige Veränderung im Erbgut kommt nun eine dieser Mäuse mit einer klaren Linse zur Welt. Das bessere Auge ist für diese Maus ein Überlebensvorteil. Sie findet einfacher Nahrung und sieht ihre Feinde früher. Das erhöht ihre Überlebenschance, und sie wird mehr Junge haben als andere Mäuse, und alle werden die Erbinformation für eine klare Linse mit sich tragen.

Diese Mäuse werden wiederum mehr Nachkommen haben als ihre Artgenossen mit den schlechteren Augen. Wenn man nur genug Generationen lang wartet, wird die Zahl der Mäuse mit klarer Linse so stark zunehmen, dass sie ihre Artgenossen mit den trüben Augen verdrängen.

Evolution ist an zwei Bedingungen geknüpft. Erstens wird die Information über die biologisch festgelegten Eigenschaften eines Organismus in den Genen an die nächste Generation vererbt. Zweitens kommt es dabei zu kleinen zufälligen Kopierfehlern, Mutationen genannt. Die meisten Mutationen werden für das Überleben des Lebewesens von Nachteil oder sogar tödlich sein. Doch hin und wieder will es der Zufall, dass der Kopierfehler einen Organismus mit einer Eigenschaft ausrüstet, die zu mehr Nachkommen führt.

Obwohl die Biologen sich über viele Details der Evolution uneinig sind, zweifeln nur noch religiöse Eiferer grundsätzlich an dieser Theorie. Die Evolution ist die Grammatik der Biologie und konnte an einer Reihe von Pflanzen und Tieren im Labor nachgewiesen werden. Dass auch das Gehirn den Entwicklungsgesetzen der Evolution unterliegt, war schon Darwin klar. «Die Psychologie wird sich sicher auf eine neue Grundlage stützen», schrieb er im letzten Kapitel seines Werkes «Die Entstehung der Arten». Nicht nur körperliche Veränderungen wie eine klare Linse setzen sich durch, sondern auch alle Schaltkreise im Gehirn, die ein Verhalten steuern, das langfristig zu mehr Nachkommen führt.

Das Gehirn von Mann und Frau entwickelte sich im Laufe der Evolution unterschiedlich, weil Mann und Frau sich unterschiedlich verhalten müssen, um möglichst viele überlebensfähige Kinder in die Welt zu stellen. Eine Frau kann bloss alle Jahre gebären, und auch das nur in ihren fruchtbaren Jahren. Ein Mann dagegen kann theoretisch bis ins hohe Alter jeden Tag Kinder zeugen. Im Guinness Book of Records kann man nachlesen: Moulay Ismail von Marokko soll im 17. Jahrhundert 525 Söhne und 342 Töchter gezeugt haben. Rekordmutter ist eine russische Bäuerin, die mit vielen Mehrlingsgeburten auf 69 Kinder kam.

Die Investitionen von Mann und Frau in die eigene Fortpflanzung unterscheiden sich dramatisch. Beim Mann sind es im Extremfall fünf Minuten Sex und ein Kaffeelöffel Sperma. Bei der Frau ein kostbares Ei aus einem beschränkten Vorrat, neun Monate Schwangerschaft, das Risiko der Geburt und in manchen Kulturen bis zu vier Jahre Stillzeit. Die Evolutionspsychologen glauben, dass sich aus dieser Asymmetrie viele Verhaltensunterschiede zwischen Mann und Frau erklären lassen, gerade auch die Verhaltensunterschiede in Bezug auf Sex, Gewalt und Partnerwahl.

Sex: Ein Mann, der mit fünfzig Frauen schläft, wird in der nächsten Generation mehr Nachkommen mit seiner sexuellen Vorliebe hinterlassen als ein Mann, der bloss mit einer Frau schläft. Eine Frau dagegen, die mit fünfzig Männern schläft, wird nicht mehr Babys zur Welt bringen als eine, die nur mit einem Mann schläft. Also wird sich die Vorliebe für viele Sexpartner bei Frauen nicht ausbreiten.

Heute ist der Fortpflanzungsvorteil der Männer hinfällig geworden. Fremdgehen oder mit möglichst vielen Frauen zu schlafen, hat aus der Sicht der Evolution keinen Sinn mehr. Seit es Verhütungsmittel gibt, schlägt sich dieses Verhalten nicht mehr in einer grossen Nachkommenschaft nieder. Doch im Kopf habe das stammesgeschichtliche Erbe überlebt, sagen die Evolutionspsychologen.

Gewalt: Die grössere Gewaltbereitschaft der Männer wird als direkte Folge der Asymmetrie bei der Reproduktion angesehen. Aus den genannten Gründen ist die Nachfrage der Männer nach paarungsbereiten Frauen immer grösser als das Angebot. Eine Steinzeitfrau musste nie kämpfen, um schwanger zu werden. Der Mann dagegen konkurrierte immer mit anderen Männern um die Frau. Wer aggressiv war, hatte die grösseren Chancen, sich fortzupflanzen, und gab diese Neigung seinem männlichen Nachwuchs mit.

Partnerwahl: Die Vorliebe der Männer für junge Partnerinnen hat sich ähnlich durchgesetzt wie jene für wechselnde Partnerinnen. Steinzeitmänner, die sich zufälligerweise von jungen Frauen angezogen fühlten, hatten mehr Kinder, weil junge Frauen fruchtbarer sind als alte. Ihre Nachkommen erbten ihre Vorliebe, ähnlich wie die Mäuse die klare Linse. Das gleiche Gedankenexperiment hat bei Frauen einen anderen Ausgang. Eine Vorliebe für junge Partner führte bei ihnen nicht zwingend zu mehr Nachkommen. Hingegen konnten die Frauen die Überlebenschancen ihrer Kinder steigern, wenn sie wohlhabende Männer mit hohem Status auswählten, die sie und die Kinder versorgen konnten.

Wenn das alles wahr ist, warum bloss lässt sich der Mann überhaupt auf eine feste Beziehung mit einer Frau ein? Das hänge mit dem zweiten grossen biologischen Unterschied zwischen Mann und Frau zusammen, sagen die Evolutionspsychologen, der verdeckten Empfängnisbereitschaft. Während eine Frau immer weiss, dass sie die Mutter des Kindes ist, das sie zur Welt bringt, kann sich der Mann seiner Vaterschaft nie ganz sicher sein. Anders als viele andere Säugetiere zeigt die Frau nicht an, an welchen Tagen sie fruchtbar ist.

Das stellte den Mann in der Steinzeit vor ein Problem: Wenn er monogam lebte und bei seiner Frau blieb, war er zwar sicher, dass ihre Kinder auch seine waren. Jedoch vergab er sich die Chance, ausserehelich weitere Nachkommen zu zeugen. Lebte er hingegen als Single und hatte mal hier Sex, mal dort, konnte es sein, dass er am Schluss gar keine Nachkommen gezeugt hatte, weil seine Sexpartnerinnen gerade nicht ihre fruchtbaren Tage hatten. Und hatte er doch welche, überlebten sie womöglich nicht, da kein Vater für sie und ihre Mutter Nahrung beschaffte. Aus diesen Theorien haben die Evolutionspsychologen folgende Partnerwahlstrategien destilliert:

Für die Frau ist der willkommenste feste Partner der emotional stabile Ernährer mit genügend Ressourcen. Da dieser Partner nicht zwingend auch die besten körperlichen Gene hat, kann sich ein Seitensprung mit einem kräftigen, attraktiven Mann positiv auf die Zahl der überlebensfähigen Kinder auswirken. Vorausgesetzt, der feste Partner ist überzeugt davon, der Vater zu sein.

Für den Mann ist als feste Partnerin eine junge Frau ideal, die eine lange Zeit der Fruchtbarkeit vor sich hat und die treu ist, damit der Mann sichergehen kann, dass die Nahrung, die er besorgt, auch wirklich für die eigenen Kinder ist. Daneben kann er die Zahl seines Nachwuchses erhöhen, indem er bei Gelegenheit mit anderen fortpflanzungsfähigen Frauen schläft.

Man braucht kein Wissenschafter zu sein, um zu sehen, dass diese beiden Strategien nicht zusammenpassen. Paartherapien, Sexberatungskolumnen und französische Liebesfilme über komplizierte Dreiecksbeziehungen sind die Folgen. «Es ist unbestritten, dass ein Verhalten, das im genetischen Interesse eines Mannes liegt, nicht unbedingt dem seiner Partnerin entspricht und umgekehrt», schreibt Jared Diamond, «diese grausame Tatsache ist einer der fundamentalen Gründe der menschlichen Misere.»

Die Evolution hatte nie ein Ziel, also auch nicht das Ziel, Mann und Frau so zu schaffen, dass sie zusammenpassen. Die Evolution ist ein selbstgesteuerter Vorgang, der blind die Eigenschaften mit dem grössten Fortpflanzungserfolg hervorbringt. Unsere Ururururgrossmütter und -väter aus der Steinzeit sind nicht unsere Vorfahren, weil sie sich moralisch herausragend benommen haben, sondern weil sie am meisten überlebensfähige Kinder in die Welt gesetzt haben.

Diese Vorstellung scheint fremd, weil wir uns der kalten Logik der Evolution nicht bewusst sind. Die Evolution versteckt ihre Strategien hinter der Lust und grossen Gefühlen wie der Liebe. Kein Mann denkt beim Disco-Besuch daran, wie er an diesem Abend seine Gene am effizientesten in die nächste Generation schleusen könnte. Genauso wie niemand ausrechnet, dass er dringend dreissig Gramm Glukose aufnehmen muss, wenn er Hunger kriegt.

Die Evolutionspsychologie speist die biologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern der Evolution ein und versucht, mit Gedankenexperimenten herauszufinden, welche Verhaltensweisen daraus entstehen könnten. Sie teilt mit den historischen Wissenschaften das Problem, dass wir unsere Vorfahren nicht besuchen können. Bei der Erforschung der Evolution des Körpers lässt sich auf Fossilien zurückgreifen, doch Verhalten versteinert nicht.

Was die Evolutionspsychologen liefern können, sind im besten Fall Indizienbeweise, im schlechtesten billige Geschichten nach dem folgenden Muster: Man nehme ein häufig beobachtetes menschliches Verhalten - zum Beispiel die Tendenz der Frauen, einander Klatschgeschichten zu erzählen. Dann überlege man, wie dieses Verhalten in der Vergangenheit zu mehr Nachkommen hätte führen können - Frauen, die viel klatschen, haben mehr Information darüber, wie man einen fürsorglichen Mann gewinnt, was sich in mehr überlebensfähigen Kindern niederschlagen wird.

«Cocktailpartygeschichten» nennt das der Biologe und Kritiker der Evolutionspsychologie Stephen Jay Gould. Erfundene Geschichten mit dem Ziel, einem Verhalten einen Vorteil für die Fortpflanzung anzudichten und es damit biologisch zu verankern. Schon machen Witze darüber die Runde: Warum mögen Männer heute Frauen mit Miniröcken? - Weil Steinzeitfrauen mit langen Röcken stolperten und dabei die Babys töteten, die lange Röcke gemocht hätten.

Auf der Suche nach wirklichen Indizien vergleichen Evolutionspsycholgen unser Verhalten mit dem von Tieren, sie stellen Kulturen einander gegenüber, und sie versuchen, im Verhalten von heutigen Menschen Spuren aus der Steinzeit zu finden. Hier einige Indizien zu unseren drei Beispielen des geschlechtsspezifischen Verhaltens bei Gewalt, Partnerwahl und Sex.

Gewalt: Auch unter heutigen Jägern und Sammlern wenden Männer viel häufiger Gewalt an als Frauen. Es gibt keine einzige Kultur auf der Welt, in der Frauen gewalttätiger wären als Männer. Der Soziobiologe Napoleon Chagnon hat herausgefunden, dass die Männer der Yanomami-Indianer im Amazonas häufig Frauen als Kriegsbeute nahmen. Männer, die Feinde getötet hatten, besassen dreimal so viele Ehefrauen und Kinder wie die anderen Männer. Gewalt hat sich in diesem Fall also direkt in eine grössere Anzahl Nachkommen übersetzt. Man kann einwenden, dass Frauen ganz einfach weniger Gewalt anwenden, weil sie schwächer sind als Männer. Doch auch der Zugang zu Schusswaffen, der diesen Nachteil aufheben würde, hat zu keinem Ausgleich der Kriminalstatistik geführt. Was nicht bedeutet, dass die Umwelt keine Rolle spielt. Auch davon erzählen die Kriminalstatistiken. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mordeten die Leute in Island etwa 200-mal weniger als die Einwohner der USA heute. Das Verhältnis von Täterinnen und Tätern ist jedoch gleich geblieben.

Partnerwahl: Die Rangliste von David Buss, auf der Frauen in der ganzen Welt bei ihrem Wunschpartner Status, Ehrgeiz und Fleiss höher einstufen als Männer bei ihrer Wunschpartnerin, ist noch kein Beweis für einen angeborenen Unterschied. Frauen sind materiell auf der ganzen Welt schlechter gestellt als Männer. Es ist darum durchaus plausibel, dass ihr Wunsch nach einer guten Partie nicht einem biologischen Impuls entstammt, sondern kulturell bedingt ist. Ein reicher Ehemann ist oft die einzige Möglichkeit für eine Frau, Zugang zu einer männerdominierten Welt zu bekommen, von der sie sonst ausgeschlossen bliebe.

Wäre dies der Hauptgrund, spekuliert Buss, so müsste der Wunsch nach einem wohlhabenden Partner bei reichen Frauen abnehmen. Doch er fand in seinen Daten genau das Gegenteil: Reiche Frauen wünschen sich noch reichere Männer. Für Buss ist dies ein Beleg dafür, dass unser heutiges Partnerwahlprogramm ein Relikt aus der Steinzeit ist.

Sex: Das unterschiedliche Verlangen der Geschlechter nach Sex mit Fremden wird oft mit der Studie von Buss belegt, in der Männer viel weniger Zeit benötigen als Frauen, bis sie mit einem Partner intim werden. Zahlreiche Wissenschafterinnen haben Buss jedoch entgegengehalten, es gebe eine einfache Alternative zur Erklärung, dass diese unterschiedlichen Vorlieben biologisch gesteuert seien: Frauen haben nicht weniger Lust auf schnellen Sex, sondern mehr Angst vor Gewalt, wenn sie mit einem fremden Mann allein sind.

Als Kronzeugen für das biologisch verankerte Verlangen nach sexueller Abwechslung bei Männern rufen Evolutionspsychologen die Homosexuellen auf. Bei Befragungen von Schwulen in San Francisco vor dem Bekanntwerden von Aids sollen 75 Prozent der Männer mehr als hundert Partner gehabt haben, 25 Prozent mehr als tausend. Diese Zahlen unterscheiden sich dramatisch von den Quoten heterosexueller Männer und noch mehr von denen von Lesbierinnen. Die meisten homosexuellen Frauen haben nach Umfragen weniger als zehn Partnerinnen in ihrem Leben. Auch über diesen Unterschied gibt es einen Witz: Was bringt eine Lesbe zum zweiten Rendez-vous mit? - Den Umzugswagen. Was bringt ein Schwuler zum zweiten Rendez-vous mit? < Welches zweite Rendez-vous>

Homosexuelle, so die Interpretation, können die angeborenen Bedürfnisse ihres Geschlechts voll ausleben, weil sie keine Kompromisse mit dem anderen Geschlecht eingehen müssen. Der Anthropologe Donald Symons schreibt in seinem Buch «The Evolution of Human Sexuality»: «Ich behaupte, dass heterosexuelle Männer gleich häufig wie homosexuelle Männer Sex mit Fremden hätten, an anonymen Orgien in öffentlichen Bädern teilnähmen oder auf dem Weg nach Hause für fünf Minuten Fellatio eine öffentliche Toilette aufsuchen würden, wenn die Frauen an diesen Aktivitäten interessiert wären. Frauen sind aber nicht daran interessiert.» In Homosexuellen soll sich also die wahre Natur von Mann und Frau kristallisieren.

Auch dagegen gibt es Argumente. Zum Beispiel stehen bei Lesbierinnen die Eigenschaften Status und Ehrgeiz nicht sehr hoch in der Rangliste der Eigenschaften von Wunschpartnerinnen. Die Wissenschaftsjournalistin Natalie Angier findet es in ihrem Buch «Women. An Intimate Geography» sonderbar, dass die Abneigung gegen anonymen Sex zwar als Erbe der Steinzeit in Lesbierinnen regieren soll, die Vorliebe für Partner mit Status und Ehrgeiz hingegen nicht.

Das Dilemma wird sich so schnell nicht überwinden lassen: Eine sachliche Diskussion über die Natur der Geschlechter setzt wohl voraus, dass Mann und Frau gleichberechtigte Partner in der Gesellschaft sind. Doch möglicherweise können sie das nur werden, wenn sie um ihre Natur wissen.
Zitieren
#2
Mhaaa, ich finds ja immer wieder toll wenn ich als Moderator alles lesen muß was irgendjemand seitenweise von irgendwoher hierhin kopiert *schnarch...* :sleepy2:
Gruß
Motte

Zitieren
#3
Sei lieber froh, dass ich dir Lesestoff besorge, sonst würde dir noch langweilig. :dodgy:
Da steht nix illegales drin, keine Sorge.
Zitieren
#4
Istabertrotzdemvielzulesen... meckermecker

Bin noch nicht durch und versuch es bereits ein drittes Mal.

() Tao-Ho
Zitieren
#5
Nur für die, dies interessiert. Zwinge keinen, es zu lesen...
Zitieren
#6
Icon_lol Schön sind die Witzchen, weil sie die Einwände schlaglichtartig einführen. Ich bin auch nicht unbedingt der Ansicht, dass wir uns dem Diktat der Gene bzw. den durch sie verursachten Neigungen unterwerfen müssten.
Andererseits: Wenn sich denn die große Masse gemäß Evolutionspsychologie verhält, dann wäre es wirklich nicht schade, wenn sich die Menschheit wegen Dummerhaftigkeit in den Abgrund der Entwicklungsgeschichte stürzt - und diese einen neuen Ansatz versucht --- irgendwann oder nie.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Zitieren
#7
Icon_wink Vor allem find ich die Beispiele einleuchtend und einfach verständlich.
Zitieren
#8
...zu beobachten ist...ohne sich Links und Artikel antun zu müssen...."an so manchen lieben Mitmenschen...sind Jahrtausende Evolution...erfolgreich vorbei marschiert....!"

Haben die Höhle...nie verlassen...Grunz...Kratz...Schnauff....!


Gruss China
das Wunderliche am Menschen ist, dass er sich erst besinnt, wenn es für Konsequenzen zu spät ist...!
Zitieren
#9
Männer sind gewalttätig, wollen junge Frauen und schnellen Sex; Frauen sind sanft, wollen reiche Männer und romantische Liebe. Das ist sexistisch, politisch unkorrekt - und wahr. So wie Männer im Durchschnitt grösser sind als Frauen, gehören die drei Unterschiede bei Gewalt, Partnerwahl und Sex zu den markantesten zwischen den Geschlechtern.

Und was willst du jetzt diskutieren? Ist doch alles ok, oder?
Zitieren


Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Einmischung in Angelegenheiten die nicht gesetzlich verboten sind Statesman 6 159 25-03-2024, 23:51
Letzter Beitrag: Ekkard
  Recht herzlich willkommen in Europa. Wann gehen Sie wieder zurück nach Hause? Sinai 2 224 15-01-2024, 12:39
Letzter Beitrag: d.n.
  Mehrheit der Österreicher will Ukraine nicht in der EU Sinai 3 214 13-12-2023, 12:25
Letzter Beitrag: Sinai

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste