08-10-2011, 07:40
Das Wort von den drei Betrügern Moses, Jesus und Mohammed geisterte durch die Jahrhunderte des Mittelalters. Das schwere Geschütz wurde zur Denunziation des religiösen oder politischen Gegners in Stellung gebracht, um ihn der vollkommenen Gottlosigkeit anzuklagen. So geschah es Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen, der von Papst Gregor IX. 1239 beschuldigt wurde: "Dieser König der Pestilenz hat erklärt, die Welt sei von drei Betrügern, Moses, Jesus und Mohammed getäuscht worden."
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Im Zeitalter der Renaissance wurden auch jene Schriften der Spätantike wiederbelebt, die sich mit dem christlichen Glaubensbegriff und dem Versuch seiner rationalen Begründung auseinandersetzten. In diesem Milieu früher Aufklärung, wo Schriften religionskritischen Inhalts kursierten, war häufig von einem Werk "De tribus impostoribus" die Rede. Aber niemand hatte es gelesen.
Existierte es überhaupt? Endlich gelang es dem Prinzen Eugen, dem großen Feldherrn der Türkenkriege, zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine Handschrift zu ergattern. Und auch Königin Christina von Schweden, die ihren Staatsminister losgeschickt hatte, konnte schließlich einen Druck aus Amsterdamer Provenienz erwerben.
Warum sollen wir Gott verehren?
Zutage kam eine kurze, in lateinischer Schrift verfasste Abhandlung, die allerdings nicht hunderte von Jahren alt war, wie der Mythos nahegelegt hatte. Sie wurde Ende des 16. Jahrhunderts geschrieben und später ergänzt. Ihr Verfasser fragt sich, warum wir Gott verehren sollten. Hat er, der "Allmächtige", denn Verehrung nötig? Und kann man jemanden verehren, der uns kraft der Erbsünde in unserer Urteilsfähigkeit grundsätzlich eingeschränkt hat? Warum sollen wir den Religionsstiftern glauben?
Wir werden angehalten, für wahr zu halten, was nach Meinung der Gläubigen sich der Erkenntnis entzieht. Zentral für die Argumentation des Autors ist der Begriff des Zeugnisses. Während in den Offenbarungsreligionen Zeugnis mit Bekenntnis identifiziert wird, kommt es doch in einem Beweisverfahren darauf an, Zeugnis als zuverlässigen Bericht eines Dritten anzusehen. Und für keine der Offenbarungen existiert ein solcher unbeteiligter Beobachter.
Von großer Schärfe ist der ideologiekritische Aspekt der Schrift: Inwieweit stehen Religionsstifter im Verdacht des Betrugs? Ihr Verhalten legt diesen Verdacht nahe. Jesus etwa verspricht seinen Anhängern die Auferstehung und ein künftiges ewiges Leben, seine Gottessohnschaft wie auch seine Jungfrauengeburt soll ihn allem Irdischen entrücken. Wer zweifelt, wird durch die Wunder bekehrt. Moses selbst bediente sich erst okkulter Künste, um dann "mit der ungestümen Macht der Waffen die Kleinkönige Palästinas zu vertreiben und sich selbst zum Fürsten und Diktator des Volkes aufzuwerfen", heißt es da.
Wem nutzt allgemein gesprochen der Gottesdienst? Wer profitiert von der Angst der Gläubigen, der ewigen Verdammnis anheimzufallen? Dem Verfasser von "De tribus impostoribus" ist es klar: "Jedermann kann einsehen, dass er hauptsächlich für die Herrschenden und Reichen von Nutzen ist, wenn man auf die Religion eine gewisse äußere Rücksicht nimmt, um die Unbändigkeit des Volkes abzuschwächen."
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ww.taz.de/Glaubenskritik-revisited/!78480/
in der tat habe auch ich noch nie von diesem werk über die "drei betrüger" gehört, bevor ich christian semlers artikel las. vielleicht aber gibts ja hier jemanden, der mehr darüber weiß
auf jeden fall verblüfft schon die hellsichtigkeit und schärfe der analyse - nicht, weil die renaissancemenschen etwa keine scharfen denker gewesen wären, aber doch durch die deutliche wortwahl
und man sieht, wie wenig sich doch geändert hat. die kritik bleibt so aktuell, wie sie es bereits vor 500 jahren war
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Im Zeitalter der Renaissance wurden auch jene Schriften der Spätantike wiederbelebt, die sich mit dem christlichen Glaubensbegriff und dem Versuch seiner rationalen Begründung auseinandersetzten. In diesem Milieu früher Aufklärung, wo Schriften religionskritischen Inhalts kursierten, war häufig von einem Werk "De tribus impostoribus" die Rede. Aber niemand hatte es gelesen.
Existierte es überhaupt? Endlich gelang es dem Prinzen Eugen, dem großen Feldherrn der Türkenkriege, zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine Handschrift zu ergattern. Und auch Königin Christina von Schweden, die ihren Staatsminister losgeschickt hatte, konnte schließlich einen Druck aus Amsterdamer Provenienz erwerben.
Warum sollen wir Gott verehren?
Zutage kam eine kurze, in lateinischer Schrift verfasste Abhandlung, die allerdings nicht hunderte von Jahren alt war, wie der Mythos nahegelegt hatte. Sie wurde Ende des 16. Jahrhunderts geschrieben und später ergänzt. Ihr Verfasser fragt sich, warum wir Gott verehren sollten. Hat er, der "Allmächtige", denn Verehrung nötig? Und kann man jemanden verehren, der uns kraft der Erbsünde in unserer Urteilsfähigkeit grundsätzlich eingeschränkt hat? Warum sollen wir den Religionsstiftern glauben?
Wir werden angehalten, für wahr zu halten, was nach Meinung der Gläubigen sich der Erkenntnis entzieht. Zentral für die Argumentation des Autors ist der Begriff des Zeugnisses. Während in den Offenbarungsreligionen Zeugnis mit Bekenntnis identifiziert wird, kommt es doch in einem Beweisverfahren darauf an, Zeugnis als zuverlässigen Bericht eines Dritten anzusehen. Und für keine der Offenbarungen existiert ein solcher unbeteiligter Beobachter.
Von großer Schärfe ist der ideologiekritische Aspekt der Schrift: Inwieweit stehen Religionsstifter im Verdacht des Betrugs? Ihr Verhalten legt diesen Verdacht nahe. Jesus etwa verspricht seinen Anhängern die Auferstehung und ein künftiges ewiges Leben, seine Gottessohnschaft wie auch seine Jungfrauengeburt soll ihn allem Irdischen entrücken. Wer zweifelt, wird durch die Wunder bekehrt. Moses selbst bediente sich erst okkulter Künste, um dann "mit der ungestümen Macht der Waffen die Kleinkönige Palästinas zu vertreiben und sich selbst zum Fürsten und Diktator des Volkes aufzuwerfen", heißt es da.
Wem nutzt allgemein gesprochen der Gottesdienst? Wer profitiert von der Angst der Gläubigen, der ewigen Verdammnis anheimzufallen? Dem Verfasser von "De tribus impostoribus" ist es klar: "Jedermann kann einsehen, dass er hauptsächlich für die Herrschenden und Reichen von Nutzen ist, wenn man auf die Religion eine gewisse äußere Rücksicht nimmt, um die Unbändigkeit des Volkes abzuschwächen."
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ww.taz.de/Glaubenskritik-revisited/!78480/
in der tat habe auch ich noch nie von diesem werk über die "drei betrüger" gehört, bevor ich christian semlers artikel las. vielleicht aber gibts ja hier jemanden, der mehr darüber weiß
auf jeden fall verblüfft schon die hellsichtigkeit und schärfe der analyse - nicht, weil die renaissancemenschen etwa keine scharfen denker gewesen wären, aber doch durch die deutliche wortwahl
und man sieht, wie wenig sich doch geändert hat. die kritik bleibt so aktuell, wie sie es bereits vor 500 jahren war
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)