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Erkenntnistheorie und Instinkt
#1
Hallo zusammen,

ich beschäftige mich gerade mit den ersten Schritten in der Erkenntnistheorie (Locke, Humes, Berkeley) und wundere mich immer mehr, dass alle drei von der Erkenntnis und Sicherheit aller Dinge nur in Verbindung mit Sinneswahrnehmungen sprechen. Emotionen kommt hier nicht vor, der Instinkt allerdings auch nicht.

Wenn der Geist laut deren Theorien zu seiner Geburt mit einem dunklen Raum vergleichbar ist, der durch Sinneswahrnehmungen gefüllt und diese durch den Geist in komplexe Ideen kombiniert wird, wo bleiben dann die Instinkte, die zumindest bei Tieren schon mit geburt vorhanden sind? Gibt es einen Philosophen, der diese mit einbezogen hat?
Gruß
Motte

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#2
Hm - möglich dass es da welche gibt, aber wohl in anderen Richtungen.
Nietzsche fiele mir da gerade ein... :icon_wink:

Aber grundsätzlich zur Frage: sind nicht Emotionen und (über Vererbung)
auch Instinkte das Ergebnis von Sinneswahrnehmungen?
() qilin
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#3
(30-10-2010, 10:28)qilin schrieb: sind nicht Emotionen und (über Vererbung)
auch Instinkte das Ergebnis von Sinneswahrnehmungen?

Inwiefern?
Ich komme zwar dorthin, dass die Erkenntnis der Umwelt von den Sinneswahrnehmungen abhängt und die Natur die Lebewesen ausmerzt, deren Sinne sich nicht optimal an ihre Bedingungen anpassen und aufgrund dessen nicht die "Dinge" ausschließlich den Sinn der Wahrnehmung verfolgen (Berkeley), sondern vielmehr wir und unsere Wahrnehmung der Dinge von der Natur um uns durch Selektion abhängt.
Aber inwiegern Instinkte das Ergebnis von Sinneswahrnehmung sein soll ist mir gerade unbekannt.

Ich erkläre mal das Beispiel, welches ich dazu im Kopf hatte:

Es gibt eine Schlangenart, welche lebende Nachkommen gebärt (keine Eier) und diese machen sich, ohne ihre Mutter jemals gesehen zu haben, ohne irgendetwas gelernt zu haben direkt auf und davon und jagen und kehren niemals zurück. Sie haben den Urinstinkt der jagd bereits und das bevor dieser "dunkle leere Raum" des Geistes irgendwie gefüllt werden konnte und auch wenn die Sinneswahrnehmungen vor der ersten Jagd stattfinden hat diese Schlange trotzdem noch nichts mit diesen Wahrnehmungen verbunden und dürfte laut Berkeley oder Locke noch nicht wissen, was diese Wahrnehmung von zB Licht, Bewegung oder auch das Gefühl des Hungers bedeutet und was daraus folgen muß.
Der Geist dieses Tieres kann also mit Geburt nicht leer sein, sondern es muss etwas bereits vorhanden sein, was nicht durch Wahrnehmung und Verbindung funktioniert.
Gruß
Motte

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#4
Wenn Berkeley tatsächlich behauptet, der Geist sei bei der Geburt absolut leer,
dann denke ich auch dass er irrt. Der Instinkt ist zweifellos bereits vorhanden -
noch deutlicher zu sehen bei Tieren die Eier legen, aber keine Brutpflege treiben
(Schildkröten, Krokodile etc.) - da 'wissen' die Jungen auch sofort, was sie 'zu
tun haben'...
Wie es zu dem kommt, da sehe ich zwei Möglichkeiten - entweder Gott/Mutter
Natur (oder so) legt den Instinkt gezielt in das Erbgut, oder der entwickelt sich
nach trial and error. Zumindest im letzteren Fall ist dazu Sinneswahrnehmung
über viele Generationen erforderlich - sonst wäre es wirklich nur 'blindes Tasten'
- im Erbgut landet er in beiden Fällen.
() qilin
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#5
(30-10-2010, 09:49)Schmettermotte schrieb: Hallo zusammen,

ich beschäftige mich gerade mit den ersten Schritten in der Erkenntnistheorie (Locke, Humes, Berkeley) und wundere mich immer mehr, dass alle drei von der Erkenntnis und Sicherheit aller Dinge nur in Verbindung mit Sinneswahrnehmungen sprechen. Emotionen kommt hier nicht vor, der Instinkt allerdings auch nicht.


George Berkeley lebte 1685 - 1753. Wie weit war die damalige Forschung bezüglich Insinkten bei Menschen als Mittel zur Erkenntnis,, wie weit war damals die Genforschung? (Fettung von mir).
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#6
@SchmetterMotte
Bleibt die Frage, was Locke, Humes, Berkeley mit "Erkenntnis" meinen. Bei (relativ) moderne Authoren wie einerseits Karl Popper (Erkenntnis der Forschung) und Gerhard Vollmer (Evolution und Erkenntnis) wird deutlich unterschieden zwischen Forschung und angeborenem Verhalten.
Ich denke, Erkenntnis im engeren Sinne kann man nur durch Reflexion von Erfahrung gewinnen. Selbstverständlich ist es dazu erforderlich, dass man Erfahrungen machen, bewerten und beispielsweise Sprache lernen kann.
In diesem engeren Sinne ist das Neugeborene noch zu keiner Erkenntnis fähig und hat auch noch keine aus der Erfahrung hergeleitete, reflektierte Erkenntnis.
Wenn man bei Vollmer nachliest, dann liegt allerdings dem geistigen Verhalten Neugeborener eine außerpersonale, menschheitliche (evolutionäre) Erfahrung zugrunde - wenn man also so will, eine gewisse Erkenntnis der menschlichen Umwelt mit einem darauf angepassten Verhaltensrepertoire (unter anderem Sprachlernverhalten).
Zurück zum Anfang: Ich denke, mit diesen grundlegenden, angeborenen biologischen "Techniken" von Kleinkindern haben sich die älteren Authoren überhaupt nicht beschäftigt.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#7
Vermutlich liegt das am Forschungsstand der damaligen Zeit. Wenn sich Erkenntnis sich auf die Wortbedeutung erkennen bezieht, ist es sicherlich abhängig von den Sinnesorganen. Nimmt man den Begriff als Zusammenfassung des sicheren Wissens über die Außenwelt könnte man ja theoretisch sagen, dass jedes Lebewesen diese Erkenntnis bereits mit, vll sogar schon vor der Geburt besitzt. In Form von Instinkten eben.
Gruß
Motte

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#8
Du bist wahrscheinlich auf einen Gegenstand der Philosophie gestoßen, bei dem auch Philosophen je nach Zeit und Stand der Forschung zu unterschiedlichen Schlüssen gekommen sind. Bei Gerhard Vollmer "Was können wir wissen - Beiträge zur evolutionären Erkenntnistheorie", Bd. 1, 2. Aufl. Hirzel Stuttgart 1988 Seite 168 fand ich folgende Tabelle:
Entwurf einer Tabelle
<meta name="description" content="Html-Entwurfsseite">
<meta name="author" content="Dr. Ekkard Brewig">
<meta name="keywords" content="Entwurf Tabelle">
<meta name="generator" content="Ulli Meybohms HTML EDITOR">
Woher stammt unser Wissen? Strenger Rationalismus: aus dem reinen Denken. Strenger Empirismus: ausschließlich aus der Erfahrung
Gibt es angeborene Ideen? Platon, Leibniz: ja! Locke: nein!
Gibt es synthetische Urteile a priori? Kant: ja, z.B. in Mathematik, Naturwissenschaft, Metaphysik, Ethik. Empirismus: nein, synthetische Aussagen sind immer a posteriori; apriorische Aussagen sind analytisch.
Gibt es perfektes (sicheres, absolutes, notwendiges) Wissen? Kant: ja, z.B. Newtons Dynamik und Gravitationstheorie Hypothetischer Realismus: nein, alle Erkenntnis ist hypothetisch. (Newtons Theorie ist sogar falsch.)
Gibt es induktive Schlüsse? F. Bacon, Mill, Carnap: ja! Hume, Popper: nein!
Was ist die Natur der logischen Gesetze? Sie sind ... die allgemeinsten Naturgesetze ("Onto-Logik", z.B. Leibniz). ... Denkgesetze ("Psycho-Logik", z.B. Arnauld)
... Strukturen gewisser argumentativer Sprachen ("Glosso-Logik", z.B. Popper).
Welches ist die Natur der Mathematik? Mathematik ist ... eine formale Wissenschaft.
... eine Naturwissenschaft
... eine Wissenschaft vom menschlichen Geist

Tab. 1: Erkenntnistheoretische Positionen können einander widersprechen.

Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#9
diese tabelle ist sehr interessant.
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