Ich möchte hier mal eine Diskussion darüber beginnen, über welchen Weg sich unsere heutige Gesellschaft entwickelte und welche Rolle dabei im speziellen das Christentum einnimmt.
Vielfach hört man von christlicher Seite dass vor allem die moralischen Aspekte unserer heutigen Zeit (allem voran die Nächstenliebe) auf das Christentum zurückzuführen sind.
Von anderer Seite hingegen hört man, dass Christentum sei zu einem Großteil auch Bremse gewesen und viele unserer heutigen Ansichten (zb. die Menschenrechte) seien trotz Gegenwehr von christlicher Seite entstanden.
Wie seht ihr? Welchen Stellenwert nimmt das Christentum für die Entwicklung hin zu unserer heutigen Gesellschaft ein?
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Fragen nach solchen Beurteilungen sind schwer zu beantworten. Man findet in zahlreichen "sozialen Errungenschaften" christliche Elemente (Kinderbetreuung, Schulbildung für alle, Krankenhäuser, Altenheime und -pflege, Sterbebegleitung, Familienbegleitung, psychische Beratung und Betreuung, Teile der Gesetzgebung und der Menschenrechte). Selbstverständlich gibt es die Beispiele, wo der Kirche jene Freiheiten abgetrotzt wurden, die den römischen Katholiken noch immer vorenthalten werden, sofern sie ihre Kirche in allen Punkten ernst nehmen.
Darüber hinaus fällt mir die historische Entwicklung vom römischen Kaisertum zum so genannten "heiligen römischen Reich deutscher Nation" ein, dessen Staatsdoktrin (seit dem 4. Jahrhundert) Jesus als Weltenherrscher annahm und den weltlichen Herrschern die Legitimation ihrer quasi Alleinherrschaft gewährte.
Es ist müßig, zu behaupten, dies alles wäre auch ohne christliche Elemente entwickelt worden, oder es sei nur auf der christlichen Basis denkbar.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Die Lehre Jesus hat mit Sicherheit eine besondere Bedeutung. Ich möchte damit sagen, die ursprüngliche Form seiner Lehre. In Kurzform: „Was du säst, wirst du ernten“. Leider wurde über Jahrhunderte seine Lehre durch die Amtskirche in ihrem Sinne ausgelegt. Dies bedeutet in erster Linie die Absicherung von Macht und Einfluss. Einen guten Einblick in ihre Taktik liefert das Buch „Wer lügt – Gott oder die Kirche?“.
Das Hauptproblem der Amtskirche heute ist der aufgeklärte und denkende Mensch. Je intensiver man sich mit dieser Materie beschäftigt, desto größer wird die Distanz zur Amtskirche. Das Bedeutet jedoch keineswegs glaubenslos zu werden, sondern persönlich im christlichem Sinne den Weg zu finden, der der ursprünglichen Idee Jesus nahe kommt. Sehr interessant in diesem Sinne war für mich das Buch „Überzeugung statt Religion“.
Es ist jedoch ratsam auch die Kerninhalte anderer Religionen mit Achtung zu betrachten und zu hinterfragen. Ein für mich bedeutender Religionsrepräsentant ist der Dalai Lama. Hier seine Ansicht in Kurzform: „Liebe, Mitgefühl und Toleranz sind Notwendigkeit, nicht Luxus. Ohne sie kann der Mensch nicht überleben. Wenn Du einer bestimmten Überzeugung oder Religion angehörst, so ist dies gut. Aber Du kannst auch ohne sie überleben, wenn Du Liebe, Mitgefühl und Toleranz besitzt. Der klare Beweis für die Gottesliebe eines Menschen ist, dass dieser seinen Mitmenschen echte Liebe zeigt.“
Im Dekalog steht, den/deinen Nächsten lieben wie sich selbst. Auf die Gesellschaft und auf den Einzelnen übertragen: "Du kannst am anderen nicht vorbeileben". Achte das Eigentum des Nächsten. Achte deine eigene menschliche Ökologie, ruh dich aus, .... usw.
So gesehen sind Christen permanent gefordert, produktiv und positiv an der Entwicklung einer Gesellschaft bei zu tragen. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Der Christ ist in der Welt und somit trägt er Verantwortung.
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(11-12-2011, 22:37)Theodora schrieb: Im Dekalog steht, den/deinen Nächsten lieben wie sich selbst
wo denn?
hab ich übrigens schon mal gefragt
mir ist das aus der bergpredigt bekannt, in den 10 geboten, die man mir beigebracht hat, steht davon nix
(11-12-2011, 22:37)Theodora schrieb: So gesehen sind Christen permanent gefordert, produktiv und positiv an der Entwicklung einer Gesellschaft bei zu tragen. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Der Christ ist in der Welt und somit trägt er Verantwortung
was ja nichts besonderes oder auf christen beschränktes wäre - wo in dieser selbstverständlichkeit nun also eine besondere "Bedeutung des Christenums für die Entwicklung unserer Gesellschaft" sein soll, weiß ich nicht
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
(12-12-2011, 09:34)petronius schrieb: mir ist das aus der bergpredigt bekannt, in den 10 geboten, die man mir beigebracht hat, steht davon nix
Das 5. Gebot ist Nächstenliebe. Mit dem 2. Gebot zusammen erfüllt man alle 10. Es sei denn, man ist Jude, dann ist kein Jota ihrer selbstgemachten "Zusatzgesetze" aufgehoben.
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12-12-2011, 18:16
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 12-12-2011, 18:36 von Artist.)
nächstenliebe oder eher ich liebe dich demnächst, aber ich weiss nicht wann... (?)
das ist die große frage... im "christentum".
nächstenliebe ist wohl eines der populärsten gebote, aber auch eins der schwierigsten glaub ich.
manche strecken der politischen kirche, hatte mit dem gebot anscheinend nicht sehr viel zu tun und somit
war dieses gebot wohl in anführungszeichen und in 20 % grau abgedruckt.
aber es ist auch schwierig, wenn man jemanden als satan verurteilt und verbrennt, ihm gleichzeitig
nächstenliebe zu attestieren - nur weil sie rote haare hat, oder ein streichholz entzündet hat.
die inquisition war wohl die "anti nächstenliebe" in ihrer populärsten form.
oder dieser ganze provisorische massaker gegenüber den millionen indianern um nacher aus diesem boden heraus,
eine demokratisch - befreite - befreiende
bewegung für die ganze welt zu machen........ ein blutbad das liebe erzeugen soll, na lecker.
und aus diesem raum, kommen jetzt freiheitsgesänge, verbindlich für die gesammte welt.
wer nicht da mitspielt, gehört auch zu der achse des bösen. warscheinlich wie die indianer damals...
oder den ganzen schwarzen: "ich liebe dich demnächst statt nächstenliebe", sollte bei manchen menschen dieses gebot heißen,
nachdem die schwarzen ab den 60ern irgendwo ihre rechte bekommen haben. und vorher in den regionen slaverei betrieben haben,
wo warscheinlich noch irgendwo eine kleine gemeindekirche lag, wo "gott" ihre sünden selbstverständlich durch die beichte verziehen hat
und trotzdem in den süßen blauen himmel kamen. am nächsten tag der schwarze wieder den keller putzen durfte.
oder die indianer ab den 50er
jahren wieder ihre stammestänze machen durften ohne auf den liebesstuhl mit stromschlag zu kommen.
was aber nicht heißt das religiöse aus dieser strömung, was mit diesen inhalten nichts anfangen konnten.
ich kenne christen die sich damit üben, aber die liegen nicht so in der öffentlichkeit wie z.b eine kirche.
und eben diese erbe, was diese politische "kirche" sich angeeignet hat und manisch damit experementiert hat - wird ihn jetzt einiges kosten.
und ob die aus dem sumpf wie ein phönix herausgleiten können, bleibt fraglich.
Teile des Inhaltes des Dekaloges habe ich zusammengefasst, dabei ein Zitat/Wortlaut aus der Bergpredigt herangezogen und eingefügt. Texte korrespondieren. Wenn ich achtsam mit meinem/dem Nächsten bin, werde ich wohl kaum sein Eigentum stehlen und Mobbing schließt sich ebenfalls aus.
Die jüdisch, christliche Ethik bietet ein wunderbares Fundament für den Umgang miteinander. Entfeindet leben, Achtsamkeit und vieles mehr, was für ein gutes Zusammenleben hilfreich ist, entspringt diesen Quellen, jüdischen wie christlichen. Und dabei wird Wachstum möglich, wie sonst denn auch?
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(12-12-2011, 12:57)indymaya schrieb: [Das 5. Gebot ist Nächstenliebe
du meinst
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf daß du lange lebest in dem Lande, daß dir der HERR, dein Gott, gibt
nach ex 20,12
bzw.
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, wie dir der HERR, dein Gott, geboten hat, auf daß du lange lebest und daß dir's wohl gehe in dem Lande, das dir der HERR, dein Gott, geben wird
nach dtn 5,16?
nun, das scheint mir doch eine recht enge auslegung von "nächsten"
(12-12-2011, 12:57)indymaya schrieb: Mit dem 2. Gebot zusammen erfüllt man alle 10
also
Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht mißbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht
nach ex 20,12
bzw. nach dtn 5,11?
nun, das scheint mir doch eine recht eigenwillige zusammenfassung
(12-12-2011, 12:57)indymaya schrieb: Es sei denn, man ist Jude, dann ist kein Jota ihrer selbstgemachten "Zusatzgesetze" aufgehoben
wie meinen?
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zuvor: ich schließe mich deinem beitrag als ganzes an
(12-12-2011, 18:16)Artist schrieb: nächstenliebe ist wohl eines der populärsten gebote, aber auch eins der schwierigsten glaub ich
auf jeden fall
populär:
weil es ja - eigentlich - auch das einleuchtendste ist: liebten nur alle einander, müßte die welt doch besser sein, als sie nun mal offensichtlich ist
schwierig:
weil die kunst darin besteht, die so ja erst mal abstrakte "nächstenliebe" in konkrete handlungsmuster umzusetzen. was bekanntlich nicht ohne konflikte abgeht, aber dennoch unerläßlich ist. ob und inwiefern man das religiös verbrämt, ist imho sekundär
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(12-12-2011, 18:22)Theodora schrieb: Teile des Inhaltes des Dekaloges habe ich zusammengefasst, dabei ein Zitat/Wortlaut aus der Bergpredigt herangezogen und eingefügt
muß ich wohl überlesen haben
(12-12-2011, 18:22)Theodora schrieb: Texte korrespondieren. Wenn ich achtsam mit meinem/dem Nächsten bin, werde ich wohl kaum sein Eigentum stehlen und Mobbing schließt sich ebenfalls aus
aber gilt denn auch der umkehrschluß?
ok, klauen und "schlecht zeugnis reden" sind verboten, schwule diskriminieren oder steinigen aber sogar geboten
(12-12-2011, 18:22)Theodora schrieb: Die jüdisch, christliche Ethik bietet ein wunderbares Fundament für den Umgang miteinander. Entfeindet leben, Achtsamkeit und vieles mehr, was für ein gutes Zusammenleben hilfreich ist, entspringt diesen Quellen, jüdischen wie christlichen. Und dabei wird Wachstum möglich, wie sonst denn auch?
ohne grundsätzlich widersprechen zu wollen (es kommt halt immer darauf an, was man für sich persönlich aus diesen "Quellen, jüdischen wie christlichen" schöpft) - das kann man ja auch aus vielen anderen quellen schöpfen und ist kein alleinstellungsmerkmal des "jüdisch/christlichen"
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Du kannst mir immer widersprechen, nachfragen, anzweifeln. Die christliche wie jüdische Ethik gibt Anleitung und Impulse, wie das Miteinander gelingen kann. Ob und wie das vom Einzelnen gelebt wird, steht auf einem anderen Blatt.
Leiharbeit innerhalb der kirchlichen Einrichtungen - Diakonie, Caritas - halte ich für ethisch höchst fragwürdig, sogar sittenwidrig.
(12-12-2011, 23:21)petronius schrieb: wie meinen?
Deine persönliche Nummerierung in Ehren.
In neueren Büchern des Christentums steht 1. Beten / 2. Gottesehre / 3. Sonntag / 4. Eltern / 5. Nächstenliebe /
6. Schamhaftigkeit / 7. Eigentum / 8. Wahrheit / 9. Pflicht / 10. Verzichten.
Um aber nicht in Zahlenklaubereien zu verfallen wiederhole ich das
von Jesus gesagte (Mt. 22, 34-40), daß Gottesehre und Nächstenliebe alle Gebote und die Propheten erfüllt.
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(13-12-2011, 08:03)Theodora schrieb: Du kannst mir immer widersprechen, nachfragen, anzweifeln. Die christliche wie jüdische Ethik gibt Anleitung und Impulse, wie das Miteinander gelingen kann
natürlich. das hat jegliche ethik so an sich
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(13-12-2011, 20:27)indymaya schrieb: Deine persönliche Nummerierung in Ehren
wieso "persönlich"?
ich habe die bibel zitiert
(13-12-2011, 20:27)indymaya schrieb: In neueren Büchern des Christentums steht 1. Beten / 2. Gottesehre / 3. Sonntag / 4. Eltern / 5. Nächstenliebe /
6. Schamhaftigkeit / 7. Eigentum / 8. Wahrheit / 9. Pflicht / 10. Verzichten
wo genau?
und ist auf einmal nicht mehr die bibel deine grundlage?
ich weiß, daß die zählweise der 10 gebote in verschiedenen denominationen auch unterschiedlich ist. ://www.ekd.de/glauben/zehn_gebote.html z.b. sagt:
Das fünfte Gebot
Du sollst nicht töten
den anderen nicht umzunieten ist für dich bereits der inbegriff der nächstenliebe?
auch sonst scheint mir deine neuformulierung recht eigenwillig
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